Apokalypse & Filterkaffee: Heimspiel: Sabine Fischer

Micky Beisenherz & Studio Bummens Micky Beisenherz & Studio Bummens 10/22/23 - Episode Page - 49m - PDF Transcript

Guten Morgen, lieber Wolfgang, ich grüße dich.

Guten Morgen, lieber Micky.

Zunächst einmal finde ich es ja sehr bedauerlich,

dass wir uns in Stuttgart nach der Live-Show gar nicht mehr gesehen hatten.

Das finde ich auch.

Bist du mit den anderen einfach schreiend rausgerannt, war es das?

Nein, ich bin nicht schreiend rausgerannt, sondern eher still.

Und in jedem Fall, es ist mir fast peinlich,

wenn ich dieses Kompliment machen muss, voller Bewunderung,

weil diese zwei Stunden so abzuliefern,

Schapo und dazu noch unter diesen erschwerten Bedingungen,

dass es vorher eine Podcast-Aufzeichnung mit Herrn Habeck gegeben hat,

die sich verzögert hat und unter der Prämisse,

dass Habeck auch nicht der Allereinfachste zu Interviewende ist.

Nee, also wirklich Schapo.

Das ist sehr lieb von dir, vielen Dank.

Mir ist natürlich wichtig, dass das auf jeden Fall jetzt aufgezeichnet wurde,

oder das Kompliment, das ist ja in unserer Medienöffentlichkeit

das Allerwichtigste.

Hättest du was anderes gesagt, hätten wir es natürlich einfach rausgeschnitten.

Das weißt du.

Ja, Habeck, ach du, ich fand den sehr angenehm.

Ich fand den auch gar nicht so schwer zu interviewen,

was ich ein wenig schade fand, vor allem im Nachhinein,

ist, dass die Zeit halt natürlich dann nie so klar,

aber das gibt das Format auch zumindest unter der Woche ja so auch nicht her.

Und sowohl er als auch ich fährt beide noch einiges zu tun.

Er hatte, glaube ich, noch ganz andere Themen und ich musste ja auf die Bühne

und musste unter anderem in Baden-Württemberg

ja noch das Schwabometer erfinden.

Also inwieweit der Schwabe in der Regung gerät,

sofern der Begriffe wie Thermostat runterdrehen oder Waschlappen benutzen.

Also was Habeck angeht, ich habe ihn einmal interviewt für eine Leute-Sendung.

Das war im Bundestagswahlkampf 221 oder kurz vor dem Bundestagswahlkampf

und in jedem Fall kurz nach der Entscheidung, dass Frau Baerbock diejenige ist,

die als Kanzlerkandidatin ins Rennen geht und er ja auf eine auf eine

schon deutlich sichtbare Art und Weise angefasst war, weil er sich schon für

den Besseren gehalten hat.

Und das war der einzige Moment in diesem Gespräch, wo, wo man dieses

Generftsein von dem noch mal danach fragen doch sehr deutlich gespürt hat.

Ja, das wird natürlich eine Situation sein, die ihm auch wieder begegnet wird.

Ja, wahrscheinlich.

Das ist jetzt keine abgeschlossene Geschichte, sondern die wird ihm natürlich

irgendwann wie so eine Katze eine tote Ratte vor die Tür legt.

Das wird ihm natürlich wieder begegnen, relativ bald, vermutlich nächstes Jahr.

Ja, interessant.

Um da mal die moderative Brücke zu schlagen,

Robert Habeck war ja aber auch wiederum vor dem Bundestagswahlkampf, derjenige,

der mit einem Helm gesichtet wurde, knierend, weil er, ich glaube, es war damals

in Donetsk oder hat er die Krim besucht, also irgendwo in einer damals auch schon

kriselnden Region, weil er derjenige darauf hingewiesen hat und gesagt hatte,

Leute, wir müssen die Ukraine verteidigen und somit sei die Brücke geschlagen

zu deinem Gast, mit dem du dich unterhalten hast, Sabine Fischer.

Ja, eins noch zu Habeck.

Ja, wir holten auch gerne drei Sachen noch.

Also parteiübergreifend ist man über ihn hergefallen, nachdem er diesen Vorschlag

gemacht hat und als dann Russland die Ukraine überfallen hat, haben die anderen

dann jeweils diskassiert, was sie ihm da vor die Füße geworfen haben.

Was Sabine Fischer angeht, eine Politikwissenschaftlerin, Stiftung

Wissenschaft und Politik in Berlin, eine wirklich sehr gute Kennerin

der russischen Verhältnisse, der russischen Politik, auch von Vladimir Putin,

hat ein Buch gemacht, die chauvinistische Bedrohung.

Der Titel hängt auch damit zusammen, dass sie sehr akribisch rausarbeitet,

letztlich wie gewalttätig diese russische Gesellschaft ist und letztlich auch wie

frauenfeindlich ist nur ein Beispiel.

Also die Zahlen für häusliche Gewalt sind um ein vielfaches höher als das bei uns

der Fall ist und sie setzt letztlich auf eine durchaus beeindruckende Art und Weise

ein, man kann es eigentlich nicht anders sagen, ein wirklich kaputtes System.

Das vermutlich vom Kopf her zu stinken beginnt.

Gewalt, klar.

Einer, der vertikal alles auf sich ausgerichtet hat,

der es auf eine extrem geschickte Art und Weise verstanden hat,

mögliche Konkurrenten und Gegenspieler so gegeneinander auszuspielen,

dass sie ihm jeweils nicht gefährlich werden können.

Da kommt viel zusammen.

Da kommt viel zusammen und möglicherweise habt ihr ja Fragezeichen darüber gesprochen,

inwieweit überhaupt jemand diesen Putin auch ersetzen könnte.

Wir haben die Aufzeichnung, das ist vielleicht auch nicht ganz unwichtig,

Vorgaser gemacht, also vor zweieinhalb Wochen.

Deshalb spielt auch die mögliche russische Beteiligung an dieser ganzen Geschichte

keine Rolle oder auch die Frage, ob Russland auf welche Art auch immer

die Hamas unterstützt hat, kann halt nicht drin sein, weil wir vorher aufgezeichnet haben.

Ansonsten haben wir natürlich schon versucht, in die jeweiligen Facetten reinzugucken,

wie dieses System funktioniert, welche Rolle beispielsweise auch dieser

Patriarch, Kürill der erste Spiel, also ein Mann mit KGB Vergangenheit,

ein Mann, der ein Luxusleben führt und bei dem nur die Frage ist, ob er

Millionär ist oder Milliardär.

Oh wow, okay.

Also Wolfgang, du siehst mich als nach wie vor zahlenden Katholiken, also absolut

überrascht, dass sogar Kirchenleute teilweise dubiose Hintergründe haben können.

Kann man sich in Deutschland gar nicht vorstellen?

Gibt es in Deutschland nicht, also zumindest nicht, was das Pekonäre angeht.

