Apokalypse & Filterkaffee: Heimspiel: Stephan Lamby

Micky Beisenherz & Studio Bummens Micky Beisenherz & Studio Bummens 9/3/23 - Episode Page - 47m - PDF Transcript

Viel Spaß! Bei dieser Folge wünscht dir Vodafone, der Testsieger im Chip, Festnetzvergleich 2023.

Guten Morgen, lieber Wolfgang.

Guten Morgen, lieber Micky.

Du hast gerade gesagt, und wieder woanders, du klingst ja schon wie meine Mutter.

Ich klinge wie deine Mutter. Ist es ein Kompliment?

Grundsätzlich ist das immer ein Kompliment.

Ich habe ein sehr, sehr herzliches Verhältnis zu meiner Mutter, deswegen ist es doch schön,

wenn ich dir gleich zu Beginn des Gesprächs sage, du erinnerst mich an meine Mutter, Wolfgang.

Also ich sehe dich ja immer dezent auf dem kleinen Monitor, in unserem kleinen Bildausschnitt.

Und da ist einfach die Farbe heute eine etwas gedecktere, die geht so ein bisschen in die Bege Richtung.

Richtig.

Die Wand ist kahl, also nicht das vertraute Regal, mit anderen Worten, wo bist du eigentlich?

Also ein bisschen, bisschen beisch und kahl sieht so ein bisschen aus wie in dem Waffenladen von Hubert Eilwangers Bruder.

Alles so ein bisschen beisch gedeckt und kahl.

Nein, ich bin gerade in Berlin im Hotel.

Und es ist sehr schön hier und ich bin in einer sehr relaxeden Stimmung.

Da bist du dann wirklich auch nicht die Person, die mich aus dieser Stimmung rausbringen könnte, ganz im Gegenteil.

Geht es dir denn gut?

Mir geht es ganz ausgezeichnet.

Ich war zwischenzeitlich ein bisschen irritiert und meine kurzzeitige Euphorie in Sachen BVB ist auch schon wieder zu Ende.

Also ich glaube schon in Bayern ist einfach mehr Fußball, FC Bayern München und natürlich auch was Hubsi-Eiwanger angeht.

Mir ja Vollklohre.

Vollklohre kann man das natürlich auch nehmen.

Das finde ich auch schön.

Das würde man wahrscheinlich da in Niederbayern wirklich als Vollklohre bezeichnen, was der Hubsi da gemacht hat und der Herbert, die beiden Lausa.

Ja, ich habe schon gesagt nach all dem, was wir gerade so über Nazi-Schriften und Brüder erfahren haben, die plötzlich auftauchen,

müssen wir vielleicht auch nochmal über Fritze Hitler bei den Hitler-Teigepüchern nachdenken.

Vielleicht ist das FH, vielleicht haben wir auch da in der Geschichte nicht gut aufgepasst.

Wer weiß?

Also da ist historisch noch sehr viel aufzuarbeiten.

Unter dem Aspekt habe ich es ehrlicherweise noch gar nicht betrachtet.

Aber diese Eiwanger-Nummer, die hat schon was.

Also dass du jeden Tag mit Freude in die Online-Medien reingehst, um zu gucken, was als nächstes aus dem Hause ist.

Es ist schon toll und dann hast du einen Ministerpräsidenten, Markus Söder, der sich wie alle aus der politischen Elite natürlich das nie wieder

und während den Anfängen auf die Fahnen geschrieben haben.

Es sei denn natürlich, du möchtest eigentlich eine bürgerliche, ich zitiere an dieser Stelle,

nur Koalition nicht aufgeben und sagst ja, also nie wieder, eigentlich schon, aber in diesem Fall ist das für mich nicht vernutzen.

Da machen wir jetzt mal so ein kleines, während den Anfängen Moratorium.

Zumal er sich ja ohne Not in diese Situation selbst manövriert hat.

Also kategorisch auszuschließen mit anderen demokratischen Parteien, eine Koalition zu bilden.

Und nachdem er erst jeden Baum in Bayern umarmt hat, die Grünen an die Wand zu malen als des Teufels,

ich weiß nicht, ob es politisch so klug war.

Ganz schöne Sackgasse, ne?

Oder?

Sieht so aus.

Ja.

Und dann können wir ja wirklich ganz einfach die Brücke schlagen zu deinem Gast dieser Ausgabe,

denn das ist ja einer der besten politischen Beobachter und ja fast schon der Hein-Siehlmann der Bundespolitik, ne?

Also Stefan Lambi ist wirklich ein hoch dekorierter Dokumentarfilmer,

er hat Filme über Helmut Kohl gemacht, über Angela Merkel, über Wolfgang Schäuble,

über Fidel Castro, über Henry Kissinger und hat jetzt einen neuen Film gedreht,

der am 11. September in der ARD zu sehen sein wird.

Es ist eine Art Haltszeitbilanz der Ampelkoalition in Berlin und der Titel des Films heißt

naheliegenderweise der Ernstfall.

Das kann man, glaube ich, auf jeden Fall konstatieren, dass der im Grunde genommen schon gar nicht mehr aussetzt,

also diese Bundesregierung ist als Koalition gestartet, wie soll man das sagen,

wie so ein, wie so ein, wie ins Cockpit in so einem abstürzenden, brennenden Flieger,

da ist nicht mal mit Probesitzen im Kanzlerin-Sessel und erstmal gemütlich einrichten,

sondern es geht sofort los und in diese Situation hinein ist dann Stefan Lambi getreten

und wie tief sind seine Einblicke? Was hat er so erzählt?

Also er war wirklich sehr nah dran.

Es ist ein sehr aufwendiger Film.

Er hat anderthalb Jahre lang die Protagonisten begleitet,

also den Kanzler sowieso, aber auch Frau Baerbock, Herrn Habe, Herrn Lindner.

Er hat in Berlin gedreht, er war auf Auslandsreisen mit dabei.

Er ist natürlich wie alle in Berlin, alle politisch verantwortlichen,

auch von diesem schrecklichen Krieg überrascht worden,

der natürlich auch das komplette politische Berlin umgekrempelt hat.

Er hat im Übrigen auch parallel zu diesem Film ein Buch,

also Film habe ich selber noch gar nicht gesehen,

aber das Buch, das er auch dazu gemacht hat, das habe ich gelesen

und es ist wirklich ein präziser, ein schlauer Blick hinter die Kulissen

und ich habe es mit sehr viel Gewinn gelesen, muss ich sagen.

Umso schöner, dass wir ja dann in diesem Sinne ja schon so eine Art Auszug des Ganzen bekommen,

denn du hast dich mit Stefan Lambi unterhalten,

so wie du es bereits seit nunmehr einem Jahr bei uns machst,

sondern möchte ja an dieser Stelle ganz herzlich gratulieren zu einem Jahr heimspielen, lieber Wolfgang.

Mir war es gar nicht so klar, dass es schon ein Jahr ist, aber es ist ein Jahr

und es ist wunderbar, es macht Spaß und es ist... wie nennt sich das in Neu-Deutsch?

