NZZ Akzent: Im Home Office, wo andere Ferien machen

NZZ – täglich ein Stück Welt NZZ – täglich ein Stück Welt 8/24/23 - Episode Page - 16m - PDF Transcript

NCZ-Akzent

Katharina, du warst auf Mallorca.

Ja, also es ist schon eine Weile her, es war noch im April.

Vielleicht erinnerst du dich, es war nicht richtig Frühling,

immer noch ein bisschen winterlich und kalt

und die Stimmung war sehr schlecht hier in Zürich.

Und dann hast du ein bisschen Sonne gebraucht, wie wir alle.

Genau, ich habe einen Kollegen von der Reiserredaktion,

der sitzt direkt hinter mir und ich habe gehört,

dass er dann, also ich habe aufgeschnappt,

dass er mit einem Anbieter für Work-cation in Mallorca telefoniert.

Work-cation, was ist das?

Es ist so eine Wortmischung als Work-and-Vacation,

also Arbeit und Ferien.

Und die Idee war da, dass man fünf Tage am Stück arbeitet,

eigentlich wo andere Ferien machen.

Und zwar in einer Finker, mit dem nirgendwo zwischen Olivenhain

und in der Nähe von einer Bucht, mit einem schönen Strand.

Und ich habe die Bilder gesehen und war sofort euphorisch.

Ich wollte unbedingt mal etwas raus an die Sonne.

Das klingt wirklich sehr gut.

Ja, aber es war dann ganz anders als erwartet.

Spätestens seit der Pandemie

wird das Phänomen Work-cation immer beliebter.

Reporterin Katharina Bracher hat es ausprobiert.

Ich bin Antonia Moser.

Katharina, was hast du denn erwartet von diesem Work-cation?

Ich dachte vielleicht,

bringt mir das auch ein bisschen mehr Motivation,

irgendwo zu arbeiten, wo es schön ist, wo es warm ist.

Und dann kommt auch hinzu,

dass ich als Reporterin ganz oft aus der Ferne irgendwo arbeite.

Ich habe Erfahrung damit seit dem Studium schon.

Ich habe meine Liedsarbeit zu großen Teilen im Ausland,

zum Teil am Strand, am Pool, auf der Rückbank von einem VE-Bus geschrieben.

Und fertig geschrieben?

Natürlich, da war ich immer hocheffizient.

Deswegen dachte ich auch, das ist perfekt für mich.

Alles, was ich brauche, ist Internet.

Und das ist für mich eigentlich völlig easy.

Ich habe mich wirklich sehr gefreut darauf.

Und dann bist du dann also nach Mallorca?

Genau, ich bin mit Handgepäck gereist.

Ich habe mein Sonnenhut eingepackt und mein Notebook.

Und dann ging es schon los.

Und auf dieser Finca gab es dann andere Journalistinnen und Journalisten aus Deutschland und Österreich.

Wir wollten zusammen Work-cation machen.

Und das ist ein riesen Thema, weil das ist ein mega Trend.

Dieses Work-cation, früher nannte man das einfach Digital Nomads.

Also Leute, die eigentlich irgendwo aus dem Ausland arbeiten können,

zum Beispiel auf Bali sind und dann irgendwie programmieren für Auftraggeber.

Aber ich würde mal sagen, seit der Pandemie oder spätestens seit der Pandemie,

ist das auch so auf Sachbearbeiterstufe angekommen, dieser Work-cation Trend.

Also wir alle können über Zoom irgendwo mitmachen.

Solange es der Beruf erlaubt, ist natürlich immer noch eine Minderheit.

Aber ja, grundsätzlich schon.

Und dann bist du jetzt eben in dieser Finca auf Mallorca.

Ja, es ist ein traumhaft schönes Anwesen.

Und das Haus hat so ein Steinbau traditioneller.

Das war auch mal eine Farm und später da ein Hotel.

Es hatte vier Terrassen.

Jeder hatte sein eigenes Zimmer mit Bad.

Es gab ein Haupthaus mit oben so ein Nahtburg-Turm.

Ziemlich eigenwillige Architektur.

Da war ich noch ganz hübsch.