Die anderen Geschichten lassen wir mal außen vor.

Genau.

Und dann hören wir jetzt mal rein, Wolfgang.

Vielen Dank und dir ein schönes Wochenende.

Ja, gleichfalls.

Alles Gute.

Ciao.

Es ist Sonntag, der 22. Oktober.

Apokalypse und Filtercafé.

Heimspiel.

Das Interview am Sonntag.

Mit Wolfgang Heim.

Sie ist Politikwissenschaftlerin und eine exzellente Russland-Expertin.

Sie arbeitet für die Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin.

Und ihr aktuelles Buch hat den Titel

die chauvinistische Bedrohung Russlands Kriege und Europas Antworten.

Herzlich willkommen, Sabine Fischer.

Vielen Dank für die Einladung.

Frau Fischer, wann waren Sie zuletzt in Russland?

Ich war zuletzt in Russland im Juni 2022, also vier Monate

nach dem Beginn der Vollinvasion im Februar.

Mit welchen Gefühlen sind Sie hin?

Und vor allem mit welchen Gefühlen sind Sie zurückgekommen?

Ich bin hingefahren durchaus mit einem Gefühl der Verunsicherung.

Also ich fand das schon nicht mehr trivial, überhaupt zu fahren.

Davor war ich im Februar gewesen in der Woche vor Beginn der Vollinvasion.

Also ich bin damals im 20. Februar zurückgeflogen.

Am 21. kam dann die Anerkennung der besetzten Gebiete und die übrigen Entwicklungen.

Damals hatte ich noch gar keine Bedenken, was mich selbst betraf.

Im Juni sah das schon anders aus und zurückgekommen bin ich,

ja, wie soll ich sagen, mit einer Mischung aus Trauer und Frustration, auch Wut.

Ich habe im Grunde genommen bestätigt bekommen bei den Gesprächen, was ich erwartet hatte,

was Veränderungen der Gesellschaft anbelangt, aber eben auch die

außenpolitischen Gespräche, die ich geführt habe.

Das war die Situation.

Das alles ist jetzt nun mehr als ein Jahr her.

Wie sehr hat sich aus Ihrer Sicht auch von den Kontakten her,

die Sie haben, wie sehr hat sich die Situation verändert und möglicherweise auch verschlimmert?

Also es hat sich definitiv verschlimmert, was wir in Russland beobachtet haben

jetzt nicht erst seit Februar letzten Jahres, sondern wirklich in den letzten 12 Jahren.

Es ist im Grunde genommen ein Race to the bottom.

Es wird immer schlimmer.

Der Staat dreht eindeutig ins Totalitäre, hat eine quasi faschistische Ideologie

mittlerweile entwickelt.

Die Repressionen sind unglaublich breit, unglaublich stark.

Und all das sehe ich natürlich auch in meinen eigenen Kontakten.

Habe ich im letzten Jahr schon gesehen.

Und da hat sich sehr vieles verändert.

Also zu manchen Kollegen, Kolleginnen, mit denen ich früher sehr regelmäßig

Kontakt hatte, habe ich gar keinen Kontakt mehr zu anderen.

Habe ich weiterhin Kontakt, habe die auch getroffen im letzten Jahr.

Viele sind aber auch einfach nicht mehr in Russland.

Also gerade früher Gesprächspartner,

innern aber auch Partner in der Zusammenarbeit aus der CB Gesellschaft sind

mittlerweile über ganz Europa verstreut.

Die Leute, mit denen Sie jetzt in Russland sprechen,

gehen die andere und größere Risiken ein als noch vor einem oder vor zwei Jahren?

Definitiv.

Also das ist definitiv der Fall.

Die Leute gehen ein deutlich größeres Risiko ein, weil sie einfach in einer

wirklich extrem diktatorischen, also wenn sie noch in Russland sind, befinden

sie sich in einer extrem diktatorischen Situation.

Und man sieht ja, wie jede Woche neue, vor allen Dingen

zivilgesellschaftliche Akteure und Akteurinnen, aber eben auch Wissenschaftler und andere

zu ausländischen Agenten erklärt werden, repressiert werden und so weiter.

Also das Risiko ist eindeutig gestiegen.

Wenn Sie die Stimmung in Russland beschreiben

müssten, mit einem Wort, würde da möglicherweise der Begriff Resignation

an allererster Stelle stehen.

Wenn Sie die Gesellschaft meinen, würde ich den Begriff Atomisierung benutzen.

Atomisierung.

Atomisierung.

Ja.

Das heißt, es gibt keine gemeinsame Ebene mehr, sondern jeder guckt, dass er irgendwie

durch diese schwierigen und turbulenten Zeiten kommt.

Ja, also Rackmentierung, Atomisierung ist etwas, worauf dieses politische Regime

seit 15, 20 Jahren hinarbeitet, in den letzten 10 bis 12 Jahren immer extremer.

Also es ist ein Trend, der sich immer weiter beschleunigt hat und seit Februar

letzten Jahres hat auch diese Entwicklung einen negativen Gipfelpunkt erreicht.

Und sie haben mittlerweile

in Russland tatsächlich eine Gesellschaft, in der eine große Mehrheit der Menschen

einfach versucht, jede Berührung mit dem Staat zu vermeiden, auch aus Angst.

Und in der sämtliche Strukturen, politische oder auch

zivilgesellschaftliche, die irgendwie, also horizontalen Strukturen, die irgendwie

dabei hätten helfen können, Descent zu formulieren und auf eine politische Ebene zu heben oder

eine politische Alternative zu schaffen und auch anzubieten, in der diese Strukturen

vollkommen zerstört sind und das führt zur Atomisierung.

Versuch denn, Frau Fischer, das Regime auf eine bestimmte Art und Weise trotzdem noch

auf die Bevölkerung zuzugehen.

Ich frage deshalb, weil jetzt dieser Tagejahr die Meldung kam, es wird vorerst

keine neue Mobilmachung geben.

Also mit auf die Bevölkerung zugehen, welch sehr, sehr vorsichtig.

Das Regime hat von Anfang an, also seit Beginn der Vollinvasion,

immer gezögert, eine große Mobilmachung zu starten.

Es gab eine Teilmobilmachung, daran werden sich auch die Zuhörerinnen und Zuhörer

sicherlich erinnern im September letzten Jahres.

Das war eine Reaktion auf die sehr unerwarteten großen Geländegewinne während

der ersten ukrainischen Gegenoffensive.

Und diese Teilmobilmachung hat in der Gesellschaft negative Reaktionen hervorgerufen.

Das Regime hat schon 2022

wirklich lange gezögert, bis es sich zu diesem Schritt entschieden hat, hat von

Anfang an angekündigt, behauptet, muss man sagen, das ist eine begrenzte Mobilmachung,

hat dann im November auch bereits verkündet, dass die Mobilmachung beendet ist,

dass es genug Soldaten rekrutiert worden sind, um die Situation in der

Ukraine unter Kontrolle zu halten, siegreich unter Kontrolle zu halten.

