Verbrechen: Große Verbrecher, Teil 2: Despot im Operettengewand

ZEIT ONLINE ZEIT ONLINE 5/2/23 - Episode Page - 47m - PDF Transcript

Liebe Zuhörerinnen, liebe Zuhörer, herzlich willkommen zu einer neuen Folge unseres Podcasts

Zeit Verbrechen.

Das ist Sabine Folge 2, die wir vielleicht unter den Titeln große Verbrecher stellen

können.

Ja, guter, guter Titel.

Denn wir haben zu Gast Erich Vollard, der sie alle kennengelernt hat, er hat mich sehr

da zahlen zu dürfen, unter oft sehr besonderen Umständen und in dieser Folge begegnen wir

einem Mann, den ich immer schlecht gelaunt in Erinnerung habe, wenn ich Bilder von ihm

sehe.

Mit heruntergezogenen Mundwinkeln, mit einem finsteren Blick.

Aber gut aussehend.

Sagst du?

Ja, sag ich.

Ein richtiger Gut ausseher, am Schluss dann nicht mehr so, weil als er dann ältlich

wurde, hat er dann nicht mehr gut ausgesehen, hat er dann so dicke Backen gekriegt und

so.

Aber wer von uns sieht dem Alter gut aus, aber als er jung war, sah er richtig gut aus.

Umgeben von vielen Frauen, denn er bestraute den Männern und darum hatte dieser mächtige

Mann eine Leibgarde, eine Amazonengarde, aus lauter Frauen um sich herum und jetzt

können wir das Geheimnis lüften, Muammar Al-Gaddafi über irgendwann besprechen.

Gewaltherrscher in Nordafrika.

Ein Mann, der wahnsinnig lange an der Macht ist.

Man kann sagen von 1969 bis zu seinem Tod 2011.

Ist gestern glaube ich 42 Jahre dran.

Unfassbar.

Aber du hast auch sehr lange gebraucht, um an ihn heran zu kommen.

Erzähl uns die Geschichte dieser Begegnung.

Ja, Gaddafi ist kein ganz leichter Interviewpartner, wenn man ihn mal hat, aber auch um an ihn

heran zu kommen, ist es nicht so ganz einfach.

Er hatte viele, viele Interviewanfragen von Europäischen, großen Zeitschriften und Zeitungen.

Manchmal hat er Leute eingeladen, warten lassen und sie wieder nach Hause geschickt.

Manche hat er gar nicht irgendwie wahrgenommen und dann hat er ein oder zwei Interviews gegeben,

sodass ich irgendwie Hoffnung hatte, es könnte mal funktionieren.

1990, schließlich, bekommst du eine Einladung nach Libyen und bist dann wohin geflogen?

Nach Tripoli.

Nach Tripoli ist es die Hauptstadt.

Das ist die Hauptstadt und Libyen war damals No-Go-Area, also man kam weder als Tourist

schon gleich gar nicht, aber auch als Journalist, nicht rein ohne besondere Beziehungen bzw.

ohne eine Einladung, ohne die Botschaft, die sich dann plötzlich bereit erklärt hat,

das in die Wege zu leiten.

Und ich bekam ein Sieben Tagesvisum, was natürlich mir irgendwie sagte, innerhalb der Sieben

Tage muss es auch funktionieren und ich habe die ersten Tage unter den Fünften und den

Sechsten Tag Blut und Wasser geschwitzt und die Ankündigung war, es kann jederzeit passieren,

Tag und Nacht.

Da fiel als Nachtmensch, war sowieso verdächtig, dass er einen irgendwie um 3 Uhr morgens

rausfohlt.

Aber es war dadurch natürlich auch ein Hotelaufenthalt, der mich gezwungen hat zwischen der Bar,

die es nicht gab und dem Coffee Shop und dem Restaurant hin und her zu pendeln und einfach

drauf zu warten, wann kommt der Anruf und dem Zimmer vor allem.

Aber du bist jeden Tag angerufen worden, ne?

Ja, aber eben immer vertröstet worden und das waren ja leider noch nicht die Handyzeiten,

man konnte wirklich nicht weg und musste in dem Hotel sich aufhalten und darauf auf...

Also im Prinzip musst du es zu denen im Telefon setzen?

Ja, ja.

Mehr oder weniger.

Also wie gesagt, zumindest im Hotel, da habe ich alle schon so Kirche gemacht, dass sie

mich ausgerufen hätten, aber es war so, man kam nicht weg.

Das Hotel Al-Kabir, wie war es denn da?

Ist das so ein angenehmes Haus oder?

Ja, er ist der Haus am Platz, viele arabischen Gäste, keine Westler, manche etwas dubiose

Figuren, die möglichen Waffenhändler oder sonst irgendwas waren, aber kein Publikum

mir müsste normalerweise in einem großen internationalen Hotel vorfinden würde.

Ich bin übrigens dann doch eines Tages, habe ich mich eine Stunde wegbegeben, weil ich

die Ruinen sehen wollte außerhalb von Tripolizeut, das geht eigentlich nicht, dass man in einer

Stadt ist und dann wieder weggeschickt wird, ohne irgendwas gesehen zu haben.

Buchstäblich bis zum siebten Tag, bis in die Nacht hinein habe ich warten müssen.

Aber du hattest jetzt keinen Ausgangsverbot oder so, du warst einfach an dieses Telefon

gefesselt.

Es wäre irgendwie sehr unangenehm gewesen, er hätte mich irgendwie aufrufen lassen und

ich wäre gerade in diese Stunde oder in diesem halben Tag nicht zur Verfügung gestanden.

Mit Ruinen meinst du die römischen Ruinen, also jetzt nicht irgendwelche Kriegsruinen,

wie wir es heute besichtigen können in Libyen, sondern eben antike Städten und ich finde

es auch interessant, das warten lassen.

Es ist ja eine zutiefst lächerliche Maßnahme, dass man andere Leute, wir haben es ja jetzt

auch Erdogan, lässt Putin warten, die ganze Welt sagt, schau mal, der muss warten und

Putin lässt andere warten und jeder lässt jeden warten, um sich wichtig zu machen, um

sich wichtig zu fühlen, um den großen Trommelwirbel für den eigenen Auftritt, aber es ist doch

zutiefst lächerlich letztlich.

Es ist irgendwie eine sehr merkwürdige Art des Machtmissbrauchs oder Machtgebrauchs.

Ich fress dir deine Zeit weg, heißt das?

Ja, zu zeigen, dass man sich das leisten kann, mal für meinen 40 Minuten hat Putin ja auch

gemacht oder andere, dass man auch andere Staatslenker sozusagen eine Stufe hinunter setzt,

indem er sich einfach warten lässt.

