Verbrechen: Große Verbrecher, Teil 1: Gottes Hass
ZEIT ONLINE 5/2/23 - Episode Page - 48m - PDF Transcript
Liebe Zuhörerinnen, liebe Zuhörer, herzlich willkommen zu gleich mehreren Folgen unseres
Podcasts Zeit Verbrechen, Abenteuer Folgen, Abenteuer Folgen, Geschichtsfolgen, große Verbrechen,
große Begegnungen, muss man sagen und ein ganz besonderer Gast, Erich Vollard, wird uns aus
seinen langjährigen Erfahrungen berichten und von Begegnungen, die ich kaum nachvollziehen kann,
die keiner von uns haben möchte, die keiner von uns haben möchte, ein promovierter Politologe,
der ein wahnsinnig abenteuerliches Leben geführt hat. Vielen Dank für die Einleitung und die netten
Worte. Wir wollen vorher aber noch etwas ankündigen. Ja und zwar einiges. Also zunächst mal gibt es eine
Überraschung für unsere Followerinnen, nämlich ihr wisst ja schon, dass Zeit Verbrechen verfilmt
wird und zwar vom neuen Streaming Dienst Paramount Plus produziert werden im Moment vier Filme,
die auf vier Geschichten basieren oder von ihnen erheblich inspiriert sind. Auf vier wahren
Geschichten, die wir hier diskutiert haben, unseren Podcasts hier und welche das sind verraten wir
natürlich nicht. Das haben wir auch schon letztes Mal gesagt, das wird eine Überraschung, aber etwas
können wir verraten, es gibt Komparsenrollen zu vergeben an unsere Hörerinnen und Hörer. Es gibt
ja in jedem Film Leute, die die Straßenbevölkern in Cafés sitzen und Unterhaltungen vortäuschen und
diese Leute suchen wir und zwar gibt es zu verlosen drei Komparsenrollen, für jene Folge in der
Helene Hegemann-Reschie führt. Mitmachen könnt ihr vom zweiten bis zum neunten Mai auf dem
Paramount Plus Instagram Account www.instagram.com-paramountplus.de und dem Zeitverbrechen
Instagram Account wie genau das erfahrt ihr dort. Der Drehzeitraum wird Ende Mai Anfang Juno sein.
Die Dreharbeiten finden in Berlin statt und der Gewinner oder die Gewinnerin wird am 10. Mai
ausgelost. So und dann haben wir noch was. Es rückt immer immer näher die lange Nacht der Zeit hier
in Hamburg auf dem Gelände der Universität diesmal. Also es wird ein echtes Campus-Erlebnis mit
vielen vielen Veranstaltungen und natürlich sind auch wir auf der Bühne. Ganz groß, weil wir haben
ja auch noch was zu feiern. Wir haben was zu feiern und zwar unseren fünften Geburtstag. Das können
wir schon mal sagen. Aber was wir da machen, das verraten wir nicht, aber es wird groß. Natürlich
nicht. Noch gibt es keine Tickets zu kaufen, aber man kann verfolgen, was da alles geschehen wird und
sich schon mal vorbereiten. 3. Juni. Am 3. Juni auf www.zeit.de-Zeitnacht. Wir sind glaube ich am
Abend um 20 Uhr dran. So ist es. Also wer ausschlafen will. Kann dann zu uns kommen. Wir reden heute
über ein Attentat, ein politisches Attentat, das die Welt damals erschüttert hat. Das Opfer
dieses Attentats war der Friedensnobelpreisträger Jitzak Rabin und Erich, du hast ihn relativ früh
kennengelernt. Waren so die ersten Begegnungen. Später hast du ausführlicher mit ihm gesprochen. Was war
Rabin für ein Mensch? Also Rabin war erst einmal, muss man sagen, einer aus der europäischen
Elite. Die Familie kam ja aus Europa. Er war gut integriert und er war aber absolute Spitzenpolitiker
von Anfang an. Er hat dann einmal die Wahl sogar gewonnen. In den 70er Jahren wurde Premierminister
und fiel dabei aber auf durch seine Arroganz, durch seine Schroffheit. Er konnte nicht mit
