Apokalypse & Filterkaffee: Heimspiel: Christoph Giesen

Micky Beisenherz & Studio Bummens Micky Beisenherz & Studio Bummens 6/25/23 - Episode Page - 47m - PDF Transcript

Diese Folge wird er präsentiert von ...

Yep, Vodafone seit über 30 Jahren.

Für dich da.

Guten Morgen, lieber Wolfgang.

Guten Morgen, lieber Micky.

Ich sag's, wie's ist, ich hab dich vermisst.

Ich weiß auch nicht, letzte Woche haben wir irgendwie ...

Also freut mich, weil, wenn du's nicht gesagt hättest,

hätte ich's gesagt, also, mir ging's auch so diese fünf bis zehn Minuten,

die wir so einmal in der Woche so ganz für uns haben,

meistens anfangend mit dem neuesten Fußballklatsch und Trakt.

Wir können das, und das wird ja höchstwahrscheinlich

dann zumindest in diesem Sommer das letzte Mal gewesen sein.

Wir können ganz kurz ...

Hast du dir, ich frag anders, ich bleib positiv, Wolfgang,

hast du dir schon einen Namen für das EM-Maskottchen ausgedacht?

Überhaupt gar nicht.

Ich fand alle bisherigen Namen so blöd.

Und die Geschichten drumrum so dämlich,

dass ich irgendwie da keine Kapazitäten gesehen hab,

bei mir da Gedanken zu machen.

Und doch ist das Maskottchen derzeit das Einzige im Zusammenhang

mit dem DFB, was einen noch nicht so komplett verärgert hat.

Vielleicht auch eine frische Kraft, die jetzt reingeworfen wurde,

die noch nicht komplett verbrannt ist.

Dein Optimismus ist wirklich beachtlich und bewundernswert.

Ja, ist richtig.

Ich bin in eine Art von Duldungsstalle verfallen mittlerweile.

Aber die Frage, die ich natürlich kurz noch stellen möchte,

ist, wer hat denn aber auch andererseits erwartet,

nach einer langen Saison, dass da irgendwer sich noch den Arsch aufreißt?

Also, ich weiß, da funktioniert grad nix,

und da wird Wildrum probiert und nichts greift und so, schon klar.

Aber andererseits ist es irgendwie auch logisch,

dass keiner so richtig Bock hat, da jetzt irgendwie ...

irgendwelche Höchstleistung zu bringen ist.

Ist auch den Spielern irgendwie wirklich die Probleme,

die einfach nur ihre Ruhe haben.

Und die wollen nicht verletzt in den Urlaub gehen,

sondern in eine neue, aufregende und anstrengende Saison gehen.

Ich find übrigens auch nicht schlimm,

dass Flick da mal eine Dreierkette ausprobiert hat,

wozu sind solche Spiele da, damit man irgendwas ausprobiert.

Aber was mich irgendwie nachdenklich gemacht hat,

jetzt hat da Kimmich Goretzka ersetzt durch Gündoğan und Emre Can.

Das hat aber auch nicht funktioniert.

Ja, ja.

Aber irgendwie ...

Es ist, wie es ist.

Ist ja noch ein Jahr hin, bis dahin, ne?

Und dann irgendwann im März heißt es,

jetzt kommt Berthi Vogt zurück,

der hat schon mal zum Europameister gemacht.

Der ein Interview, ein langes Interview gegeben hat.

Und ich glaube, froh war, dass man ihn wieder gefragt hat.

Also, da muss ich sagen, ich kriege ja auch berufsbedingt viel mit.

Das ist wirklich komplett untergegangen, Wolfgang.

Ich weiß nicht, ob ich mich bei dir bedanken soll,

dass du mich darauf gestoßen hast, denn jetzt werde ich's ja lesen

und werde dann möglicherweise deinen Namen verfluchen und sagen,

das sind acht Minuten Lebenszeit, die mir keiner zurückgeben kann.

So, wie kriegen wir jetzt die ganz große Kurve nach China?

Ja, das ...

Oh, ja, das ist auch ...

Ja, pass auf. Also, sagen wir mal so,

von dem 433 von Hansi Flick zu China

auch ein nicht ganz unproblematisches System,

in dem Christoph Gießen dein Gast sich ...

Original.

Nee, danke, danke.

Ja.

In dem Christoph Gießen dein Gast

sich aber sehr erfolgreich umgetan hat.

Absolut, also, vielleicht zwei Sätze zu ihm

ist Journalist, kommt aus Berlin,

war für die Süddeutsche Zeitung lange in China, in Peking,

ist vor einem Jahr zum Spiegel gewechselt,

ist aber in China geblieben

und hat mit anderen investigativen Journalisten

ein Projekt vorangetrieben,

von dem ich ehrlicherweise vorher gar nicht wusste,

dass es dieses Projekt gibt.

Ja.

Es gibt einen Mann, der heißt Li Fang Wei, alias Carl Li.

Okay.

Er ist der geheimnisvollste und gefährlichste Zugleich,

Waffenhändler, der aus China kommt.

Die Amerikaner haben fünf Millionen Dollar Kopfgeld auf ihn ausgesetzt.

Das ist die Bin Laden-Größenordnung.

Wow, okay.

Dieser Mann hat offenkundig den Iran mit Raketenteilen versorgt,

mit Drohnen versorgt,

Geschäfte gemacht, die Israel bedroht haben.

Der Mossad ist also bei der Suche nach diesen Typen auch involviert gewesen.

Möglicherweise indirekt ist er auch am Ukraine-Krieg beteiligt,

weil eben der Iran ja auch die Russen wiederum verliefert hat.

So was alles.

Und Gießen, um auf den wiederzukommen,

der hat bei dieser ganzen Recherche den China-Part übernommen,

ist in die Stadt gegangen, wo er groß geworden ist,

wo er seine Geschäfte macht, hat sich auf die Spurensuche begeben

und stand immer, immer, immer wieder vor dem Nichts.

Ja, okay.

Und dieser Typ, dieser Carl Li, ist vom Erdboden verschwunden

und keiner kann Auskunft geben oder gibt Auskunft,

wo er ist, wahrscheinlichste.

Vermutung ist die.

Die Amerikaner haben damals noch unter Trump

auf die chinesische Regierung Druck gemacht,

da ging es um irgendwelche Handelsgeschäfte und Steuern,

die erhoben werden oder nicht.

