Apokalypse & Filterkaffee: Heimspiel: Judith Holofernes

Micky Beisenherz & Studio Bummens Micky Beisenherz & Studio Bummens 3/19/23 - Episode Page - 43m - PDF Transcript

Diese Folge wird dir präsentiert von den günstigen Vodafone-Zusatzkarten.

Let's sein, lohnt sich.

Wolfgang, Wolfgang, willkommen, wir kommen, hallo.

Hallo.

Wir kommen, also ich sage es wie es ist, ich hab dich vermisst.

Oh mein Gott, ja, also danke, vielen Dank.

Also ich hab dich natürlich auch ein Stück weit vermisst,

wobei ich natürlich ehrlicherweise,

aber das hingen natürlich an dir, deiner Person und deiner Prominenz,

dieses Dschungelcamp jetzt auf eine ganz andere Art verfolgt habe,

als ich das in den Jahren davor ehrlicherweise gemacht habe.

Ich schließe daraus, Wolfgang, ich schieße daraus,

aus einer tiefen Aversion ist eine blühende und glühende Zuneigung geworden, ist es richtig?

Also wenn du es emotional zwei Stufen zurückdrehst,

dann findest du in etwa die richtigen Worte.

Das ist für mich völlig ausreichend.

Gut.

Du hast ja auch in meiner Abwesenheit Gespräche geführt,

die vermutlich genau deshalb auch so gut geworden sind.

Also auch an dieser Stelle nochmal herzlichen Dank dafür.

Und du hattest eine Art Date mit Judith Hulow Farnes,

die ist natürlich vielen von uns noch bekannt,

als Sängerin, Texterin der Band Wir sind Helden.

Mittlerweile ist sie aber auch unter die Schriftstelleinnen gegangen.

Und mit der hast du gesprochen.

Wir haben gestern aufgezeichnet, ich war sehr gespannt auf wen ich da treffe,

weil ich sie ja nur immer von außen betrachtet habe,

diese märchenhafte Karriere bei Wir sind Helden und dann ihre Solo-Projekte.

Und dann ein Crash, den sie auch öffentlich gemacht hat,

mit ihrer Autobiografie, die Träume anderer Leute.

Und wie du es gerade geschildert hast,

das Problem bei ihr aktuell ist,

ihre Stimmbandprobleme sind so, dass sie stand jetzt nicht auftreten kann.

Also diese Karriere ist zumindest mal auf Eis gelegt.

Wobei ich glaube, mit Stimmentherapie sie schon auch die Vorstellung hat,

vielleicht das doch nochmal irgendwie umdrehen zu können.

Aber was wirklich toll ist,

sie hat sich unter wirklich schwierigen Bedingungen

quasi eine neue, auch berufliche Existenz aufgebaut,

ausgehend davon, dass sie ja auch bei Wir sind Helden,

die Texte immer selbst geschrieben hat,

hat sie jetzt andere Formen des Schreibens gefunden.

Sie hat eine wirklich tolle Autobiografie geschrieben,

auch rhetorisch, stillistisch toll.

Sie macht ihren eigenen Podcast,

indem sie übrigens, also lohnend übrigens, mit ihrer Mutter einen Podcast macht.

Die Mutter ist eine literarische Übersetzerin.

Ach, interessant, ja.

Und ich fand es total spannend.

Sie hat ihren eigenen Blog,

sie wird auch sicher ein zweites Buch schreiben

und ich finde, dass irgendwie ganz bemerkenswert, wenn...

Ich sehe dich aufrichtig begeistert.

Ja, wenn Menschen irgendwas nicht mehr machen können,

dann ist irgendwie ein Schlusspunkt.

Und wenn sie sich dann was Neues erarbeiten,

da habe ich wirklich ganz, ganz großen Respekt vor.

Man könnte jetzt so ein bisschen pseudo-philosophisch sagen,

sie hat anders ihre Stimme wiedergefunden.

Ja, und das ist natürlich auch eine Form von innerer Stärke und innerer Kraft.

Das Wendu, und das war aber eher heftig,

also die hatte eine Hirnhaut Entzündung,

die hatte jedes Jahr Stimmband Entzündung,

die ist auf die Bühne gegangen und hat einmal ihr linkes Bein oder das rechte Bein nicht mehr gespürt.

Also hat sich durchgebissen, hat dann irgendwann auch so für sich den Punkt erreicht,

wo sie gesagt hat, mir geht es möglicherweise auch deshalb so schlecht,

weil ich immer die Erwartungen anderer Leute befriedige.

Und daraus dann jeweils so die eigenen Konsequenzen draus zu ziehen.

Chapeau.

Tolle Einleitung, bin sehr, sehr gespannt auf euer Gespräch.

Ja, und ich freue mich, dass wir wieder vorab miteinander reden können,

weil die Welt hat sich weiter gedreht, da gibt es viele Themen.

Allerdings.

Borussia Dortmund spielt auch noch, zumindest in der Champions League, der Bundesliga, aber na gut.

Na danke schön, wir sind so harmonisch und jetzt hinten raus,

da hast du also jetzt im Grunde genommen jede Brücke, aber gut, Wolfgang musst du selber wissen.

Ich höre mir zu emotionalen Erbauungen, höre ich mir jetzt euer Gespräch an.

Also gut, vielen Dank.

Ja, danke, bis bald.

Mach's gut, tschau.

Tschüss.

Es ist Sonntag, der 19. März.

Apokalypse und Filtercafe.

Heimspiel.

Das Interview am Sonntag, mit Wolfgang Heim.

Sie ist Musikerin, sie ist Sängerin, Autorin, Podcasterin und Bloggerin.

Sie hatte eine märchenhafte Karriere mit Wir sind Helden und sie hat im vergangenen Herbst

ihre Autobiografie veröffentlicht.

Herzlich willkommen Judith Holofernes.

Dankeschön.

Judith, wir haben im Herbst vergangenen Jahres die Anfrage gestartet,

ob wir diesen Podcast aufzeichnen können, dürfen wir auch immer.

Und dann kam die Ansage, dir ist es lieber im Frühjahr.

Warum war das damals so?

Bei dir war's dir zu viel?