Rundherum alles Zitronen, Heine, Olivenbäume, viele, viele Pflanzen, Blumen,

alles hat geblüht in Mallorca.

Um diese Zeit halt einfach super schön ist mit der Natur.

Es gab auch ein Swimmingpool sogar und ziemlich großen.

Wie nennt man das? Olympiakröße.

Und es gab einen riesigen Grill zum Beispiel.

Also es hat wirklich alles, was man sich irgendwie vorstellen kann.

Also für mich klingt das wirklich sehr schön.

Aber du bist ja zum Arbeiten dort.

Ja, und wir haben dann am Montag auch losgelegt.

Ich stand auf, nicht besonders früh.

Andere waren schon irgendwie um halb sieben Wach

und haben sich da vorbereitet auf irgendwelche Interviews

oder vor allem Sitzungen,

mit denen wir teilnehmen wollten

mit den Redaktionen auf dem Festland quasi.

Und die, die aber schon wach waren,

die sind schon ziemlich mit den Nerven am Ende gewesen,

habe ich gemerkt, weil sie festgestellt haben,

ja, zu schwaches Internet.

Und das war dann schon das erste große Problem,

mit dem wir zu kämpfen hatten.

Zu schwaches Internet, warum?

Also das wäre eigentlich das Wichtigste für eben so eine Workation, oder?

Also die Finca war ziemlich abgelegen.

Das Wife-Ener eher schwach.

Ja, 3G-Standard, also mit Hotspot konnte man auch nicht weiterkommen.

Und das war irgendwie ja nicht schnell lösbar, das Problem jetzt.

Ich habe dann auch meinen Versuch, am Montag an der Sitzung teilzunehmen,

nach 10 Minuten abgebrochen, also es ist immer eingefroren.

Und was macht ihr dann?

Ja, also die einen sind wirklich fast verzweifelt.

Also ich hatte eine Kollegin vom Lifestyle-Blog,

die hätte unbedingt mit Berlin ein Videokall machen müssen,

mit dem Chef irgendwie.

Und das ging dann nicht.

Alle anderen haben auch gesagt, geht eigentlich gar nicht,

dass es hier nicht funktioniert.

Und dann hat dann aber der Anbieter sofort reagiert

und hat uns angeboten, in die Stadt zu fahren.

Wir hatten auch Mietwagen, die wir zur Verfügung gestellt bekommen haben.

Also das war eigentlich alles da.

Wie gesagt, aber erst in der Stadt haben wir dann so Co-Working-Space gefunden,

wo es richtig gutes Internet gibt.

Ich bin dann aber auf der Finca verblieben als erstes

und habe dann einfach Dinge gemacht,

wo ich jetzt nicht so schnelles Internet brauche.

Da habe ich mich zuerst mal einfach nach draußen gesetzt,

um ein Interview zu transkribieren, also so mit Kopfhören.

Das war wirklich so, die Natur war dann draußen überall.

Es hat so Spatzen, die nissten in den Ritzen der Steinmauer

und hat ein Riesenlärm gemacht.

Dann habe ich mich umgesetzt, weil es mir zu laut war.

Dann saß ich so vor einem Hein, wo ich zuerst dachte,

das sind Zitronen, dann saß ich, das sind Grapefruit.

Dann habe ich angefangen, Grapefruit zu schälen

und habe mich mit der Kollegin unterhalten, die dort war,

von der Frankfurter rundschauen.

Dann haben wir so ein bisschen über unsere Branche geredet.

Schon wieder eine halbe Stunde um, dann wollte ich mich hinsetzen

und war wirklich beginnen.

Dann hatte ich irgendwie klebrige Hände

und wollte irgendwie meine Hände waschen.

Ich ging dann in die Küche

und in der Küche stand dann eine Kollegin aus Österreich

und habe mich in Gespräch verwickelt,

oder ich ließ mich verwickeln

und er trank dazu einen Kaffee und außen Tortilla.

Ja.

Also eigentlich bist du mehr abgelenkt als etwas anderes.

Hast du etwas gearbeitet?

Naja, nicht so groß.

Also in diesem ersten Tag, ehrlich gesagt, gar nichts.

Ich habe es immer wieder versucht.

Ich habe mich wieder angesessen an den Bildschirm.