Und seitdem ist die Rekrutierungsgesetzgebung systematisch

erweitert und auch verschärft worden, aber es wird weiter gezögert,

weitere Mobilmachungen anzukündigen, weil man eben diese negativen Reaktionen fürchtet.

Wie kommt denn Frau Fischer dann, ich nenn's mal die große Tabuisierung in Russland an?

Also zunächst mal durfte der Krieg nicht Krieg genannt werden, sondern militärische

Spezialoperationen, das war damals der Begriff,

wer dagegen verstieß, riskierte, ins Gefängnis zu kommen,

dann wurden keine offiziellen Totenzahlen veröffentlicht, wobei mir vollkommen schleiherhaft

ist, vielleicht können Sie mir das erklären, wenn tausende von Leichen und Tausende von

Sergen zurück nach Russland kommen, kann man so was einfach, einfach hinten anstellen?

Gibt es da eine Mentalität, dass man einfach nicht darüber spricht, weil das Regime es so will?

Also erst mal, um diese Rhetorik ein bisschen besser zu erklären.

Ja, also die militärische Spezialoperation, kein Krieg, all das ist eingebettet in

ein Narrativ, das das Regime auch über einen Zeitraum von zehn Jahren entwickelt hat.

Und das ist ein Verteidigungsnarrativ, also wenn Sie sich die russische Rhetorik

anschauen, die offizielle, dann sehen Sie, dass das Regime systematisch behauptet,

in der Ukraine einen Verteidigungskrieg gegen einen amerikanischen Krieg gegen

Russland zu führen.

Die Ukraine ist eigentlich gar kein eigenständiger Akteur, die Ukraine ist ein

Instrument in den Händen der USA, die 2014 dafür gesorgt haben, dass ein

in Anführungszeichen, dicke Vetter Anführungszeichen, fascistisches Regime

sich in Kiev an die Macht geputscht hat.

Dieses Regime in Anführungszeichen bedroht angeblich die russischsprachige Bevölkerung

in der Ostukraine und um diese zu verteidigen und um Russland gegen diese

amerikanische Aggression zu verteidigen, muss diese Spezialoperation durchgeführt werden.

Das ist das russische Narrativ, das wird der russischen Bevölkerung präsentiert.

Also man führt keinen Krieg, sondern man verteidigt sich.

Und das schließt das Wort Krieg, den Begriff Krieg aus.

Und verzeihen Sie, Frau Fischer, wie erklärt man dann dem russischen Volk, dass an der

Spitze dieses fascistischen ukrainischen Staates ein Jude steht?

Naja, also Herr Lavrov, also der russische Außenminister, hat sich bei einem

Erklärungsversuch schon mal heftig in die Nesseln gesetzt, in dem er gesagt hat,

in einer emotionaleren Reaktion, würde ich sagen, auf genau diese Frage,

dass manchmal ja Juden die schlimmsten Antisemiten sein, dafür musste er sich

oder Putin hat sich dafür dann tatsächlich offiziell beim israelischen Staat entschuldigen müssen.

Ja, also das hat einen großen Skandal hervorgerufen.

Letztendlich ist es so, dass dieses russische

Narrativ und diese sogenannten russischen offiziellen Erklärungen, also das, was in

der Propaganda präsentiert wird als Erklärungszusammenhang für diesen Krieg,

dass da unheimlich viele Brüche drin sind.

Und die Mischung aus Propaganda-Beschalungen, die mittlerweile seit 15, 20 Jahren anhält,

Repressionen und der Atomisierung der Gesellschaft führen aber dazu, dass es

trotzdem funktioniert und sie fragen nach den Toten natürlich.

Also ich habe letztes Jahr der Sprachen über

mein Reise im Juni letzten Jahres, ich habe mit einem Bekannten gesprochen,

wir kennen uns schon, ein Kollege, wir kennen uns schon ewig seit den 90er Jahren.

Und der erzählte von einem

Familienbesuch in der russischen Provinz ist jetzt egal wo und dann waren sie eben

mit der Familie auf dem Friedhof, um die Kräber von verstorbenen Verwandten zu

besuchen und der sagte dann auch, er hätte noch nie in seinem Leben so viele frische

Kräber von jungen Männern gesehen, noch nie.

Und das ist genau das, was ich meine mit der Atomisierung.

Also nicht nur wird die Gesellschaft politisch atomisiert oder ist atomisiert worden über

diesen sehr langen Zeitraum schon, sondern auch die Trauer wird jetzt

über staatliche Einwirkungen auch individualisiert und damit atomisiert.

Es wird verhindert, dass sich über die Trauer

eine Art kollektive Kritik an diesen Krieg und damit möglicherweise Widerstand entwickelt.

Wenn wir, Frau Fischer, ein bisschen auf Ihre Vita gucken,

kann man biografisch den Zeitraum festmachen, wo dieses außerordentliche Interesse

ihrerseits an damals noch der Sowjetunion entstanden ist?

Ja, natürlich.

Also ich habe 89, 90 angefangen zu studieren.

Politikwissenschaften.

Politikwissenschaften, auseuropäische Geschichte und Slavistik.

Und ich habe mich damals dazu entschieden, weil ich

ich meine, ich bin dem ganz im Südwesten der Bundesrepublik aufgewachsen.

Ich hatte auch keine Verwandten in der DDR oder ähnliches.

Ich war immer sehr auch schon sehr früh politisch und historisch interessiert.

Und da ging Dinge vor sich, also in das Sowjetunionunternehmen, auch in Deutschland,

von denen ich nichts verstanden habe und die mich aber unglaublich fasziniert haben.

Und darüber wollte ich einfach mehr erfahren.

Und dann nahm das so sein Lauf, würde ich sagen, aber das war der Beginn.

Und insofern kann man mit Fug und Recht sagen, dass ich

übrigens viele meiner Bekannten noch aus aus damaligen Zeiten, mit denen ich

angefangen hat, zu studieren, zum Beispiel die meiner Altersgruppe angehören und

sich weiterhin mit aus Europa beschäftigen in unterschiedlichen Zusammenhängen.

Wir sind sozusagen, wenn sie so wollen, Kinder dieser Gobi-Mani, die damals in

Deutschland um sich griff.

Das ist ganz klar.

Das war einfach ein unglaubliches Faszinosum.

Und das hat mich dann eben 1992, also wirklich ganz kurz nach dem Zusammenbruch

des Sowjetunion auch das erste Mal.

Also ich habe die Sowjetunion nicht live erlebt.

Das bedauere ich auch bis heute so ein bisschen, dass ich nicht früher schon

dorthin gefahren bin.

Aber für mich ging das dann eben ganz früh 1992 los mit meinem Studienaufenthalt

in St. Petersburg.