Ja, es wurde einfach zu viel.

Ich wollte es von Anfang an gerne machen.

Also es war quasi eine spontane Zusage, aber zu einem Zeitpunkt,

wo ich gerade beschlossen hatte, dass sich sozusagen alles, was irgendwie geht.

Und das ist ja bei Podcasts das Schöne, dass das oft nicht so zeitgebunden ist.

Dass ich das schiebe, weil ich gerade irgendwie ein Buch rausgebracht hatte,

wo es zu großen Teilen darum geht, wie überfordert ich jahrelang von Promotionen war.

Und ich irgendwie dachte, wenn ich jetzt nichts lerne, dann...

Bist du denn halbwegs gut über den Winter gekommen?

Ah, überhaupt nicht.

Warum nicht?

Also dieses Mal waren es ja wirklich alle Leute, aber ich habe ja leider die Veranlagungen,

viel krank zu sein.

Und ich war einfach irgendwie durchgängig seit Ende Oktober.

Kaum gesund.

Also bei mir war es so, die drei Corona-Jahre war ich so gesund wie noch nie in meinem Leben.

Ich hatte faktisch nix und habe jetzt innerhalb der letzten drei Monate,

drei mehr oder weniger heftige Infekte gekriegt.

So als müsse mein Immunsystem wieder auf den neuesten Stand kommen.

Absolut, es scheint einfach so zu sein.

Und das, was mich getröstet hat, ist, dass es dieses Jahr

anscheinend jetzt nicht nur meine schwächliche Konstitution war,

sondern irgendwie ein kollektives Ding.

Aber es war ein bisschen frustrierend, weil letztes Jahr ging es mir nämlich auch total

gut für meine Verhältnisse.

Abgesehen von unserer gesundheitlichen Befindlichkeit, was machst du gerade aktuell?

Also diesen Podcast, den gibt es nach wie vor?

Ja, also den gibt es nicht nach wie vor, sondern ich habe aus Versehen jetzt über

einen Jahr Pause gemacht.

Also ich dachte die ganze Zeit, ich muss mal wieder Folgen aufnehmen,

ist schon ein bisschen lang her und dann habe ich gesehen,

dass es über einen Jahr keine neuen Folgen gab, weil ich eben so auf das Buch fokussiert war.

Und ich habe tatsächlich aber jetzt gerade angefangen,

eine neue Staffel aufzunehmen.

Mit wem hast du zuletzt gesprochen?

Also ich habe schon mit Francesco Wilking gesprochen, von der höchsten Eisenbahn.

Ich habe mit Daniela Dröscher gesprochen, die dieses tolle Lügen über meine Mutter geschrieben hat.

Ich bin noch verabredet mit Flake von Samstein und so, also es ist eine schöne Liste.

Apropos, was deine Mutter angeht, mit der hast du ja einen Podcast aufgezeichnet

und deine Mutter hat einen genauso spannenden wie letztlich gesellschaftlich chronisch unterschätzten Beruf.

Sie ist literarische Übersetzerin.

Ich weiß jetzt gar nicht, sie ist jetzt auch schon in einem gewissen Alter,

ob sie nach wie vor zu 100% erarbeitet.

Ja, das ist ja das Schöne am Übersetzerberuf.

Natürlich, dass wenn man also körperlich irgendwie kann und jetzt nicht Probleme mit den Händen kriegt,

solange man irgendwie ganz gut noch am Schreibtisch sitzen kann ab und zu,

kann man das sehr lange machen.

Und das Dienstalter hilft natürlich auch, weil du als Übersetzerin auf einen unglaublichen Fundus von Wissen zurückgreifen musst.

Also musst du ja in einer eigenen Bibliothek irgendwie sein.

Insofern ist sie im Moment irgendwie so gefragt wie nie und arbeitet relativ viel.

Ihr habt, glaube ich, auch zusammen zwei Bücher übersetzt. Wie war diese Kooperation?

Das war total schön. Also das waren jeweils Kinderbücher, die dadurch nicht so zeitaufwendig waren.

Das war eher so, ich habe mit meiner Mutter ein schönes Hobby über den Sommer.

Also ein ganzes, weiß ich nicht, ein ganzes Romanz übersetzen ist ein jahresfüllender Aufgabe.

Wir haben das Kinderbuch von Paul McCartney übersetzt.

Oh, tschüss.

Und bei uns hieß es dann Opa-Pi, Opa-Pa, das hat uns sehr viel Spaß gemacht.

Und dann noch eine neue Übersetzung von The Giving Tree von Shell Silverstein.

Und das waren beides, nicht viel Text und so. Das hat total Spaß gemacht.

Hast du eigentlich deine Mutter auf diese Art noch mal ein Stück weit anders kennengelernt?

Also es war einfach schön mal wieder so was Intensives zusammen zu machen,

weil man ja sonst oft so sich anruft und sich Sachen erzählt und so.

Aber so einfach was zusammen zu machen war total schön.

Es war jetzt nicht völlig neu, weil ich immer schon auch als Kind und als Teenager

irgendwie total viel von Ihrem Arbeiten mitgekriegt habe.

Und auch als Teenager zum Beispiel mein erster Nebenjob war,

sozusagen, dass ich so rohe Übersetzungen für Sie machen durfte.

Also ab dem Moment, wo ich irgendwie genug Englisch konnte, durfte ich sozusagen Kapitel für Sie vor übersetzen.

Wenn du dich da zurückerinnerst, eine Mutter, die auf so eine Art und Weise unterwegs war,

du als jemand, der vermutlich zu einem relativ frühen Zeitpunkt auch Interesse gehabt hat,

an Büchern, an Literatur, an Texten, an Fantasie, an Kreativität.

Wie gut ist das damals zusammengekommen?

Na, da weiß man natürlich immer nicht so richtig, was zuerst da war.

Also wir haben da sehr gut zusammengepasst, meine Mutter und ich.

Aber das war vielleicht auch kein Zufall. Wir waren ja auch immer nur zu zweit.

Das heißt, deine Mutter war alleine erziehend?

Genau, alleine erziehend. Und wir waren immer zu zweit.

Also sie hatte dann Freundinnen, aber mit denen haben wir nie zusammengelebt.