Journalisten umgehen. Er hat wenig von den Kollegen gehalten und einigermaßen konsequent wurde er
dann auch abgewählt. Wurde dann Verteidigungsminister später und in dieser Eigenschaft hat er sich
sehr verdient gemacht. Die Israelis haben sehr geschätzt oder schätzen immer noch, wenn sich
jemand für das Volk einsetzt. Und zwar einsetzt bis hin zum eigenen Leib und Leben. Und er hat
das gemacht. Er war allerdings auch sehr hart gegenüber Palästinensern. Es gab damals die
erste Indifader, den ersten Aufstand. Von welcher Zeit reden wir jetzt? Wir reden jetzt von den
80ern, Anfang 90er Jahre. In dieser 80er Jahre. In dieser Zeit hat er die Palästinense auch sehr
stark bekämpft. Er galt im arabischen Sprachgebrauch, also der Knochenbrecher, weil er einmal gesagt hat,
man musste die Leute auch den Knochen brechen, die so gegen die Israelis vorgehen. Wir reden jetzt
von den Indifader, wo in der Tat auch Terroristen mitgemacht haben. Aber Rabin hat durch beides
eigentlich durch seinen persönlichen Einsatz für die Sicherheit Israelis, aber auch durch seine
gezeigte Härte gegenüber den Palästinensern sich einen Ruf verschafft, dass er kein Weichei ist,
der irgendwelche Kompromisse schließt, den man eigentlich nicht schließen darf, der Israel
ausverkauft. Und in dieser Eigenschaft, in diesem Premierminister schafft, in seiner zweiten, hat
er dann mit den Palästinensern gemerkt, da geht auch was auf der palästinensischen Seite, Arafat,
die dem Terror weitgehend abgeschworen hat, als PLO Israel anerkannt. Und er hat auf einem
rinkranischen Präsidenten getroffen mit Bill Clinton, der sehr bereit war, Friedensverhandlungen zu
machen. Erzähl mal, wie du ihm begegnet bist. Das sind ja alles, wir erzählen ja hier von deinen
Geschichten. Das sind die Geschichten, die du als Reporter für den Stern, für den Spiegel, später
am Schluss auch für die Zeit geschrieben hast und erlebt hast, wie hast du jetzt, Herr Krabin,
kennengelernt und wie hast du diese Geschichte hier recherchiert, von der heute die Rede sein wird,
eine große Geschichte eines Mordes, der die ganze Welt bewegt oder man kann auch sagen zurückgeworfen
hat. Also einmal, ganz früh damals, als er noch Verteidigungsminister war, hatte ich ein Gespräch
mit ihm und er war so genervt von den Fragen, dass er nach der etwa Viertelstunde gesagt hat,
kann ich Ihnen das nicht alles aufschreiben? Aber ich sage, nee, das geht nicht, weil ich brauche
schon die Frage und Gegenfrage und Ihre Reaktion. Das war seine Art des Umgangs. Ich glaube nicht,
dass er viel mit Journalisten anfangen konnte. Er hat eigentlich immer gedacht, dass er es besser
weiß. Aber er hat gelernt, zuzuhören. Da gibt es manche, die ich kenne, die so sind. Er hat
gelernt zuzuhören und das war eigentlich der große Fortschritt. Er wurde vom Kriegsgeneral zum
Friedensbringer. Und als er dann in Camp David, ihr werdet euch erinnern, unterschrieben hat mit
Bill Clinton und den berühmten Händedruck mit Arafat, der ihm sehr schwer gefallen ist,
weil er ihn nach wie vor natürlich für einen Terroristen hielt, diesen Händedruck mit ihm
gemacht hat, da war eigentlich klar, es gibt die große Hoffnung für Israel. Und ich denke,
bis heute bis zu diesem Tag, über den wir gleich sprechen werden 1995, war das die beste
Chance für Israel, zum Frieden zu kommen mit den Nachbarn, aber auch mit den Palästinensern und
mit sich selbst. Du hast immer wieder auch hinter die Kulissen des politischen Geschehens geguckt.