Eine Win-Win-Situation.

Ja, so würde ich das auch nennen.

Nein, also da kann ich dir, glaube ich, als Klassensprecher

sowohl von Studio Bummens als auch der gesamten Hörerinnenschaft sagen,

dass wir alle sehr, sehr happy und froh sind, dass du bei uns bist

und das ist eine sehr, sehr große Bereicherung unserer kleinen Apophika-Familie, Wolfgang.

Vielen Dank und ich gebe das eins zu eins so zurück.

Na dann wollen wir doch mal so harmonisch in euer Gespräch einstarten, Wolfgang.

Mach's gut.

Tschau, tschau, tschau, tschau.

Es ist Sonntag, der 3. September.

Apokalypse und Filtercafe.

Heimspiel.

Das Interview am Sonntag mit Wolfgang Heim.

Er ist Politikjournalist und Filmemacher.

Er hat Kohl und Merkel genauso porträtiert wie Castro und Kissinger

und er zieht in seinem neuen Film Ernstfall eine Halbzeitbilanz

der Berliner Ampelkoalition.

Herzlich willkommen, Stefan Lambi.

Tag Geheim, grüß Sie.

Herr Lambi, Ernstfall ist als Buch gerade rausgekommen.

Ernstfall kommt als Film am 11. September in der ARD

im ersten deutschen Fernsehen.

Wie spannend und wie abwechslungsreich waren für Sie

die letzten beiden knapp zwei Jahre?

Na ja, Sie sind an Spannung kommt zu überbieten.

Leider dachte ich, fange da ein Projekt an, Film wie Buch,

das im Mittelpunkt den Versuch der neuen Bundesregierung hat

Deutschland in die Richtung Klima-Nortrealität zu bewegen

und vielleicht noch ein wenig die Pandemie.

Dann brachte Krieg aus, dann wurde alles ganz anders.

Wen haben Sie begleitet in den letzten knapp zwei Jahren?

Na, die wichtigsten Akteure der Bundesregierung.

Angefangen bei Olaf Scholz, bei Robert Habeck, Christian Lindner,

Annalena Baerbock, Wolfgang Schmidt, der Kanzleramtsminister.

Am Anfang auch Karl Lauterbach.

Und als er dann Verteidigungsminister war, auch Boris Pistorius.

Okay, ansonsten viel ist vermutlich in Berlin passiert,

aber Sie haben auch die ein oder andere Auslandsreise mitgemacht?

Ja, ich bin kreuz und quer durch die Welt geflogen.

Also ich war in Peking, in Singapur, in Washington,

in der Sahelzone, in Saudi-Arabien, aber auch in Sachsen-Anhalt.

In Sachsen-Anhalt, was haben Sie da gemacht?

Da habe ich mit Robert Habeck die Leunerwerke besichtigt,

die im Juni vergangenen Jahres große Angst hatten,

wegen einer möglicherweise ausbleibenden Gaslieferung aus Russland,

ihren Betrieb einstellen zu müssen. Es kam dann auch anders.

Wenn Sie Robert Habeck ansprechen, ist es der Spitzenpolitiker in Deutschland,

der möglicherweise den stressigsten Job gehabt hat

und der möglicherweise auch die größte Persönlichkeitsveränderung mit und durchgemacht hat?

Die zweite Frage würde ich bejahen, die erste nicht unbedingt.

Ich glaube, dass das Amt des Bundeskanzlers dann,

wenn es auch äußerlich nicht so erkennbar war, dann doch noch stressiger war,

weil er, Olaf Scholz, musste am Ende entscheiden,

ob Deutschland schwere Waffen an die Ukraine liefert,

mit dem Risiko, dass er damit Vladimir Putin so provozieren würde,

dass er Raketen auf das NATO-Gebiet jagen würde.

Also, ich glaube, der Stress ist dann doch noch größer als der Stress,

den Robert Habeck hatte, der überhaupt nicht klein zu reden ist.

Aber um auf die zweite Frage noch mal präziser zu antworten,

ich habe Robert Habeck seit drei Jahren beobachtet

und immer mal wieder interviewt, auch für ein Wahlkampffilm

und jetzt eben im Amt des Wirtschafts- und Klimaministers.

Und ja, er zeigt am deutlichsten von allen, die ich da beobachtet habe,

das auf und ab in seinem Leben.

Ich habe ihn in guten und auch in ziemlich schlechten Zeiten beobachten können und müssen.

Wobei, im Falle Habeck natürlich eins dazukommt,

er war ja in den Umfragen unmittelbar nach Bildung dieser Amtbekoalition ganz weit oben.

Er wurde schon als der kommende Kanzler gehandelt.

Entsprechend groß ist dann die Fallhöhe und Habeck ist ja auch gestürzt.

Ja, gleich zweimal.

Im Herbst vergangenen Jahres durch die ziemlich verunglückte Gasumlage.

Da war das Team von Habeck übrigens ziemlich unglücklich darüber,

dass nur der Habeck im Regen stand, weil sie natürlich diese Gasumlage

mit allen relevanten Koalitionspartnern abgestimmt haben,

also mit dem Kanzleramt, auch mit dem Finanzministerium.

Deshalb fanden sie, dass Habeck unfair behandelt wurde,

aber er war natürlich derjenige, der es entworfen hat.

Und dann ein zweites Mal, noch dramatischer und noch schmerzhafter,

war sein Absturz in den Umfragewirten im Zusammenhang mit dem ziemlich missglückten Heizungsgesetz.

Sie haben gerade Olaf Scholz angesprochen,

ein Mann, den Sie als Journalist lange begleitet haben,

davor als Bürger dieses Landes auch schon auf Wahlplakaten gesehen haben.

Denken Sie, dass der, die vielleicht größte Persönlichkeitsveränderung mitgemacht hat

in diesen letzten anderthalb Jahren, also von Beginn dieses Ukraine-Krieges,

der ihn ja auch in besonderem Maße getroffen hat,

als jemand, der zumindest sehr mit der Friedensbewegung damals sympathisiert hat?

Ich glaube, dass die Veränderung in den politischen Positionen

sehr viel früher eingesetzt hat bei Olaf Scholz.

Ich komme aus Bonn, ich war häufiger bei Demonstrationen auf der Hofgartenwiese,

Friedensbewegung, da war auch ein junger Juuso-Politiker namens Olaf Scholz.

Ich habe mir nochmal alte Aufsätze von Olaf Scholz,

als er so Mitte 20 war, durchgelesen.

Und da hat er gegen den US-Imperialismus gewettert,

gegen die Doppelaufrüstung, den NATO-Doppelbeschluss.

Und davon hat er sich dann aber doch relativ bald gelöst,

also das muss irgendwann, ich weiß nicht genau, in den 90er Jahren passiert sein,

seitdem steht er auf einem anderen ideologischen Fundament,

kann man richtig oder falsch finden, aber so ist es.

Der größte Sprung war zu beobachten bei Olaf Scholz in den Tagen

vor dem 24. Februar 2022 und bis zum 26.