Und Carl Li ist offenkundig ein Bauernopfer geworden

und sitzt jetzt in irgendeinem chinesischen Hoch-Sicherheitsgefängnis.

Ach so, das ist dann doch schon.

Ja, okay.

Das ist die mit Abstand wahrscheinlichste Nummer,

aber eine endgültige Bestätigung oder Klärung,

ist es natürlich nicht.

Wow, also sind wir ja heute knietief im True-Crime-Bereich, ne?

Ja, aber spannend, wirklich spannend.

Bist du jetzt die Sabine Rückert hier bei uns?

Ja, gut.

Ja, Sabine Rückert.

Ach Gott, ja, ich hab mal vor vielen, vielen Jahren mit ihm,

übrigens ganz nette Kolleginnen, super nette Kolleginnen.

Und da hat, glaube ich, wenn ich mich richtig erinnere,

damals auch mit dazu beigetragen,

dass ich den ersten und letzten Journalistenpreis meines Lebens

bekommen habe.

Ach toll.

Vom weißen Ring damals.

Vom weißen Ring, okay.

Ja, weil ich meine Sendung gemacht hab,

mit der Mutter eines ermordeten Kindes.

Ah, okay.

Nicht schön.

Aber wie so viele Gespräche von dir höchstwahrscheinlich gut geführt

und mit Nachhalt, und das bringt uns zu der aktuellen Folge,

die wir uns jetzt natürlich alle mit Freude und einiger Aufregung

anhören werden.

Vielen Dank, Wolfgang.

Wir hören uns.

Tschau, tschau.

Tschüss, tschüss.

Es ist Sonntag, der 25. Juni.

Apokalypse und Filtercafé, Heimspiel.

Das Interview am Sonntag mit Wolfgang Heim.

Er lebt und arbeitet in China.

Er hat erst für die Süddeutsche Zeitung aus Peking berichtet,

schreibt jetzt für den Spiegel.

Und er ist Co-Autor eines Buches und einer Fernsehdokumentation

über den mutmaßlich gefährlichsten Waffenhändler der Welt.

Herzlich willkommen, Christoph Gießen.

Hallo, freut mich sehr, hier zu sein.

Herr Gießen.

Der Mann heißt Li Fang Wei, alias Carl Li.

Warum ist er so gefährlich?

Li Fang Wei beschäftigt die amerikanischen Sicherheitsbehörden

seit gut zwei Jahrzehnten und hat das iranische Raketenprogramm

über viele Jahre unterstützt.

Das heißt, er hat Materialien geliefert,

dass iranische Raketen treffsicherer geworden sind,

dass sie über weitere Distanzen haben fliegen können.

Und die CIA und andere Geheimdienste sind der Auffassung,

dass ohne Carl Li Hilfe der Iran nicht darstünde,

wo er heute steht mit seinen Raketen.

Also, wenn man weiß, dass es diesen Typen seit 20 Jahren gibt,

warum hat man ihn schlussendlich nie gefunden,

wenn beispielsweise der amerikanische

und auch andere Geheimdienste da involviert waren?

Naja, also, dass er existierte und wo er mutmaßlich sich aufhält

und aufgehalten hat, das dürfte den Amerikaner nicht entgangen sein.

Aber er war natürlich in China.

Und wenn er sich zum Beispiel in den Iran bewegt hat,

dann hat er meistens einen Direktflug von China genommen.

Und in China, einem chinesischen Staatsbürger-Hapf zu werden,

ist sehr, sehr schwierig.

Also, wenn wir uns den Globus angucken,

dann gibt es sehr wenige Länder,

in denen die Amerikaner große Probleme haben,

Leute zu verfolgen.

Das sind Nordkorea, China und neuerdings vielleicht auch Russland.

Aber Erwarnung Chineses hält sich in China auf

und damit ist er den Amerikanern immer wieder entkommen

und hat sich eigentlich keine Sorgen machen müssen,

dass er irgendwie aufgegriffen wird.

Ich muss gestehen, bis zu dieser Veröffentlichung jetzt,

hatte ich nicht die Spur einer Ahnung,

dass es Li Fangwei, Alias Karl Li überhaupt gibt.

Wie sind Sie in Kooperation mit Ihren Kollegen

auf diesen Typen gekommen?

Die Wahrheit ist mir ist es genauso gegangen.

Also, bis ich mein Kollege Frederik Obermeier 2019

bei mir meldet, hat ich von diesem Mann auch noch nie gehört.

Sie beide kannten sich von der Süddeutschen her?

Wir kannten uns beide von der Süddeutschen Zeitung,

hatten viele Jahre Recherchen gemeinsam gemacht

und er schickte mir den Link zu der FBI Most Wanted-Liste

und sagte, wollen wir nicht mal gemeinsam versuchen,

rauszufinden, wer eigentlich die Person ist,

auf die die Amerikaner das höchste Kopfgeld ausgesetzt haben,

nämlich bis zu fünf Millionen Dollar.

Das ist die Osama Bin Laden-Kategorie, in der wir uns da bewegen.

Und ich musste auch erst mal sagen, noch nie gehört.

Aber das reizte mich dann schon, zu sagen, wer ist das,

woher kommt er und wie weit können wir eigentlich

sein Schaffen irgendwie nachzeichnen?

Wie schwierig und auch wie umfangreich waren dann die Recherchen?

Die waren schon sehr umfangreich.

Also, was wir am Anfang vor allem gemacht haben,

ist das Geschäftsnetzwerk dieses Mannes abzubilden

und nachzuzeichnen.

Es war vor allem erst mal sehr viel Schreibtischarbeit

in den Handelsregistern von Firma zu Firma, sich zu bewegen,

die Akten durchzugehen und auch dabei dann sehr, sehr viele Diagramme

und Netzwerke aufzuzeichnen und zu gucken, wer sind denn die Handeln

in Personen, welche Namen tauchen immer wieder auf,

welche Adressen kommen uns bekannt vor.

Und dann haben wir fast 30, 35 Firmen zutage gefördert,

die mal gegründet worden sind, dann sind andere wieder geschlossen,

dann kamen neue hinzu und so haben wir dann nach einer gewissen Zeit

verstanden, wer dahinter steht und wer mutmaßlich irgendwie

mit ihm zu tun hat.

