Inside Austria: Kurz und der Boulevard (2/2): Systemversagen?

DER STANDARD DER STANDARD 4/15/23 - Episode Page - 32m - PDF Transcript

Das Hauptgeheimnis, es ist kein Geheimnis, weil es jeder sieht im Grunde, aber ich sage trotzdem

Geheimnis, weil es eigentlich niemand nachmacht, um so erfolgreich zu sein, ist dem Leser nahe zu sein.

Das ist Hans Dichand. Wir haben ihn in der letzten Folge schon einmal gehört. Die Aufnahme stammt aus einem 20 Jahre alten Dokumentarfilm.

Darin erklärt der mittlerweile verstorbene, ehemalige Herausgeber der Kronen-Zeitung, wieso sein Blatt bis heute von fast jedem 4. Mensch in Österreich gelesen wird.

Das ist eigentlich dasselbe, dass man von einem Politiker verlangt. Auch ein Politiker soll ja seinem Wähler nahe sein.

Doch Österreichs Politiker sollen vor allem einem nahe gewesen sein. Den Boulevard-Zeitung in dem Land, allen voran der Kronen-Zeitung.

Neue Vorwürfe der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft bekräftigen den Verdacht.

Sebastian Kurz und seine Vertrauten sollen sich gute Berichterstattungen gekauft haben.

Es gibt den Verdacht, dass hier einfach Deals gemacht werden, hier Steuergeld, Regierungsinserate, da freundliche Berichterstattung oder zumindest die Unterlassung von kritische Berichterstattung.

Doch wie konnte diese gefährliche Nähe zwischen Politik und Medien überhaupt entstehen?

Also gerade wenn man sich die 80er, 90er Jahre anguckt, habe ich manchmal das Gefühl, in Österreich wird eine Zombielandschaft am Leben gehalten.

Ich bin Lucia Heisterkamp vom Spiegel und ich bin Antonia Raut vom Standard.

In dieser Folge von Inside Austria schauen wir uns weiter an, wie Sebastian Kurz und sein Team mutmaßlich Österreichs Boulevard kaufen konnten.

Wir wollen herausfinden, ob das System dahinter zu Korruption verleitet.

Und wir fragen, wie sich der Medienmarkt in Österreich verändern müsste, um illegale Deals und Machtmessbrauch zu verhindern.

Bevor es losgeht nach einem kurzer Hinweis, das ist schon die zweite Folge, in der wir uns mit den neuen Chats und um die ÖVP-Korruptions-Ermittlungen beschäftigen.

Fast Sie die erste Folge noch nicht gehört haben, fangen Sie am besten damit an.

Und es geht in dieser Folge auch wieder um schwere strafrechtliche Vorwürfe.

Für alle genannten Personen gilt die Unschuldsvermutung.

Also Steuergeld gegen positive Berichterstattung.

So lautet der zentrale Vorwurf der Wirtschafts- und Korruptionstaatsanwaltschaft gegen die beiden Medienunternehmen heute und Kronenzeitung.

Es geht um mutmaßliche Korruption und die Frage, wo das Steuergeld zugunsten des Aufstiegs von Sebastian Kurz verwendet.

Eva Dichern währt sich momentan recht energisch gegen diese Vorwürfe.

Sie hat sich mit der Person beschäftigt, die im Fokus der neuesten Ermittlungen steht.

Eva Dichern, Herausgeberin der Gratiszeitung heute und Ehefrau des Herausgebers der Kronenzeitung.

Oft wieder hat sie dazu mehrere Nachrichten abgesetzt, in denen sie alles bestreitet.

Es sind vor allem Eva Dicherns Chat-Nachrichten, die Hinweise geben auf die mutmaßlichen Inseratendeals zwischen dem Team Kurz und den Zeitungen heute und Kronen.

Sie schreibt die Vorwürfe sein falsch in Großbuchstaben und kommentiert auch Artikel, die über sie verfasst wurden bzw. über diese ganze Causa.

Wie jämmerlich hat sie da irgendwie einen Text des Falters über die Ausweitung der Inseratener Fähre jetzt in ihre Richtung kommentiert.

Aus Teilen statt Einstecken lautet offenbar die Strategie, die Eva Dichern in dieser Krise verfolgt.

Einen anderen Artikel, einen Kobogartikel, der davon handelt, dass eben nicht nur der Boulevard ganz üppige Inseratengelder bekommen hat.