Das heißt, es waren immer wir beide in dieser Wohnung mit so wendefüllenden Bücherregalen.

Ich habe mich früh für Sprache begeistert und auch für Sprachen.

Und ich weiß aber natürlich nicht, ob das mir jetzt in die Wiegel gelegt wurde

oder ob ich das schon mitgebracht habe.

Ja, möglicherweise hat ja auch beides funktioniert.

Also das sind die Wiegelegen und das dann selber entdecken.

Hat sie dir eigentlich auch die Liebe zur Musik irgendwie weitervermittelt?

Ja, schon. Also ich habe auch noch eine sehr musikalische Uma,

oder federlicherseits gehabt, die Klavier gespielt hat

und die auch tatsächlich Klavier gespielt hat in der Kirche,

also als Beruf sozusagen ein paar Jahre lang, von so einem Widerstandsfahrer.

Also da gibt es auch nochmal so eine musikalische Wurzel.

Meine Mutter hat selbst nie so Musik gemacht, aber sie konnte ein bisschen Gitarre spielen

und hat mir meine ersten Akkorde beigebracht.

Und meine so totale Musikleidenschaft habe ich auf jeden Fall über ihr Plattenregal sozusagen entdeckt.

Was stand da drin zum Beispiel?

Wahnsinnig schöne, eklektische Mischung aus französischem Schlager.

60er Jahre, 50er Jahre Schlager, Franz Geil und so, Piaf auch.

Und dann Jack Braille, also Chanson.

Dann aber auch natürlich so 70er Jahre Proteste Rock und Scherben

und Peggy Barnas, unsere politische Songwriter, also Liedermacher.

Und dann aber eben auch Motown nicht zu knapp und Patty Smith.

Also irgendwie schon eine ganz gute musikalische Grundausbildung.

Was ist mit Heavy Metal, mit AC-DC und was da alles dazugehört?

Nee, das hat gefehlt. Tatsächlich und was auch gefehlt hat, war Bowie.

Der für dich dann eine bestimmte Bedeutung bekommen hat.

Ja, alles, was so ein bisschen exaltierter war, musste ich für mich alleine entdecken.

Wie fand deine Mutter das eigentlich, als du, ich weiß gar nicht, wie alt warst in Freiburg,

dann mit Gitarre in der Innenstadt aufgetreten bist, um ein bisschen Kohle zu verdienen?

Toll, fand sie es. Und irgendwie mutig und so.

Meine Mutter ist eher scheu. Ich glaube, es war eher so, dass sie dachte, hochkommt das denn jetzt her?

Mit wie viel Geld bist du denn am Ende des Tages da nach Hause gekommen? Weißt du das?

Teilweise zwischen 40 und 80, die mag, würde ich sagen.

Respekt.

Ja, und das war wirklich, also ich habe als Teenager keinen einzigen Kellnerjob gehabt,

oder ich habe einmal ganz kurz irgendwo geputzt, aber ich war einfach bestens versorgt,

indem ich genau das gemacht habe, quasi unanständigerweise, was ich eh machen wollte.

Und du hast auf diese Art und Weise auch Dinge gelernt, die dir dann später als Frontfrau beispielsweise bei

Wir sind Helden zu gut gekommen sind? Auf jeden Fall. Also so eine gewisse Artgesortenheit

und Furchtlosigkeiten im Publikum gegenüber. Also da ist ja Straßengusik eine harte Schule,

da hast du immer irgendwelche Betrunkenen, die das nicht gut finden, dass du nur B-Seiten spielst

und sich hartnäckig und anhaltend Knocking on Heaven Store von Guns N' Roses wünschen

und du sie dann nicht verbessern darfst, weil es schief geht.

Oder die ältere Fraktions-Satisfaction von den Stones?

Ja, genau, das sind die auch, ja. Und aber man hat auch niedliche Tanzen, kleine Kinder.

Und man hat aber dann auch zu kämpfen mit den elektrisch verstärkten peruanischen Flötengruppen,

die gegenüber anfangen. Also es ist eine gute Schule für so das Nervenbewahren.

Es ist mir wirklich zu Gute gekommen, weil ich finde, dass bei Konzerten ganz wichtig,

weil du zum Beispiel oft zu Beginn eines Konzertes das Gefühl hast, das wird unheimlich schwierig heute.

Also trittst auf die Bühne und merkst, irgendwie der Sound ist total fies, es tut weh in den Ohren,

irgendwas ist, irgendwas ist nicht richtig. Und ich glaube, dass ich das wirklich von Anfang an

durch diese Schule ganz gut konnte, da nicht den Nerven zu verlieren, sondern einfach so durchzuatmen

und auch die Erfahrung zu haben, dass eben ein ganz schwieriges Konzert oft noch sich drehen kann

und dann zu einem der schönsten wird.

Das heißt, du hast früh die Fähigkeit, dir angeeignet zu erkennen, wie ein Publikum tickt,

also ein Publikum lesen, lernen, ist es so?

Absolut, und das ist wirklich ganz schräg, weil die Leute ja immer nicht wissen, dass man sie sieht.

Die Leute denken ja immer nicht, dass man sie sieht.

Und wie viel du dieses Publikum wirklich wahrnimmst, das ist glaube ich niemanden klar.

Und es ist tatsächlich so, dass man auf die Bühne tritt und auf einen Schlag unheimlich vieles wahrnimmt,

was man dann vielleicht gar nicht benennen kann, aber man denkt, das wird super heute.

Oder man denkt, oh, das wird schwierig.

Oder gerade bei Festivals, da ist es so bedingt.

Es kommt darauf an, wer da vorgespielt hat, es kommt darauf an, wie das Wetter die letzten drei Tage war,

wo du noch nicht mal auf dem Festival warst und gar nichts davon weißt.

Die Leute sind durchgefroren und haben Schlammballen an den Schuhen.

Und du musst ganz schnell darauf reagieren und die dann irgendwie da abholen, wo sie sind.

Wie ist es eigentlich, wenn man am Ende eines Konzerts mit anderthalb Tonnen Adrenalin von der Bühne geht

und wieder in einen wie auch immer gearteten möglicherweise ziemlich langweiligen Alltag zurückkehren muss?