Weil Olaf Scholz, und ich konnte ihn begleiten bei einer Reise nach Washington zu Joe Biden,

immer davon gesprochen hat, wir liefern keine letalen Waffen in ein Krisen- und Kriegsgebiet.

Das drohte dann, die Ukraine zu werden.

In dem Moment, wo es passierte, hatte er sich für das Gegenteil entschieden

und seitdem sich an diese neue Überzeugung festgeklammert.

Ja, man kann es möglicherweise auch im Rückblick an zwei Ereignissen festmachen,

die ja nur wenige Tage auseinander lagen.

Das eine war der Besuch von Scholz bei Putin am langen Tisch

und wenige Tage später dann im Bundestag die Regierungserklärung,

dass ab sofort alles ganz anders ist und es ein Sondervermögen von 100 Milliarden Euro

für die Bundeswehr geben wird.

Das passierte vor allem an diesem 26. also am Tag vor dieser Zeitenwendenrede im Bundestag.

Das habe ich im Buch nochmal rekonstruiert und mit einigen gesprochen, die dabei waren.

Im Büro von Olaf Scholz, seine engsten Berater, sein Pressesprecher,

der Kanzleramtsminister und als es dann auf eine Entscheidung zu lief,

dass Olaf Scholz am nächsten Tag im Bundestag verkünden würde,

wir liefern jetzt Waffen, wir erhöhen das Verteidigungsbudget auf 2%

und er würde eben diese Sondervermögen von 100 Milliarden Euro zur Aufrüstung verkünden.

Der hat ja alle aus seinem Büro gebeten und wollte für den Moment ganz alleine sein,

um es nochmal zu durchdenken.

Die Situation damals im Februar des Jahres 2022 war auch die, wie soll man es formulieren,

man mit ein paar Lebenslügen dieser Berliner Republik beerdigen musste,

also angefangen damit, dass die Bundeswehr in einem so katastrophalen Zustand war

und immer noch ist, dass sie eigentlich letztlich zur Landesverteidigung nicht fähig ist.

Lebenslüge ist in dem Zusammenhang vielleicht ein zu scharfes Wort,

weil man tatsächlich von etwas völlig anderem ausgegangen ist,

also dieses Bedrohungsszenario, dass Russland die Ukraine überfallen würde

und andere osteuropäische Nationen bedrohen würde, hat man komplett ausgeblendet.

Also da hat man sich es vielleicht ein bisschen bequem gemacht.

Das Wort Lebenslüge wird ich aber in einem anderen Zusammenhang eher verwenden

und ich vermute, sie steuern auf die Klimapolitik zu und das finde ich gravierender

und das betrifft auch Angela Merkel als ehemalige Physikerin ganz direkt und persönlich

und da ist mein Urteil sehr harsch, weil sie selber in einem Interview gesagt hat im vergangenen Dezember,

der Zeitgegenüber, dass sie immer diese Berichte des Weltklimarats auf den Tisch bekam

und dass die von Jahr zu Jahr mahnender, drohender waren in ihrem Szenario.

Und den Weltklimarat gibt es seit drei Jahrzehnten.

Angela Merkel war 16 Jahre Bundeskanzlerin und wenn man sich dann anschaut,

was sie in dieser Zeit getan oder besser nicht getan hat, was sie unterlassen hat,

in Kenntnis des zunehmenden Klimawandels, dann muss man davon an der Lebenslüge sprechen.

Aber es betrifft ja nicht nur sie, sondern es betrifft andere Kabinettsmitglieder

und es betrifft auch unsere eigene Zunft.

Wir Journalistinnen und Journalisten haben in dieser Zeit auch nicht genau genug hingeschaut,

weil auch wir hätten diese Berichte lesen und ernster nehmen müssen.

Sie hatten ja, Stefan Lambi, ich weiß gar nicht wann, noch mal ein anderthalbstündiges Gespräch mit Angela Merkel.

Haben Sie sie auf diese Klimaproblematik, die Sie gerade geschildert haben, angesprochen?

Also die Gespräche mit Angela Merkel wurden immer kürzer.

Ich habe sie sieben oder acht Mal in den letzten, ich weiß sie, 16 Jahren oder noch mehr interviewen können.

Und die wurden tatsächlich immer kürzer, weil sie, ich glaube, von einem gewissen Misstrauen

mein Berufsstand gegenüber getrieben war.

Und in der Zeit habe ich sie nicht darauf angesprochen und vielleicht, ja, ich habe sie gerade gesagt,

müssen auf wir Journalistinnen und Journalisten den Vorwurf gefallen lassen,

dass wir die Warnhinweise, was den Klimawandel betrifft, nicht ernst genug genommen hätten.

Also es geht auch an meine eigene Adresse.

Hätte ich das früher ernster genommen, hätte ich bei dem letzten Interview mit Angela Merkel mit ihr darüber diskutieren müssen.

Habe ich nicht getan, war ein Versäumnis.

Wenn ich Stefan Lambe nochmal auf den Krieg kommen darf, Angela Merkel hat ja auch öffentlich kund getan.

Sie hätte sich nie Illusionen gemacht über den Charakter dieses Vladimir Putin.

Gleichzeitig sagt sie aber im selben Atemzug, sie habe in ihrer Politik und in ihrer politischen Ausrichtung alles richtig gemacht.

Wie passt das zusammen?

Gar nicht.

Also das verstehe ich auch nicht.

Weil wenn man sagt, ich habe meinen Leuten und damit meinen sie wohl ihr engeres Umfeld im Kanzleramt oder vielleicht auch in der Partei,

immer wieder gesagt, lass uns nicht blauäugig sein.

Vladimir Putin will die EU zerstören.

Wenn man das ernst nimmt und der Spruch kommt von ihr selber,

dann verstehe ich nicht, wie man sich über Jahre immer mehr in die Abhängigkeit, in die energiepolitische Abhängigkeit Russlands begeben hat.

Also wenn man davon ausgeht, dass Putin die EU zerstören wollte und ich glaube diesen Satz würde sie heute nicht mehr zurücknehmen,

weil dafür gibt es ja einige Anzeichen, dass Putin es nicht nur auf die Ukraine abgesehen hat.

Also wenn man davon ausgeht, dann kann man unmöglich die Abhängigkeit von Russland, was die Energielieferung betrifft, noch hochsetzen.

Die ist ja gewachsen im Laufe der letzten Jahre.

Also das passt nicht zusammen.

Ja, wobei man in der Ferneshalber vielleicht sagen muss, das war ja nun keine einsame politische Linie, die Frau Merkel verfolgt hat,

sondern sie wurde ja tatkräftig unterstützt, vor allem auch von der SPD.

Richtig, deshalb entlasse ich die da auch nicht aus der Verantwortung.

Wir müssen über Sigmar Gabriel sprechen, wir müssen auch über den Vizekanzler Olaf Scholz sprechen,

der ja auch lange an der Ostsee Pipeline Nord Stream 2 festgehalten hat, bis wenige Wochen, Monate vor der Bundestagswahl.