Den hat sie mit den Worten kommentiert, vielleicht haben ja alle Medien Kurzschmidt bestochen, mit Zwinke Smiley hinten dran.

Was an diesen Vorwürfen dran ist, dazu kommen wir noch.

Aber bleiben wir noch ein bisschen bei Eva Dichern, denn es ist gar nicht so leicht, diese Frau richtig greifbar zu machen.

Eva Dichern ist bestimmt einer der mächtigsten Menschen in der österreichischen Medienszene.

Ihre Zeitung heute zählt immerhin zu den wichtigsten Boulevardmedien in Österreich.

Die Gratiszeitung hat die dritthöchste Leserinnenzahl unter den Tageszeitungen.

Eva Dicherns Aufstieg im Mediengeschäft war allerdings alles andere als vorhersehbar.

Geboren wurde sie in Graz, sie ist die Tochter von einer Apothekerin und einem Zivilingenieur, also sie kommt aus, ich würde sagen, bürgerlichen Verhältnissen.

In die Fußstapfen ihrer Eltern zu treten, darauf scheint sie damals aber keine Lust zu haben.

Sie wollte offenbar unbedingt raus aus Graz und mehr von der Welt sehen und hat dann Handelswissenschaften der Wirtschaftsuniversität Wien belegt.

Das Studium zieht Eva Dichern durch, macht ihren Doktor und steigt dann ins Berufsleben ein.

Und sie wählt einen ziemlich fordernden Karrierepart, Investmentbanking.

Für eine Bank, dann für eine Investmentfirma. Im Jahr 2002 ändert sich ihr bisheriger Karriereentwurf interessanterweise durch eine E-Erschließung.

Sie heiratet Christoph Dichern, den jüngsten Sohn des Gründers der Kronenzeitung Hans Dichern.

Und wird somit plötzlich Teil einer österreichischen Mediendynastie, in die sie dann auch selbst ganz aktiv einsteigt.

Wie wir bereits wissen, versteht sich Eva Dicherns sehr gut mit ihrem Schwiegervater.

Dieser ist Anfang der 2000er Jahre überzeugt davon, dass Gratiszeitungen das Modell der Zukunft sind.

2004 steigen die Dicherns dann in diesen Wirtschaftszweig ein.

Da gründet Wolfgang Janski, ein ehemaliger SPÖ-Presse-Sprecher, die Gratiszeitung heute.

Wem die heute gehört? Das ist über Jahre nicht leicht zu durchschauen.

Hinter der Zeitung verbirgt sich ein kompliziertes Konstrukt aus Privatstiftungen und Treuhandverhältnissen.

Eva Dichern tritt ab 2005 als Geschäftsführerin auf.

Erst sieben Jahre später legt sie offen, dass sie über eine Privatstiftung auch de facto Mehrheitseigentümerin ist.

Heute hält sie über zwei Stiftungen knapp ein Viertel der Anteile.

Auf dem Papier ist mittlerweile die Schweizer Mediengruppe Tamedia Mehrheitseigentümer.

Die Zügel im operativen Geschäft hält offenbar aber immer noch Eva Dichern in der Hand.

Auch Tamedia weist übrigens den Vorwurf der Gefälligkeitsberichterstattung zurück.

Dass Eva Dichern an der Spitze einer Tageszeitung landete, war also eher ein Zufall.

An Ehrgeiz fehlt es hier dort aber anscheinend nicht.

Es gibt diese Anekdote oder Geschichte, dass Eva Dichern das war im Dezember 2021

mit Kollegen und Mitarbeitern auf der Terrasse vom Verlagsgebäude da heute stand

und mit denen er auf Weihnachten angestoßen hat.

Und kurz davor, einige Tage zuvor, ist bekannt geworden, dass die heute jetzt in der Online-Reichweite

die Kronezeitung überholt hat. Anwesende haben mir erzählt, dass sie Eva Dichern selten so stolz erlebt haben.

Die Anekdote zeigt einerseits, wie wichtig Eva Dicherns der Erfolg, die Reichweite ihres Mediums ist.

Sie verrät aber auch etwas über sie als Mensch. Die Geschichte ist vor allem deshalb so bezeichnend

oder beschreibt sie auch ganz gut, weil es hat nicht nur die heute damals die Krone überholt,

sondern vor allem Eva Dichern ihren eigenen Mann.

Einerseits ist Eva Dichern also die getriebene Managerin mit Unternehmergeist.

Gleichzeitig ist sie irgendwie auch Teil der Wiener Society.