Das ist tatsächlich schwierig und ich fände es auch unheimlich interessant.

Ich hatte lange Zeit so die Fantasie, dass ich gerne mal einen Schlafforscher mitnehmen wollte.

Ich wollte uns eigentlich eh immer mal verkabeln und unsere Hirnströme und alles Mögliche messen,

weil ich das so eine ungewöhnliche Lebenskonstellation finde.

Also diese Peaks und das viele Warten, also was ja vorher, also vor dem Adrenalin-Kick passiert,

ist ja, dass du den ganzen Tag nur wartest und dass eigentlich du viel weniger Stimulation hast,

als du das normalerweise in einem erwachsenen Leben so hättest.

Und dann kommt dieser ganz schneller Anstieg und dann fällt das wieder ab.

Und am drastischsten ist das ja, wenn man Festival spielt und dann hast du drei, weiße vier Konzerte,

dann hast du zwei Wochen oder drei Wochen gar keine.

Also auf Tour kann man sich so einschwingen.

Aber in so einem Festivalsommer ist das völlig, das hat was ganz Irreales teilweise.

Und wenn man dann noch Kinder hat, wie wir das hatten irgendwann,

dann sitzt man eben zwischen diesen Konzerten irgendwie beim Elternabend

und denkt sich irgendwie so, hey, war ich vorgestern bei Rock am Ring?

Also man muss vielleicht zur Erklärung dazu sagen, für die wenigen, die es nicht wissen,

der Mann, der bei Wir sind Helden am Schlagzeug war, war dein Partner, dein Mann

und dann später auch der Vater deiner Kinder.

Du hast quasi mit den Helden zwei Phasen erlebt, also die Kinderlosephase

und dann die, als du, ich weiß nicht, zwei, sechs und zwei, neun, die beiden Kinder bekommen hast

und ihr immer noch auf Tour gegangen seid, mit einer letztlich wahnsinnigen Organisation,

das musst du ja irgendwie alles hinkriegen.

Ja, also das war eine logistische Meisterleistung

und natürlich ist es ja auch so, ich glaube, das weiß jeder, der Kinder hat ohne auf Tour zu gehen,

dass du eigentlich mit dem Lernen nicht hinterherkommst.

Also man hat immer das Gefühl, man hat gerade irgendwas durchschaut, wie das funktioniert

und dann hat man eine ganz tolle Idee, wie man dieses und jenes Problem lösen kann

und dann läuft das Kind plötzlich.

Und das ist nicht mehr das Problem, dass es aus dem Busbett im Nightliner rausrollt,

sondern dann wachst du morgens auf und dein Kind hat sich ins Fenster gestellt

und winkt Autos hinterher.

Und dann muss man wieder überlegen, wie komme ich denn damit klar?

Im Backstage von dem Festivalgelände, wo überall irgendwelche Klappen im Boden auf sind

und Gabelstapler rumfahren, dass mein Kind nicht mehr da ist, wo ich es gerade eben abgelegt habe,

wenn ich mich einmal umdrehe.

Also das ist und bleibt sehr sportlich.

Das heißt, diese zweite Phase, diese Auftritte dann mit dieser Familiengeschichte im Hintergrund

war die deutlich stressigere gegenüber dieser ersten Phase, als es halt noch keine Kinder gab?

Absolut. Also diese ersten fünf Jahre, die waren eigentlich getragen von dieser Begeisterung,

von alles neu, alles überwältigend.

Das war ja auch eine märchenhafte Geschichte, es war einfach sehr schnell, sehr viel

und wir hatten aber auch unheimlich viel Energie.

Also altersbedingt und keine Kinder haben es bedingt, aber auch einfach,

weil ein Lebenstraum, der sich erfüllt einem ja erstmal wahnsinnig viel Energie gibt.

Und als die Kinder dann dazu kamen, hatte ich schon auch noch unheimlich viel Energie,

weil ich das einfach sehr wollte.

Ich wollte das sehr inbrünstig irgendwie verbinden und ich fand die Vorstellung auch toll.

Das war jetzt nicht von Anfang an irgendwie Angst und Schrecken,

sondern ich dachte, das schaffen wir.

Und ich habe ganz viel Kreativität auch da reingesteckt, das alles so zu gestalten.

Und habe ja erst Jahre später eingesehen, dass es einfach trotzdem so eigentlich nicht machbar ist.

Also du hast über ein relativ langen Zeitraum dich, dein Körper, deine Seele vielleicht auch

auf eine dramatische Art überfordert, was dich letztlich zu einem Satz gebracht hat,

der ja schon relativ bemerkenswert ist.

Ich habe meinen Körper jahrelang missbraucht.

Also um einen solchen Satz sagen zu können, muss ja vorher richtig viel passiert sein.

Ja, da spielen viele Sachen mit rein.

Ich habe ja auch im Buch dann meine lange sozusagen nicht kranken Geschichte,

aber Kränklichkeitsgeschichte beschrieben.

Also ich war einfach nie so robust, wie man es eigentlich sein müsste für diesen Beruf

wegen so einer multialergischen Veranlagung und chronischem Gesundheitskram.

Ich wollte das aber natürlich nicht einsehen und habe mich auch nicht so verhalten.

Also in gewisser Weise schon, ich habe nie Alkohol getrunken,

ich habe nie viel irgendwas anderes ausprobiert,

aber trotzdem ist es natürlich körperlich ein unheimlich anstrengendes Leben

und man steckt sich auf einer Herbsttour wahnsinnig viel mit allem möglichen an.

Und ich hatte dann eben, wenn andere Leute einen Schnupfen hatten, im Prinzip immer drei Wochen Sinositis

oder eine Sinositis, die bis zum Frühjahr nicht wieder weggeht.

Und das in einem Turbus mit Klimaanlagen und dann irgendwann eben noch zwei kleinen Kindern,

das alleine, also schon bevor die Kinder kamen, habe ich da einfach keine Rücksicht.

Da war ich das so sehr wollte.

Und weil ich auch in gewisser Weise, als ich jünger war, natürlich mich auch zwingen konnte.

Das ging ja irgendwie so.