Camp David war natürlich so eigentlich auf der Bühne. Da war der Händedruck, da waren Fotografen,
das ging um die Welt. Wie muss ich mir vorstellen, finden so die Anbahnungsgespräche statt? Wie nähert
sich Israel den Palästinensern an und umgekehrt? Es braucht diese beiden Personen. Es braucht Rabbin
und Arafat, die beide irgendwann mal so eine Gesprächsbereitschaft zeigen, oder? Ja, du hast
für den Recht am Schluss eigentlich. Im Grunde musst du viel davon vorbereiten, es ist ja auch
passiert. Den Oslo trafen sich Unterhändler und so. Ich denke, das war entscheidend,
dass beide Seiten festgestellt haben, dass da was gehen könnte, die Bereitschaft. Es gibt dieses
Zitat von Rabbin. Wir können diesen ewigen Kreislauf des Blutvergießens beenden, aber das
erfordert eine Welt neuer Konzepte. Woher kamen diese neuen Konzepte? War das nur die beiden? Welche
Rolle denkst du? Haben die Amerikaner gespielt? Hat Clinton gespielt? Ja, es gibt ja im israelischen
palästinischen Konflikt eigentlich eine große Frage. Kann es den Austausch von Landverfrieden
geben? Und diese Frage wurde, da kommen wir sicher auch noch drauf von den Rechten und den
Ultraleligösen in Israel mit einem klaren Nein beantwortet. Das kann es nicht geben. Es ist
biblisches Land. Über biblisches Land kann man nicht verhandeln. Das war die eine Seite und die
andere, die war dann Rabbin und die linksliberale Öffentlichkeit, die damals dafür nicht vergessen,
eine Mehrheit war, in Israel längst nicht mehr ist. Diese linksliberale Öffentlichkeit hat sich
zusammen mit Rabbin gesagt, warum eigentlich nicht? Lass es uns mal versuchen. Und die Konstellation war
eben mit dem amerikanischen Präsidenten, mit einem etwas friedensbewegten PLO-Chef. Die Konstellation
war so, dass alles dafür sprach, dass man es versuchen musste. Der Andreas hat ein Bild mitgebracht
aus dem Internet. Das ist genau die Szene, bei der sich die beiden verfeindeten Parteien die Hände
geben, Arafat und Rabbin und in der Mitte Bill Clinton. Ja, die Arme ausgebreitet hat und die
beiden fast ein auf einander zuschiebt. Ich glaube, bis zum Schluss hatte er Angst, dass sie vielleicht
doch noch auseinander ginge. Ja, so sieht es aus. Erhält sie davon ab, weglaufen. Ihr rennt mir hier nicht weg,
bevor ihr euch nicht erinnert. Ich erinnere mich, also da haben wir uns alle sehr gefreut. Ich war da
in den 20ern irgendwo. Ja, das war im September 1993 und die entscheidende Moment dann eigentlich,
als es so aussah, als könnte es passieren, war da 1995. Große Friedensdemonstration und der
berühmte Tag, der traurige Tag der 4. November 1995, der Tag dieses schrecklichen Mordes.