Wie lange waren Sie dort?

Was ich gar sieben, acht Monate war ich da.

Haben Sie damals auch eine emotionale Nähe zu diesem zu dieser Stadt erst mal

und dann zu diesem Land bekommen?

Also ich finde das immer ein bisschen schwierig zu sagen, emotionale Nähe zu einem Land.

Zu den Menschen.

Definitiv zu der Stadt und ich habe damals Menschen kennengelernt

während des Studiums, mit denen ich bis heute engst befreundet bin.

Also die Menschen, die ich im Laufe dieser mittlerweile ja über drei Jahrzehnte

die ich mich mit dem Land beschäftige, die ich da kennengelernt habe, die meine

Freunde geworden sind, die zu nicht unwesentlichen Teilen mittlerweile auch

nicht mehr in Russland leben.

Das ist für mich die die emotionale Bindung, die ich an dieses Land habe und über

die habe ich natürlich Einblicke bekommen,

die sie sich auf wissenschaftlicher Ebene nicht erarbeiten können.

Also das ist sozusagen ein Parallelstrang, der unglaublich wichtig ist für mich.

Ich wollte noch ganz kurz was ergänzen

zur Entwicklung der russischen Gesellschaft, weil auch diese Menschen zum Beispiel

ja, die sind ja Teil dieser Gesellschaft.

Und was ich vorhin gesagt habe, ist eine Erklärung, es ist keine Rechtfertigung.

Und viele meiner engen Freundinnen

sind in fürchterliche Gewissenskrisen gestürzt worden, schon 2014.

Und jetzt natürlich umso mehr.

Und letztendlich steht in Russland jedes Individuum vor einer Entscheidung,

wie es sich verhält zu dieser Katastrophe, die sich da entwickelt.

Und man muss einfach sagen, dass die Mehrheit dieser Gesellschaft, egal ob sie jetzt

den Krieg aktiv unterstützt oder passiv toleriert, in einer moralischen Katastrophe

versenkt, das muss man ganz deutlich so sagen.

Wobei, wenn das so ist, dass über über viele Jahre und Jahrzehnte hinaus,

dass das ein gewaltiges und ein nicht lösbares Problem für dieses Land sein wird.

Absolut, natürlich.

Das ist ein Krieg von einer Größenordnung.

Das wird nicht schnell zu erledigen sein.

Sie arbeiten seit zehn Jahren für die Stiftung

Wissenschaft und Politik in Berlin.

Welche sind die Themen, mit denen sie sich aktuell am allermeisten beschäftigen?

Ich beschäftige mich im Moment tatsächlich sehr stark mit Russland.

Das hat auch damit zu tun, dass ich von 2019 bis 2021

noch mal für gut zwei Jahre in Russland gelebt und gearbeitet habe.

Wo da?

Ich habe gemeinsam mit einem Kollegen ein EU finanziertes Projekt im Bereich

Public Diplomesse, also Gesellschaftsdiplomatie, geleitet.

Und was wir gemacht haben, war, wir waren am Goethe-Institut.

Das war sozusagen die ausführende Organisation.

Und wir haben für die EU-Delegation in Moskau gesellschaftliche Kontakte

organisiert. Also wir haben dafür gesorgt, dass in ganz unterschiedlichen Bereichen

und Formaten Menschen aus Russland und aus der EU zusammengekommen sind,

um sich auszutauschen.

Hat sich dieser Austausch damals schon, wenn sie die Jahre 19 bis 21 ansprechen,

hat sich dieser Austausch damals schon als schwierig gestaltet,

sozusagen am Vorabend eines Krieges?

Also ich würde sagen, dass sie an vielen anderen Dingen auch, aber auch an unserem

Projekt durchaus ablesen konnten, wie sich schon deutlich vor Beginn der volle

Invasion die Situation drastisch verschlechtert hat.

Also unser Projekt begann 2016.

Ich habe die ersten zwei Jahre als Beraterin mit gearbeitet in dem Projekt.

Und es konnte noch sehr viel angestoßen werden.

Also wir haben ganz unterschiedliche Themenbereiche bearbeitet von ich weiß es

nicht Ökologie über soziale Fragen, Urban Development bis hin zur Außenpolitik.

Ganz große Bandbreiten, Interesse war sehr groß.

Wir haben dann an ein Folgeprojekt übergeben und da wurde dann sichtbar, wie viel

schwerer es wurde, für die Maßnahmen aufzulegen.

Und das lag eben mit daran, dass die politische Situation sich sehr, sehr stark

verschärft hatte.

Also man konnte das wirklich ablesen, wie das Bergab ging über diesen Zeitraum von

Frau Fischer, ein Teil ihres Aufgabengebietes ist ja auch Politikberatung.

Das heißt, sie als Fachfrau, als jemand, der sich in bestimmten Bereichen und

Konstellationen sehr gut auskennt, ist dazu da, Spitzenpolitikern beispielsweise

das ein oder andere zu erklären.

Hatten Sie das Gefühl, dass sozusagen auch nochmal auf diesen Zeitraum 19 bis 21

zu kommen, dass das Politiker da plötzlich auch in Deutschland nachdenklicher

geworden sind, ob diese große, naiv euphoristische

Grundstimmung, wir und Russland, wir haben doch die allerbesten auch wirtschaftlichen

Beziehungen und Wandel durch Handel und all dieses, dass da eine neue

Nachdenklichkeit eingesetzt hat?

Also ich würde sagen, es hat eine Nachdenklichkeit eingesetzt schon früher.

Es gab Ereignisse, Entwicklungen auch schon vor

jetzt Ende der 2010er Jahre, die zur Nachdenklichkeit geführt haben.

Die Krim-Anexion und der Beginn des Krieges in Donbass, also der eigentliche

Beginn des russischen Krieges gegen die Ukraine, auch die Rückkehr

Vladimir Putins in den Kreml 2011-12.

Dann verzeihen Sie der Kriegseintritt der Russen in Syrien, nicht zu vergessen.

Das war 2015, also schon nach der Anexion der Krim.

Also das waren alles Schritte, die die kleinere Shocks ausgelöst haben

in Deutschland und die einzelne politische Akteur und Akteurinnen, die wirklich

zu einem Umdenken oder zu einer auch wirklich expliziteren kritischen

Haltung gegenüber Russland motiviert haben, die aber die Gesamtpolitik nicht

wirklich beeinflusst haben.

See Nord Stream 1 und Nord Stream 2.

Vor allen Dingen Nord Stream 2 ist das ist natürlich der Dreh- und Angehepunkt.

Dieses Problems und Nord Stream 2 steht ja nicht nur für ein großes

Wirtschaftsprojekt, das man gemeinsam mit Russland vorangetrieben hat, sondern

es steht ja in einem viel größeren Kontext für die Energieabhängigkeit,

in die man die man sehenden Auges nach 2014 noch weiter vergrößert hat.