Während man selber so stelle ich mir das dann immer vor, hinter der Tür sitzt und Däumchen

dreht und sich überlegt, wie selber wartet und überlegt, wann lasse ich ihn jetzt rein?

Man wartet die eigene Wichtigkeit ab.

Du warst, lass uns ein paar Jahre zurückspringen, so beginnt nämlich deine Geschichte.

Im Jahr 1976 im Land unterwegs und hast mit jemandem gesprochen, der nicht gefunden

werden wollte.

Es war sozusagen mein erstes Erlebnis mit lübischen Verhältnissen und das war in Ägypten nicht

in Libyen selbst.

Ja.

Es gab da einen Hinweis darauf, dass man Interviews oder dass ich ein Interview machen konnte mit

einem lübischen Exilanten, Dissidenten.

Ich bin dann hingefahren nach Cairo und wurde dann von Ägypten betreut, die mich in eine

Art Safehouse geführt haben, wo dieser Mensch lebte und der ägyptische Aufsicht.

Omar al-Mahashi.

So hieß er.

Und er war Planungsminister bei Gaddafi gewesen, viele Jahre lang und einer der Mitrevolutionäre.

Einer in dieser jungen Truppe, der 20 bis 30 jährigen, die damals in König gestürzt

hatten.

Dieser Omar al-Mahashi, fand ich, war eine sehr merkwürdige Gestalt.

Er wirkte sehr ängstlich auf mich, er hat kaum Formulierung gefunden.

Er hat immer nur gesagt, entweder erwischt er mich oder ich erwisch ihn.

Er erzählte dann, dass er mit Gaddafi sich auseinander gesetzt hätte und ihm gesagt

es ging es so in Libyen nicht weiter, was auch schon ein sehr kühnes Konzept war, wenn

es ihn so gestimmt hat.

Jedenfalls er hat angedeutet, er hätte einen Putsch gegen Gaddafi versucht und hätte dann

aus dem Land fliehen müssen.

Und seine Grundaussage war er oder ich und es war eigentlich relativ klar, er konnte

sich ja nicht durchsetzen da im Exil und er hat mir dann ein Jahr später nach diesem

kurzen, fast nicht sagenen Interview, hat er mir eine Post geschickt oder zukommen lassen,

wo er gesagt hätte, er hätte seine Widerstandsgruppe gegründet und er würde davon ausgehen, dass

er irgendwann Libyen dann übernehmen würde.

Ich habe es nicht geglaubt, es ist auch nicht so gekommen.

Was aber richtig war, ist, dass er gefährdet war und zwar sehr stark sein Leben und zwar

durch Gaddafi, der hat ihn nämlich über einen maukanischen Geheimdienst entführen lassen

aus Ägypten, als die Ägypter mal nicht mehr so aufgepasst haben, hat ihn seine Hauptstadt

gebracht, hat ihn foltern lassen und ihn totbrögen lassen und hat im Nebenraum, so

hieß es später jedenfalls, zugesehen oder zugehört, was seinem Konkurrenten und Putschisten

da passiert ist.

Warum wollte er putzen?

Ich glaube, es ging einfach um Macht und es ging darum, dass Gaddafi sich innerhalb seines

Kabinetts auch nicht sehr kooperativ gezeigt hat, sondern immer mehr Macht an sich gerissen

hatte und seinen Ministerien verordnet hat, was sie zu tun haben und keinen eigenen Etat.

Letztlich denke ich, war es eine Ego-Geschichte über, wer ist der Bessere, der Libyen regieren

kann.

Ich denke, die ist ziemlich klar für Gaddafi ausgegangen.

Du hast schon angedeutet, als junge Männer arbeiten die zwei eng zusammen, denn es geht

darum, die Verhältnisse in Libyen zu ändern.

Wir müssen jetzt, glaube ich, für allem etwas über dieses Land erzählen.

Wie sieht es da aus in Libyen und wie kam Gaddafi aus dem Nichts?

Er war ja irgendwie Sohn eines Ziegenhirten, der nicht mal lesen konnte.

Wie kam der aus dem Nichts an die Spitze dieses Staates?

Genau, das ist die erstaunliche Geschichte.

Als er erst mal Libyen ist, wie drückte es ein westlicher Diplomat so freundlich aus,

es ist eine große Büchse-Sand.

Und diese großen Büchse-Sand gibt es, das kam allerdings erst später dann auf und da

hatte Gaddafi unheimlich das Glück dabei.

Es gab große, enorm große Erdölfunde und Erdgas, sodass dieses Land dann später reich wurde.

Aber das war doch nicht zu dieser Zeit.

Er war ein Sohn der Wüste, Gaddafi, aufgewachsen, sehr ärmlich in Verhältnissen,

konnte kaum zur Schule gehen.

In Bedouinsohn.

In Bedouinsohn.

Sein Vater, wie du schon sagtest, war analphabet.

Er hat sich dann hochgearbeitet, war ein gutes Schüler, nichts Dramatisches.

Aber er hat sich dann dafür entschieden, auch eine Militärlaufbahn.

Wie kommt man als junger Mann aus diesem kleinen Ordnamensirte?

Das war für ihn schon die Großstadt in der Nähe.

Er kam ja aus dem Bedouinen-Dorf.

Wie kommt man da an eine Karriere?

Und er hat dann gesehen, dass dieses Land, sein Land, Libyen besetzt war, italienisch besetzt war,

dass die Italiener oder die Westmächte ein König eingesetzt hatten, der dieses Land

diktatorisch und sehr inkompetent regiert hat.

Und er war, glaube ich, 15 oder 16, als er sich zum ersten Mal gesagt hat,

wir müssen einen Putsch machen, einen Militärputsch machen, wie jungen Leute.

Dann kam er in die Militärakademie, war Mitte 20, Ende 20 war

keinesfalls der große karismatische Führer, aber er war in einem richtigen Moment

am richtigen Platz.

Von welchem Jahr reden wir denn jetzt?

Geboren ist er 42, also 1942.

Wie reden wir jetzt von 1960?

Ein bisschen später.

Er studiert zunächst mal, er fängt an zu studieren, studiert Geschichte

und Rechtswissenschaften in Benghazi.

Das ist die zweitgrößte Stadt.

Bricht das Studium aber relativ rasch ab, weil er sieht, wie du gerade schon gesagt hast,

mehr Chancen in einer militärischen Laufbahn und in der Militärakademie.

Und dann gründet er einen Bundfreier Offiziere, das ist 1966.

Ist das der Anfang von allem?

Ja, das ist der Anfang von allem und es ging dann auch relativ schnell.

Ich glaube, im nächsten Jahr haben sie dann geputscht.

Da ist er 26 Jahre alt, also so alt wie eine Tochter.

Er ist ein junger Mann, er ist ehrgeizig.

Er sieht auch keine großen Hindernisse.

Der König war, glaube ich, gerade sogar im Auswand.