Erzähl, wie ging es los und wie war der Tag? Ja, es waren 200.000 Leute da. Es war eine
friedensbewegte Stimmung, muss man fast sagen. Rabbin, der eigentlich kein großer Redner war
und ich glaube, da tut man ihm nicht weh, auch keiner großer Charismatiker oder so. Aber er hat
in diesem Tag sich selbst übertroffen, hat eine sehr schöne, sehr persönliche Friedensrede
gehalten. Dann war neben ihm ein Sänger, ein friedensbewegter Sänger und gemeinsam wurde die
Hymne des Friedens gesungen. Es war eine sehr aufbauende, sehr friedliche, sehr schöne Stimmung,
bei der übrigens auch die ganze, nein, ich war nicht dabei, ich habe das nur so aus der Ferne
verfolgt. Es war so, dass die ganze Familie Rabbin auch mit zu der Kundgebung gegangen ist. Seine
Sicherheitsleute waren da, aber wie man dann leider erfahren musste, haben die sich eben nicht genug
vorbereitet auf einen möglichen Attentäter. Wir sind in Tel Aviv, wir sind auf dem Platz der Könige
Israel, so hieß er damals. Jetzt ist er nach Yitzhak Rabbin benannt. Die große Friedenskundgebung
stand unter dem Motto Ja zum Frieden, Nein zur Gewalt und dann verlässt Rabbin nach der
Veranstaltung über eine seitliche Treppe die Bühne und wird dort erwartet. So ist es und es ist
eine bittere Ironie der Weltgeschichte, das ist eigentlich im Grunde, in dem Moment, als alles auf
Frieden getrimmt war, muss man fast sagen, als alles so ausser als könnte, es funktionieren,
in dem Moment der Attentäter seine Chance genutzt hat und auf diesem Hinterhof gewartet hat und sich
so gut vorbereitet hatte, dass er wusste, wie die Sicherheitskräfte sich bewegen, beziehungsweise
weg bewegen in diesem Moment oder in einem ähnlichen Moment, dass er die Chance genutzt hat,
Schüsse abzugeben auf Reils nacken. Zwei Schüsse treffen Yitzhak Rabbin, ein weiterer, ein Leibwächter,
eine Beretter 84f ist die Waffe, der Täter heißt Yigal Amir. Wie wird Yigal Amir zum Attentäter?
Yigal Amir stammt anders als die Rabbins aus einer sehr armen Familie, aus einer jemenitischen
Familie, die kam aus Symmyem, aus den arabischen Ländern, hat sehr gekämpft um ihre Existenz,
der Vater war Tora Lehrer, wie zum Beispiel Zeichner, die Mutter Kindergärtnerin und die Kinder
wurden alle ultra religiös erzogen, was jetzt ja, im Gotteswillen kein Vorwurf oder kein negatives
Ansicht sein muss, nur bei Yigal Amir hat sich das so herausgebildet, auch in seiner Jugendzeit und dann
in seinem Jurastudium, dass er sich gesagt hat, er muss das biblische Israel verteidigen und jeder,
der Land abgibt, ist ein Verräter und in dem Kontext muss man leider auch sagen, haben ihn viele
Rabbiner unterstützt. Es gab radikale Rabbis, die gesagt haben, natürlich ist es so, es gibt ein
biblisches Gesetz, wer biblisches Land aufgibt, ist vogelfrei, den kann man bestrafen, den kann man
sogar töten. Jedenfalls hat Yigal Amir das als Aufforderung begriffen. Aber er sucht immer nach
einer Rückversicherung. Er erkundigt sich wirklich, er spricht mit den Rabbinern, er fragt sie,
wie schätzt ihr das ein? Da befindet es sozusagen so eine Art theologisches Gespräch im Hintergrund.