Und das liegt aus meiner Sicht eben auch daran, dass die deutsche Politik und auch

die deutsche Öffentlichkeit wirklich bis kurz vor Ausbruch oder kurz vor Beginn

dieser Vollinvasion einen unglaublich starken Russland Fokus hatte und blind

war für die anderen Staaten und Gesellschaften in der Region.

Das war ein ganz großes Problem.

Wobei zwei Dinge ja bemerkenswert sind.

Es gab einen Bundeskanzler, der anschließend

sich letztlich mit russischem Geld die Taschen vollgemacht hat, Gerhard Schröder.

Und es gab eine Bundeskanzlerin Angela Merkel, die jetzt gesagt hat, sie hätte

sich nie Illusionen über den wahren Charakter von

Vladimir Putin gemacht. Gleichwohl hat sie Nord Stream 1 und Nord Stream 2 durchgewunken.

Ich glaube trotzdem, dass es zwei sehr unterschiedliche Herangehensweisen waren.

Also ich denke, Angela Merkels Aussage ist wirklich authentisch in allem, was die

politischen, die innenpolitischen Entwicklungen in Russland betraf, die Menschenrechtssituation,

die Unterdrückung von Zivilgesellschaft und politischer Opposition und so weiter und

sofort. Und sie hat das auch immer sehr, sehr deutlich gemacht.

Also das muss man wirklich sagen.

Angela Merkel hat sich auch zum Beispiel immer mit oppositionellen Vertreter in der

Zivilgesellschaft getroffen, wenn sie in Moskau war und hat immer sehr deutlich

ihre Position zum Ausdruck gebracht, was diese Entwicklung anbelangte.

Aber und das war einfach aus meiner Sicht ein ganz großer blinder Fleck

der Regierungspolitik auch zwischen 2012 sagen wir mal und beginn der Vollinvasion.

Also in diesen zehn Jahren.

Das war der Glaube, dass man

die Wirtschaftsbeziehungen davon trennen kann.

Es fehlte eine Verbindung, ein Verständnis dafür, dass in einem Staat, der sich so

ins Autoritäre trägt und der so aggressiv wird, anderen Nachbarstaaten gegenüber, dass

das zwangsläufig auch eine Auswirkung auf die Außenwirtschaftsbeziehungen hat.

Und das tatsächlich und das sah man ja schon sehr früh, dass Russland

immer stärker auch bereit war, Außenwirtschaftsbeziehungen zu nutzen, um zum Beispiel die

Ukraine systematisch auch in den Energiebeziehungen zu marginalisieren,

unter Druck zu setzen und damit sozusagen die auch die Wirtschaftsbeziehungen

als Instrument in diesem Krieg gegen die Ukraine zu benutzen.

Und das hat man in Deutschland viel zu lange ignoriert.

Frau Fischer, Ihr aktuelles Buch heißt

die chauvinistische Bedrohung.

Was hat der russische Angriffskrieg in der Ukraine mit Chauvinismus zu tun?

Also in meinen Augen ist ja einfach ein Ausdruck von Chauvinismus.

Ich bin als Expertin für Außen- und Sicherheitspolitik dort eben in einem extrem

Männerdominierten-Milieu unterwegs gewesen, hab die Diskurse da beobachtet, habe beobachtet,

wie das immer nationalistischer, imperialistischer, auch sexistischer geworden ist, immer

autoritärer und so fing mein eigenes Denken einfach an, in den letzten zehn Jahren

immer stärker, um diesen Begriff zu kreisen.

Und nach der Vollinvasion, ja, also der Beginn dieses groß angelegten Krieges hat

sozusagen hat mich so ein bisschen über die Linie gestoßen, das dann eben auch

wirklich einfach mal aufzuschreiben und so nehme ich den Chauvinismusbegriff

als Erklärungskonzept für die Entwicklung der russischen Politik eben in diesen drei

Elementen. Nationalismus, imperialismus, Sexismus und Autokratie und zeige, wie eng

diese Entwicklungen miteinander verboben sind, wie sie sich gegenseitig verstärken

und wie sie eben schlussendlich zu dieser Gewaltexplosion geführt haben.

Wie funktioniert Sexismus in Russland und wie haben Sie persönlich Sexismus in

Russland erfahren?

Also Sexismus funktioniert in einem

politischen System und auch in einer Gesellschaft, die sehr, sehr

konservativ und extrem patriarchal ausgerichtet sind.

Sexismus funktioniert durch die, also wenn Sie es auf der politischen Ebene sich

anschauen, durch die fast vollständige, der eigentlich vollständige Marginalisierung

von Frauen im politischen Entscheidungsprozess.

Also Sie haben ein paar Frauen in der russischen Politik, die sichtbar sind,

die sind weit entfernt vom Entscheidungszentrum.

Frauen sind auch traditionell in der Politik total unterrepräsentiert.

Also sie tragen

einen großen Teil dieses Systems, der Wirtschaft, auch der Familien im privaten

Bereich etc., sie sind politisch völlig unterrepräsentiert.

Und das führt zu einer extremen Schieflage.

Sexismus funktioniert in der Propaganda

durch den Aufbau eines extremen Männerkultes,

Masculinitätskultes um Putin herum.

Das war von Anfang an Teil seines Images, also auch in ganz scharfe Abgrenzung

zu den 90er Jahren.

Es gibt ein russisches Soziologenpaar, die dafür den wirklich exzellenten, in meinen

Augenbegriff, Remaskulisierung in Russland geschaffen haben.

Das war von Anfang an Teil des Images und damit verbunden, eben

in diesem traditionellen Bild von Masculinität auch immer die Möglichkeit von Gewalt.

Ja, das ist eben auch Teil dieses Sexismus.

Wenn ich da Frau Fischer nochmal ganz kurz nachfragen darf, also es gab Jahre her

dieses Bild von Putin, als er auf irgendeinem Pferd mit nacktem Oberkörper saß.

Ein Bild, das im Westen außerordentlich belächelt wurde.

Hat das in Russland die gegenteilige Wirkung entfaltet?

Das hat in Russland bei vielen Menschen exakt die gegenteilige Wirkung entfaltet.

Ja, also es gab natürlich auch in Russland viele Menschen, zum Beispiel in meiner

eigenen Blase, die sich darüber lustig gemacht haben.

Dieses Bild auf dem Pferd war ja nicht das einzige solche Bild, sondern es gar in den

2000er Jahren danach wurde das ein bisschen schwieriger, weil ich mein auch

vielleicht die Meputien wird halt einfach älter und dann funktioniert es nicht mehr

so gut mit den Bildern mit nacktem Oberkörper her.

Sehr gut so ist es.

Aber in den 2000er Jahren gab es eine ganze Serie von solchen Bildern.

Und an diesen Bildern macht sich eben auch dieser Maskulinitätskult fest.