Den Iran haben Sie schon genannt, als ein ganz wichtiges Land,

in das Carly geliefert hat.

Welche anderen Länder waren noch in seinem Portfolio?

Also, wir haben uns, was bis 2018 zumindest rückverfolgbar ist,

chinesische Zolldaten besorgt.

Inzwischen meldet der chinesische Zoll solche Daten

nicht mehr international, aber bis 2018 ließ sich das ganz gut nachvollziehen.

Und da war es so, wenn man die jeweilige Firma hatte, die man suchte

und das haben wir halt aus den Handelsregistern rekonstruieren können,

dann konnte man sehen, welche wahren Gruppen.

Man konnte halt jetzt nicht ganz präzise sagen,

dieser oder jener Artikel ist versendet worden,

aber das heißt dann Aluminium oder Wolfram oder andere Spezialteile,

die man zum Raketenbau braucht, die werden dann da aufgeführt

und dann sieht man, welche Länder das geht.

Das ist manchmal direkt in Iran gegangen, an iranische Firmen.

In anderen Fällen ging das aber auch in Nachbarländer des Irans.

Das hat man auch festgestellt.

Also, dann geht das mal nach Azerbaijan zum Beispiel.

Und da verliert sich natürlich dann die Spur,

weil man dann nicht mehr weiß, von wo eine Firma aus Azerbaijan

eventuell was weiter liefert.

Und es ist einfach anzunehmen, dass das ein Zwischenposten

auf dem Weg hin zum Iran gewesen ist.

Ja, eins vielleicht noch zum Iran,

auch im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg von Bedeutung,

weil der Iran ja ganz offensichtlich auch die Russen

mit Gerätschaften, mit in jedem Fall Drohnen beliefert hat,

bei der Carly auch eine wie auch immer geartete Rolle gespielt hat.

Jein, also die Situation ist, die das, als wir die Recherche anfingen,

natürlich noch kein Ukraine-Konflikt sich abzeichnete

oder eher da ist, wo er heute steht.

Aber das ist natürlich die Entwicklung,

die diesen Fall gerade jetzt auch noch mal so brisant macht, nämlich.

Der Iran hat Mittelstreckenraketen entwickelt,

mit dem Ziel vor allem Israel zu treffen.

Und jetzt kommt aber die Situation,

dass der Iran in der Vergangenheit schon Drohnen

an das russische Militär geliefert hat

und die russische Armee aber offenkundig auch Interesse

an den iranischen Mittelstreckenraketen hat.

Das kommt daher, dass es einen Sperrvertrag von 1987 gibt,

den die Sowjetunion noch mit den Amerikanern unterzeichnet hat,

dass man landgestützte Mittelraketen

mit einer Reichweite von 500 bis 5.500 Kilometer verschrottet hat.

Das heißt also genau diese Waffen, die heute recht interessant

für das russische Militär wären, weil man nämlich von jedem Ort

an der russischen Grenze die Ukraine damit eindecken könnte,

die fehlen dem russischen Militär.

Das heißt also, von der russischen Grenze

kann man eben nicht den Westen der Ukraine erreichen.

Man muss das dann vom Territorium in Belarus oder dergleichen versuchen.

Und dafür wären diese iranischen Raketen sehr, sehr interessant.

Sie sind dann, um rauszufinden, was mit Herrn Li

denn nun tatsächlich passiert ist, nach Dalian gefahren.

Das ist eine große Stadt in, ich glaube, im Nordosten Chinas.

Und sind dann auf welche Menschen getroffen bei ihrer Spurensuche?

Ich bin insgesamt fünfmal dahin gefahren und habe an Türen geklopft.

2019 war die erste Reise

und die letzte habe ich im März diesen Jahres unternommen.

Und was ich gemacht habe, ist tatsächlich an die Türen zu klopfen

von all den Firmen, auf die wir gestoßen sind.

Ein paar waren dann wichtiger als andere.

Bei einer Firma zum Beispiel

öffnete jedes Mal, wenn ich dort war, eine andere Person.

Das erste Mal war es eine Frau, ich würde sie auf Mitte 50 schätzen,

die, als ich ihr sagte, dass ich aus Deutschland käme

und mich für die Firma, die dort ihren Sitz hat, interessiere.

Da war sie sehr verstört und hat sich dann fragte,

ob ich eventuell Li Fangwei, also Karl Li, sprechen könne.

Da ließ sie mich im Türrahmen stehen, die Tür blieb offen

und sie ging in ein Nebenzimmer, um zu telefonieren.

Und man hörte dann, dass sie aufgeregt sagte,

sei ja einmal aus Deutschland der Wolle unbedingt mit Li Fangwei sprechen.

Und ein paar Sekunden später kam sie dann wieder an die Tür,

entschuldigte sich und schloss die Tür.

Und damit war das Gespräch beendet.

Das war irgendwie eine recht merkwürdige Unterredung.

Und als ich dann 2021 wieder vor dieser Tür stand,

öffnete eine ganz andere Frau, die mindestens noch mal 20, 25 Jahre älter war,

sagte auch, dass sie um die 80 sei, die Frau.

Und sie gab vor, dass sie von Li Fangwei noch nie gehört habe

und sagte auch, dass sie diese Firma, die dort ihren Sitz hat, auch nicht kenne.

Aber als ich sie dann fragte, woher sie komme,

sagte sie, sie komme aus jenem kleinen Ort,

aus jenem Nest, in dem Li Fangwei geboren worden ist.

Der ist 1000 Kilometer entfernt, also da war relativ klar,

es gibt dort einen Zusammenhang.

Und dann gab es den letzten Besuch, das war jetzt im März 2023,

da öffnete dann ein Mann.

Und das ist ein Mann, der relativ häufig,

nämlich mindestens dreimal, wahrscheinlich sogar noch häufiger,

Firmen von Kali in Zivilgerichtsprozessen in China vertreten hat,

als Rechtsbeistand.

Und da war dann absolut klar, okay, das ist das Netzwerk dieses Mannes.

Und das war eine sehr merkwürdige Situation.

Man hatte einfach das Gefühl, er nutzte seine Bekannten, seine Freunde,

um die immer wieder neue Firmen gründen zu lassen,

damit der Geschäfte machen kann,

dass der amerikanische Staat eine seiner Firmen auf die Schwarze Liste setzen kann.