Ja und das kann man als abstraktes Gespräch begreifen oder wie Amir als ein Gespräch,
das eine Aufforderung gleich kommt. Nun ist es natürlich so, dass die besetzten Gebiete das
biblische Land sind. Es ist ja so, dass das gläubige, streng gläubige Israel an der Küste
gar nicht interessiert ist. Die Küstengebiete waren ja früher Gebiete der Philister und das
wahre Israel findet hinten am Jordan statt und natürlich in Jericho. Je weiter es an den
Jordan und darüber hinausgeht, desto biblischer wird es. Es ist auch interessant, dass die Figuren,
die hier auftauchen, heute in unserem Podcast alle biblische Namen tragen. Da ist ja mal Jitzak,
also Isaak, das ist der langersehnte Sohn des Abraham. Nach ihm ist Rabin getauft, woher er kommt,
darüber reden wir gleich erst, nämlich ein Ashkenazi, ein europäischer Jude und auf der
anderen Seite steht Jigal. Jigal, der Attentäter, ist einer der Helden des König David. Also König
David hat, als er nach seiner Verjagung wieder zurückkehrte nach Jerusalem, hat er seine Helden
gekürt und davon ist einer Jigal. Außerdem gibt es eine zweite Figur, die Jigal heißt, das ist ein
Kundschafter des Mose. Also Mose führt Israel aus Ägypten, herauf bis in das Land Kanaan. Am
der Grenze Kanaans merken sie, das versprochene Land ist gar nicht frei. Gott hat ihnen ein Land
versprochen, in dem Leute leben und die muss man jetzt erstmal beseitigen. Und Jigal ist einer der
Kundschafter, die in dieses Land hineingehen und dann wiederkommen und berichten, was sie da gesehen
haben, nämlich unglaubliche Reichtömer usw. Also das sind die Figuren. Ja, und diese Vornamen sind
nicht ohne Bedacht gewählt von den Familien. Kein einziger Vornamen ist da bedacht und sein
Bruder heißt Haggai, das ist einer der kleinen Propheten. Der Bruder von Jigal, der offenbar bei
der Vorbereitung dieser Tat beteiligt ist. Ja, es wurde dann später auch verurteilt. Man muss sich
das so vorstellen, das war keine ganz spontane Tat, die haben das monatelang geplant, die haben
auch überlegt. Können wir ihn irgendwie vergiften? Ist das die beste Chance? Kommen wir so einen ran?
Kommen wir ran mit einer Bombe? Auch eine Möglichkeit? Kommen wir ran mit Pistolen? Was machen
wir mit der Pistole? Der Haggai, der Bruder hat in der Tat die Pistolen kugeln und den Lauf noch
so verschärft, dass es möglichst durchschlägt. Also das war über Monate geplant. Das war nichts,
was in irgendeiner spontanen Momentsituation entstanden ist. Aber ihre ist ja auch, dass Rabin
eben nicht von den Palästinensern getötet worden ist, sondern von den eigenen Leuten. Ja,
dass es so etwas für jüdischen Terrorismus gibt, hatte man bis dahin zwar irgendwie gehört und
auch verdrängt, aber dass jetzt nun einer den Ministerpräsidenten umbringt, einer aus den
eigenen Reihen, der sich dazu noch beruft auf sein jüdisch sein. Das war schon ein schwerer Schlag
für, ich glaube, für fast alle Israelis. Es sind zwei Osloer Verträge, mit denen den
Palästinensern Autonomie gewährt wird in ihren Regionen. Der erste Vertrag wird am 4. Mai 1994
unterschrieben. Der zweite Vertrag am 28. September 1995, also ganz kurz, wenige Tage vor dem
Artentat gibt es eben den zweiten noch weitergehenden Vertrag. Das heißt, für Jigha Amir wird Rabin mehr
und mehr zum Verräte an seinem Volk. So ist es ja. Und darin wurde er wie gesagt auch bestärkt von den
Rabis und auch von seinem Umfeld. Man muss sich das so vorstellen, dass er natürlich, ich habe das so
geschrieben, er hat nicht so weit entfernt gelebt von dem Rabin anwesen, aber in einer ganz anderen
Welt natürlich. Und das war Unterschicht auf der einen Seite, auf der anderen Seite war er ein sehr,
sehr kluger Junge, der seinen Jurastudium durchgezogen hat. Aber er hat sich bewegt in diesen
Kreisen, in diesen religiösen Kreisen. Und er hatte immer auch bei der Armee schon dieses Gefühl,
er müsste andere davon überzeugen. Nicht sehr erfolgreich, meistens. Es ist also auch ein Clash
der Kulturen, die diese beiden Männer miteinander verbindet, nicht nur diese Bluttat. Ja sicher,
sicher. Aber es ist so die radikale Speerspitze gewesen und die gibt's in gewisser Weise kommen wir
vielleicht noch drauf ja immer noch. Aber an diesem Tag kam eigentlich alles zusammen, was hätte
nicht zusammenkommen dürfen. Erst mal dieser Mörder, der angeregt war von seinen Leuten, von
Geistlichen. Dann zweitens das absolute Versagen der Sicherheitskräfte. Und dann drittens auch eine
gewisse Seutelessikrat von Rabin, der eigentlich Personen schon am liebsten ganz vergessen hätte.