Als wir da nach Washington geflogen sind, wollte er den Namen gar nicht mehr in den Mund nehmen, sprach immer von diesem privatwirtschaftlichen Projekt.

Also die tragen auch eine Mitverantwortung, aber natürlich die Bundeskanzlerin ganz oben.

Weil wenn Sie davon ausgingen, dass Putin das als Plan verfolgte, dann trägt sie die entscheidende Verantwortung für diese Fehlentwicklung.

Stefan Lambi, haben Sie für dieses Buch und für dieses Filmprojekt auch versucht, Gerhard Schröder zu interviewen?

Nee, der Fokus von Buch und Film lag auf den aktuellen Akteuren der Bundesregierung und auf einigen die Bundesregierung begleitenden Kolleginnen und Kollegen der Hauptstadtpresse.

Wen beispielsweise meinen Sie da?

Man muss wissen, es begleiten den Kanzler, die Ausministerin in Habeck und so weiter, etwa so zwischen 20, 25 Kolleginnen und Kollegen.

Die Namen ändern sich mal, aber das sind immer die größten Medien, Spiegel, DPA, Reuters, FHZ, Süddeutsche und so weiter.

Und dann kommen schon mal andere dazu wie T-Online und so weiter.

Und ja, ich habe filmisch versucht, ein anderes Konzept.

Ich wollte nicht im Nachhinein Journalisten und Journalisten bitten, das, was in den letzten anderthalb Jahren passiert ist, aus der allwissenden Perspektive zu kommentieren, sondern ich wollte sie in der Situation bitten, das zu kommentieren.

Weil auch wir Journalisten können uns irren.

Insofern war das schon wichtig, nicht nur die Politiker in der Situation zu interviewen, also auf den Reisen oder im Kanzleramt, im Wirtschaftsministerium, sondern eben auch die begleitende Presse.

Und die haben sich alle gerne darauf eingelassen.

Ansonsten, was diese Ampelkoalition angeht, die ja in den Umfragen miserabel dasteht, die ein Bild abgibt, das jedenfalls nicht unbedingt dazu ein Lädt wiedergewählt zu werden.

Was ist Ihr persönlicher Eindruck? Und Sie waren ja relativ nahe dran.

Ist das eine Koalition, bei der die Spitzenleute überhaupt gar nicht mehr können oder wird das medial falsch dargestellt? Wie sehen Sie es?

Also ich würde nicht sagen, dass sie nicht mehr können oder nicht mehr miteinander können.

Also den ist glaube ich das Problem sehr wohl bewusst, dass sie da ein miserables Bild abgeben.

Sie erkennen das ja an den sinkenden Umfragewerten am Erstarken der AfD, also die sind nicht blind, die sehen und sie wissen das.

Die Frage ist, ob sie aus dieser Spirale wieder herausfinden und der Grund, warum sie in diese Spirale reingeraten sind, liegt ja an einer Dynamik des vergangenen Jahres.

Also durch den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine wurde auch diese Bundesregierung zusammengespeist.

Sie haben sich im Jahr 2022 vor allem mit Vladimir Putin beschäftigt. Jetzt beschäftigen sie sich vor allem mit sich selbst.

Und das liegt daran, dass im Jahr 2022 die FDP vor allem die FDP in den Landtagswahlen ordentlich eins auf die Mütze bekommen hat.

Die sind aus drei Landtagen bzw. dem Abgeordnetenhaus in Berlin geflogen.

Wenn es ganz schlecht läuft für die FDP, sind die am Ende des kommenden Jahres, und wir werden da drei ostdeutsche Landtagswahlen haben, in sechs, vielleicht sogar in sieben Landtagen nicht mehr vertreten.

Das heißt, den bricht allmählich die personelle, wirtschaftliche und auch ideelle Basis weg.

Diese Partei hat ein massives Problem.

Und die Partei Führung im Christian Lindner hat irgendwann im Herbst letzten Jahres beschlossen, wir müssen, wir haben sie ja so schön formuliert, in der Koalition sichtbarer werden.

Die Art und Weise, wie sie versuchen, sichtbarer zu werden, kann man auch als Opposition in der Regierung verstehen.

Und von dem Moment an entstand eine andere Dynamik.

Die haben Anfang, wie gesagt, ganz positiv war, aber jetzt entfaltet das Ganze eine negative Energie und das spüren die Bürgerinnen und Bürger.

Also verstärkt wird das Ganze ja dadurch, dass die beiden anderen Parteien auch große Probleme haben.

Die Grünen sind ja, was ihre Akzeptanz angeht, ziemlich weit nach unten gerutscht, aus vielerlei Gründen.

Die SPD liegt in den Umfragen inzwischen hinter der AfD.

Wie kann dann bei einer solchen Dreierkonstellation so etwas wie Zuversicht entstehen, irgendein gemeinsames Gefühl, wir packen das alles?

Ich glaube, es wird erst noch mal schlimmer im kommenden Jahr wegen dieser erstmal Europawahl, was eigentlich eine klassische Protestwahl ist.

Also bislang jedenfalls war und den drei ostdeutschen Landtagswahlen, die jetzt nicht so chancenreich sind für die Ampelparteien.

Also wir reden jetzt nicht über Machtstrategische Überlegungen, wir reden jetzt nicht über inhaltliche Überzeugungen.

Wenn es auf die Bundestagswahl zuläuft und Olaf Scholz ist mit einem Gegenkandidaten sagen, wer mal Friedrich Merz zu tun bekommt oder Markus Söder,

dann kann er sich natürlich Chancen ausrechnen, weil dann geht es um ein Duell, möglicherweise Triel, aber ganz oben wird dann das Duell Scholz gegen den CDU-Kandidaten stehen.

Und da bin ich mir nicht so sicher, ob die CDU wirklich sich durchsetzen wird gegen den Kanzler, den die Deutschen dann vier Jahre lang kennengelernt haben,

vielleicht nicht alle mögen, nicht alle schätzen, aber doch mindestens seine Nervenstärke respektieren, die er ja nun zweifelsohne hat.

Und daraus schöpft zumindest die SPD Hoffnung, um ihre Frage zu beantworten.

Ja, aber ich meine die Spitzenleute in der Union können ja auch Zahlen lesen.

Also die wissen, dass ihr Friedrich Merz nicht wirklich gut ankommt, dass er in vielerlei Hinsicht völlig daneben gelegen hat.

Also ich erinnere daran, dass er mal gesagt hat, ich mit meiner Person werde dafür sorgen, dass die AfD halbiert wird und also überspitzt formuliert, hat er den eigenen Laden halbiert.

Ja, ich war sogar dabei, weil ich damals ein Film gemacht habe über die Nachfolge von Angela Merkel.

Da sind ja drei gegeneinander angetreten, das war 2018, da hat Friedrich Merz das gesagt.

Ja, halbiert hatte die Zustimmungswerte für die Union nicht, aber er hat definitiv nicht die Zustimmungswerte für die AfD halbiert.