Also ein absoluten, mysteriöses Firmen-Geflecht,

bestehend offenkundig aus Strohmännern und auch Strohfrauen.

Jetzt hat er diese Geschäfte von China

aus über einen so langen Zeitraum gemacht.

Dann gab es, ich glaube, im Jahr 2019 plötzlich,

die große Stille und das große Schweigen.

Und kein Mensch wusste, wo Kali abgeblieben ist,

wo ist er?

Genau. Also, was passiert ist, ist, dass,

als wir mit der Recherche anfingen,

wir nachgerade offene Türen, vor allem in Washington, eingerannt sind.

Das heißt also, es gab Leute, recht hochrangige,

beamt in der Trump-Regierung, die auch über den Fall getwittert haben,

die auch sich vor die Kamera gestellt haben,

uns gesagt haben, wie gefährlich Kali ist.

Und das hörte dann recht abrupt auf.

Das heißt also, Interviews waren dazu dann nicht mehr möglich.

Und wir hörten dann das Gerücht, dass Kali im Gefängnis möglicherweise sei.

Und dann fingen wir an, mit dieser Hypothese zu arbeiten.

Die letzte Bestätigung habe ich dann 2023,

jetzt im März erhalten,

hat sich bei einer Grafitfabrik, die Kali und seinem Bruder gehört,

vor dem Tor stand und ein Viertner, der dort war,

sagte auf meine Frage, wo ist denn der Chef,

wo ist ein Lieferant Ways Actors im Gefängnis, das weiß man doch.

Okay, aber sagen Sie, warum sollte die chinesische Führung in ihrer Allmacht

erst viele Jahre den machen lassen

und letztlich auch von seinen Geschäften profitieren

und ihn dann plötzlich aus dem Verkehr ziehen und einsperren?

Das macht doch auf den ersten Blick keinen Sinn.

Das macht auf den ersten Blick keinen Sinn,

aber unsere Arbeitshypothese ist folgende.

Um 2018, 2019 rum hat ein sehr ruinöser Handelsstreit mit den USA begonnen.

Beide Staaten haben sich wahnsinnig mit Strafzöllen überzogen,

Milliarden und aber Milliarden.

Und in dem Zusammenhang gab es auch Verhandlungen.

Und die These, die wir haben, ist, dass Kali und seine Geschäfte

zu einem Bauern auf dem großen Schachspiel der Supermächte geworden ist

und er einfach Teil der Verhandlungsmasse geworden ist.

Das heißt, die Chinesen haben ihn ins Gefängnis gesteckt,

aber und jetzt kommt sozusagen der Kniff,

die Amerikaner haben ihn weiterhin auf der FBI Most Wanted List.

Das heißt, wenn wir beide heute auf die FBI Most Wanted Liste schauen,

sehen wir dort Kali immer noch.

Und da finden wir immer ihn noch mit fünf Millionen Dollar drauf stehen,

obwohl er eigentlich längst aus dem Verkehr gezogen ist.

Letzte zugegebenermaßen hypothetische Frage

werden wir jemals erfahren, was aus Kali geworden ist?

Ich glaube, die, die das Rätsel am besten lösen könnten,

wären die Amerikaner.

Von den Chinesen werden wir es nicht hören,

aber auch die Amerikaner sind sehr, sehr zurückgehalten.

Das heißt also, die, die uns vor vier, drei Jahren

sogar noch Interviews gegeben haben zu dem Thema, die schweigen jetzt.

Und andere Leute, bei denen wir sehr zielsicher wissen,

dass sie an den Kali-Dussiers gearbeitet haben müssen.

Wenn man die heute anspricht, dann sagen die,

wie heißt der Mann gleich? Ich habe mich noch nie gehört.

Also es heißt, es ist das große Rätselrat,

das große Schweigen im Wald.

Und keiner will den Mann auf der FBI Most Wanted Liste kennen,

selbst die im amerikanischen Apparat plötzlich nicht mehr.

...

...

...

...

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Jetzt versuche ich, die Kurve zu kriegen von Carly zu Christoph Giesen

in der Hoffnung, dass es gelingt.

Sie sind noch 39 Jahre alt.

Haben bei der Süddeutschen Zeitung

volunteert, waren ein paar Jahre in der Wirtschaftsredaktion.

Das heißt, sie waren auch investigativ unterwegs.

Stichwort Wirecard beispielsweise.

Und sind dann wie, wann und warum nach Peking gegangen?

2016 bin ich für die Süddeutsche Zeitung

nach Peking geschickt worden.

Warum? Ich habe mich schon im Studium mit China beschäftigt.

Ich habe ein Jahr in Shanghai studiert

und dann in London ein Master in einem Fach,

das da heißt China in Comparative Perspective heißt übersetzt.

Das vergleichende China-Studien würde ich das nennen.

Das habe ich in London studiert

und mich eigentlich mein ganzes Studium über mit China beschäftigt.

Das heißt, dass ich irgendwann mal

eine gewisse Zeit in China verbringen würde.

Das war eigentlich absehbar.

Und 2016 wurde mir das dann ermöglicht.

Da kam dann die Anfrage der Chefredaktion

und dann habe ich nicht lange gezögert

und bin losgeflogen mit meiner Familie.

Haben dann für die Süddeutsche Zeitung

aus Peking ein paar Jahre Berichte dann,

ich glaube, im letzten Jahr der Wechsel zum Spiegel.

Sie sind jetzt geschaltet aus Berlin,

weil ich weiß gar nicht, wie oft sie noch nach Deutschland,

nach Berlin kommen im Jahr.

Das ist jetzt mein zweiter Besuch in diesem Jahr.

Das geht jetzt wieder besser.

Davor war es sehr, sehr beschwerlich.

Da war ich sehr lange nicht außerhalb Chinas

wegen der strikten Corona-Bedingungen.

Das heißt also, bis Ende Dezember war es eigentlich so,

dass wer nach China reisen wollte,

eine sehr lange Quarantäne zu durchlaufen hatte.

Also es waren zwischenzeitlich bis zu drei Wochen,

die man im Hotel weggesperrt war.

Und die Anzahl der Flüge war auch sehr begrenzt.

Also es war nicht besonders leicht, wieder zurückzukommen.

Es war fast wie Reisen im 19. Jahrhundert.