Es war keine Machtstruktur, die man jetzt wegfähigen musste,

sondern es fiel ihm so faszinierend Schoß und seinen Offizierskameraden.

War Lübjen damals italienische Kolonie?

Ja, de facto immer noch, aber es war ein König, der eingesetzt.

König Idris, der am 1. September 1969 stürzt,

während er nicht im Land ist, ein unblutiger Putsch.

Ja, also insofern kann man nur sagen,

es war nicht so, dass es besonders schlimm war, was da passiert ist für Lübjen,

sondern eher jedenfalls am Anfang eine Hoffnung.

Aber was bringt diesen Gaddafi, der ja in diesem Bundfreier Offiziere,

einer von mehreren ist?

Was bringt den an die Spitze?

Ist er von Anfang an der Wortführer?

Sind das seine Ideen?

Ist es sein Antrieb? Was bringt den an die Führung?

Vielleicht seine Persönlichkeit, aber er ist derjenige,

der am 1. einen Konzept entwickelt, der darüber nachdenkt,

wie es da weitergehen soll und dem es gelingt,

um sich herum so eine Art Aura zu schaffen.

Er hat offensichtlich so viel Persönlichkeit gezeigt,

dass die anderen nicht anders konnten, als ihm zu folgen.

Ich glaube nicht, dass er der große Denker war, hat sich ja später auch

herausgestellt mit seinem grünen Buch, seiner ganzen Konzeption des Regierens.

Das war eigentlich mehr oder weniger dürftig, lachhaft.

Über das kleine Buch reden wir noch, dem Buch begegnest du ja auf besonderer Art und Weise.

Lass uns doch einmal kurz in dieser Zeit bleiben, was jetzt passiert,

ist quasi ein Umbau Lübjens.

Nämlich, da gibt es dieses Königreich im Hintergrund die Italiener

und jetzt versucht Gaddafi, das in einen sozialistischen Staat umzubauen.

Ja, und zwar in einem sozialistischen Staat, der praktisch von Räten regiert wird,

von Menschen. Also seine Idee war, dass das Volk sich selbst regiert.

Nun war er nicht so blau euch, dass er gedacht hat,

dass das kann man sofort im nächsten Tag durchsetzen,

sondern er hat das in verschiedenen Stufen haben wollen.

Aber seine Idee war und das hat er auch mir gesagt, ich regiere dieses Land ja nicht selber.

Ich bin nur jetzt an dieser Spitze.

Im Grunde regiert sich das Volk selbst.

Klingt wahnsinnig urdemokratisch.

Ja, merkwürdig, dass es dann in eine Gewaltherrschaft mündet.

Er hat sich als Urdemokrat gefühlt, aber er hat sich auch missverstanden gefühlt.

Er hat immer gedacht, das Volk zieht nicht so richtig mit, was stimmte.

Vor allem, als dann die großen Erdölvorkommen war.

Das war zwar ein Geschenk für Gaddafi, weil er dem Volk jetzt alles zurückgeben kann.

Stabilisiert Herrschaft.

Ja, natürlich. Er hatte wahnsinnig viel Geld.

Wie kann man ja in Saudi-Arabien heute ...

Ein Rentensystem hat er da aufgebaut.

Gesundheitsfürsorge war umsonst ...

Diese ganze Wolfsstaaten leben ja davor.

... war umsonst.

Man hat ja immer drunter gelitten, wie wenig Lübeer es gibt.

Das waren, glaube ich, 4 Millionen damals.

Auf diesem riesigen Gebiet, 4 Millionen.

Das ist 2 Prozent der arabischen Welt und, glaube ich, ein Promillebereich der islamischen Welt.

Und er hat immer gedacht, dieses Land ist zu klein,

bzw. dieses Volk ist zu klein für ihn.

Also ein Land ohne Volk.

Dieser Umbau schreitet jetzt so ein melchfort.

Es gibt so Islamisierungskampagnen auf der anderen Seite.

Also die Religion soll wieder eine größere Rolle spielen.

Auch das ist wahrscheinlich eher so machtstabilisierend gedacht, oder?

Er hat nämlich darauf geachtet, dass kein islamischer Geistlicher oder Führer

auch nur in die Nähe der Macht kam.

Die hatte zum Teil umbringen lassen, zum Teil ins Ausland gebracht,

zum Teil ins Gefängnis geworfen.

Gleichzeitig hatte er pro Form eine Islamisierung.

Islam ist das, was die Welt zusammenhält.

Islam ist die Religion der Zukunft.

Überhaupt bin ich als Führer dieses Landes ein Teil des Islams,

ein Teil der Grünen Revolution, ein Teil der arabischen Welt.

Und wir müssen von uns aus hier die Welt erobern.

Das war tatsächlich seine Fantasie.

Er hat ja auch die Grenzbefestigungen zu Tunis springen lassen,

um sein Land zu vergrößern und um das Volk zu vergrößern.

Oder er wollte ja eine arabische Welt.

Ja, nicht nur, so ist natürlich eine Arabische Möglichkeit.

Alle arabischen Staaten, Eingemeinden, mit Ägypten hat er es versucht,

mit Tunesien hat er es versucht, mit Marokko hat er es versucht.

Aber niemand wollte was von ihnen.

Niemand wollte es so richtig, weil er galt damals schon

als exzentrisch im Bestfall, als nicht berechenbar.

Es gab kein Anlass für die Ägypten zu sagen,

wir wollen jetzt unter die Herrschaft Gaddafi's.

Das hat ihn sehr gekränkt.

Er glaubt, dass er derjenige sein könnte, der das alles zusammenhält.

Alexander der Große von Tripolis.

Ja, ein bisschen so.

Und er hat das aber ganz formal auch weitergetrieben.

Er ist durch Afrika gefahren und hat versucht,

Länder nicht nur zu bestechen, sondern was es ihnen einzukaufen

für seine Politik und letztlich eben doch das Reich zu vergrößern.

Bisschen zu dieser absurden Art, seine Grenzfestigung einzureißen.

Es gibt so zwei öffentliche Bilder von Gaddafi.

Also zwei Erscheinungsformen würde ich das mal nennen.

Es gibt diesen Gaddafi in einer Uniform,

die man eigentlich nur eine Fantasie-Uniform nennen kann.

Operetten-Uniform.

So mit Orden behängt und beträsst und vergoldet ist dieses Ding.

Also eine fast an Lächerlichkeit,

grenzende Erscheinung militärischer Macht.

Das ist die eine Seite.

Und dann gibt es diesen Gaddafi in Bedouin gewandt.

Und der hat ja nicht auch Zelte aufstellen lassen in New York oder in München oder so.

Jetzt kommen wir zu Gaddafi, dem Exzentriker.

Wir müssen noch mal zu dem Politiker, der die Welt ja mit Terror durchaus auch überzogen hat.