Und die Union weiß sehr wohl, dass sie da ein Problem mit dem möglichen Kanzlerkandidaten Fritzig Merz hat, aber sie müssen sich mit der Biografie von Merz beschäftigen.

Der ist ja im reifen Alter und nach einer Karriere in der Wirtschaft dreimal angetreten, um diese Partei führen zu können.

Das hat er nach meinem Eindruck nicht gemacht, weil er so verliebt in die CDU ist, sondern weil er einen nach größeren Karriere Sprung vor sich hatte, die Kanzlerschaft.

Und dafür braucht er natürlich den Parteivorsitz der CDU.

Ich glaube nicht, dass sich Friedrich Merz das so ohne Weiteres nehmen lässt.

Und ich glaube auch nicht, dass die Union, also CDU und CSU vor der nächsten Bundestagswahl ein ähnliches Theater aufhören wird wie bei der letzten mit Markus Söder und Armin Laschet.

Aus der Erfahrung sind die auch glug geworden.

Deshalb stand heute, läuft viel auf den Kandidaten Friedrich Merz zu.

Es gibt aber zwei deutlich jüngere Politiker der CDU.

Der eine ist Ministerpräsident in Schleswig-Holstein, der andere ist Ministerpräsident in Nordrhein-Westfalen.

Denken Sie, die beiden gucken zu und nicken das ab, was Sie gerade als Szenario an die Wand gemalt haben?

Ja, ich glaube schon.

Also Sie haben es ja gerade gesagt, die sind deutlich jünger und deshalb können Sie das auch abnicken, weil Sie wissen, Ihre Chance kommt nach einem möglicherweise vergeigten Wahlkampf von Friedrich Merz.

Ich erinnere an den Wahlkampf von Franz Josef Strauß, 1980 gegen Helmut Kohl.

Helmut Kohl hatte 1976 seine Chance, dann hat Strauß gesagt, ich will es machen, eigentlich wäre Kohl derjenige gewesen, der hätte antreten müssen, aber er hat den Franz Josef Strauß den Vortritt gelassen, weil er wusste, der Strauß kommt in ganz Deutschland nicht gut an.

In Klammern, man kann heute auch nach München und zum Markus Söder blicken.

Also es kann sein, dass sich dieses Szenario wiederholt und dass die beiden Jüngeren aus Schleswig-Kolstein und Nordrhein-Westfalen sagen, ja, dann lass den Friedrich Merz mal machen, wir sind beim übernächsten Mal dran.

Also wenn wir gerade bei diesen Personenspielchen sind, da gab es ja auch vor zwei Jahren diese Konstellation Baerbock gegen Habeck, die Wahl war klar dann für Frau Baerbock, die dann als Kanzlerkandidatin angetreten ist,

entsprechend schlecht abgeschnitten hat, jetzt als Außenministerin eine durchaus gute oder passable Figur macht, jedenfalls wenn man die Umfragen anguckt, ist das Rennen für sie wieder in dem Sinne gelaufen, dass Habe keine Chance hat, weil ein paar Fehler bislang zu viel gemacht hat?

Also zunächst mal, ich habe beide gefragt nach ihren Ambitionen. Was sie geantwortet haben, will ich jetzt aber nicht verraten, das kommt dann demnächst im Film, aber ich gehe davon aus, dass beide sich Chancen ausrechnen.

Beide.

Beiden. Und es war ja 221 so, dass das im Hinterzimmer entschieden wurde zwischen Habeck und Baerbock. Die beiden haben sich in ihre Augen geschaut, Baerbock hat sich durchgesetzt, nicht nur, aber auch mit dem Hinweis auf das sogenannte Frauenstatut bei den Grünen, was vorsieht, dass weibliche Bewerber die ungraden Positionen beziehen, also 1, 3, 5 und so weiter und damit war klar, die Spitzenposition muss eine Frau,

also Anna-Lena Baerbock bekommen. Habeck hat grollend zurückgezogen, allerdings kurz vor der Wahl, am Tag vor der Wahl habe ich mit ihm nochmal telefoniert, hat er schon zu erkennen gegeben, dass es bei der nächsten Wahl anders laufen soll und dass man über die Regularien in der Partei doch nochmal nachdenken sollte.

Das war ein ganz klarer Hinweis darauf, dass er sich zumindest an dieses Frauenstatut beim nächsten Mal bitte schön nicht gebunden fühlt. Dafür braucht er aber, und das werden die Grünen auch anders organisieren beim nächsten Mal, die Basis, weil die soll befragt werden und deshalb muss man all das, was passiert in Berlin, also vor diesem Hintergrund, in der Rivalität, Habeck, Baerbock auch sehen, wer überzeugt bei der Basis am meisten.

Das bedeutet noch nicht, dass man bei den Wählerinnen und Wählern am meisten Punkte hat, aber zunächst mal müssen sie die Basis hinter sich bringen. Und wenn sie diesen Gedanken zulassen, dann machen einige Äußerungen von Baerbock und Habeck in andern Sinn.

Wir werden sehen, wie es weitergeht, wie es ausgeht vor allen Dingen. Stefan Lambi, wenn wir ein ganz anderes Thema ansprechen oder anschneiden und ein bisschen auf ihre eigene Vita gucken, sie sind ein klassisches Kind der Bonner Republik eigentlich in vielfältiger Art und Weise, weil ihr Vater Jurist, war hoher Ministerialbeamter, ich glaube erst im Entwicklungshilfeministerium, deinem Finanzministerium, CDU Mitglied auch.

Das heißt, sie sind früh politisiert worden, auch innerhalb der Familie?

Ja, das war so. Bei uns wurde viel diskutiert und gerne diskutiert und da bin ich gewachsen auch durch die Reibung.

Reibung heißt konkret?

Naja, ich war Mitte der 70er Jahre, also sagen wir es mal so, ich habe eine andere Musik gehört, meine Haare wurden länger, ich habe zwar drei Monate bei der Bundeswehr gedient, dann aber verweigert, das fanden nicht alle gut und auch nicht alle in der Familie gut.

Aber das war trotzdem ein sehr respektvolles Miteinander, also das ist die Reibung, die es eben in guten Familien gibt, da wird offen über die Dinge gesprochen und ich habe eine eigene Familie und da ist es genauso und deshalb muss man ja nicht brechen miteinander, sondern man wächst aneinander und ich bin in der Phase auch in der Diskussion mit meinem Vater und meinen Eltern gewachsen.

Sie haben, glaube ich auch, wenn ich mich an die letzte Sendung, die wir damals für den SWR gemacht haben, richtig zurück erinnere, Sie haben auch eine große Affinität zu den USA, Sie waren ein Jahr in den USA mit Schlafsack auf der einen Seite und mit dem Saxophon auf der anderen Seite?