Die Wiener Society, also die Welt der Reichen und Schönen.

Modenschauen, Charity-Eventspelle. Dort fühlt sich Eva Dichern offenbar wie zu Hause.

Das merkt man auch, wenn man sich ihren Instagram-Auftritt anschaut.

Sie betreibt zum Beispiel nicht nur ihr eigenes Instagram-Profil, sondern auch eins für ein Hund.

Der heißt Mr. Cupcake und ist eine französische Bulldogge.

Den sieht man dann irgendwie mit kleinen Hunde-Burberry-Kostümchen zum Beispiel angezogen

oder auf Urlaub kuschelnd mit seinem Frauchen.

Sie selbst zeigt sich auf ihrem Profil, auf Partys und Fashion Shows, in wirklich teuren Klamotten

und sehr viel Kunst.

Kunstsammeln, das ist nämlich Eva Dicherns große Leidenschaft.

Na ja, eben am Anfang habe ich das nicht des Sammeln gesehen,

sondern haben nur hier und da was gekauft, das mir gefallen hat.

Man rutscht dann so rein ins Sammeln, also man kann gar nicht sagen,

weil man wirklich zum Sammeln anfängt.

Manche Sammler sagen, man fängt zum Sammeln an, wenn man keinen Platz mehr hat, das aufzuhängen.

Platz zum Aufhängen sucht sich Eva Dicherns, deshalb zum Beispiel auch im Verlagsgebäude der Heute.

Ja, das ist wirklich fast eine Art zeitgenössisches Museum.

Da hängen unzählige Werke, irgendwie zwischen 50 und 100, genau nachgezählt hat es offenbar niemand, auch nicht die selbst.

Abgesehen von der künstlerischen Gestaltung legt Eva Dicherns am Arbeitsplatz aber angeblich eine professionelle Distanz an den Tag.

In ihrer eigenen Redaktion wird sie nur als Frau Doktor oder Frau Doktor Dichern bezeichnet.

Sie ist selbst mit jahrelangen Mitarbeitern per sie wie alle Betreuer.

Mit redaktionellen Beiträgen hat Eva Dichern kaum etwas zu tun, behaupten ihre Angestellten.

Und wenn sie sich in der Redaktion einmischt, so heißt es zumindest in der Heute,

dann geht es um Lifestyle-Themen, dann würde sie Dinge vorschlagen wie einen Bikini-Contest für den Sommer,

in dem dann die Leser und Leserinnen abstimmen können.

Manchmal fordert sie so Dinge wie, es braucht wieder mehr Kim Kardashian und mehr Heidi Klum auf der Seite.

Die Vorwürfe, die jetzt im Raum stehen, die behaupten aber etwas ganz anderes.

Eva Dicherns soll der ÖVP gute Berichterstattung in der Heute zugesagt haben

und im Gegenzug Inseratenschaltungen und Mitsprache bei Gesetzen bekommen haben.

Das behaupten die Korruptionsermittler und berufen sich dabei auf Chatnachrichten

und die Aussage des ex-Kurzvertrauten Thomas Schmidt.

Und es ist nicht das erste Mal, dass einem Dichern-Medium zu viel Nähe zur Politik unterstellt wird.

Das Hauptgeheimnis, es ist kein Geheimnis, weil es jeder sieht im Grunde,

aber ich sage trotzdem Geheimnis, weil es eigentlich niemand nachmacht, um so erfolgreich zu sein,

ist dem Leser nahe zu sein.

Hans Dicherns, wir haben den mittlerweile verstorbenen Gründer der Krone Zeitung schon erwähnt.

Keiner hat den Boulevard in Österreich wohl so geprägt wie er.

Das ist eigentlich dasselbe, dass man von einem Politiker verlangt.

Auch ein Politiker soll ja seinem Wähler nahe sein.

Dicherns wollte aber nicht nur seiner Leserschaft nahe sein, sondern auch der Politik.

Ich habe erst vor ein paar Tagen einen früheren ÖVP-Minister gesprochen,

der geschrieben hat, was tatsächlich zumindest lange Zeit Usus war,

nämlich dass neue Minister angetreten sind zum Antrittsbesuch bei Hans Dicherns.

Hier hören Sie unseren Kollegen Oliver das Gupta, Autor beim Standard und beim Spiegel.

Und das lief immer ähnlich ab.

Es gibt am Stadtrand in der Mutgasse dieses Hochhaus der Krone Zeitung

und da gibt es einen Aufzug, mit dem fährt man dann hoch direkt ins Büro des Herausgebers.