Ich habe voll mit Ibuprofenkonzerte gespielt und mit einem Kotzeimer neben der Bühne

und wahnsinnig viel gearbeitet, wahnsinnig wenig geschlafen.

Und dann kamen die Kinder, die Leute, die selber Kinder haben,

können sich das irgendwie vorstellen beziehungsweise überhaupt nicht vorstellen,

wie das überhaupt gehen kann, wenn man einmal mit seinen Kindern zur Oma gefahren ist

und sich überlegt, daraus einen Lebensentwurf zu machen, dann sind die Kinder noch da und krank.

Dann werden die wieder, dann checken die einen an, die Kinder sind nach drei Tagen wieder topfit

und du hast schon wieder Sinositis.

Also ich würde sagen, ich habe über Jahre im Schnitt fünf Stunden geschlafen, sechs höchstens

und dann aber an den Tagen auch viel gearbeitet und gesteht, also natürlich auch jetzt nicht über fünf Jahre,

aber na ja, zusammengenommen, also bin von Festivalbühnen runter mit noch quasi meinem

Kopfhörern im Ohr in den Bus zurück und habe gesteht.

Dann habe ich versucht, schlafen zu gehen, was nicht gilt wegen dem ganzen Adrenalin.

Dann bin ich irgendwann schlafen gegangen und um 5.40 Uhr oder 5.20 Uhr stand mein Sohn

wieder auf der Matte, und zwar topfit und hat aus dem Auto gewinkt.

Also dein Körper hatte ja, glaube ich, und das schilderst du ja auch durchaus eindrücklich

und eindringlich in deiner Autobiografie immer mal wieder Stoppsignale gesetzt.

Also du hattest eine Hirnhautentzündung und das ist keine lustige Angelegenheit.

Du hattest glaube ich auch mal die Situation, dass eins deiner Beine nicht mehr richtig funktioniert hat

und du hast vor allen Dingen immer diese wiederkehrenden Stimmbandentzündung gehabt.

Genau.

Aber dann hat es ja doch, wenn ich das sagen darf, relativ lange gebraucht.

Also wir sind dann irgendwann erledigt, weil es einfach nicht mehr ging.

Dann hast du aber doch sehr schnell, wenn ich es von außen so beurteilen darf,

dieses Solo-Projekt gestartet eben auch mit den entsprechenden Beanspruchungen

und eigentlich hättest du vielleicht sogar, ich meine, ich bin kein Therapeut,

aber es würde mir spontan einfallen, du hättest irgendwie erstmal radikal was ändern sollen oder müssen.

Absolut.

Und im Prinzip glaube ich, war das der Prozess, der dann in diesem Buch gelandet ist,

dass ich eigentlich am Anfang schon eine ganz starke Sehnsucht hatte nach dem Ende von wir sind Helden

oder einfach eine ganz starke Vision auch hatte, dass ich das sehr, sehr anders machen muss.

Und das Buch, da wollte ich einfach dem nachgehen, warum das so lange gedauert hat.

Warum ich dann irgendwie ein Jahr später schon wieder mit einem Album draußen war

und irgendwie das Gefühl hatte, ich bin in so eine offen stehenden Käfig zurückgegangen

und ich wusste, warum. Also wirklich auch im Nachhinein, wenn ich sagen konnte, was, warum denn eigentlich?

Würdest du im Nachhinein sagen, die Arbeit an diesem Buch war auch ein Stück Selbsttherapie?

Ja, absolut. Also ich hoffe natürlich nicht nur, weil ich bin großer Memoir-Fan,

also das Genre bedeutet mir viel und ich habe deswegen da auch hohe Ansprüche

und finde natürlich, dass sich sowas nicht wie Selbsttherapie lesend darf,

oder dass das nicht der einzige Zweck sein darf, weil es wenig Unterhaltungswert hätte.

Aber natürlich, also alleine der Prozess, dass man, wenn man sich eine Zeit vornimmt

und über die Schreiben wäre oder irgendwas rausfinden möchte,

über die Zeit, dann muss man halt sehr genau hingucken.

Und wenn dann zum Beispiel in so einem Narrativ, was sich da auftut, eben so Lücken auftauchen,

wo man denkt, wie bin ich eigentlich von A nach B gekommen?

Also zum Beispiel genau diese Zeit, die du gerade beschrieben hast,

dass man sagt, da war das Ende der Helden, wäre doch eigentlich völlig offensichtlich gewesen,

dass die Frau mal eine richtige Pause braucht oder eine richtige Umstellung

und ein Jahr später oder zwei Jahre später kommt das Album auch aus.

Aber genauso war das für mich. Und dann schreibt man das und hat irgendwelche Anhaltspunkte

und dazwischen ist ein großer weißer Fleck, wo man denkt, ich weiß nicht mehr, was da passiert ist.

Und alleine dieser Prozess, dass man diese Lücken füllen muss, ist natürlich total therapeutisch.

Also du hast ja, wenn ich das auch von außen so sagen darf,

dir quasi eine zweite neue Karriere insofern erarbeitet,

als du jetzt mit dem eigenen Podcast unterwegs bist,

dass du längere Texte machst, möglicherweise auch mit der Perspektive dann irgendwie ein neues Buch zu machen.

Erleichtert dir dieses Leben den Umstand, dass du mit der Stimme, so wie du sie jetzt hast, nicht mehr auf die Bühne kannst?

Auf jeden Fall erleichtert das, aber es ist nicht leicht.

Es ist nicht leicht, das zu akzeptieren.

Also ich habe eine massive Stimmstörung seit aber inzwischen eigentlich 2017.

Und das, was man jetzt hier im Podcast hört, ist quasi schon die super Ausgehör-Route.

Stimmentherapierte Variante läuft nämlich irgendwie super.

Also meine Stimmentherapie läuft super.

Wie oft machst du das die Woche?

Ich habe das sehr intensiv gemacht, das war so kurshaft.

Also ich habe das immer zwei Wochen am Stück gemacht.

Und jetzt bin ich gerade in der Lücke, also jeden Tag.

Und jetzt bin ich gerade in der Lücke und will im Mai noch mal eine Runde mich von einem anderen Winkel nähern quasi.