Jetzt hat sich das eigentlich wieder normalisiert.

Ich war im März kurz in Deutschland.

Und das ist jetzt mein zweiter Besuch.

Hintergrund des Folgen ist,

es findet das Korrespondenten treffen, das Spiegel gerade statt.

Da treffen sich die ganzen Korrespondenten aus der ganzen Welt,

um einfach mal sich wieder zu sehen.

Und das findet jetzt diese Woche statt.

Ich muss gestehen, China ist mir immer absolut rätselhaft geblieben.

Wenn ich mir jetzt beispielsweise angucke, Corona, das Stichwort,

die chinesische Führung hat Regide wie kein anderes Land

auf dieser Welt, auf diese Pandemie reagiert

und die Menschen kasserniert und eingesperrt

und hat dann plötzlich quasi aus dem Nichts das Ruder komplett rumgeworfen.

Erstens, warum?

Und zweitens, machen die Menschen das immer alles mit.

Das hat sich schon angefühlt wie ein Schildbürgerstreich,

was da im Dezember 2022 in China passiert ist.

Also von heute auf morgen hat alles, was vorher gegolten hat,

nicht mehr gegolten, aus schwarz wurde weiß.

Und das war auch für viele Menschen schwer nachvollziehbar.

Viele Menschen haben auch unter diesen enormen Lockdowns,

die stattgefunden haben, sehr, sehr stark gelitten.

Also im April und Mai hat die Führung Shanghai

eine Stadt mit 25 Millionen Menschen einfach nach Hause geschickt.

Aber in einer Art von Lockdown, wie wir uns in Deutschland

das gar nicht vorstellen können.

Das heißt also, man konnte nicht mehr einkaufen,

man konnte nicht mehr auf die Straße.

Die Regierung hat plötzlich und die Behörden haben plötzlich

die Versorgung übernommen und am Anfang hat das nicht sonderlich

gut funktioniert.

Das heißt also, das Nachbarschaftskomitee hat dann irgendwie

eine Packung Eier und ein bisschen Gemüse vor die Tür gestellt

und was viele auch sehr fast in den Wahnsinn getrieben hat,

muss man sagen, so hart muss man es formulieren,

war die Unsicherheit, wie lange das dauert.

Das heißt also, die Kommunikation anfangs war,

das wird drei, vier Tage dauern und danach ist es vorbei.

Am Ende waren das gut zwei Monate, die die Leute weggesperrt gewesen sind

und vor allem deshalb, weil die chinesische Führung

dem Irrglauben unterlegen gewesen ist,

dass man Corona komplett aus China fernhalten kann.

Dazu muss man verstehen, am Anfang,

als sich das Virus in Wuhan und zunehmend dann in der Welt

ausbreitete, waren die Chinesen die Ersten,

die mit sehr harten Lockdown-Maßnahmen das Virus in Schach gehalten haben.

Und daraus leitet sich der Irrglaube ab,

dass man das Virus besiegt hat, mischenekomplischt

und dass man eigentlich nur mit sehr harten Lockdowns

kurzfristig arbeiten muss und danach in China

ein geregeltes Leben führen kann,

währenddessen die Welt hustet und fiebert.

Das hat relativ gut funktioniert, bis Omicron kam.

Dann hat man gemerkt, dass diese Strategie leider nicht mehr aufgeht

und dass es ein sehr, sehr unangenehmer Prozess ist,

das weiter durchzuziehen, diesen harten Lockdowns.

Und dann, wie Sie gerade geschildert haben,

diese 180-Grad-Wende und ein so großes Volk macht das einfach mit,

weil es per se von seiner Mentalität her duldsam ist

oder weil die Leute schlicht und ergreifend Angst davor haben,

dass, wenn sie sich wehren, wenn es blöd läuft, im Knast enden?

Gar nicht mal.

Ich glaube, dass es einfach ...

Die Leute waren so frustriert von diesen ganzen Lockdowns.

Im November 2022 war die Situation,

dass die Bevölkerung, die etwa 25 Prozent des Bruttoinlandprodukts Chinas

repräsentiert, die waren alle im Lockdown zu dem Zeitpunkt.

Und das heißt also,

ein sehr, sehr großer Teil der chinesischen Wirtschaftsleistung

befand sich zu Hause und konnte gerade nichts machen.

Keine Produktion, die stattfand, keine Dienstleistung,

die irgendwo passierten.

Und es haben sehr, sehr viele Leute darunter ökonomisch gelitten.

Das heißt also, Leute, die irgendwie ein Restaurant betrieben haben,

einen Friseursalon, die irgendwie eine Bar hatten, ein Kino,

die mussten alle dicht machen.

Und bei vielen war einfach die Situation,

komm, gib mir jetzt dieses Virus, es ist mir auch egal,

ich will einfach nur, dass das irgendwie endet.

Und dann endet das sehr abrupt.

Und der Fehler, meiner an sich nach der Regierung,

war gar nicht, dass sie irgendwie eine 180-Grad-Wendung hingelegt haben,

sondern dass diese 180-Grad-Wendung nicht vorbereitet gewesen ist.

Soll also heißen, wir hatten eine wahnsinnig große Impflücke in China.

Vor allem bei den Älteren, also bei den 70 bis 80-Jährigen,

die eben nicht mehr über die Betriebe erfasst worden sind,

wo man irgendwie ihnen sehr gut hätte zureden können,

dass sie sich impfen lassen müssen.

Wir kennen die Zahlen nicht,

weil die chinesische Regierung von ein paar 10.000 Toten offiziell redet,

die in dieser Corona-Wette gestorben sind.

Aber es ist davon auszugehen,

dass es 100.000 eher Millionen gewesen sind,

die in den ersten Dezemberwochen und ersten Januarwochen

dann an Corona erkrankt sind und dann auch daran gestorben sind.

Also ich bin in der Zeit viel gereist, bin auch übers Land gereist.

Und da sieht man dann chinesische Bauern traditionell

beerdigen ihre Toten auf den Feldern.

Und wenn man dann übers chinesische Land fuhr,

sah man frische Gräber, eigentlich alle 200, 300, 400 Meter

in frisches Grab.

Es muss eine hohe Übersterblichkeit in diesem Winter in China gegeben haben.