Dann habe ich gemerkt, jetzt scheint mir die Sonne auf den Bildschirm,

dann habe ich mich umgesetzt in den Schatten,

aber es war dann doch noch sehr frisch.

Dann bin ich auf mein Zimmer gegangen,

habe einen einzigen Pullover geholt, den ich hatte.

Dann kam ich wieder zurück und hörte ein verzweifeltes Winseln

und dann habe ich nachgeschaut und gesehen,

dass der Dackel vom Pesitzer dort sich

mit seiner sehr langen Leine im Garten verfangen hat.

Ich habe dann mal den Hund befreit

und bin mit dem Hund auf dem Arm um die Staute gelaufen.

Dann habe ich eine Frucht gesehen am Baum, die mich interessierte

und ich habe da mit meiner Pflanzenerkennungs-App

ein Foto gemacht.

Was war das?

Es war eine Mispel, ich weiß nicht, ob du das kennst.

Ich habe dann auch gesehen, es ist essbar,

ich habe sie auch probiert selbstverständlich,

finde ich jetzt nicht so essbar.

War vielleicht noch nicht reich.

Also auf jeden Fall wollte ich dann wieder zur Arbeit zurück,

nachdem ich den Hund befreit hatte.

Und hat es geklappt?

Es hätte fast geklappt, aber auf dem Weg zu meinem Platz

habe ich gesehen, dass so ein paar Arbeitsblätter

Richtung Seemingpool flogen.

Ich wollte die aufsammeln.

Als ich schon gerade mal dort war,

wollte ich noch kurz meine Beine im Wasser abkühlen lassen.

Ich habe mich ein bisschen hingelegt, dachte ich,

ok, jetzt schaue ich mal meine Mails an.

Ein bisschen war schön Wind und Sonne.

Und dann schliefe ich irgendwann ein.

Und als ich wieder aufgewacht war, war es schon Mittag

und der halbe Tag war vorbei und ich hatte wirklich nichts geschafft.

Wir sind gleich zurück.

Jeden Tag diese Flut von Behauptungen.

Aber was ist Verwirrspiel, was hat Substanz?

Sind die wahren Geschichten nicht diejenigen hinter der Fassade?

Bei der NZZ sind wir es gewohnt, gelassen,

das Angebliche zu hinterfragen.

Journalismus.

Punkt.

NZZ.

Katharina, du hast uns da deine lange Odyssey erzählt,

wie du versuchst zu arbeiten.

Dieser Finca funktioniert nicht so richtig.

Bist du denn im Büro hier bei der NZZ auch so schnell abgelenkt?

Also am meisten lenken mich meine Kollegen, wollte ich jetzt sagen,

also die Menschen, von denen bin ich schnell abgelenkt mit Gesprächen, das stimmt.

Aber grundsätzlich würde ich sagen,

in seinem Büro hat es eigentlich weniger Ablenkung.

Nicht so viele Reize überall.

Also ein Büro ist ein bisschen langweilig?

Ja, im besten Sinn.

Wahrscheinlich auch notwendig.

Und ich habe mich dann aber auch gefragt,

funktioniert das überhaupt, Büroarbeit zu machen

an einem Ort, wo andere Ferien machen?

Ich dachte dann, das kann ich gleich ein Interviewpartner von mir

fragen, den wollte ich so interviewen zu einem anderen Thema, zum Arbeitsmarkt.

Und der Professor war Organisationspsychologe, da ist es noch.

Und ich habe ihn dann gefragt, in dieser Workation.

Und was hat er gesagt?

Also zuerst hat er mal nur gelacht, weil ich ihm erzählt habe,

er meinte so, ja und, wie läuft's?

Und dann habe ich gesagt, gar nicht gut.

Da hat er gelacht und meinte so, ja, sie erleben gerade das Schlechteste

aus beiden Welten.

Wie meint er das?

Ja, sie kommen nicht richtig zum Arbeiten,

weil die Infrastruktur nicht gut ist.

Und sie sind gestresst, weil sie die Arbeit nicht machen können.

Also sie können auch nicht die Umgebung genießen.

Und er meint jetzt, obwohl es keine Forschung dazu gibt,

dass das Frustrationspotenzial sehr hoch sei.