Und tatsächlich dieses Bild von Männlichkeit, also das Mann ist als

starkem Beschützer, als Führer, auch als Verteidiger.

Das kam bei vielen Menschen in Russland sehr gut an.

Also nach all dem, was Sie jetzt in den letzten Minuten erzählt haben,

bedeutet das für mich eigentlich Feminismus, um einen anderen Begriff

noch mal ins Spiel zu bringen.

Feminismus ist in Russland eher ein Schimpfwort und in jedem Fall Ausdruck

ziemlich verdorbener westlicher Dekadenz.

Ja, Feminismus ist immer ein Schimpfwort gewesen.

Das ist sozusagen auch schon ein Erbe aus sowjetischen Zeiten, weil Feminismus

in der Sowjetunion auf ideologischer Ebene war die Gleichberechtigung erklärt,

also in der Sowjetunion herrschte Gleichberechtigung, dass faktisch im Leben

der Menschen es keine Gleichberechtigung gab, ist zweitrangig.

Ideologisch war sie erklärt und damit existiert sie.

Und der westliche Feminismus war tatsächlich in der

sowjetischen Propaganda ein Ausdruck von Dekadenz und das Gleiche wiederholt sich

im übrigen jetzt.

Dann gab es in den 90er-Jahren so eine leichte Öffnung, eben auch durch die

Öffnung in Richtung Westen, durch die Stärkung liberaler Ideen,

auch in Russland selbst, in der Gesellschaft, in der Politik.

Began eine feministische Debatte.

Es begann so etwas wie eine Frauenbewegung, sich zu formieren.

Auch feministische Forschung wurde betrieben.

Es bildeten sich kleine Zentren für Genderforschung an manchen russischen

Universitäten.

Und dann kam der Backlash in den 2000er-Jahren.

Denn mit dieser Remaskulinisierung ging natürlich auch eine

sozusagen Drehung in Richtung Antifeminismus einher.

Und ich meine, Feminismus war immer ein Schimpfwort.

Ich kann mich an viele Gespräche erinnern, auch schon in den 90er-Jahren.

Ich war natürlich jung und relativ radikaler als heute, würde ich sagen.

Und ich hatte sehr viele Streitgespräche mit russischen

Freunden, Bekannten, die mich dann auch fragten, bist du etwa Feministin?

Und meine Antwort war ja logisch, was denn sonst?

Die Reaktion auf der anderen Seite war dann entsetzen und

manchmal konnten wir uns einigen und uns gegenseitig erklären.

Und manchmal ging das einfach nicht.

Wenn wir nochmal auf diesen Vladimir Putin kommen, der sich möglicherweise

würden wir ihn danach fragen, auch als Frau und Freund bezeichnen würde.

Sie haben und das kann man nachlesen in ihrem Buch

2017 anlässlich irgendeiner Konferenz die Möglichkeit gehabt,

ihm eine Frage zu stellen.

Sie haben ihn gefragt, welche Fehler Russland im Verhältnis zur

Europäischen Union zu Europa zum Westen gemacht hat.

Und er hat eine bemerkenswerte Antwort gegeben.

Er hat gesagt, wir haben euch vertraut.

Ja, genau.

Und das war unser größter Fehler.

Und ihr habt dieses, ich habe es jetzt das

genaue Zitat nicht mehr im Kopf, aber er hat gesagt, euer größter Fehler war,

dass ihr dieses Vertrauen als Schwäche ausgelegt hat.

Und jetzt werden die Karten neu gemischt.

Und jetzt werden die Karten neu gemischt.

Und letztendlich in diesem Zitat, das Zitat ist dann, also es war gar nicht das

einzige Mal, dass ich ihm im Rahmen dieser Konferenz eine Frage stellen konnte,

aber diese Aussage ist dann auch sehr viel zitiert worden, weil das wirklich in

zwei Sätzen letztendlich dieses ganze Narrativ zusammenfasst.

Russland oder diese russische, dieses politische Regime trägt für nichts

Verantwortung. Die Schuld liegt ausschließlich bei der aggressiven Politik des Westens.

Russland muss sich verteidigen.

Wir haben euch unser Vertrauen angeboten, ihr habt es missbraucht.

Und dann habt ihr auch und da komme ich wieder auf die Remasculinisierung.

Und dann habt ihr das auch noch als Schwäche ausgelegt.

Ihr habt gedacht, wir sind schwach.

Und jetzt zeigen wir euch, dass wir nicht schwach sind.

Also da steckte so viel drin.

Und für mich war das ein ganz faszinierender Moment, weil diese Antwort wie aus der

Pistole geschossen kann. Also ich saß noch gar nicht wieder auf meinem Stuhl.

Da hatte er das schon gesagt.

Wir haben Frau Fischer vorhin darüber gesprochen, warum Europa, vor allem auch

die Bundesrepublik Deutschland, die jeweiligen Spitzenpolitiker so lange an dieser

Idee des deutsch-russischen Miteinanders festgehalten haben.

Es gab eine Geschichte, die ist 16 Jahre alt, 2007, Münchner Sicherheitskonferenz,

der Auftritt von Vladimir Putin und für jeden, der damals zugehört hat,

musste klar geworden sein, das ist der endgültige Bruch, den

Vladimir Putin auf großer Bühne mit dem Westen vollbracht hat.

Ja, also der eigentliche Bruch hat früher stattgefunden.

Und das ist etwas, was nicht nur ich, sondern auch eine ganze Reihe von Kollegen,

Kolleginnen eigentlich schon seit den 2000er Jahren immer wieder, worauf wir

hingewiesen haben, der Bruch fand eigentlich statt 2003, 4,

nach den demokratischen Umbrüchen in Georgien und vor allen Dingen der Ukraine.

Das war der eigentliche Bruch.

Diese Demokratiebewegungen,

gegengefälschte Wahlen in Georgien und der Ukraine,

fanden statt vor dem Hintergrund der großen Osterweiterung der EU 2004.

Das hatte eine unglaubliche Sogwirkung auf diese Gesellschaften.

Also es muss wirklich auch in diesem Kontext gesehen werden.

Und das war der Moment, wo in Russland, wo in Moskau umgeschaltet wurde,

auf geopolitische Konfrontation endgültig.

Ja, man hat das in Ansätzen

vorher schon gesehen, dass dafür das Potenzial da war, aber in dem Moment, wo sozusagen

in Russland, in dem was diese russische

politische Elite als angestammten Einflussbereich definiert hatte, nämlich die

unmittelbaren Nachbarstaaten, in dem Moment, wo es da zu demokratischen Bewegungen

erfolgreichen demokratischen Bewegungen gekommen ist, war der Bruch da.

Verbunden mit der Angst, dass das ins eigene Land überschwappt?

Natürlich.

Und das ist ja dann auch genau das Narrativ geworden.