Genau, so bin ich eigentlich in den Journalismus geraten, ich bin nach dem Studium Germanistik und Anglistik wirklich mit einer ganz offenen Vision durch die Welt gereist und ich wollte eigentlich nicht sesshaft werden, sondern als Normade, da ich aber viel in Bands gespielt habe, hatte ich nicht nur ein Schlafsack, sondern eben das Saxophon dabei und bin nach New York gezogen und habe da meinen Lebensunterhalt verdient, in dem ich Jazzmusiker interviewt habe.

Als Sie wieder zurück waren in Deutschland, ging es dann wieder verstärkt um Politik und dann auch um den Journalismus, in den Sie auf welche Art und Weise dann reingekommen sind?

Ich habe für einen privaten Hörfungssender in Hamburg gearbeitet, das war wirklich ganz am Anfang der Geschichte von Privatsendern und das war so turbulent, dass nach drei Monaten die Chefredakteurin entlassen wurde und ich gebeten wurde das Wortprogramm zu leiten und ich war, ich glaube, 27 und so.

Und habe dann mit dem Team neue Radiiformen entwickelt, also Gesprächsformen, wir hatten so ein Talkradio, das war damit ziemlich innen.

Also letztlich das, was Sie jetzt gerade machen daheim, um Mitternacht im Privatradium und bin dann über einige Stationen, ich habe erst mal frei gearbeitet, habe mein Jahr für RTL Frühstücksfernsehen moderiert, bin dann aber bei der Zeit gelandet und habe für die Zeit eine Fernsehsendung mitgeleitet und moderiert

und habe da einen ganz anderen Journalismus kennengelernt, dem ich sehr geprägt habe. Das war dir von Theo Sommer, Greffen Dünhoff, Himmelt Schmidt, gab es damals noch und das war für mich eine journalistisch sehr prägende Zeit.

Danach habe ich mich mit einer Produktionsfirma selbstständig gemacht.

Ich wollte gerade fragen, wie sind Sie dann zum Dokumentarfilm gekommen?

Weil die Zeit verkauft wurde nach dem Tod von dem Verleger, gern Porcerius und ich mir Gedanken machen musste, wie das alles auch mit mir selber weitergeht.

Und dann gab es eine Möglichkeit, ein bekannter, arbeitete bei Greenpeace und fragte, ob ich den Greenpeace beraten könne beim Aufbau einer Umweltsendung.

Und aus dem Rad wurde dann die Produktion und aus dem anders habe ich eine Produktionsfirma gegründet.

Moderiert hat dann die Sendung eine gewisse Sandra Maischberger. Die Sendung wurde nach sechs Folgen abgesetzt und alle haben es überlebt, RTL, Sandra, ich auch.

Und ich hatte plötzlich eine Firma, aber keine Aufträge. Und dann ging es erst richtig los mit politischen Dokumentationen.

Dann habe ich mit einem Kollegen zusammen den letzten Wahlkampf von Helmut Kohl begleitet, habe die CDU-Spendenaffäre wirklich aus der Nähe beobachten können.

Aber ein langen Film über den Geheimagenten Werner Maus gemacht und bin so in ein Genre hineingewachsen, was mir nicht in die Wiege gelegt war.

In die Wiege vielleicht schon, weil ich aus Bonn komme, aber durch den Umweg Musik war das nicht die zwingende Konsequenz.

Hab dann aber gemerkt, ja, da gibt es vielleicht auch eine Lücke, also auch in der Fernsehenlandschaft.

Nämlich, dass Leute über einen längeren Zeitraum politische Prozesse mit der Kamera beobachten und nicht nur für kurze Otwürne in Nachrichten und Magazinbeiträge.

Das war damals, gab es schon in Ausnahmen, aber es war nicht üblich und habe dann mit dazu beigetragen, diese Genre zu entwickeln.

Gibt es denn bei dem, was Sie machen, also Dokumentarfilme über letztlich Figuren der Zeitgeschichte, gibt es da ein immer wiederkehrendes Dilemma insofern,

als man auf der einen Seite logischerweise sowas wie Nähe zu seinen Protagonisten herstellen muss, damit die sich öffnen,

auf der anderen Seite man aber eine zwingend notwendige journalistische Distanz waren muss?

Ja, Sie beschreiben das richtig. Also aus der Spannung zwischen Nähe und Distanz entsteht letztlich die Qualität von Filmen und auch von Büchern,

über die wir ja aussprechen sollten, weil das ist für mich etwas Neues, was ich jetzt erst in den letzten drei Jahren gemacht habe.

Und auch jetzt ist das ja ein Projekt, was gleichermaßen Film wie Buch betrifft. Es geht immer darum, einem Personal nahezukommen.

Das ist das Publikum, was die Leserschaft erwartet, aber wenn man ihm zunahe kommt, dann ist man embedded und dann ist man vielleicht blind für auch Kritik.

Also spätestens am Laptop, wenn ich am Buch schreibe oder im Schneideraum, wenn ich am Film arbeite, löst sich die Nähe in Distanz wieder auf und dann wird es spannend.

Und die Art, wie ich arbeite als Journalist, als Dokumentarfilmer oder als Buchautor,

wäre in Regimen wie in Russland, China, Saudi-Arabien, Türkei unmöglich.

Also mit dieser Freiheit, was ich als eine gewisse demokratische Souveränität der Regierung empfinde, das zuzulassen.

Ich muss das niemandem vor der Veröffentlichung vorlegen. Da ist nichts autorisiert, nichts embedded.

So viel zu der Frage Nähe. Die Nähe gibt es, aber die hat Grenzen.

Helmut Kohl haben sich schon angesprochen, also den Kanzler der Einheit, den sie über einen langen Zeitraum immer mal wieder gesehen begleitet haben.

Sie haben den Film über seine schwarzen Kassen gemacht und über die anonymen Spender, von denen Schäuble, glaube ich, mal gesagt hat oder vermutet hat, die gäbe es überhaupt gar nicht.

Wie ist Ihre Position da?

Ich habe, das sagte ich ja eben, 99-2000 ein langen Film über die CDU-Parteispendenaffäre gemacht und bin damals davon ausgegangen, dass Helmut Kohl, der sagte, er hat das Geld von Spendern bekommen, dass die Geschichte stimmte.

Hab dann im Jahr 2015 ein Film über den damaligen Finanzminister Wolfgang Schäuble gemacht, den mir im Interview sagte, dass die Geschichte nicht stimmt, sondern dass es sich um Zitat schwarze Kassen von der Flickaffäre handelt, über die wir jetzt länger sprechen müssten.

Das war 70er, 80er Jahre. Der Flickkonzern hat, wir haben dir das genannt, die Parteienlandschaft mit Spenden gepflegt, vor allem die CDU hat davon profitiert.

Und das war die Behauptung von Wolfgang Schäuble, der lange an der Seite von Helmut Kohl gearbeitet hat, dass die Zeit von Helmut Kohl als Parteipositzner und als Kanzler auch durch geheime Kassen aus dieser Zeit unterstützt wurde.

So muss man es formulieren.

Als mir Wolfgang Schäuble das im O-Ton sagte, habe ich die Geschichte nochmal genauer recherchiert, habe ich anderthalb Jahre mit diesem Vorgang beschäftigt und dann einen neuen, diesmal ganz anderen Film über Helmut Kohl gemacht, über seine schwarzen Kassen.