Und früher hat dann Hans Dicherns dort die neuen Amtsträger sozusagen sich zur Brust genommen.

Und dieser ehemalige Minister, der hat mir geschildert, wie Hans Dicherns ihm sagte,

wenn sie schön EU-kritisch sind, dann kommen wir besser zusammen.

Die politische Haltung von Hans Dicherns ging nämlich stark in Richtung Rechtspopulismus.

EU-skeptisch, ausländerfeindlich, das waren seine Positionen

und wer die vertrat, wurde mit wohlwollender Berichterstattung belohnt.

Das ist an sich noch nicht strafbar.

Aber es zeigt einfach so das Selbstverständnis gerade des alten Dicherns.

Belohnt wurde allerdings auch wer die Krone finanziell unterstützte, durch Regierungsinserrate.

Denn diesen Deal anzeigen gegen positive Berichte, den hat mutmaßlich nicht die ÖVP erfunden.

Feimann hat das eigentlich gewissermaßen ins 21. Jahrhundert gebracht, also der hat das sehr dreist betrieben.

Das ist unser Kollege Fabian Schmidt, leitender Redakteurinvestigativ beim Standard

und auch Experte für innenpolitische Themen.

Er spricht hier von Werner Feimann, der von 2008 bis 2016 österreichischer Bundeskanzler war.

Und zwar für die Sozialdemokraten, die SPÖ.

Die Beziehung zu Krone war eine sehr enge.

Es gab ja teilweise sogar die Gerüchte, dass er Kronegründer Hans Dichern als Onkel anspricht,

was aber mehrfach von sich gewiesen hat.

Die gute Beziehung machte sich jedenfalls sowohl für Feimann als auch für Dichern bezahlt.

Jedes Mal, wenn Feimann ein neues Amt antrat,

stieg das Anzeigevolumen des jeweiligen Ressorts sprunghaft an.

Im Gegenzug für die üppigen Inserate berichtete die Kronenzeitung äußerst wohlwollend über Feimann.

Er bekam sogar eine eigene Kolumne im Blatt, schon als er noch Wohnbaustadtrat in Wien war.

Als Feimann dann 2008 als Bundeskanzler kandidierte,

trieb es die Kronenzeitung mit ihren positiven Berichten besonders weit.

Sogar in der beliebten Tierecke im Blatt wurde die Werbetrommel gerührt.

Ein Artikel über die Tierschutzpläne der verschiedenen Kandidaten

kam zu dem Schluss, dass Tiere Werner Feimann wählen würden.

Feimann verfasste im Gegenzug einen denkwürdigen Brief an Dichern, den die Kronenzeitung auch veröffentlichte.

Darin versprach er, in der EU-Politik mehr oder weniger nach Dicherns Vorstellungen zu handeln.

Dieses Nahverhältnis funktionierte für beide Seiten.

Feimann wurde Kanzler, die Krone bekam immer mehr Inserate.

Bis 2011 Korruptionsvorwürfe gegen Feimann laut wurden.

Es gab damals auch schon Versuche, das irgendwie strafrechtlich zu verfolgen, die es in der Arbeit gescheitert.

Damals gab es eben keine Chats, die geheime Absprachen zwischen Feimann und der Krone nachweisen konnten.

Und es gilt natürlich die Unschuldsvermutung.

Aber die starke Nähe zwischen Feimann und dem Boulevard, die streitet niemand ab.

Er wurde sogar als Kanzler von Dicherns Gnaden bezeichnet.

Das dürfte das Team kurz sehr genau studiert haben, wie das funktioniert und wie mächtig und wichtig der Einfluss des Boulevards und eine positive Berichterstattung ist.

Und wohin das führte? Darüber haben wir in der letzten Folge ausführlich gesprochen.

Was wir uns an dieser Stelle aber fragen, wenn es schon unter Feimann mutmaßliche Deals gab und kurz das Ganze dann auf die Spitze getrieben hat.

Wieso kann man in Österreich überhaupt Regierungsinserate gegen gute Berichterstattung tauschen?

Gibt es außerirdisches Leben?

Haben Tiere ein Bewusstsein?

Können wir durch die Zeit reisen?

Es gibt so viele große Fragen, die uns Menschen seit Jahrtausenden beschäftigen.

Aber erst jetzt kann die Wissenschaft Antworten daraus liefern.

Oder neue Rätsel entdecken?