Aber da das sozusagen zu einer ähnlichen Zeit aufgetreten ist, wie meine Hirnhautentzündung,

aber nicht danach, sondern eher davor, war das einfach auch lange so ein bisschen rätselhaft.

Also es war unklar, ob es da eine Nervenbeteiligung gibt.

Also jetzt höre ich mich eher heiser an, aber es hat teilweise auch so fast so ein Aspekt von einem Stottern.

Also dass mir wirklich, dass mir Buchstaben fehlen, dass das die Sprache so unterbrochen ist.

Okay.

Und ich finde selber, dass das von der psychosomatischen Seite eine hohe Pulsier hat.

Nur denke ich jetzt natürlich, ich habe doch alles, ich habe doch alles geändert.

Und ich habe uns doch in Sicherheit gebracht, mein Stimmchen.

Aber vielleicht, manchmal ist der Körper ja auch einfach ein bisschen nachtragend

und vielleicht dauert es auch einfach noch ein bisschen.

Ja, aber auf die Frage, ja, es hilft.

Es hilft natürlich, also dass ich weiß, dass es mir zwar die Sprache verschlagen hat,

aber ich immer noch schreiben kann, ist schön.

Ich vermute ja, dass da schon einer oder mehrere Experten,

die sich richtig gut mit Stimmbändern auskennt, mal nachgeguckt haben.

Haben die dir sozusagen die Perspektive dann mit auf den Weg gegeben,

dass das nochmal so wird wie früher, oder ist das eine Geschichte,

mit der du jetzt einfach in irgendeiner Form klarkommen musst?

Nein, also weil tatsächlich organisch nichts gravierendes ist.

Also es ist entweder eine Steuerungsgeschichte über die Nerven, das wäre nicht so schön.

Aber die neueste Neurologen-Besuch hat eher ergeben, dass es das wohl nicht ist.

Aber ich habe jetzt neulich in einem Buch gelesen,

dass Shirley Collins eine britische Vogelsängerin genau das Gleiche hatte

und tatsächlich irgendwann mit, ich glaube Mitte 70, in einem Pub war

und ein Freund gesagt, komm, stelle dich auf die Bühne, singe noch eins.

Und sie hat sich ohne nachzudenken auf die Bühne gestellt und gesungen und konnte es wieder.

Aber nach, weiß ich nicht, nach 40 Jahren oder so.

Und ich bin relativ eingeschossen darauf, dass das irgendwie psychosomatisch ist und so,

aber das sagt sich auch immer so leicht, das heißt ja leider nicht,

dass man einfach damit aufhören kann.

Ja klar, abgesehen jetzt von dieser Stimmgeschichte würde es dir sagen,

dass vielleicht auch bedingt dadurch in den letzten Jahren

dein Abstand zu diesem klassischen Musik-Business größer geworden ist ein Stück weit.

Absolut. Also ich weiß nicht, ob das jetzt durch die Stimme so ist.

Ich meine, man muss sich aber so Sachen auch immer fragen,

was ist der Krankheitsnutzen und der Krankheitsnutzen ist, dass ich nicht singe.

Und natürlich, wenn ich mich frage, wenn ich wieder singen könnte,

würde ich dann wirklich das nicht wieder machen.

Also im Prinzip ist es natürlich, wenn sich jetzt nicht doch rausstellt,

dass es einfach nervlich bedingt ist,

natürlich eine relativ klassische Traumareaktion so,

dass meine Stimme gesagt hat, so, wenn du nicht zuerst,

dann machen wir das jetzt übrigens nicht mehr.

Dann treibe ich.

Ja, dann das machen wir jetzt nicht mehr, weil das ist offensichtlich gefährlich,

ist es auch so, das lassen wir jetzt.

Und ich hoffe halt, dass meine Stimme dann irgendwann versteht,

dass ich eben nicht sofort wieder in den Nightliner steige

20 Interviews am Tag gebe, nur weil ich wieder kann.

Aber wer weiß, vielleicht würde ich sie auch tun.

Deswegen, vielleicht hat sie ja recht.

Das war ja auch Teil der Veranstaltung.

Also so funktioniert halt auch PR.

Da kommt eine neue CD oder neuer Tonträger, was auch immer raus.

Oder man geht auf Tournee oder es gilt ein Festival zu promoten.

Und dann schilderst das auch in dem Buch,

dass ihr irgendwann mal nachts nach Österreich gefahren seid, nach Wien

und irgendwie dann in den frühen Morgenstunden

vollkommen am Ende und kaputt auf irgendeinem Parkplatz gelandet seid,

wissend, dass an dem Tag, ich weiß es nicht, 12 oder 15 Interviews anstehen.

Und eng getaktet der Reihe nach.

Und dann natürlich verzögert sich immer irgendwas.

Und das Mittagessen, was irgendwie noch eingeplant war,

fällt dann leider aus.

Aber ich habe es auf eine andere Art und Weise einmal selbst erlebt.

Ich war mal die Nummer 8 oder die Nummer 9

in einem Interview Marathon mit Karl Lagerfeld.

Der hat damals irgendeinen Bildband mit,

ich weiß nicht mehr, wem rausgebracht.

Und irgendwie durfte ich dann halt auch und habe da damals eine halbe Stunde gekriegt.

Und bin aus dem Staun nicht rausgekommen,

weil, wie gesagt, vorher sieben oder acht

und dann hinter mir auch nochmal sieben oder acht.

Und ich habe mir den angeguckt,

mal davon abgesehen, dass der extrem konzentriert war

und mit einer doppelten Sprechgeschwindigkeit unterwegs war.

Also ich bin damit tiefen Respekt dann wieder nach Hause gefahren.

Also ich konnte das tatsächlich in den ersten Jahren auch verblüffend gut.

Und natürlich hat das dann auch so was von einem Extremsport.

Dass man dann da auch so ein Ehrgeiz entwickelt

und das wird einem auch unheimlich positiv gespiegelt.

Ich habe dann ganz viel meditiert

und habe mich quasi auch immer damit so ein bisschen

einen unnatürlich verdickten Geduldsfaden sozusagen anmeditiert.