Aber der Exzentriker ist natürlich das, was uns fasziniert hat.

Also uns alle fasziniert hat.

Da kam einer aus der Wüste, hat sich als Sohn der Wüste bezeichnet,

aber auch suggeriert, ist nach Belgrade zu einer Tragung der neutralen Länder gefahren mit Kamelen,

mit seinem Zelt.

Das hat er aufgebaut.

Er hat seine Kamel und Zelt tatsächlich auch nach Paris einmal zum Staatsbesuch mitgebracht.

Ich erinnere mich auch daran,

da hat er auch diese langen, wunderschönen Gewände.

Ja, das war seine Welt.

Es war seine Nomadenwelt, seine reine Welt.

Das darf man sich auch nicht zu sehr drüber lustig machen.

Es hatte natürlich was für sich.

Er kam aus dieser Reinheit und hat immer auch versucht,

diese Korruption in dem Sinne war nicht seine Sache,

sondern diese Reinheit der Wüste, diese Gedanken so zu übertragen auf den Staat und auf die Welt am liebsten.

Meine Kraft kommt aus der Wüste, hat er doch so gesagt.

Und dann hat er auch ganz merkwürdig exzentrische Sachen.

Einmal ging er zu Arabischen Liga, wo er keinem die Hand geben wollte.

Und dann tauchte er auf mit einem weißen Handschuh wie Michael Jackson

und hat damit nur alle den Hand geschüttelt, weil er gefürchtet hat,

dass irgendwelche Viren auf ihn übertragen werden.

Juden hat er grundsätzlich nicht die Hand gegeben.

So, das war Gaddafi in seiner Welt, eine sehr antisemitische Welt,

eine sehr islamische, aber vor allem eine sehr arabisch exzentrische Welt.

Wir haben schon gesprochen über Gaddafi, den jungen Revolutionär.

Wir sprechen über Gaddafi, den Exzentriker.

Aber es gibt noch diesen dritten Gaddafi, den Terroristen,

der die Welt in Schrecken versetzt.

So ist es. Gaddafi hat nie ein Held rausgemacht,

dass er Leuten wie Abonnidalen und Carlos eine Heimstätte bietet.

Wer ist das?

Für unsere Hörerinnen und Hörer, wer ist Carlos, wer ist Abonnidak?

Abonnidals ist der brutalsten Palästinenserführer gewesen.

Und Carlos ist einer der Terroristen,

die die Welt mit Terror überzogen haben überall.

Den hat er nicht nur Unterschlupf gewährt, sondern er hat sie auch aufgebaut.

Er hat ihn Lager zur Verfügung gestellt, wo sie sich bewähren und üben.

Ausbrüsten kann. Ausbrüsten kann. Ja, auch andere.

Und dann, das werdet ihr sicher erinnern,

gab es unter anderem in Berlin in der Diskothek Label

einen Anschlag gegen amerikanische Gäste.

Das waren eher uns eine Leute.

Aus seiner Sicht ein Racherakt, oder? Ja, aus seiner Sicht ein Racherakt.

Was war da vorher passiert?

Mit der Rache ist es so eine Geschichte, es gibt immer eine Vorgeschichte.

Und da wurde noch eine Vorgeschichte.

Die Amerikaner haben seine Stellung bombardiert.

Er hat Flugzeugattentate, ja, mehrere durchgeführt.

Pan Am nicht ganz geklärt, war er aber sicher auch beteiligt.

Aber zwischendurch hat er auch ein französisches Verkehrsflugzeug

vom Himmel bomben lassen.

Das waren also brutalste Terroranschläge.

Hat er nicht auch die RAF unterstützt?

Die RAF hatte auch unterstützt.

Das war allerdings nicht ganz zu seinem Lebensmittelpunkt.

Arabische Terroristen, französische, afrikanische Terroristen,

da war er immer dabei.

Und zwar so, dass er in Tripolis bombardieren lassen.

In diesem Angriff ist er selber ganz knapp entkommen.

Ja, seine Tochter ist dabei ums Leben gekommen.

Zum normalen Programm, dass ich dann am 7. Tag danach,

ich kriege da noch einen 8. Tag, dann machen durfte oder musste,

gehört auch die Besichtigung dieser Trümmer.

Da hat er nie was dran gemacht.

Die mussten sich alle...

Die Trümmer seines Palastests, die damals von der Laufmini...

Genau, und das Schlafzimmer seiner Tochter,

das getroffen wurde, wo die ums Leben kam.

Und wo er buchstäblich nur um wenige Meter entfernt sein Leben retten konnte.

Der Bombenanschlag auf die Diskothek Labell in Berlin

ist am 4. April 1986.

In welcher internationalen Situation ist Gaddafi in diesem Moment?

Ist er komplett isoliert?

Gaddafi würde sagen, ich war nie komplett isoliert.

Er hat bei den revolutionären Bewegungen immer einen großen Rückhalt,

weil er das teilweise auch finanziert hat.

Er hat in Afrika auch großen Rückhalt,

weil er natürlich mit Geldern wirklich im wahrsten Sinne des Wortes

um sich werfen konnte.

Mit Ölgeld.

Ja, sie muss sich das so vorstellen.

Wie gesagt, 4 Millionen.

Er hat irrsinnig viel Öl, Erdgas exportieren können.

Und auch dem Westen dadurch großen Gefallen getan,

wenn sie so wollen.

Und mit diesen Geldern konnte er nicht nur ein Rentensystem,

Gesundheitssystem, Ausbildungssystem im Land,

sondern er konnte auch diese Gelder einsetzen

für seine revolutionären Ideen in Schwarzafrika,

in Westafrika, in der arabischen Welt.

Vier Jahre später sitzt du, wir erinnern daran,

im Hotel Al-Kabir und wartest auf den entscheidenden Anruf.

Irgendwann kommt er?

Der kommt.

Und zwar in der Nacht, in meiner geplanten letzten Nacht.

Ich glaube, um neun wäre der Flieger gegangen,

um eins oder um halb zwei hat er sich nachts gemeldet,

beziehungsweise seine Leute sich gemeldet.

Standen auch schon gleich unten, haben mich abgeholt

und mich dann zu seinem Hauptquartier außerhalb der Stadt gefahren.

Das war, ist mir gleich auch gefahren, sehr, sehr gut gesichert.

Ich musste auch durch zwei Sicherheitskontrollen.

Man hatte auch den Eindruck, da gab es Luftabwehr.

Also er hatte schon...

Das sollte ihm nicht normal passieren, dass jemand...

Nee, das sollte ihm nicht normal passieren.

Und auch keinen Attentat, irgendwie eines Journalisten.

Und ja, dann kam ich auf dieses Militärgelände

und auf dieses Militärgelandestand.