Und dann sehe ich auch die Spendenaffäre mit ganz anderen Augen, als sie damals, als sie passierte, als Zeitzeuge habe beobachten können.

Hat er diesen Film noch mitbekommen? Hat er darauf reagiert?

Er ist ein halbes Jahr vorher gestorben. Wir haben aber ungefähr anderthalb Jahre vorher das Projekt begonnen, als er noch lebte.

Wir haben uns lange die Frage gestellt, ob wir mit Helmut Kohl darüber noch mal sprechen sollten, aber der war zu dem Zeitpunkt nicht mehr sprechfähig, weil er war gestürzt und er konnte sich nicht mehr phonetisch artikulieren.

Aber für ein Film 2003 hatte ich mit Helmut Kohl über die Spendenaffäre gesprochen und es war ein Interview, das ich über insgesamt vier Tage erstreckte in seinem Wohnzimmer in Ockersheim.

Da haben wir auch lange über die Spendenaffäre gesprochen und dieses Interview habe ich mir dann nochmal vorgenommen und im neuen Film 215 über die schwarzen Kassen von Helmut Kohl die alte Version von Helmut Kohl mit den neuen Erkenntnissen kontrastiert.

Das war spannend.

Wolfgang Schäuble, Sie haben ihn angesprochen. Wenn man ihn sozusagen auch aus fast schon historischer Sicht betrachtet, ist er der tragische Unvollendete der deutschen Politik?

Naja, es gibt tragischere Fälle, als nicht Bundeskanzler oder Bundespräsident zu werden, aber unvollendet ja, weil er wollte das.

Er wollte das unbedingt und er war auch also gleich mehrfach verletzt und ich spiel jetzt nicht auf das Attentat 1990 an, sondern verletzt, dass ihm dieser letzte Schritt erst von Helmut Kohl, als es um die Kanzlerschaft ging, verwehrt wurde, 1998 als Kohl wieder antrat und dann einige Jahre später von Angela Merkel als Wolfgang Schäuble Bundespräsident werden sollte und wollte

und Merkel, das ihm verwehrt hat und dann Horst Köhler aus der Tasche gezogen hat. Da war Schäuble, er würde das etwas diplomatischer formulieren, aber das ist meinen Eindruck verletzt, also insofern ja unvollendet.

Dieser Wolfgang Schäuble ist glaube ich immer noch Bundestagsabgeordneter?

Ja, Hinterbänkler.

Hinterbänkler, haben Sie noch aktuell Kontakt zu ihm?

Ich habe ihn nochmal vor zwei, drei Jahren für ein anderes Projekt gesprochen und getroffen, aber jetzt in den letzten zwei, drei Jahren nicht mehr.

Also irgendwann ist die Zeit der Spitzenpolitiker in ihrer jeweiligen Partei, in ihrer jeweiligen Funktion vorbei.

Nach meiner Beobachtung gibt es Spitzenpolitiker, die ganz gut damit klarkommen, die da möglicherweise auch noch was Neues machen.

Es gibt aber auch welche, die lange, lange hadern und eigentlich nie ihren Frieden damit machen konnten, dass sie nicht mehr die große Bühne bespielen.

Ist das eine Beobachtung, die Sie auch gemacht haben?

An wen denken Sie?

Also ich denke zum Beispiel, wenn wir in Baden-Württemberg sind, an jemanden wie Erwin Teufel, von dem ich jetzt aus der Distanz vermute, dass er, wie soll ich es formulieren, sich sehr schwer getan hat,

seinen Frieden zu machen mit Oettinger auf der einen Seite, mit seiner Partei der CDU auf der anderen Seite, weil die ihn ja letztlich als einen erfolgreichen Ministerpräsidenten,

der gute Wahlergebnisse erzielt hat, irgendwann nicht mehr haben wollten.

Also was Sie da ansprechen, ist ein Dilemma von allen Parteipolitikerinnen und Politikern, ist letztlich ein Dilemma von Parteien.

Weil sie brauchen Parteien in Deutschland, wenn sie politisch was bewegen wollen, wenn sie nach oben kommen wollen, wenn sie da auch Karriere machen wollen.

Dafür brauchen sie eine Partei, die stellt sie auf, so dass sie bei Landtagswahlen, Kommunalwahlen, Bundestagswahlen kandidieren können.

Ohne die geht es nicht.

Oder nur äußerst schwer.

Allerdings sind sie ja da ja nicht alleine, sondern sie haben dann Konkurrenten.

Und im Laufe von langen politischen Leben nehmen die Verletzungen zu.

Und ich habe über diese Situation meinen eigenen Film gemacht, der hieß Schlachtfeldpolitik.

Und habe mit einem Personal von allen damals im Bundestags vertretenen Parteien, inklusive der Linken, gesprochen.

Und alle haben ja beschrieben, wie sehr sie in ihren Parteien auch leiden, dass sie aber aus diesen Parteien nicht rauskommen.

Wenn sie in einer Firma, in einem Konzern arbeiten und da kreuzunglücklich sind, dann können sie den Konzern wechseln.

Versuchen sie das mal mit einer Partei.

Das hat es gegeben, als Helmut Kohl, über den wir gerade sprachen, Bundeskanzler wurde, da sind einige von der FDP zur SPD gewechselt.

Das ist aber eine krasse Ausnahme.

Es gab auch mal Chili, der von den Grünen zur SPD gewechselt ist.

Und da findet man immer irgendwelche Einzelbeispiele, aber man muss suchen, klar.

Und jetzt können wir beobachten, was da in den Linken gerade passiert.

Und wie die versuchen, zumindest in Teilen aus der alten Partei, die Linke in die neue, die möglicherweise oder wahrscheinlich gegründet wird von Sarah Weigend nicht, zu wechseln.

Das ist ein unglaublich schmerzhafter Prozess.

Also das ist systemimmanent, was Erwin Teufel beschreibt.

Sie haben es nicht nur mit Leuten zu tun, die ihnen auf dem Weg nach oben helfen, sondern auch versuchen sie zu bremsen.

Das ist letztlich nicht nur, aber auch in Hauen und Stechen, auf das sie sich einlassen müssen.

Und dafür ist auch nicht jeder in der Lage, das müssen sie wollen und es müssen sie können.

Wenn Sie die Linke ansprechen, dann lassen Sie doch uns zum Schluss unseres Gesprächs ein bisschen in die Zukunft gucken.

Also Frau Weigendnacht, wird Sie mit einer neuen alternativen linken Partei an den Start gehen

und wird das die alte Linke komplett pulverisieren? Was denken Sie?

Jetzt wird die Glaskugel ein bisschen unlässig dick.

Aber wenn man sich die Absetzbewegung aus der alten Führungsriege der aktuell noch existierenden Linken anschaut,

dann spricht sehr viel für eine Neugründung von Sarah Wagenknecht, die auch auf die Dynamik im nächsten Wahljahr blicken kann.