Und das trägt natürlich aber auch ein bisschen dazu bei,

dass man da über seine Grenzen geht.

Dass man denkt, ja, ich bin die, die das so toll kann.

Wie so wahnsinnig geduldig ist.

Ja klar.

Immer so freundlich und niemanden sich doof fühlen lässt und so.

Weil mir das wiederum tatsächlich auch bin empathischer Mensch.

Mir ist diese Situation eigentlich immer für mein Gegenüber peinlich.

Also ich finde das unwürdig.

Und ich will dann demgegenüber nicht zeigen,

dass er das fünfte Interview ist.

Weil ich das schrecklich finde.

Aber es ist einfach keine normale Kommunikationsform.

Es ist einfach eine absurde Situation natürlich.

Also gut, ich kenne durchaus auch die andere Nummer.

Also inklusive der Ankündigung des Managements.

Also Fragen nach ABC, DEF und G dürfen nicht gestellt werden.

Sie haben maximal zweieinhalb Minuten Zeit.

Sie können den Künstler nicht stören.

Und keinesfalls ihm zu lange in die Augen gucken.

Und keinen direkten Augenkontakt.

Wobei dieses von Prince kennt man das ja mit dem direkten Augenkontakt.

Und jetzt, wo ich zum Beispiel mehr weiß über das Autismus-Spektrum,

denke ich manchmal, dass vielleicht diese spektakulären Geschichten,

die man von manchen Rockstars so kennt,

bestimmt auch was mit quasi Neuro, die wir Gänzen zu tun haben.

Weil da weiß ich jetzt, dass zum Beispiel Augenkontakt unter mich schwierig ist

für viele Leute.

Bei Asperger-Leuten ist das extrem schwierig.

Genau, Asperger-Sonne.

Und du hast unter Musikern definitiv eine erhöhte Zahl von Leuten,

die quasi nicht neurotypisch sind.

Und da verstehe ich inzwischen einiges sehr anders.

Ich meine, manche Leute sind einfach auch vollkommen durch

und vollgedruckt und grüßen wahnsinnig so.

Es gibt es definitiv auch.

Ich bin da inzwischen manchmal ein bisschen nachsichtiger,

weil ich denke, ja, das ist unheimlich schwierig.

Und wenn man dann zum Beispiel auch nur, sagen wir mal,

sehr, sehr introvertiert ist, was bei Performern

erstaunlich oft vorkommt, dann ist das eigentlich kaum zu bewältigen.

Wieso weißt du heute mehr über Autismus als früher?

Ich habe mich mehr damit irgendwie beschäftigt.

Ich habe eine relativ brandneue ADHS-Diagnose.

Echt?

Also, der Haaraspekt ist bei mir nicht so ausgeprägt.

Deswegen fällt es immer von außen nicht so auf.

Also, dass die Hyperaktivität, aber ich habe dann irgendwann gehört,

wie sich das bei Mädchen und Frauen im erwachsenen Alter äußert

und dachte, ah, okay, Bingo.

Und ich habe noch eine starke Häufung in der Familie

und habe dann diese ganzen Tests gemacht.

Und das natürlich hat mich da nochmal ordentlich nach vorne gebracht,

zu verstehen, wie das einfach Leute unterscheidet.

Wenn man eine neurologische Besonderheit hat,

die irgendwie soziale Situationen anders wahrnehmen lässt

oder einfach anders ticken lässt.

Aber wenn du in den Zustand von dieser Form von Anspannung kommst,

hast du dann festgestellt, weil du vorhin auch gesagt hast,

du meditierst, dass Meditation dich da wieder einpegelt?

Also, Meditation hilft auf jeden Fall.

Und man weiß ja heute auch viel über so Neuroplastizität,

also, dass viele Sachen schon veränderlich sind.

Also, ADHS zum Beispiel ist quasi ein Hirnstoffwechselproblem.

Das kann man jetzt auch nicht umtrainieren,

aber man kann trotzdem bestimmte Sachen so lernen,

dass andere Sachen weniger eine Rolle spielen und so.

Und Meditation, klar, steht auch überall auf allen Listen ganz oben,

ist allerdings natürlich auch,

wenn man ausgeprägtes Haar in seinem ADHS hätte,

noch ein bisschen schwieriger.

Eskulismus für dich noch wichtig?

Ja, also, ich habe seit, würde sagen,

inzwischen fast zehn Jahren zu meinem Leidwesen

nicht mehr so eine regelmäßige Praxis, wie ich sie mal hatte.

Ich bin irgendwie einfach aus der Kurve geflogen mit dem zweiten Kind.

Was heißt regelmäßige Praxis?

Ich war früher regelmäßig auf Ritrize, Schweige,

Seminare gemacht und einmal die Woche sozusagen

in unserem Zentrum mir Vorträge angehört

und jeden Tag teilweise 40 Minuten meditiert.

Es war ein großer Teil meines Lebens

und es hat mir unheimlich gut getan.

Wobei, ich inzwischen eben, also das habe ich so halb im Scherz gerade gesagt,

mit dem unnatürlich verdickten Geduldsfaden.

Ich sehe inzwischen auch,

und das hat der Buddha natürlich nicht so gemeint,

dass wir inzwischen auch eine Gefahr für Leute,

die sowieso schon People Pleasers sind

und ein Problem damit haben,

für manche Sachen zu viel Geduld aufzubringen.

Ich denke schon, dass ich teilweise in die Falle getappt bin,

da kann der Buddhismus nichts dafür halten.

Aber dass ich in die Falle getappt bin,

immer netter und netter zu werden, was überhaupt nicht der Sinn ist.

Auf jeden Fall hat es mich mit dem zweiten Kind

so ein bisschen aus der Kurve gehauen

und seitdem habe ich jetzt eben keine regelmäßige Praxis mehr,

als würde schon helfen, wenn ich mehr meditieren würde.

Habe ich aber gerade irgendwie das Gefühl, dass es auch wieder kommt.

Die Zentrale oder eine der zentralen Fragen des Buddhismus

ist ja, wo kommen wir her und wo gehen wir hin?

Hast du dafür für dich eine Antwort gefunden?