Ein großes Zelt.

Ah.

Überraschung.

Keine Überraschung, wenn Sie so wollen.

Oder doch, die müsste leben.

Man hatte irgendwie gedacht,

das ist so ein Militärgebäu, so ein Militär-Hauptquartier.

Hier besteht irgendwie aus Kassernen oder so.

Tats auch, außen rum.

Aber in der Mitte auf dem großen Platz stand sein Zelt.

Und dieses Zelt war durchaus luxuriös.

Es lief C&N, er hat der Farbfahren sehr da.

Es gab komische Weiße alte Öfen.

Alte Öfen, die mit Holz, glaube ich, beheizt waren.

Es wird nachts kalt.

Ja, es war nachts kalt.

Ja, es gab diese sehr schönen Teppiche.

Auf diesem einen Bild, das ich mitgebracht habe,

sieht man die auch noch.

Ach ja, ich kann vielleicht hier an dieser Stelle anmerken.

Alle Bilder zu unserer Trilogie hier

können man sich in unserem Newsletter angucken.

Ja, es war also keine Atmosphäre irgendwie.

Tritte Welt, schlechtes Zelt irgendwie.

Übrigens vor dem Zelt standen BMW 735.

Also wir befinden uns hier durchaus in dem luxuriösen,

auch westlich geprägten Umgebung.

Wie gesagt, er hat C&N geguckt,

nicht etwa irgendwelche arabischen Sender.

Es gibt ja Momente, in denen ein Gastgeber,

wenn er ein Gast empfängt,

mit der ersten Begegnung an Signal setzen will.

Also wo er sich überlegt, sitze ich,

stehe ich, wo stehe ich,

komme ich dem entgegen, lasse ich ihn reinkommen.

Hattest du das Gefühl, das war so aufgeladen,

wie ist er dir entgegengetreten?

Ich glaube, er hat sich nicht wohlgefühlt.

Aber er hat sich entschieden, das Interview zu machen.

Und er wollte eine gewisse distanzierte Höflichkeit demonstrieren.

Er hatte vor sich sein grünes Buch, das er geschrieben hatte,

das er mir nachher unterschrieben hat und die Hand gedrückt hat.

Das ist seine Mao-Bibel.

Sozusagen, ja.

Und er war sehr konzentriert während des Gesprächs,

hat aber sich trotzdem nicht gescheut abzuschweifen

und seine grünen Theorien seiner grünen Theorie

der Weltherrschaft auszubreiten.

Er wollte höflich sein, aber er wollte auch nicht zu vorkommend erscheinen.

Wie hast du ihn denn angesprochen?

Exzellenz-Revolutionsführer, das hatte man mir gesagt,

ist die offizielle Variante, die solle ich wählen.

Und du hast einen Übersetzer an deiner Seite?

Welche Sprache sprechen dir da miteinander?

Wir sprachen Englisch mit dem Übersetzer.

Und er kann ich natürlich nicht überprüfen,

wie genau er die kritischen Fragen übersetzt hat.

Aber ich gehe mal davon aus, ich habe schon gemerkt,

wenn Gaddafi etwas die Stirnrunzelte oder zur Seite blickte

oder in die Weite blickte, wenn ihm was nicht passte.

Grüne Revolution, da darf man sich jetzt keine Rotoren vorstellen

und keine Solarpaneele, sondern grün ist das Buch,

das er geschrieben hat und danach geht die Farbe.

Was steht denn da drin in dem Buch?

Ich glaube, er wollte mit grün auch ein bisschen Koran.

Also in der Größenordnung.

Mao Bibel ist schon nicht schlecht

und Koran wäre, glaube ich, ihm als Vergleich auch sehr gut zurechtgekommen.

Ja, ich habe hier das Cover vor mir liegen, dieses Buch.

Man kann es noch antiquarisch erwerben.

Sollte jemand tief einsteigen wollen in den Gedanken.

Und die Gedanken, wenn das nur einmal...

Aber schon auf dem Cover ist die Kapitleinteilung dieses Buches zu lesen.

Es gibt drei große Kapitel.

Kapitel 1, die Lösung des Problems der Demokratie, die Volksmacht.

Kapitel 2, die Lösung des ökonomischen Problems, der Sozialismus.

Kapitel 3, die soziale Basis der dritten Universaltheorie.

Um Gottes Willen, was ist eine dritte Universaltheorie?

Eigentlich ist das alles schon, was da draußen wird.

Viel tiefer ist es auch ein sehr dünnes Büschland.

Nein, jetzt sind wir im Ernst, ohne sich zu sehr lustig zu machen über seine Theorien.

Als das grüne Buch rauskam und erst verteilt hat überall auf der Welt,

haben die Leute alle den Kopf geschüttelt und gesagt, was ist das denn?

Also es ist kein Gedankengang, den ich jetzt so erzählen könnte,

der mir irgendwie schlüssig erscheint.

Wie gesagt, wir haben drüber gesprochen, dass Volk regiert sich selbst.

Es gibt diese merkwürdigen Geräte, es gibt diese Demokratie,

die sich selbst erledigt, wenn der Herrscher sozusagen sich zurücktritt,

weil alle in Wahrheit schon gefolgt sind, was dafür zutiefst verbittert hat,

weil er immer gesagt hat, sein Volk hat ihn nicht verstanden.

Sein Volk will luxuriöses Leben, das passt ihm überhaupt nicht.

Sein Volk will nichts Entbehrungen, sein Volk sucht irgendwelche Zerstreuung.

Genau, beim Fußball alles nicht erlaubt.

Und alles irgendwie gegen seine Gedankengebäude.

Ja, die große Weltordnung, die sollte darin bestehen,

dass die dritte Welt, wie man damals noch sagte,

dass die armen Länder sich jetzt aufrichten und gegen die alte Welt,

gegen den Westen auch gegen die Sowjetun, aber vor allem gegen den Westen aufstehen.

Er hat mir gesagt, während des Interviews von einer wenigen Sätze,

die wirklich diskussionswürdig oder beziehungsweise zitatwürdig waren,

er hat da gesagt, mit dieser Theorie würde er sich an die Spitze setzen,

einer Bewegung, die die alte Welt sei zu Ende und die neue würde beginnen

und die alte Welt sei die westliche und die neue sei die der Entwicklungsländer

der sogenannten dritten Welt.

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Die USA ist der Inbegriff alles Bösen, hat er dir gesagt.

Und wir haben ein Recht auf die Atombombe.

Ja, das hat ja später dann übrigens auch aktiv verfolgt.

Aber dann kam der Gaddafi, der durchaus auch Realitätssinn hatte.

Er hat gedacht, bei diesen Labellgeschichten, bei seinen anderen Terroranschlägen,

das fällt nicht auf ihn zurück, das fällt auf die entsprechenden Terroristen zurück.