Den würde ich auf jeden Fall zustimmen, auch ohne Studien.

Und er hat mir dann aber noch erzählt,

dass er verschiedene Erkennt, eine Großbank,

also die Citibank in London,

diese Workation als Anreiz eigentlich für die Mitarbeiter anbietet.

Also die haben zum Beispiel Büros jetzt in Malaga

und hoffen darauf, so weiterhin attraktiv zu sein,

auch für jüngere Arbeitskräfte,

die nicht mehr so viel arbeiten wollen

oder sich nicht mehr so vorausgaben wollen.

Also statt im drögen Büro lange Stunden zu arbeiten,

im sonnigen Malaga,

haben wir einfach ein bisschen am Morgen ein bisschen was machen.

Dafür ein bisschen weniger Lohn, aber weniger Arbeitszeit auch.

Mehr Lebensqualität.

Das klingt jetzt noch gut,

aber für dich war das ja irgendwie nicht so attraktiv, oder?

Also unter diesen Bedingungen nicht stimmt.

Und ich habe auch versucht, das ein bisschen zu genießen.

Die Sonnenuntergänge waren wunderschön.

Ich habe dann so auf meiner Terrasse mal ein Glas Kawa getrunken,

aber ich kann es irgendwie nicht richtig genießen.

Ich war eigentlich super frustriert.

Ich dachte, jetzt schmeckt mir nicht mal mehr der Alkohol.

Oh nein.

Aber ich habe dann mir auch überlegt,

dass ich wahrscheinlich jetzt hier vorschnell

den ganzen Ablenkungen die Schuld gebe.

Also eben der windelnde Hund

und dann wieder mal eine Frucht, die ich nicht kenne.

Wind und Schatten und Sonne.

Und eigentlich mache ich es mir auch ein bisschen einfach.

Wie meinst du das?

Ja, ich war zwischendurch trotzdem produktiv,

einfach nicht für meine eigentliche Arbeit,

wofür ich bezahlt werde.

Also was hast du denn gemacht?

Ja, ich habe viel gemacht.

Ich habe die vielen Tische abgewischt.

Dann standen eben wieder verweiste Kaffetasten herum.

Die habe ich eingesammelt.

Dann habe ich Petflaschen gestaucht, all wirklich zu Hauf.

Wir haben auch eingekauft, weil wir waren Selbstversorger.

Ich habe gekocht, viel.

Und dann habe ich dann irgendwann auch Zitronen geerntet

mit Erlaubnis der Besitzerin

und habe Zitronensirup gemacht.

Und nach so einem Tag war ich dann doch irgendwie happy.

Also du hast vieles gemacht,

aber nicht das, was du eigentlich hättest machen sollen, oder?

Na ja, eine Deadline hatte ich.

Das war sozusagen das Minimalziel.

Das habe ich geschafft.

Aber sonst würde ich sagen, das ist wirklich nichts für mich.

Also die Art zu arbeiten in dieser Umgebung

lenkt mich zu stark ab.

Und ich habe einfach auch gemerkt,

dass die Produktivität bei mir sehr stark auch vom Ort abhängt.

Also du würdest sagen,

Arbeit im Büro, Ferien auf der Finca.

Genau.

Ja.

Und wenn ich so was noch machen würde,

dann würde ich vorher ganz genau nochmal nachfragen,

hat es wirklich gut, ist es schnell genug das Internet.

Katarina, dann hoffe ich,

du kommst bald zur richtigen Ferien auf Mallorca.

Danke dir.

Das wäre schön.

Danke dir.

Das war unser Akzent.

Produzent dieser Folge war Sebastian Panholzer.

Ich bin Antonia Moser.

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Bis bald.

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Arbeiten, wo andere Ferien machen: Workation klingt vielversprechend – aber funktioniert es auch? Die Reporterin Katharina Bracher wollte auf Mallorca arbeiten und gleichzeitig Sonne tanken.

Heutiger Gast: Katharina Bracher, NZZ-Gesellschaftsreporterin

Host: Antonia Moser

Produzent: Sebastian Panholzer

Weitere Informationen zum Thema https://www.nzz.ch/reisen/workation-auf-mallorca-ld.1742735

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