Demokratiebewegungen in der Nachbarschaft von Georgien 2003, 4 bis

Belarus 2020 waren immer im russischen Verständnis von der CIA organisiert, also

eigentlich Produkt amerikanischer Einflusspolitik in Russlands Nachbarschaft,

um russischen Einfluss zurückzudrängen und

schlussendlich eine solche Entwicklung in Russland selbst dabei zu führen.

Vladimir Putin ist jetzt gerade 71 Jahre alt geworden.

Es wird seit geraumer Zeit über seinen

Gesundheitszustand spekuliert.

Das geht von möglicher Krebserkrankungen über Parkhinsäun

bis zu einer besonders ausgeprägten Paranoia.

Wie schätzen Sie das ein?

Ich äußere mich nicht zu Vladimir Putin's

Gesundheitszustand, weil ich denke, die Gesundheit von Vladimir Putin ist eines

der bestgehüteten Geheimnisse dieser Welt und je diktatorischer dieser Staat wird

und je mehr unter Druck steht im Zusammenhang mit dem Krieg gegen die Ukraine,

den er selbst vom Zaun gebrochen hat, desto intransparenter ist die Situation.

Ich kann es Ihnen nicht sagen.

Ich kenne die Gerüchte natürlich.

Ich muss Ihnen allerdings auch sagen, dass diese Gerüchte seit 15 Jahren

immer wieder kursieren.

Jetzt finden Sie bei uns mehr Aufmerksamkeit, weil eben dieser schreckliche Krieg damit

verbunden ist, was die Paranoia anbelangt.

Dazu kann ich was sagen, weil ich das auch beobachtet habe, dass diese Pandemie

also das Jahr 2020 sehr, sehr offensichtlich einen sehr negativen

Einfluss auf die Psyche von Vladimir Putin gehabt hat.

Im Buch nenne ich dieses Jahr Andosuribilis.

Das schreckensjahr.

Genau, das schreckensjahr, weil in diesem Jahr beginnend mit der Pandemie

eine Reihe von Entwicklungen stattgefunden haben, die wirklich in Moskau.

Und ich war damals in Moskau.

Ich habe das sozusagen auf Moskauer Boden mitverfolgt und die haben in Moskau

den Boden zum Beben gebracht.

Und das hatte einen sehr, sehr starken Einfluss auf alles, was danach kam.

Und die Pandemie ist eine Ereignis.

Aber was, glaube ich, bei uns unterschätzt wird, war die

Demokratiebewegung in Belarus.

Das war ein wirklich einschneidendes Ereignis aus Moskauer Perspektive.

Wenn wir, Frau Fischer, in diesem Herbst des Jahres 2023 noch einen kurzen Blick

werfen auf die sogenannten Eliten des Landes, fangen wir an mit dieser Troika

Lavrov, Außenminister Shoigu, Verteidigungsminister und Medvedjev,

ehemaliger Ministerpräsident, heute eher so eine Art Polit-Pittbull.

Lohnt es über die im Einzelnen zu sprechen oder hängen und kleben, die so an

Putin dran, dass wenn Putin fällt, die sowieso auch weg sind?

Die werden weg sein.

Also was sich in Russland herausgebildet hat, auch wieder in den letzten 20 Jahren

mit Beschleunigung seit in den letzten 10 Jahren, dann ab 2020 und besonders jetzt

in der Kriegs-Situation ist das, was wir eine Machtvertikale nennen, also wirklich

eine total horizontal angeordnete Konstellation, an deren Spitze Vladimir Putin

steht und Köpfe anderer politische Institutionen.

Das gilt vor allen Dingen auch fürs Außenministerium.

Die sind in einem totalen Abhängigkeitsverhältnis.

Also es gibt einen kleinen Kreis von Akteuren um Putin herum,

bei dem man davon ausgehen kann, dass diese Leute noch einen gewissen

Einfluss auf ihn haben.

Das sind vier, fünf, sechs, je nach Zeitpunkt und Situation.

Aber die von mir aufgezählten gehören nicht dazu.

Shoigu vielleicht noch am Rande Lavrov definitiv nicht.

Also das Außenministerium war im russischen außenpolitischen Entscheidungsprozess

immer eine ausführende Behörde, keine politikbestimmende Behörde.

Das war immer so.

Das hat sich verschärft.

Medvedev.

Medvedev war mal zumindest visuell, sehr präsent im politischen Betrieb.

Er war Präsident, Vorsitzender der Partei Einiges Russland und so weiter.

Jetzt ist er stellvertretender Vorsitzender des Nationalen Sicherheitsrats.

Das ist eine rein formale Position und Medvedev ist eigentlich nur noch präsent,

weil er mit Putin in einem Loyalitätsverhältnis steht.

Also man darf auf keinen Fall unterschätzen,

wie wichtig Loyalität gegenüber dem Führer Putin ist in diesem System.

Es werden Leute über Jahrzehnte teilweise in Positionen gehalten,

auch wenn sie Fehlleistungen begehen, auch wenn sie Fehler machen,

selbst aus Putins Perspektive, was zum Beispiel bei Dimitri Medvedev

eindeutig der Fall ist.

Trotzdem bleibt er im System, weil er loyal ist.

Aber er ist in keinster Weise eine politikbestimmende Figur.

Prigoshin ist tot.

Wann besteigt Kadyrov das nächste Flugzeug?

Also Kadyrov fliegt.

Er kriegt sogar weiterhin Audienzen bei Putin.

Das deutet darauf hin, dass er nach wie vor zumindest nicht in einer

geschwächten Position ist.

Sein Leben ist nicht in Gefahr.

Ich würde mich nicht zu solchen Aussagen verschreiten.

Also für mich war nach der Wagner-Mäuterei Ende Juni klar,

dass die Ermordung Prigoshins eine sehr, sehr

wahrscheinliche Variante ist.

Das hat ein bisschen gedauert, aber dann ist es ja am Ende so bekommen.

Kadyrov ist auch ein System Außenseite, muss man ganz klar sagen,

liegt auch sozusagen in Herenten Rassismus der politischen Elite in Moskau.

Er ist Chichene, es gibt da sehr spannungsreiche Beziehungen.

Die verachten ihn.

Und sind gleichzeitig auf eine ganz, ganz fatale und destruktive Arte von ihm

abhängig. Denn Kadyrov ist derjenige, der von Moskau aus gnaden, mit Moskau's Hilfe

und vor allen Dingen mit Moskau's Finanzen.

Moskau heißt Putin.

Ja, natürlich.

Nach zwei extrem zerstörerischen und brutalen Kriegen dieses Chichenien für

Moskau in Anführungszeichen stabilisiert hat.

Er hat dort eine Gewalt- und Terrorordnung aufgebaut, die nur von

Putinsknaden und mit Putinsgeld existiert.

Und daraus hat sich ein ein unglaublich fatales Verhältnis der gegenseitigen

Abhängigkeit entwickelt.