Ich bin Tanja Traxler.

Und ich bin David Renert.

Im Standard-Podcast Rätsel der Wissenschaft gehen wir großen Fragen der Menschheit auf die Spur.

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Und wo die Mathematik an ihre Grenzen stößt.

Rätsel der Wissenschaft, jeden Mittwoch eine neue Folge.

Überall wo es Podcast gibt.

Österreich ist ein winziger Medienmarkt und hat aber zugleich eine hohe Medienvielfalt.

Das ist Martin Kottineck, Chefredakteur des Standard.

Er kennt Österreichs Medienmarkt also ziemlich gut.

Und der hat vor allem eine Besonderheit.

Für ein kleines Land mit 9 Millionen Einwohnern gibt es sehr viele Zeitungen.

Da sind allein die drei Boulevard-Medien, über die wir schon ziemlich viel gesprochen haben.

Also Kronenzeitung heute und UE24.

Dann gibt es die großen Tageszeitungen wie den Standard, die Presse, den Kurier.

Und regionalere Blätter wie die Kleine Zeitung, die Salzburger Nachrichten und die Tiroler Tageszeitung.

Hinzu kommen noch Wochenzeitungen wie der Falter.

Kurz und gut, Österreich hat, gemessen an seiner Einwohnerzahl, eine ziemlich breite Medienlandschaft.

Das Problem ist allerdings, dass sehr viele Zeitungen auf offenbar zu wenig Leser treffen, die die auch kaufen könnten.

Und deshalb braucht der Medienmarkt in Österreich staatliche Unterstützung, damit eben diese Vielfalt erhalten bleibt.

Zeitungen in Österreich bekommen aus diesem Grund im Vergleich zu anderen Ländern relativ viel Geld vom Staat.

Und normalerweise würde man sich das wahrscheinlich so vorstellen.

Es gibt einen Topf für Presseförderung und daraus erhalten dann Medienhäuser nach bestimmten Kriterien Gelder.

Also zum Beispiel nach ihrer Reichweite. So ist es aber nicht.

Das Problem ist, dass der Großteil in Österreich über sogenannte Regierungsinserate vergeben wird.

Und davon aber wiederum mehr als die Hälfte an den Boulevard.

Wir wissen ja, die Anzeigenschaltungen des Finanzministeriums bei heute, Kronen und UE24

sind in der Regierungszeit unter Sebastian Kurz ziemlich stark angestiegen.

Dass die Boulevard-Medien sehr viel Geld vom Staat bekommen, das ist aber nicht erst seit Sebastian Kurz so.

Und daran hat sich ja auch bis heute nicht viel geändert.

Wenn man sich zum Beispiel die Zahlen aus dem Jahr 2021 anschaut.

Von 28 Millionen Euro an staatlichen Werbebuchungen sind über die Hälfte an Krone heute und UE24 gegangen.

Also insgesamt gehen 16 Millionen Euro an Regierungsinseraten an den Boulevard.

Zum Vergleich. Der Standard hat demselben Zeitraum 1,5 Millionen Euro bekommen.

Jetzt könnte man vielleicht denken, dass die Verteilung der Gelder etwas damit zu tun hat,

wie viele Leserinnen und Leser die jeweiligen Zeitungen haben. Das ist aber nicht so.

Die Zeitungen in Österreich und UE24 der Felnergruppe erreichten zum Beispiel im letzten Jahr 6,1% der Leserschaft in Österreich.

Beim Standard war es etwas mehr, nämlich 6,8%.

Wenn man das runterrechnet, kann man sagen, ein Leser von UE24 ist dem Staat 8,30 Euro wert.

Ein Leser vom Standard, gerade mal 2,20 Euro.

Die Differenz zu heute und Krone ist zwar nicht ganz so extrem, aber schon auch beachtlich.

Etwa 3,60 Euro ist dem Staat ein Krone-Leser-Wert und bei einem heute Leser sind es ungefähr 5,90 Euro.

Das ist also, wenn man sich die Zahlen anschaut, eine Boulevardförderung, und zwar ohne klare Vergabekriterien,

ohne Qualitätskriterien und halt nach Gutsherrenart.

Ohne die öffentliche Hand gäbe es einige der Boulevardzeitungen in Österreich wahrscheinlich gar nicht mehr.

Das betrifft vor allem Gratiszeitungen. Irgendwer hat mal gesagt, Österreich ist ein Freiluftmuseum für Gratiszeitungen,

die hier konserviert werden, das gibt es nirgendwo sonst noch auf der Welt.