Er hat immer gedacht, wenn er sich die Atombombe sichert,

da kann er bis zu einem gestimmten Punkt gehen

und dann wird er sehen, wie die Welt reagiert und die Welt hat reagiert.

Auch mit keinem Geheimdienst hat er später einen Schiff abgefangen.

Er war relativ weit schon mit seinen Ideen und auch mit seiner Herstellung,

mit der Fabrikherstellung Atomara gegeben hat.

Er hat sich schon Uran beschafft.

Es waren alle Bedingungen eigentlich schon erfüllt.

Er hat schon eine nordkoreanische Pfad eingeschlagen.

So ist es. So ist es.

Und er hat zwischendurch, das darf man nicht vergessen,

auch an der Giftgasfabrik.

Teilweise ist es auch mit deutscher Hilfe an der Giftfasfabrik gearbeitet.

Aber diese Atomgeschichte, als er gemerkt hat, es wird ernst.

Die Amerikaner machen was, er wird das nicht durchsetzen können.

Der Westen wird das ihm nicht erlauben.

Da hat er aufgegeben.

Da hat er zurückgedreht und hat sich gesagt, der Machterhalt für mich ist wichtiger.

Vielleicht hat er auch schon gespürt, dass es mit der Macht doch endlich ist,

es irgendwann mal zu Ende gehen kann.

Darauf kommen wir später.

Zunächst möchte ich auf ein Bild kommen, das vor mir liegt.

Das zeigt das grüne Buch auf ganz besondere Art und Weise.

Nämlich auf einem deutschen Eishockey-Trikot.

Auf dem Trikot des ECD Isalon.

Wie um Gottes Willen kommt dieses Buch?

Ich würde sagen, das ist eine große Krätel der Menschheit.

Gaddafi hat aus nicht erklärlichen Gründen.

Eishockey, als eine Sportart, entdeckte ihm irgendwie imponiert hat.

Ja, nah, als Wüsten so.

Irgendwie hatte gedacht, da kommt er nicht ran oder das ist so fremd

und so irgendwie exotisch, dass er das fördern muss.

Wie er auf Isalon nun direkt kam, auch nicht unbedingt der Topklub meines Wissens.

Aber Deutschland hat ihm imponiert.

Isalon und Eishockey war eine der merkwürdigsten Abweichungen seiner exzentrischen Geschichte.

Ich bin kein Eishockey-Experte, aber ich habe kurz nachgelesen

und mögen alle Eishockey-Historiker mir verzeihen, wenn das so nicht stimmt in jedem Detail.

Die Geschichte geht jedenfalls so.

Der ECD Isalon stand kurz vor dem Konkurs.

Man brauchte dringend Geld.

Und da kam jemand, der Geld hat, der ein Buch hatte, für das er weltweit werben wollte.

Und tatsächlich ist dieses Trikot nur bei einem einzigen Spiel zum Einsatz gekommen.

Ein Spiel später war der ECD Isalon tatsächlich pleite.

Hat nichts mehr genutzt.

Also viel hergegeben scheint da ja nicht zu haben.

Man weiß gar nicht, ob da Geld geflossen ist.

Ja, noch mal nachschießen müssen, oder?

Aber interessant ist ja, dass seine Kinder häufig in Deutschland waren

und sich da auch wie saubernommen haben.

Also soweit ich mich in Sinne, hat sein Sohn Hannibal

Verbot gehabt, das bayerische Land nochmal zu betreten und so weiter.

In dieser Familie hat man gedacht, es gibt keine Grenzen.

Also jedenfalls nicht für jemand, der Gaddafi heißt und der kann sich alles erlauben.

Ist der Moment, an dem Gaddafi seine Atompläne aufgibt,

der Moment, in dem auch seine Isolation endet, Tony Blair taucht plötzlich in Libyen?

Ja, das darf man nicht vergessen.

Gaddafi bleibt ja ein interessanter Staatsmann

und das Land bleibt eine interessante Quelle für Energie.

Und deswegen hat man sich im Westen durchaus auch besonders Italiener vorne weg.

Aber dann Tony Blair war, glaube ich, der erste Premierminister,

der erste Staatsmann, der dann bei Gaddafi aufgetaucht ist.

Und wenig später Gerhard Schröder? Gerhard Schröder dann auch, ja.

Wir haben alle geschaut, was wir denn mit diesem Libyen anstellen könnten

und wie wir davon profitieren können.

Und wie wir den Fluss des Öls sichern können.

So ist es.

Von dem wir abhängig waren. So ist es, ja.

Dann passiert etwas, was uns allen, als wir hingeschaut haben,

ganz große Hoffnung gegeben hat.

Es begann der arabische Frühling.

In Tunisien. So ist es, ja.

Der dann aber auf fast alle arabischen Länder übergriff.

Ich glaube, Gaddafi hat das sehr gefürchtet.

Er hat das nicht kommen sehen.

Das Volk regierte jetzt mal selbst.

Ja, so ist es.

Aber nicht in dem Sinne, glaube ich, wie Ersigs vorstellte.

Er wollte da immer noch eine Rolle spielen als Moderator an der Spitze.

Ich glaube, der arabische Frühling war etwas, was ihm völlig fremd war.

Die Art und Weise, wie das in Ägypten sehr schnell zu Ende ging mit Herrn Mubarak.

Das war ja innerhalb von zwei, drei Wochen vorbei.

Also, die Revolution hat sehr schnell gesiegt,

was immer dann daraus geworden ist in der anderen Geschichte.

Aber das Wegfegen der alten Herrscher und der alten Herrscher

ging sehr schnell. Gaddafi hat das gefürchtet.

Das hat ja übrigens auch.

Manche andere haben das so nicht kommen sehen

und nicht die Folgen so bedacht.

Wie ging es? Also, ich habe da ja relativ naiv drauf geguckt.

Jedenfalls komme ich mir im Nachhinein so vor.

Weil bei mir hat das wirklich große Hoffnungen geweckt.

Wie ging es dir denn als erfahrenen politischen Beobachter?

Ja, ich war in der Zeit auch zwischendurch in Cairo und es war großartig.

Also, es war auf dem Platz.

Die jungen Leute haben sich zusammengefunden über Instagram, über andere Dienste.

Haben sich zusammen telefoniert, aber meistens eben schon über die über die neuen Medien.

Und ich weiß noch eines Tages sagte man mir auf dem Cairo Platz werden sich 20.000

vielleicht an dem Abend versammeln und es waren 150.000.

Es hat wie ein Lauffeuer um sich gegriffen.

Die Vernetzung war großartig und es war gleichzeitig.

Der Abstieg dieser Autokraten zu spüren.

Also, die haben zwar dann noch reingehauen.

Mubarak durchaus noch mit britender Polizei, wenn ihr euch erinnert.