Naja, also uns abzukürzen fragt der Buddhismus das ja gar nicht so,

sondern sagt, dass wir nirgendwo herkommen und nirgendwo hingehen,

sondern schon zu Hause sind.

Und dass es erstens nur das jetzt gibt, so.

Und zweitens aber auch, dass sowieso alles schon verbunden ist

und dass ja diese abgetrennte Person, die grundlegende Illusion ist,

sie zu allem Leiden führt.

Also die Illusion der Getrentheit.

Und das eigentlich im Buddhismus darum geht,

diese Illusion zu transcendieren und aufzulösen.

Das ist eine Ganzheitserfahrung, so zu haben.

Ich würde gerne mit dem hier und jetzt insofern aufhören,

weil es eine zugegebenermaßen eigentlich nicht besonders wichtige

und eher kleine Geschichte ist oder ein kleines Erlebnis ist,

um das dich allerdings, denke ich, sehr, sehr viele Menschen beneiden.

Du warst mal in einer Situation, wo du deine Ruhe brauchtest

in einem Hotel und da gab es einen Wellnessbereich

und plötzlich erschien dir die deutsche Fußball-Nationalmannschaft.

Ja, das war ein Schlüsselmoment, um den ich auch sehr dankbar war,

als ich mein Buch geschrieben habe, weil ich wirklich im Schreiben dachte,

das kann noch nicht wahr sein.

Aber das war so.

Es war genauer genommen so, dass ich wirklich am absoluten Tiefpunkt war,

völlig ausgebrannt.

Mein Mann gesagt hat, ich bin eigentlich ein Zombie,

er kriegt mich nicht mehr zu fassen,

da ist keiner mehr zu Hause hinter meinen Augen.

Und er dann gesagt hat, so, ich schick dich jetzt in ein Hotel,

du machst jetzt irgendwo erstmal Pause, egal wo, aber jetzt,

fährst morgen los.

Und dann habe ich wirklich nur bis zu einem Hotel am Potsdamer Platz geschafft.

Also wir wohnen in Kreuzberger, so 20 Minuten Luftlinie.

Und dann war ich da in diesem komischen, wählenlosen Luxushotel

und wollte eine Massage buchen, wo ich dachte, irgendwas Gutes muss ich mir tun.

Und dann bin ich wirklich in diesem wählenlosen Bereich,

habe die Tür aufgemacht.

Und trapp, trapp, trapp, trapp, trapp, trapp, trapp,

kam mir elf so Typen in Ländenschurzen und Handtüchern auf den Kopf entgegen.

Aber ohne Fußballschuhe und ohne Stürzen.

Vorneweg, Manuel Neuer, trapp, trapp, trapp, trapp,

guten Tag, guten Tag, ich so, guten Tag, guten Tag.

Und dann war es schon wieder vorbei.

Und ich hatte halt auch so einen Handtuch auf den Kopf,

also ich glaube nicht, dass mich irgendjemand von denen erkannt hätte,

auch vielleicht wegen der Augenringe.

Und es war so absurd, dass ich in dem Moment dachte,

irgendwas möchtest mir sagen.

Aber für welche Nachricht schickt mir das Universum bitte als Überbringer

eine halbnackte Nationalmannschaft.

Und auf diese elementare und philosophische Frage werden wir

zumindest in diesem Gespräch keine Antwort mehr finden.

Vielen Dank, Judith, und alles Gute für dich.

Danke dir.

Ciao, ciao. Heimspiel.

Ich bin Jan Müller.

Und in meinem Podcast Reflektor spreche ich mit meinen Gästen

über die Geschichten hinter ihrer Musik.

Egal, ob Deichkind, Kraftklub, Haftbefehl oder Haiti,

ob Pop, Rock, Rap, Punk oder Klassik,

ich will verstehen, was die Musik meines Gegenübers

so einzigartig klingen lässt.

Und ich will erfahren, was sie oder ihn dabei geprägt hat.

Wir sprechen über die herausragenden Glücksmomente.

Aber auch über die großen Dramen, die sich so vielleicht

nur im Leben eines Musikers abspielen können.

Das sind Momente, die ich ziemlich gut kenne,

denn schließlich bin ich mit meiner Band Tokotronic

selbst seit über 30 Jahren aktiv.

Gemeinsam mit meinen Gästen möchte ich euch hinter die Kulissen

der Musikwelt mitnehmen.

Lasst uns die Musik gemeinsam zelebrieren.

Mit Bila B.

Wie beeindrucken meine Songs Fein Urlaub

und wie beeindrucken Fein Urlaub Songs mich?

Geut in der Lahn.

Als der Hip-Hop kam und die Protagonisten so aussahen wie ich,

das war für mich wie eine, ich weiß nicht, Offenbarung.

Marian Gold.

Keiner von uns konnte ein Instrument spielen.

Wir waren Fans. Haftbefehl.

Ich habe keine Kalauschenkopf, aber ich nicht.

Gott sei Dank habe ich keine Kalauschenkopf.

Reinhard May.

Das Leben ist mit vielen Schmerzen versehen,

aber auch mit vielen Glücksmomenten.

Bill Kaulitz.

Es war eine Phase, wo er dann nur mit Punks rumgehangen hat.

Esther Becherano.

Ich hatte nie einen Akkordion in der Hand vorher,

aber es war meine Chance aus dieser schrecklichen Kolonne rauszukommen.

Jens Rachuth.

Herr Müller, du redest, du redest gerade mit jemandem,

der zu damaligen Zeit gegen alles war.

Und viele mehr.

Reflektor. Die neue Staffel.

Auf dem 10. März.

Alle zwei Wochen jeden Freitag.

Überall, wo es Podcasts gibt.

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Judith Holofernes war Jahrelang die Stimme, Texterin, Gitarristin und Frontfrau von “Wir sind Helden”. Seit der Auflösung der Band ist die Sängerin und Autorin als Solokünstlerin aktiv und hat im vergangenen Herbst ihre Autobiografie “Die Träume anderer Leute” veröffentlicht. Mit Wolfgang spricht sie darüber, wie wichtig es ist, Pausen zu machen, auf die eigene Gesundheit zu achten und wie hart es wirklich ist, mit kleinen Kindern auf Tour zu gehen.

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