Es kann schon gut sein, dass sie da es schafft, eine neue Partei unter ihrer Führung in einige ostdeutsche Landtage zu bewegen,

vielleicht zur Lasten der AfD.

Insofern könnte das ein in maßen erfolgreicher Start für eine Neugründung sein.

Ob das dann bundesweit eine Erfolgsgeschichte werden wird, da habe ich meine Zweifel.

Und Sie haben es angesprochen, es wird definitiv, wenn es dazu kommt, zu einer Spaltung der Linken im weitesten Sinne führen

und auch zu einer Pulverisierung zumindest als parlamentarische Kraft.

Insofern könnte es sein, dass Sarah Wagenknecht ihre alten Partei und ihre Neugründung keinen Gefallen tut,

sondern beide aus der politischen parlamentarischen Debatte mittelfristig herausnimmt.

Wie sehen Sie die Zukunft der AfD auch vor dem Hintergrund, dass da drei Landtagswahlen in ostdeutschen Ländern demnächst stattfinden werden?

Die Zukunft sehe ich im kommenden Jahr als Schränkenszenario, eine Partei, die eindeutig rechtsextrem ist und in Teilen als faschistisch genannt werden kann,

zumindest einzelne Repräsentanten, also mit dem Wissen, was diese Partei verkündet, wie sie gegen Ausländer in Teilen hetzt,

dass die einen so großen Teil der Bevölkerung ansprechen, dass sie sich vorstellen können, diese Partei zu wählen, erschreckt mich.

Es gibt Gründe, warum sie im Moment in den Umfragen so stark ist.

Die Gründe liegen auch im Erscheinungsbild der Ampelregierung, wir sprachen kurz drüber, ob das aber über das nächste Wahljahr hinaus dazu führt,

dass die AfD auf diesem Niveau bleibt, da habe ich doch mal eine Zweifel.

Es kann sein, dass wir ein starkes, erschreckendes Hoch im Jahr 2024 wegen der ostdeutschen Landtagswahlen erleben,

aber im Bundestagswahlkampf 2025 sich das Ganze wieder naja einpendeln, dass wir ein bisschen zu optimistisch, aber dass dieser höheren Flug dann doch zu einem Ende kommt.

Herr Rebert Brandl hat kürzlich in der Süddeutschen einen, wie ich persönlich finde, klugen Satz gesagt.

Er meinte, verantwortlich für den Erfolg einer rechtsextremen Partei ist in erster Linie derjenige oder diejenige, der die diese Partei wählen.

Da hat Herr Rebert Brandl durchaus recht, also das ist ja nicht so, dass das eine Partei ist, die wie eine Blackbox gewählt werden soll.

Die existiert jetzt doch schon etliche Jahre. Man kennt das Personal, man kennt die Hetzkampagnen und wenn man um jetzt nochmal zu Herr Rebert Brandl zu kommen,

diese Partei denn auch wählt, dann trägt man eine Mitverantwortung für die Entwicklung, die politische Entwicklung in Deutschland, natürlich.

Zwei kurze Fragen habe ich noch, wissend, dass die Antwort nicht leicht sein wird.

Erste Frage, Biden oder Trump im kommenden Jahr in den USA?

Biden wegen Trump. Donald Trump ist die große Chance für Joe Biden, weil Donald Trump zwar seine Wählerschaft hinter sich versammelt,

ebenso erschreckenderweise wie die AfD in Deutschland, aber noch mit einer ganz eigenen Dynamik, weil diese Person natürlich enorm spaltet.

Aber wegen der Prozesse, die er inzwischen hat, auch wegen der Ereignisse am 6. Januar vor letzten Jahres, ist Donald Trump nicht nur attraktiv für Wähler,

sondern für schwankende Wähler abschreckend. Und Joe Biden ist aus anderen Gründen abschreckend für viele Amerikanerinnen und Amerikanern,

was ganz wesentlich mit seinem Alter zusammenhängt, aber zum einen ist Donald Trump nicht wesentlich jünger

und zum anderen spaltet Trump so extrem, dass es dem Moderaten Joe Biden selbst in den USA helfen wird, im Weißen Haus zu bleiben.

Dann die Mutter aller Frage, der Krieg in der Ukraine, sehen Sie Licht am Ende des Tunnels?

Nein, kurze Frage, kurze Antwort. Also mindestens bis zur Präsidentschaftswahl in den USA und zur Amtsanführung von wem auch immer sehe ich Stand heute

und ich bin, das sagen so viele, kein Militärexperte, sehe ich nicht, warum Vladimir Putin von seinen Kriegszielen lassen sollte.

Und die ukrainische Regierung um Volodymy Zelensky ebenso wenig, also die haben sich nicht nur militärisch,

sondern auch von ihren politischen Standpunkten, von ihren Forderungen so einbetoniert, so festgefahren,

dass ich im Moment da zu wenig Bewegung erkenne, übrigens auch zu wenig Bewegung, die von den westlichen Alliierten nicht initiiert wird.

Ich wünschte mir auch von der Bundesregierung im Zusammenspiel mit den westlichen Partnern diplomatische Initiativen,

um einzuwirken auf eine Lösung dieses Konfliktes. Wer so viele Waffen liefert, trägt irgendwann auch eine Mitverantwortung für das, was da passiert.

Das war Ihr Schlusswort, vielen Dank für das Gespräch und wir sind alle sehr gespannt auf Ihren Film am 11. September in der ARD.

Und das Buch.

Und das Buch.

Ernstfall.

Das jetzt schon da ist.

Das ist jetzt schon...

Beides heißt Ernstfall.

So ist es. Herr Heim, ich danke Ihnen.

Alles Gute für Sie.

Ihnen auch.

Heimspiel.

Apokalypse und Filtercafé ist eine Studiobummensproduktion mit freundlicher Unterstützung der Florida Entertainment.

Redaktion Wolfgang Heim.

Executive Producer Tobias Baukage.

Produktion Hannah Marahil.

Ton und Schnitt Mia Becker.

Machine-generated transcript that may contain inaccuracies.

Stephan Lamby ist Politikjournalist und Filmemacher und hat eine Vielzahl von Persönlichkeiten von Kohl über Merkel bis hin zu Castro und Kissinger portraitiert. In seinem neuen Buch und dem gleichnamigen Dokumentarfilm “Ernstfall – Regieren am Limit“, der am 11. September im ZDF zu sehen sein wird, zieht er eine Halbzeitbilanz der Ampelkoalition, die sich in den letzten zwei Jahren mit ungeahnten Herausforderungen konfrontiert sah.

Im Gespräch mit Wolfgang bespricht Stephan Lamby wie die Regierung um Olaf Scholz mit der größten internationalen Krise seit dem Zeiten Weltkrieg umgeht, welche Einblicke er hinter den Kulissen des Politikbetriebs der letzten zwei Jahre gewinnen konnte und was es bedeutet, die nötige Wage aus Distanz und Nähe zu seinen Subjekten zu wahren.

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