Aber es war nicht mehr der Wille da hinein zu schießen in die Massen.

Und dadurch ist es sehr, sehr schnell gegangen, dass diese Regime

weggefegt wurden.

Was geschah mit seinem Regime, mit Gaddafi's Regime?

Ja, Gaddafi hat versucht, noch alles zusammenzuhalten mit zusätzlicher Brutalität.

Im ging aber ein Teil des Landes.

Erstaunlicherweise Benghazi, der Teil in dem Sirte, wo er geboren wurde, wo er studiert hat.

Der Teil ging ihm verloren, weil er nicht mehr geschafft hat, die Stämme im Land sozusagen zusammen zu ein.

Um Benghazi rum waren andere Stämme jetzt plötzlich sehr, sehr mächtig geworden,

die natürlich auch auf das Erdöl geschielt haben.

Es war ein Machtverfall, der sich abzeichnete.

Und gleichzeitig eine solche zusätzliche Brutalisierung,

dass die Welt zurechtfürchten musste, dass Gaddafi mit Flugzeugen,

Kampfflugzeugen, mit Truppen in Benghazi, in die zweitgrößte Stadt reingeht und ein Massaker anrichtet.

Das war der Wendepunkt.

Und in dem Moment schreitet der Westen ein, und zwar gewaltig.

Ja, in dem Moment schreitet der Westen ein.

Und interessanterweise nicht gegen die Sowjetunion.

Das war erstaunlich, weil der Westen wollte eine Flugverbotszone,

was Gaddafi unmöglich gemacht hätte, Benghazi zu bombardieren.

Gleichzeitig dem Westen natürlich die Möglichkeit gegeben hätte, alles zu machen, was er wollte.

So ist es dann letztlich auch gekommen.

Diese Flugverbotszone brauchte man eine UNO-Beschluss,

ein Sicherheitsratsbeschluss.

Und da kann es immer jemandem geben, der an Veto einlädt.

So ist es.

Chinesen und Russen sind ziemlich bekannte für das in dem Fall machen.

Die Chinesen haben sich damals nicht so sehr interessiert.

Weil er später in Syrien auch.

Ja, die Russen hat es aber sehr interessiert.

Und Putin war angeblich dagegen, dieses zuzulassen.

Sein damaliger Präsident.

Es gab ja diesen Wechsel damals zwischen Medvedev und Putin, wobei Putin immer der Stärke war.

Aber Medvedev hat sich interessanterweise von Joe Biden, dem damaligen Vizepräsident.

Wie lange die sich alle schon kennen?

Joe Biden hat den mit Medvedev überredet.

Man kann vielleicht auch sagen, war bald über den Tisch gezogen und hat gesagt,

lass uns das doch mal machen. Medvedev hat zugestimmt.

Vielleicht auch einen Grund dafür, dass er jetzt heute, wenn ihr euch erinnert,

wenn ihr was Medvedev jetzt zusagt, mit Medvedev ist er kurz davor,

den Abwurf der Atombombe über Ukraine zu fordern.

Er ist der größte Scharfmacher geworden.

Damals war er derjenige, der dem Westen geholfen hat, diese Flugverbotszone durchzusetzen.

Russland hat sich erteilt, die Flugverbotszone kam.

Und die NATO, muss man sagen, hat diese Flugverbotszone auch sehr,

wie soll man sagen, kreativ ausgenutzt.

Es wurde nicht nur Bengasi gesichert, sondern es wurde praktisch das Regime von Gaddafi beseitigt.

Ja, Gaddafi muss fliehen.

Am 20. Oktober 2011 und wohin flieht er?

Er flieht heim, da, wo er hergekommen ist, nach Sirte.

Genau. Es schaut, wo er am meisten Anhänger noch hat.

Er versucht, auf Umwegen aus der Stadt zu kommen, was ihm gelingt, aus der Republik zu kommen.

Geht dann richtig. In einem Konvoi, der dann beschossen wurde, oder?

Genau. Es wurde dann bekannt, welcher Konvoi das ist.

Er wurde beschossen. Er musste da wieder fliehen.

Es war klar, es geht zu Ende, aber es war nicht klar, wie geht es zu Ende mit Gaddafi?

Und wie das dann passiert ist, eine der grausamsten Geschichten, die man sich vorstellen kann.

Also Gaddafi hat sich in einem großen Abflussrohr versteckt.

Er war damals Ende 60. Er wurde bombardiert und ist aus dem Auto raus,

weil es im Auto lebensgefährlich wurde und ist dann in ein Abflussrohr gekrochen, das am Wegesrand war.

So ist es. Und dieses Abflussrohr, so ein riesiges Ding, da konnte man ihn nicht sehen auf Anhieb.

Aber die Rebellen damals, wahrscheinlich auch mit Hilfe von NATO-Aufklärung,

haben festgestellt, wo das ist und haben ihn da aufgespürt.

Und dann kommt eine Geschichte, die man in dem Detail gar nicht so erzählen kann,

erzählen will, weil es ihn noch nicht ganz fest steht.

Aber er wurde da keinesfalls irgendwie erschossen oder nur erschossen, sondern er wurde vergewaltigt.

Er wurde mit Stangen und Gewehren in den After getreten.

Er wurde gedemütigt und er wurde dann auch von einem Schuss getroffen, an dem er dann später gestorben ist.

Es war ein erbärmliches Ende und muss man nicht allzu viel Mitleid haben.

Vielleicht, wenn man sich anschaut, was Gaddafi so angerichtet hat auf der Welt, auch die Terroropfer alle bedenkt.

Aber es war ein wirklich grausames Ende.

Es war eine zur Schau gestellte Folterung und Tötung.

Denn es gibt Videos von diesen Szenen, es gibt Bilder, die im Netz kursieren von diesen Szenen.

Es gibt Bilder des Leichnahms von Gaddafi, blutüberströmt.

Es ist ein Ende eines Despoten, das auch anderen sehr viel Angst gemacht hat, vor allem einem.

Ihm selber hat aber auch schon das Ende eines Despoten Angst gemacht, nämlich das Ende von Saddam Hussein,

den man ja auch aus einer Grube rausgeholt und in seine Bestandteile zerlegt hat.

Es gibt ein paar, z.B. in Cio Cesco, der dann erschossen wurde ohne oder mit einem Scheißprozess von einer halben Stunde.

Mit seiner Frau Saddam Hussein, mit der Hinrichtung der Offiziellen sozusagen.

Aber wenn man das überhaupt noch abstufen kann und will, dann war natürlich Gaddafi's Ende der Schrecklichste.

Und wer hat sich davon so besonders beeindruckt gezeigt von Gaddafi's Ende?

Ja, das ist eine interessante Geschichte.