Wenn Sie jetzt aus Deutschland kommen, dann müssen wir das vielleicht kurz erklären.

Es gibt in Österreich insgesamt 14 verschiedene Gratiszeitungen.

Also Hefte, die wie zum Beispiel die Apothekenumschau einfach umsonst verteilt werden.

Nur sind das eben in Österreich keine Branchenmagazine, sondern Tageszeitungen.

Die liegen dann zum Beispiel in U-Bahn-Stationen oder in Bahnhöfen aus.

In Deutschland haben sich Gratiszeitungen zum Beispiel nie durchgesetzt,

auch weil es kein Medium gibt, das 20 bis 40 Prozent seines Umsatzes mit öffentlichen Förderungen macht.

Das ist Anton Reiner vom Spiegel.

Er hat sich für uns angeschaut, wie das in Deutschland mit der Medienförderung so läuft.

Also Medien in Deutschland werden durch die öffentliche Hand gefördert.

Da geht es in erster Linie um Projekte, es geht hin und wieder auch um Werbekampagnen.

Es ist aber eine sehr, sehr indirekte Förderung, die überhaupt nicht vergleichbar ist mit dem österreichischen System.

Aber auch in Deutschland stehen wir wie eigentlich überall vor dem Problem, dass Printmedien am Aussterben sind.

Immer weniger Menschen lesen gedruckte Zeitungen.

Gerade Lokalzeitungen können sich deshalb oft nicht mehr finanzieren und brechen weg.

Deshalb gibt es seit Jahren Verhandlungen darüber, wie solche Verlage stärker gefördert werden können.

Gerade wenn es um direkte Presseförderung geht, also ein Medium nimmt Geld vom Staat,

war eine deutsche Verlage allerdings immer sehr vorsichtig.

Man wollte nicht in Versuchungen kommen in diese Abhängigkeit,

vor der man sich in Österreich nie geförchtet hat, aber die in Deutschland auch aus historischen Gründen, würde ich mal sagen, verpönt ist.

Das heißt allerdings nicht, dass es in Deutschland keine Medien gibt, die offen Politik machen.

Viele Zeitungen haben eine politische Linie, die sie auch offen kommunizieren.

Und es gibt natürlich auch eine ungesunde Nähe zur Politik, Journalisten, die für Bundesministerien Moderationen machen.

Was es allerdings nicht gibt, sind diese völlig ausartenden, ausufernden Millionen,

die an der Transparenz vorbei, an Medien quasi direkt überwiesen werden, für gefährliche Berichterstattung.

Also sowas hat man hier nicht.

Was natürlich schon dazu führt, dass gewisse Geschäftsmodelle sich in Deutschland einfach nicht tragen.

Wie eben die Gratiszeitung. Was in Deutschland laut unserem Kollegen allerdings durchaus immer mal wieder der Fall ist,

dass die Interessen von Verlegern und Politikerinnen zusammenfallen.

Also gerade, wenn man sich die Vergangenheit anguckt, dass ein Verlag wie Axel Springer,

der mittlerweile ein riesiges Konglomerat geworden ist aus verschiedenen Start-ups und Investmentbeteiligungen,

dass der natürlich Interessen quasi in jeder einzelnen Branche der großen deutschen Wirtschaft hat, ist klar.

Und das es immer wieder auch Freundschaften zwischen Regierenden und Verlegern gab.

Man denkt zum Beispiel an Angela Merkel und Friede Springer, dass es auch war.

Eine ungesunde Nähe zwischen Politik und Medien kann also auch ohne Inseratenförderungen entstehen.

Es ist allerdings ein Unterschied, ob es eine private Freundschaft gibt, ob es Lobbien gibt.

Ich glaube, da wird man kaum ein Land finden, in dem es nicht so stattfindet.

Oder ob es Millionen gibt, die völlig intransparent von einem Ministerium über eine breite Image- und

Öffentlichkeitskampagne mit Signal- und SMS-Nachrichten vereinbart, an die Medien verteilt werden.

Was unser Kollege auch sagt, die Macht des Boulevard in Deutschland, also vor allem der Bildzeitung,

die ist in den letzten Jahren immer stärker zurückgegangen.

Das heißt, wir haben seit Jahren sinkende Auflagen, wir haben auch seit Jahren einen sinkenden Einfluss

auf die politischen Bewegungen.