Wenn wir Christoph Gießen ein bisschen genauer auf ihren Job,

den Sie von Peking aus machen, gucken,

sind die Arbeitsbedingungen in China in irgendeiner Art und Weise,

in irgendeiner Form mit den Arbeitsbedingungen in Deutschland

vergleichbar für Journalisten?

Nein. Nein.

Also es gibt eigentlich täglich Situationen,

in denen man merkt, dass man an die Grenzen stößt in diesem Beruf.

Zum Beispiel?

Nehmen wir uns eine kleine Recherche,

die ich im April für den Spiegel gemacht habe.

Da ging es darum, dass wir einen Report geschrieben haben

zum Thema seltene Erden.

Das heißt also, Korrespondenten auf der gesamten Welt

sind losgeflogen und haben dazu recherchiert in Südamerika,

in Europa, in den USA und natürlich auch in China.

Das ist der größte Produzent dieser seltenen Erden.

Und ich wollte eigentlich die größte Mine für seltene Erden besuchen.

Wir haben natürlich sofort abgesagt und habe gesagt,

gut, dann gucke ich mir halt diesen Minenort einfach an.

Ich fahre dahin und laufe einfach durch die Straßen.

Und selbst das war nicht möglich.

Das heißt also, ich bin kurz nach meiner Landung

von der Staatssicherheit verfolgt worden.

Erst waren es drei dunkle Limousinen mit getönten Scheiben.

Irgendwann waren es dann fünf.

Und zehn Kilometer vor der Mine

war dann plötzlich auf der Autobahn eine Straßensperre.

Und wirklich alle Autos wurden zurückgeschickt.

Dann habe ich da gesehen, es gibt noch eine andere Anfahrt

zur Mine, einen Umweg von mehreren Stunden.

Und gesagt, versuchen wir es.

Und als ich dann da ankam, war dann da die nächste Straßensperre

wieder zehn Kilometer vor dem Ziel.

Dann wurde ich wieder zurückgeschickt.

Das heißt also, der Aufwand mit dem gerade Recherchen

unterbunden werden, der ist enorm.

Und was gerade in den letzten Jahren hat sich verstärkt,

das ist auch die Pandemie natürlich ein wahnsinniger Katalysator

für gewesen, viele Leute haben inzwischen Angst,

mit westlichen Journalisten zu sprechen.

Das heißt also, wenn ich in Deutschland

vielleicht zwei, drei Telefonate machen muss,

um einen Experten zu finden, der mit mir reden möchte,

dann sind es in China eher 15 oder 20 Telefonate.

Und von den 20 Leuten, die ich anrufe, sagen 19 sofort nein.

Und der 20 sagt vielleicht, okay, ich rede mit dir,

aber bitte nennen meinen Namen nicht.

Christoph Gießen, apropos Angst, es hat sich jetzt das Massaker

auf dem Platz des himmlischen Friedens,

ich glaube, zum 34. Mal Ende Mai gejährt.

Hat es darüber irgendeine Form der Berichterstattung gegeben?

Haben Sie versucht, mit irgendjemandem,

der damals dabei war, ins Gespräch zu kommen?

Also Berichterstattung zu diesem Thema

gibt es praktisch nicht in China.

Es gibt eine Art kollektiver Amnesie,

die die Führung dem Land verordnet hat.

Und das erschreckende ist, sie funktioniert sehr, sehr gut.

Das heißt, wenn Sie heute an eine chinesische Universität gehen

und die Studenten fragen, was dann am 4. Juni 1989 passiert ist,

werden Sie in eine rätselnde Gesichter schauen.

Die Kinder und Studenten und Schüler wissen es wirklich nicht.

Und Sie wissen es deshalb auch nicht,

weil es in den Schulen nicht gelehrt wird,

weil es in den Universitäten nicht gelehrt wird,

sondern auch, weil es nicht in der Familie als Thema besprochen wird.

Das heißt also, es wird einfach nur totgeschwiegen,

diese ganze Sache.

Und wenn es dann Hinweise und auch nur irgendwelche Sachen gibt,

die daran erinnern, dann wird das eigentlich in Windeseile wegzensiert.

Also am 4. Juni einfach nur das Symbol einer Kerze zum Beispiel

im chinesischen Internet posten wollte,

wird einem dem Tag nicht gelingen, weil es nicht möglich war.

Die deutsche Botschaft in Peking hat Folgendes gemacht,

die haben so eine Videowand am Haupttor und haben dann nur

eine Kerze draufprojiziert mit der Folge,

dass just an dem Tag ein großer Reisebus diese Videowand verstellte

und plötzlich davor parkte.

Das sind also so Sachen.

Oder wenn Sie das Wort 4. Juni zum Beispiel hätten schreiben wollen,

dann wäre das auch nicht möglich gewesen.

Die chinesischen Dissidenten haben sich da andere Wege überlegt.

Das spricht dann nicht mehr vom 4. Juni,

sondern zum Beispiel vom 35. Mai als Analogie.

Aber auch das wird inzwischen eigentlich alles zensiert.

Also es ist so gut wie nicht möglich, da irgendwie dran zu gedenken.

Sie haben ja das richtige Datum genannt, 4. Juni.

Ich habe das irrtümlich vordatiert auf Ende Mai,

nachdem Sie uns jetzt so eindringlich geschildert haben,

wie intensiv und wie liebevoll chinesische Behörden

die Berichterstattung ausländischer Journalisten begleiten,

können wir davon ausgehen,

dass die sich auch in irgendeiner Form für unseren Podcast,

den wir jetzt aufzeichnen, interessieren,

oder ist das unterhalb der Wahrnehmungsschwelle?

Das weiß ich nicht.

Also die sind schon sehr rege im Verfolgen dessen,

was westliche Journalisten tun.

Also einmal im Jahr findet ein Gespräch zur Verlängerung des Visums statt.

Und da gibt es durchaus Situationen,

dass dann einem ein chinesische Beamter gegenüber sitzt

und sagt, Sie haben im letzten Jahr 153 Texte geschrieben.

Warum haben Sie sich so häufig mit der chinesischen Verschuldung beschäftigt?

Ist doch kein Problem oder so was.

Da wird schon sehr genau irgendwie Buch geführt über das,

was man hier macht.