Ich habe in einem Buch von einem amerikanischen Ex-Botschafter in Moskau, der später CIE-Chef wurde, William Burns,

der hat ein Buch geschrieben, also ein gut vernetzter Mann, der auch in seiner Moskau-Zeit sehr, sehr viel mitgekriegt hatte,

aus dem Kreml und im Kreml, der schreibt in seinem Buch, er hätte Belege dafür, dass Putin, Vladimir Putin,

sich dieses Zehen, die im Netz kursierten, der Tötung, also der Ermordung, der Schändung von Gaddafi angeschaut hätte

und immer wieder angeschaut hätte, dass es eigentlich fast so eine Art von, ja, wie soll man sagen,

fast so eine Art von Schreckensszenario für ihn selber sein könnte.

Ja, große Verbrecher an Staatsspitzen, die müssen eben fürchten um ihr Leben.

Ja, irgendwo entweder den Hark oder ein solches Ende, auf keinen Fall wahrscheinlich oder jedenfalls,

glaube ich, das nicht ein Ende in einer Luxus-Villa in Sochi, ob Putin das überhaupt wollte, ist die andere Frage.

Auf keinen Fall, glaube ich, ein gemütliches Exil, wie es ja beispielsweise Idi Amin in Saudi-Arabien hatte oder manche andere auch.

Nein, für Putin und für manche andere Autokraten ist einfach die Frage, wie endet es?

Endet es auf einer Yacht, endet es mit den Freunden, endet es womöglich, weiter an der Macht bis zu, er kann ja noch lange...

Wie bei Stalin?

Er kann ja noch lange, oder es endet und davor hat er wohl Angst in einem Schreckensszenario.

Du hast dich von Gaddafi nicht schrecken lassen, jedenfalls hast du ihm noch die unbequeme Frage gestellt,

was denn mit seinem Planungsminister Oma Al-Meheishi passiert ist.

Was hat er darauf geantwortet?

Deswegen war er ja überhaupt da, weil er das Schicksal des Herrn Meheishi ermitteln wollte.

Ja, also wie gesagt, man wusste so gut, wie sicher was passiert ist, aber ich war ja nur nicht dabei und ich dachte mir, ob er irgendeine Form darauf eingeht.

Und ich war dann doch überrascht, ich glaube erst mal immer er überrascht über die Frage.

Er sagte dann, nee, den mussten wir, ich glaube ich weiß nicht mehr genau ein Problem, den mussten wir aus dem Verkehr ziehen, weil der ist durchgedreht.

Also er hat praktisch zugegeben, dass sie sich damit ledigt hatten, aber er hat es erklärt, als eine Tötung eines Menschen, der getötet werden musste.

Zum Schutz des Volkes.

So würde er es gesehen haben, gerne.

Vielleicht sagst du noch ein paar Worte zu der Zeit nach Gaddafi, wie ging es denn in Libyen weiter?

Es ist ja ein Failing State jetzt.

Ja, man würde jetzt gerne sagen, schlimmer hätte es nicht mehr kommen können und doch nach dem berühmten Satz aus dem Nahen Osten, es wird alles besser, bis es dann noch schlimmer wird.

In Wahrheit hat sich das Land zerlegt, in verschiedene Stammesgruppen, in verschiedene terroristische Strukturen, die sich einander bekämpfen, die aber bezeichnenderweise von fremden Mächten unterstützt werden.

Frankreich hat seine Finger im Spiel, unter anderem Italien wohl auch, die Türkei, Russland und die Wagnergruppe ist sehr stark.

Also es ist so, dass es immer wieder Versuche gibt, demokratische Strukturen einzuziehen, dann hört man weder eine Regierung, ist in Tripoli einer Macht, die demokratische Wahlen organisieren will.

Letztlich hat sich nichts verbessert, es ist alles eher noch schlechter geworden.

Die Mordrate ist sehr hoch und die Bekämpfung der verschiedenen Milizen ist so intensiv, dass man sich eigentlich denken könnte.

In Gaddafi's Zeiten jedenfalls in seinen Ersten ging es sich so schlimm zu in dem Land.

So ein bisschen wie beim Irak, das ist ja auch drunter und drüber jetzt.

Übrigens, ein Sohn von Gaddafi Saif Gaddafi wurde zwischendurch ergriffen, wurde zum Todevorteil dann begnadigt, saß im Gefängnis, ist inzwischen frei und will sich jetzt bewerben als nächster Staatspräsident, wenn es denn Wahlen gibt, richtige demokratische Wahlen.

Ich kann mir nicht vorstellen, dass er gewählt wird, aber ausschließen kann man in diesem Land gar nichts.

Sehr viele Kinder des Gaddafi haben ja die Wände sozusagen, also die Herrschaft des Volkes, nicht überlebt.

Ich habe mir das mal im Internet angeguckt, bei Wikipedia sind sie alle aufgezählt, es sind da, glaube ich, zehn ungefähr zehn Kinder.

Von der Frau Gaddafi haben wir gar nicht gesprochen, die gab es nämlich auch, die meisten davon sind heute tot.

Wie gesagt, Saif ist die Ausnahme und er kommt aus dem Gefängnis und er weiß nicht, in welcher Form von Größenwahlen er sich das zutraut, dass er rätselhafterweise für mich ist, er genehmigt worden in der letzten demokratischen Wahlen, in der Ankündung des demokratischen Wahlen, die dann aber wieder verschoben wurde, keine Ahnung, wann es wirklich Wahlen gibt und ob er da dabei ist.

Das leitet gut über zu unserer nächsten Folge.

Wird es, aber vorher fürchte ich, Saif wird es nicht helfen, im grünen Buch seines Vaters zu blättern, da steht die Lösung für Libyen nicht drin.

Ich fürchte, da hast du recht.

Lieber Erich, ganz herzlichen Dank für diesen Einblick in das politische Bedouinenleben eines des Bodens.

Ja, schön, dass du da warst.

Dankeschön.

Copyright WDR 2020

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Muammar al-Gaddafi ist der Sohn eines Ziegenhirten in Libyen. Er greift nach der absoluten Macht im Land und wird ein gefürchteter heimlicher Förderer des weltweiten Terrorismus. Sogar die Atombombe will er bauen.

In Folge 138 sprechen Sabine Rückert und Andreas Sentker mit dem ZEIT-Autor Erich Follath über seine Begegnung mit dem exzentrischen Mörder Gaddafi, dessen grausames Ende die Gewaltherrscher auf der ganzen Welt schockierte.

Der Text zur Folge ("Um Mitternacht bei dem Despoten") ist im Juni 2022 in der ZEIT erschienen.

Die neue Ausgabe des Kriminalmagazins ZEIT Verbrechen liegt am Kiosk und ist hier online bestellbar. Sie möchten zwei Ausgaben zum Kennenlernpreis testen? Dann klicken Sie hier.