Soll heißen, das Bild des Politikers, der morgens die Bildzeitung aufschlägt und seine Politik

nach dem ausrichtet, was da auf Seite 2 steht, das stimmt heute so nicht mehr.

Ich würde sagen, in Deutschland ist der Boulevard auf seine reale Größe zurückgestutzt.

Das hängt natürlich vor allem mit dem Internet zusammen und Plattformen wie Instagram oder TikTok,

die allen klassischen Medien Konkurrenz machen.

Diese Entwicklung ist in Österreich nicht anders.

Nur dass hier der Boulevard massive Hilfe vom Staat bekommt.

Also gerade, wenn man sich die 80er, 90er Jahre anguckt, habe ich manchmal das Gefühl,

in Österreich wird eine Zombielandschaft am Leben gehalten.

Ja, natürlich ist es eine problematische Entwicklung.

Die Branche meinerseits nicht der gesammtätlich betrifft.

Das ist Christian Nusser, der Chefredakteur der Gratis-Zeitung heute.

Also eine der Zeitungen, die mutmaßlich mit dem Team von Sebastian Kurz-Diels abgeschlossen haben soll.

Ich sehe die Branche über so wie ein Jäger, der durchs Fernglas schaut und den Gämsen in 3 km Entfernung

zuschaut und nicht merkt, dass der Hase seine Schupe in der Anknappert.

So ist für mich die Branche.

Es gibt viele Fehler und den Skandal bei den anderen, aber es setzt sie nie hin, denkt nach, reflektiert.

Was ist denn die Problematik in meinem Haus, in meinem Medium?

Worauf Nusser hier anspielt?

Es gibt viele Zeitungen in Österreich, die von der Inseratenförderung profitieren.

Wenn man sich nochmal die Ausgaben aus dem Finanzministerium in der Ära Kurz anschaut,

dann sieht man, auch die Zahlungen an Zeitungen wie den Kurier, Presse oder kleine Zeitungen

sind nach 2017 stark angestiegen.

Und die gehören allesamt nicht zum Boulevard.

Also sich haben im Prinzip, und das betrifft fast alle Medien in diesem Land, ein System ausgenutzt,

das irgendwann entstanden ist, das sich verselbstständigt hat, das einfaches Geld produziert hat.

Es war schnelles Geld, einfaches Geld und es gab in diesem ganzen System ganz wenige Verlierer.

Aber was müsste sich ändern, damit die Medienförderung in Österreich nicht zur Korruption verleitet?

Das große Problem ist halt, glaube ich, dass Österreich viel zu viele Zeitungen ein viel zu großes Angebot hat

für die Einwohnerzahl.

Und de facto, wenn Regierungsinserate stark reduziert würden, würde das wohl bedeuten,

dass ziemlich viele Journalistinnen in Österreich arbeitslos werden,

was natürlich auch eine schrägische Konsequenz ist.

Am härtesten würde das laut unserem Kollegen Fabian Schmidt natürlich die Zeitung treffen,

die jetzt am meisten von den Anzeigenschaltungen der Regierung profitieren.

Also den Boulevard und vor allem Gratiszeitungen, wie die von Christian Nusser.

Der Chefredakteur der heute hält jedenfalls nichts davon, das System der Inseratenvergaben politisch zu verändern.

Ich glaube, die Branche an sich muss sich selbst Spielregeln arbeiten, vielleicht auch mit mediatorischer Hilfe.

Und jedes Haus muss für sich in eine Form der Selbstreflexion treten

und für sich an Spielregeln arbeiten, dass solche Exzesse schlichtigst nicht mehr möglich sind.

Will Nusser denn in seinem eigenen Haus etwas ändern?

Wir brauchen ein paar Tage wahrscheinlich, wo wir die Köpfe wieder freikriegen.

Und wir müssen dann einen Prozess aufsetzen, der uns eine glaubwürdige Lösung der Problematik verschafft.

Wir haben ja eine Leserschaft, der wir verpflichtet sind.

Irgendwie müssen wir eine saubere Lösung anbieten, wo wir auch ganz klar machen,

dass wir verstanden haben, wo was falsch gelaufen ist.

Ob es allerdings wirklich funktioniert, wenn sich Unternehmen ihre eigenen Spielregeln setzen?

Martin Kotinek vom Standard ist das skeptisch.

Er sagt, die staatliche Medienförderung muss anders geregelt werden.

Man braucht diese Förderung, damit es diese Vielfalt weiterhin gibt.