Ja, es gibt eine Begleitung, aber diese Begleitung gibt es

beim chinesischen Sicherheitsapparat,

auch vor allem aus dem Grund, weil man natürlich weiß,

dass man das, was man bei chinesischen Journalisten macht,

nämlich eine Vorzensur,

in dem also das Produkt noch mal vorgelegt wird.

Der Chefredakteur, ein Mitglied der kommunistischen Partei ist

und genau weiß, was erscheinen darf und was nicht erscheinen darf.

Das kann natürlich bei uns westlichen Journalisten,

deutschen Journalisten nicht gemacht werden.

Das heißt also, alles, was wir irgendwann mal recherchiert haben,

was wir dokumentiert haben, davon es auszugehen,

dass wir das senden werden.

Und deshalb setzt also quasi die Behinderung einen Schritt vorher an.

Das heißt also, unsere Quellen, unsere Gesprächspartner

werden unter Druck gesetzt und eben, wie ich das ausgeführt habe,

mit dem Besuch an der seltenen Erdenmine,

da wird dann halt versucht, auch das irgendwie zu unterbinden.

Schwierige Arbeitsbedingungen nicht zu vergleichen

mit dem, was wir in Deutschland haben.

Menschenrechte in China beispielsweise,

großes Thema auch für die deutsche Außenpolitik.

Wie ist es für Sie als Journalist,

wenn Sie sagen wir mal für den Spiegel,

was recherchieren sollen über die Lebenssituation der Uiguren?

Das habe ich mehrfach gemacht.

Also, ich bin häufig nach Xinjiang,

das ist diese Region gereist.

Und im vergangenen Jahr haben wir die Xinjiang-Polize-Falls veröffentlicht.

Dokumente aus dem Apparat, die zeigen,

wie willkürlich und brutal das Regime vorgeht,

wie Leute abgeurteilt werden und für Jahre,

manchmal sogar Jahrzehnte im Gefängnis verschwinden.

Nur weil sie mal gebetet haben

oder nur weil sie einen VPN-Dienst auf dem Handy genutzt haben.

Oder einer der brutalsten Fälle, die ich damals in den Akten gefunden habe.

Das war ein 18-jähriger Mann,

der sehr, sehr viele Jahre im Gefängnis dafür gelandet ist,

dass er zwei Wochen in einem Fitnesscenter verbracht hat.

Das war dann, wurde ihm ausgelegt,

dass er ja da terroristische Handlungen vorbereitet habe.

Nämlich, weil er irgendwie seine Muskeln gestellt hat.

Also, völlig willkürliches System.

Aber klar, wie recherchiert man also?

Die Gefahr ist natürlich, wenn man hinfährt,

muss man, oder die, übrigens Gefahr ist das falsche Wort.

Man muss sich immer wieder darauf besinnen,

dass man die Leute, mit denen man spricht, nicht in Gefahr bringt.

Das heißt also, lieber auf ein Interview verzichten,

weil man davon ausgehen kann, dass man rund um die Uhr überwacht wird.

Und dass es für die Leute, mit denen man vor Ort spricht,

sehr, sehr gefährlich ist.

Ja, das heißt also, das macht das schon herausfordernd.

Dort dann direkt vor Ort zu recherchieren.

Und deshalb, wenn man irgendwelche Unterlagen hat,

sie ich hin, policefalls oder aber Leute auch dann im Ausland treffen kann,

für die das dann keine allzu große Gefahr ist,

dann versucht man das auch damit,

also auf mehreren Wegen sowas zu recherchieren.

Äh, aber sagen Sie, Christoph Gießen,

warum ist diese Minderheit der Uiguren

für die chinesische Staats- und Parteiführung so gefährlich,

dass die mit solch brutalen Mitteln und Methoden malträtiert wird?

Naja, was da passiert ist,

dass da ein Polizeistaat auf Steroiden errichtet worden ist.

Und wie solche Polizeistaaten nun mal sind,

beschäftigen die sich irgendwann mit sich selbst

und geraten vollkommen außer Kontrolle.

Das heißt also, es wird irgendwann aus Peking angeordnet,

wir müssen gegen diese Uiguren vorgehen,

die sind ja alle Terroristen,

und dann geht dieser Polizeistaat mit einer brachialen Härte dagegen vor.

Woher kommt das?

Nun, wir haben diese Uiguren

und die sind auf dem Papier chinesische Staatsbürger.

Nur, die tragen andere Namen als die meisten Chinesen,

die heißen also Ali, Mohamed, Mehmet,

also sehr türkisch klingende Namen.

Und für die ist es sehr häufig, sehr, sehr schwierig,

irgendwelche attraktiven Berufe ausüben zu können in China,

zu partizipieren an dem Wirtschaftswachstum, was China hat.

Und da gibt es halt sehr, sehr viel Frustration, soziale Spannungen,

und die haben sich auch in der Vergangenheit entladen.

2019 gab es große Ausschreitungen

und mit mehreren Hundert Toten in Inurumchi,

der Hauptstadt Chindyangs,

und dann kam es auch später zu terroristischen Akten,

das muss man sagen.

Also in Kunming wurden an dem Bahnhof Menschen getötet

von uigurischen Männern.

Und daraus leitete die Führung in Peking halt ab,

dass das alles Terroristen seien

und nahmen halt eine ganze Volksgruppe in Geiselhaft,

ohne aber die sozialen Gründe,

die das eigentlich ausgelöst haben, irgendwie zu bekämpfen.

Kurze Blick noch auf Hongkong.

Gibt es eigentlich die Studentenproteste noch

oder herrscht da inzwischen die große Friedhofsruhe?

Friedhofsruhe, ja.

Also der Hintergrund ist der, was das wirklich brutal eingedämmt hat,

waren zwei Sachen.

Erst Corona soll heißen,

Demonstrationen konnten aus solchen Schutzgründen

gar nicht in dem Maße stattfinden.

Aber 2020 wurde dann im Sommer

ein nationales Sicherheitsgesetz in Hongkong erlassen,

das eigentlich sämtliche Proteste verunmöglicht.

Also man kann quasi jeden zu jeder Zeit,

dass es sehr schwammig formuliert,

inzwischen Hintergitter stecken in Hongkong.

Und das hat diese Bewegung, muss man sagen, zerstört,

aber auch damit Hongkong zu einer ganz anderen Stadt werden lassen.

Also das Schlagwort, was ja immer im Raum ist,

stand war ein Land, zwei Systeme.