Gibt es Gespräche hinter den Kulissen?

Wissen Sie etwas darüber?

Beispielsweise die Amerikaner mit den Russen auf hoher militärischer Ebene verhandeln,

auch vor etlichen Monaten als plötzlich gespensterhaft eine mögliche atomare

Bewaffnung und ein atomare Einsatz der Russen ins Gespräch kamen?

Also es gibt in solchen Situationen oder es gab jetzt in den letzten anderthalb Jahren,

also seit Februar letzten Jahres, in Situationen, in denen eine Eskalation gefürchtet

werden musste, muste punktuell Kontakte.

Und das ist auch sehr wichtig in meinen Augen, weil eine Eskalation

dieses Krieges unbedingt verhindert werden muss.

Zum Beispiel, das war ja auch in der Presse immer wieder zu lesen, das haben

mir Gesprächspartner und Partnerinnen aus Washington auch mehrmals bestätigt,

hat die amerikanische Seite sehr klar signalisiert im letzten Jahr, als diese

Nuklearetorik noch sehr, sehr stark war, was eine nukleare Eskalation des russischen

Krieges gegen die Ukraine für Russland bedeuten würde.

Also da gab es Messaging, wie man so schön sagt.

Das heißt nicht, dass die USA mit Russland über den Kopf der Ukraine,

über die Köpfe der Ukrainerinnen und Ukrainer hinweckt,

über ein mögliches Ende dieses Krieges verhandeln.

Also man muss diese zwei Dinge wirklich auseinanderhalten.

Das eine ist Eskalationsmanagement und Risikomanagement.

Das andere wären wie auch immer geartete

verdeckte Verhandlungen und die finden meines Wissens nicht statt.

Wobei auch da es unglaublich kompliziert wird.

Wir gehen ins Jahr 2024 rein.

Wir wissen nicht, ob der neue amerikanische Präsident wieder der ganz Alte ist,

nämlich Donald Trump.

Wir wissen nicht, wie es mit Putin weitergeht.

Sie entwerfen in ihrem Buch drei

mögliche Szenarien für die Zukunft Russlands, entweder den Regime Erhalt oder

den Regime Kollaps oder einen Regime Wandel.

Welche dieser drei Möglichkeiten wird eintreten, Frau Fischer?

Also das kann ich Ihnen nicht sagen.

Deswegen mache ich das ja auch ins Szenarien, um einfach zu erklären,

welche Entwicklungen aus meiner Sicht im Prinzip möglich sind.

Und diese drei Szenarien, sie haben sie genannt.

Also ich bewerte die auch unterschiedlich.

Ich sage zum Beispiel zu meinem eigenen

großen Bedauern sehr klar, dass eine demokratische Transformation

das am wenigsten wahrscheinliches Szenario ist.

Wir haben jetzt gerade drüber geredet, einfach aufgrund des Zustandes,

in dem die Gesellschaft sich befindet aufgrund

der Strukturierung des politischen Systems und so weiter und so fort.

Ich denke, wahrscheinlicher ist Regime Kontinuität.

Auch Regime Kollaps ist wahrscheinlicher als eine demokratische Transformation.

Ein Regime Kollaps würde ich für

möglich halten, wenn Russland den Krieg verliert.

Wenn die Ukraine wirklich ganz

signifikante militärische Durchbrüche erzielen würde,

dann könnte es für das Regime extrem eng werden.

Das heißt, dann würde ein Putsch passieren gegen Putin und dieser Putsch würde

auch das biologische Ende von Vladimir Putin bedeuten?

Also man kann durchaus sagen, dass im Falle eines Regime Kollaps auch

das physische Überleben Vladimir Putins infrage stünde.

Das ist richtig.

Ich denke, wir haben so eine kleine Vorstellung von möglichen Entwicklungen

in einem solchen Szenario bekommen am 23.24.

Juni, also als die Wagner-Gruppe gemäutert hat.

Das war sehr schnell wieder vorbei und unter Kontrolle.

Aber trotzdem hat man so eine kleine Idee davon bekommen.

Und wir haben eben über Ramzan Khadirov gesprochen und Chechenien.

Ich denke, im Falle eines Regime Kollaps ist, wäre eine sehr

wahrscheinlich Entwicklung erneuerer Nordkaukasus Krieg, weil einfach die

Abhängigkeiten so groß sind, dass Ramzan Khadirov mit hoher Wahrscheinlichkeit

zu Gewalt greifen würde, um seine Interessen durchzusetzen.

Eine letzte Frage habe ich noch, Frau Fischer, was ist Ihre Hoffnung für

Russland und was ist Ihre Hoffnung für die Ukraine?

Meine Hoffnung für die Ukraine ist, dass sie diesen Krieg gewinnt.

Und es ist nicht nur meine Hoffnung für die Ukraine, sondern es ist auch meine

Hoffnung für uns, weil alles, was in Europa passieren würde, wenn die Ukraine

den Krieg verliert und wenn Russland sich durchsetzt, wäre eine drastische

Verschlechterung unserer Sicherheitssituation.

Und für Russland hoffe ich, dass doch irgendwann

eine demokratische Transition und ein fundamentaler Politikwechsel möglich wird,

weil alles, was jetzt passiert, dieses Land, diese Gesellschaft, die Menschen

einfach immer weiter in diese Katastrophe hineindrücken.

Also der Krieg ist es ist ein auf Vernichtung ausgerichteter Angriffskrieg gegen

die Ukraine. Deswegen muss unser Blick immer als Allererstes auf die Ukraine gehen.

Aber letztendlich führt dieses Regime auch Krieg gegen seine eigene Gesellschaft.

Vielen Dank für das Gespräch und alles Gute für Sie.

Für Sie auch.

Heimspiel.

Apokalypse und Filtercafé ist eine Studio-Bummens-Produktion mit freundlicher

Unterstützung der Florida Entertainment, Redaktion Wolfgang Heim,

Executive Producer Tobias Bauckage, Produktion Hannah Marahil,

Ton und Schnitt, Mia Becker.

Leute, wollen wir uns eigentlich immer nur morgens treffen?

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Sabine Fischer ist Politikwissenschaftlerin und Russland-Expertin. Sie arbeitet für die Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin und hat vor kurzem ein Buch veröffentlicht mit dem Titel “Die chauvinistische Bedrohung - Russlands Kriege und Europas Antworten”. Im Gespräch mit Wolfgang beleuchtet Sabine Fischer die politische Lage in Russland, die Rhetorik und das Narrativ, rund um den Angriffskrieg auf die Ukraine und was es bedeutet, dass die aktuelle Situation im Land eine Atomisierung der Gesellschaft herbeigeführt hat.

Ein Hinweis zur zeitlichen Verortung des Gesprächs: Die Aufzeichnung mit Sabine Fischer fand am 4. Oktober statt, vor dem Terrorangriff der Hamas auf Israel.

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