Wir reden noch mal ein bisschen über die Herkunft von Rabin. Du sagst, Ashkenazischer Jude, sein
Vater, Nehemiah Rabin, kommt aus der Ukraine und wandert 1905 in die USA aus. Also es gibt eine
frühe Beziehung sozusagen in den Westen hinein, auch eine ganz starke kulturelle Verankerung dort.
Sein Sohn Yitzhak wird später Botschafter in den USA. Also es gibt eine ganz enge Westorientierung,
Verbindung, die sich dann natürlich an der Ausbildung auch kristallisiert hat und an dem
Umfeld, in dem man sich bewegt hat. Nehemiah ist übrigens derjenige, der Jerusalem nach der
Babylonischen Gefangenschaft wieder aufbaut. Es ist interessant, wenn man diese kulturellen
Hintergründe kennt und die Geschichten darin verankert. Also da merkt man, wie tief in der
Geschichte dieses Konfliktpotenzial drin steckt. Tief in der Bibel, in der Geschichte und in
Mythos. Also der Historiker Juval Noah Harari hat ja auch gesagt, wir in Israel lesen zu viel in
alten Schriften. Und wenn man hier deine Texte liest, lieber Erich, dann kann man ihm nur zustimmen.
Ja, es gibt so, einer hat es mal so formuliert, es gibt eine Überdosis Gott in Jerusalem und Gott
auch ein Ortsgespräch für viele da. Aber trotzdem muss man sagen, und das war ja das besondere an
Rabin und an der Situation damals, man kann es überwinden. Es führt keine Zwangsläufigkeit zu
Morden, zu Aufständen, zum Nicht zusammenleben können. Leider hat sich es dann anschließend nicht
unbedingt ins Positive entwickelt. Aber in der damaligen Situation haben wir es alle geglaubt, es
könnte funktionieren. Dieser Tag, der 4. November 1995, ist aber ein harter Bruch tatsächlich in
dieser Entwicklung hin zu einer friedlichen Kohrexistenz. Jigal Amir wird sofort überwältigt
vor Ort. Er wird von der Polizei abgeführt. Er sitzt, glaube ich, in irgendeinem Verhörraum,
als die Nachricht kommt, dass Rabin tatsächlich durch die Schüsse getötet worden ist. Und dann
ruft er, holt Wein und Kuchen, wir wollen ein Toast ausbringen. Und es ist vollbracht auch mit
biblischen Anschätzen, glaube ich. Ja, aber merkwürdigerweise ein neues Test. Ja, aber ich glaube, dass er
tatsächlich das alles, so sieht es ja auch als Triumph verstanden hat und seinen Umfeld und alle
Leute, man muss sich vorstellen, fast gleichzeitig, war ja die Witwe, muss man schon sagen, die Frau
und die Enkelin und die Tochter waren im Krankenhaus und haben so einmal noch die Stirn geküsst,
ihres gerade verstorbenen Vaters Ehemanns. Also ich glaube nicht, dass seine Umgebung dort das so
richtig verstanden und geschweige den gutiert hat. Und es gab auch natürlich eine Gegenbewegung,
die dann sagte, was machen wir jetzt? Also können wir so weitergehen mit dem Frieden? Haben wir es
vielleicht selber verdorben? Ist das ein Wendepunkt zum schlechten oder vielleicht doch noch zum guten?