Und wir haben eigentlich ein Land und vielleicht anderthalb Systeme,

eher ein einviertel System.

Also Hongkong ist keine demokratische Stadt mehr.

Ich würde gern, wenn Sie einverstanden sind,

Schluss unseres Gespräch ist noch

den berühmten und gleichermaßen schwierigen Blick

in die Zukunft wagen.

Wie sehen Sie die Auseinandersetzung

zwischen der Volksrepublik China und Taiwan?

Was wird da in den nächsten Wochen, Monaten

oder sagen wir mal bis zum Jahresende passieren?

Ja, der Blick in die Glaskugel.

Also die Situation ist angespannt,

vor allem im chinesisch-amerikanischen Verhältnis.

Also man redet eigentlich so gut wie nicht mehr

zwischen Washington und Peking.

Und offenkundig gibt es auch keine richtige Kommunikation,

kein Kanal mehr, auch zwischen den Militärs.

Und das macht die Sache momentan sehr, sehr gefährlich.

Es gibt Provokationen, gerade vor einiger Zeit,

ist ein chinesisches Militärboot vor einem amerikanischen Zerstörer

ganz knapp vorbeigefahren, bis auf eine Distanz von irgendwie

150, 200 Metern.

Und da ist die Frage, was passiert, wenn es damals zum Unfall kommt,

welche Kettenreaktion kann dadurch ausgelöst werden?

Wobei, was die Kommunikation angeht,

ganz kurz und knapp vor unserer Aufzeichnung kam die Meldung,

dass der amerikanische Außenminister Blinken

jetzt offenkundig in der kommenden Woche nach Peking fahren wird.

Ein Besuch, der verschoben wurde aus den bekannten Gruppen.

Das war der Ballon inzwischen Fall, der diese Reise hat platzen lassen.

Im wahrsten Sinne des Wortes.

Ist das ein Indiz dafür, dass letztlich beide Seiten

Washington wie Peking nicht daran interessiert sind,

dass sich die Geschichte weiter verschlechtert und verschlimmert?

Also, als so viel schlechter darf es gar nicht werden mehr

in den chinesischen amerikanischen Beziehungen,

also von Eisig zu sprechen, ist, glaube ich, relativ zutreffend.

Was wir beobachten können, ist, dass eigentlich beide Seiten

sich auf einen neuen, kalten Krieg vorbereitet haben

oder sich vorbereiten und beide davon ausgehen,

dass die andere Seite ihn unbedingt will.

Und meiner Ansicht nach haben wir so was fast schon

wie den Point-of-No-Return-of-Beiden-Seiten überschritten.

Das heißt also, die Chinesen gehen davon aus,

dass die Amerikaner einen Konflikt wollen

und die Amerikaner gehen davon aus,

dass die Chinesen sich auf einen Konflikt vorbereiten

und das jetzt zu deeskalieren, da abzurüsten,

vor allem vor dem Hintergrund, dass wir relativ Zeiten

auch noch Wahlen in den USA haben.

Das wird schon eine sehr, sehr große Aufgabe,

weil so Zerstritten, die beiden Lager,

die beiden Parteien in den USA sind,

die Demokraten und Republikaner, auf eine Sache,

können sie sich dieser Tage relativ gut einigen.

Und das ist, dass man mit China viele Jahre

einfach viel zu lachs umgegangen ist und jetzt Härte zeigen muss.

Und daraus kann sich natürlich, ja,

kann es noch mehr Spannungen geben.

Sehen Sie letzter Punkt irgendwo irgendwelche Indizien dafür,

dass China sich in Sachen Ukraine kriegt,

neu und anders positioniert?

Nein.

Also, ich würde das, was China treibt

und das auch seit Anfang des Krieges

als eine Art pro-russische Neutralität beschreiben.

Das heißt also, man findet Putin, vor allem Xi Jinping selbst,

der Staats- und Parteichiff, findet ihn eigentlich ganz in Ordnung

und möchte ihn auch erhalten.

Was vor allem damit zu tun hat,

dass man halt eine sehr lange Grenze mit Russland teilt

und dass man diesen Konflikt immer durch die Brille

des Konflikts mit den USA sieht.

Und man möchte, wenn es dann tatsächlich irgendwann mal

noch zugespitzt, noch gefährlicher im US-chinesischen Verhältnis wird,

jetzt nicht unbedingt jemanden zum Feind haben,

den man nicht unterstützt hat, den man sich irgendwie

in den Weg gestellt hat.

In der ersten Wahrnehmung, gerade im März 2022,

war es so, dass man in China das als ein Regionalkonflikt abgetan hat,

der irgendwie auch von den USA befeuert ist

und wo man sagte, Mensch, einig doch mal.

Aber jetzt hat man in China zunehmend verstanden,

dass das ein großes Problem ist,

aber man möchte sich nicht gegen Putin stellen.

Weil auch die Angst dahinter ist,

dass natürlich Unsicherheit dadurch entsteht,

wenn es zu irgendwie einem Machtvaku

auf russischer Seite kommen sollte, wenn Putin der einst mal weg ist.

Und diese Unsicherheit, diese Instabilität direkt an der Grenze,

das möchte man unbedingt vermeiden.

Man kann mit Putin umgehen, glauben die Chinesen,

und deshalb soll er da bleiben, wo er ist.

Vielen Dank für das Gespräch und alles Gute für Sie und für Ihre Arbeit.

Gerne.

Heimspiel.

Apokalypse und Filtercafé ist eine Studio-Bummens-Produktion

mit freundlicher Unterstützung der Florida Entertainment.

Redaktion Wolfgang Heim.

Executive Producer Tobias Bauckage.

Produktion Hannah Marahil.

Ton und Schnitt Mia Becker.

Machine-generated transcript that may contain inaccuracies.

Christoph Giesen ist Spiegel-Korrespondent in Peking und berichtete zuvor sechs Jahre für die Süddeutsche Zeitung aus China. In dieser Zeit arbeitete er an den Enthüllungen rund um die Offshore-, Lux- und Swiss-Leaks sowie an den Panama Papers mit. Zudem ist er der Koautor des Buches “Die Jagd auf das chinesische Phantom” und einer gleichnamigen Fernsehdokumentation über den mutmaßlich gefährlichsten Waffenhändler der Welt - Li Fangwei alias Karl Lee.

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