Der Markt ist einfach zu klein, aber der Großteil sollte über Förderungen zuerkannt werden.

Und zwar mit klaren Qualitätskriterien, die transparent sind,

von einer unabhängigen Kommission am besten mit internationalen Experten.

Regierungsinserate sollten seiner Meinung nach nur noch dann geschaltet werden,

wenn es echten Informationsbedarf gibt.

Und da müsste es auch ganz klare Definition geben, welche Zielgruppe will ich erreichen,

welche Reichweite brauche ich und danach sollte dann geschalten werden.

Und nicht so wie jetzt.

Vor knapp vier Jahren ging ein Video um die Welt.

Darin schwadronierte der damalige Vizekanzler Österreichs darüber,

die mächtigste Boulevardzeitung des Landes auf Linie zu bringen.

Damit sie seine Partei im Wahlkampf an die Spitze schreibt.

Nach den neusten Enthüllungen in der Korruptionsaffäre rund um Sebastian Kurz

zeigt sich nicht nur die FPÖ verfolgte diesen Plan.

Und mutmaßlich hat es ein anderer geschafft, wovon Strache damals nur angetrunken fantasierte.

Sebastian Kurz hat deals mit allen drei großen Boulevardzeitungen des Landes abgeschlossen.

Damit sie ihn und seine Arbeit groß schreiben.

Das sehen die Ermittler als erwiesen an.

Welche Anteil der Boulevard daran hatte, dass Sebastian Kurz dann tatsächlich Kanzler wurde,

lässt sich am Ende nicht eindeutig beantworten.

Ich glaube, man kann jetzt schon fix sagen, dass der Boulevard ein Faktor war.

Aber ich glaube, so simple Kausalitäten kann man bei so etwas wie einer Wahl

nicht herstellen.

Es gab auch schon Kanzler in Österreich, die sehr unbeliebt im Boulevard waren.

Das heißt, es kommt immer wieder auf die Gemengelage an.

Aber es ist sicher sehr schwierig, gegen den Boulevard Wahlkämpfe zu gewinnen

und gegen den Boulevard zu regieren.

Nicht umsonst wird Österreich gerne mal eine Boulevardemokratie genannt.

Aber der Boulevard ist eben nicht unbedingt so mächtig, weil so viele Menschen ihn lesen.

Das Beispiel Deutschland zeigt, die goldenen Zeiten des Boulevards sind vorbei.

Dass Krone und Co. in Österreich noch so mächtig sind, ist politisch gemacht.

Weil Boulevardmedien unverhältnismäßig viele staatliche Mittel bekommen.

Geld aus Taschen der Steuerzahler in.

Der Fall von Sebastian Kurz zeigt, wie dieses System Demokratie und Pressefreiheit gefährden kann.

Umso wichtiger wäre es, für Österreichs Mediensystem mit diesen unfairen Förderpraktiken zu brechen.

Schon allein, um das Vertrauen der Menschen in Politik und Medien wiederherzustellen.

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Danke fürs Zuhören und allen, die an diesen Podcast mitwirken.

Das waren diesmal vor allem Ole Reismann und Luca Zimek.

Ich bin Lucia Heisterkamp.

Ich bin Antonia Raut.

Wir sagen Tschüss und Papa.

Es gibt so viele große Fragen, die uns Menschen seit Jahrtausenden beschäftigen.

Aber erst jetzt kann die Wissenschaft Antworten daraus liefern.

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Wir fragen Wissenschaftlerinnen, was in schwarzen Löchern passiert.

Wo die Aliens bleiben.

Und die Fusionskraftwerke.

Und wo die Mathematik an ihre Grenzen stößt.

Rätsel der Wissenschaft geben Mittwoch eine neue Folge.

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Die Vorwürfe gegen "Heute" und "Kronen Zeitung" haben es in sich: Sie sollen für Inseratendeals und Mitsprache bei Gesetzen im Sinne von Sebastian Kurz und seinen Vertrauten berichtet haben. Doch wie konnte diese gefährliche Nähe zwischen Politik und Medien überhaupt entstehen?

In dieser Folge von Inside Austria schauen wir uns weiter an, wie Sebastian Kurz und sein Team mutmaßlich Österreichs Boulevard kaufen konnten. Wir wollen herausfinden, ob das System dahinter zur Korruption verleitet. Und wir fragen, wie sich der Medienmarkt in Österreich verändern müsste, um illegale Deals und Machtmissbrauch zu verhindern.