Eins muss ich noch sagen, im Vorfeld dieser Rabin-Kundgebung gab es auch viele Kundgebungen.
Es war auch Wahlkampf in Israel, es ist immer Wahlkampf. Es war auch Wahlkampf. Netanyahu hat
bei einer Kundgebung nicht dafür gesorgt, dass Leute weggebracht wurden, die die Rabin in SS-Uniform
zeigten und Rabin Serge zeigten. Und es war eine Atmosphäre, die natürlich von der politischen
Opposition der konservativen, gemäßigten politischen Opposition in eine Richtung gedrängt wurde,
dass man schon sagen konnte, ja, auch die haben den Ausverkauf verkündet, die haben natürlich nicht
zum Mord aufgerufen und haben anschließend gesagt, mit den Folgen haben wir überhaupt nichts zu tun,
aber die natürlich in diesem Kontext schon auch sich rechtfertigen müssen. Netanyahu spielte damals
also auch schon eine entscheidende Rolle, der heutige Staatschef und zwar keine gute,
die ich jetzt deinen Worten entnehme. Kann man so nicht sagen. Er hat Poster von Rabin im SS-Uniform
aufhängen lassen oder gebildet? Nicht selbst, glaube ich, gemacht. Dazu ist auch viel zu schlau,
weil das ist ja auch Strafangewesen. Aber bei dieser Versammlung von ihm bei diesen Kundgebungen
gab es diese Slogans nieder mit dem Verräter Rabin. Es gab diese Serge in den Rabin symbolisch
rumgetragen wurde. Es gab die SS-Uniform. Alles Dinge, von denen Netanyahu sich dann später so
halbherzig distanziert hat, aber die bei den Kundgebungen ganz klar sichtbar waren und jeder
Politiker damals hätte für meine Begriffe sagen müssen, ihr weg hier. Das ist nicht unsere Form des
Umgangs des demokratischen Umgangs miteinander. Netanyahu war damals Oppositionschef, oder?
So ist es ja. Den Prozess gegen Amir. Wie muss ich mir das vorstellen? Wird der zum Schauprozess,
wird das eher so ein diplomatisches Gerangel? Was ist das? Gut, Israel hat sich immer und nennt sich
ja immer auch zu Recht ein Rechtsstaat. Es gab ein normales Verfahren. Er wurde zu
lebenslänglicher Haft verurteilt. Sein Poder zu 16 Jahren, glaube ich, von dem er nur die Hälfte
abgesetzt hat. Und ein Freund ist noch beteiligt? Ja, genau. Amir, da kommen wir sich noch drauf,
seine spätere Frau hat gesagt, es gibt ein spezielles Gesetz, das er nicht mehr raus darf. Das ist
undemokratisch, weil normalerweise kommt bei lebenslänglich wie bei uns auch nach einer
bestimmten Zeit. 15, 20, glaube ich, in Israel waren es 25 Jahre Minimum abgesetzt. Eine Zeit
kommt man raus, auch wenn man, und das ist immer die Algumentation der Rechten, auch wenn man ein
Juden umgebracht hat, kommt man raus. Die wären jetzt vorbei. Er sitzt ja bald 30 Jahre. Ja, er
sitzt auf ewig. Das ist ein Sondergesetz, wenn man so will. Ist das ein Sondergesetz, eine Lexiell
für ihn? Ja, eine Lex Amir. Ja, das ist eine Lex Amir, die eben deshalb nicht unumstritten ist
und von den Rechtenkreisen vor allem, aber auch von manchen Juristen als ungesetzlich verurteilt
wird. Zurück zum Tode des Izzagrabin. Wir erinnern uns ja, Andreas, du und ich, und du sowieso,
lieber Ehrich, an die Fernsehaufnahmen damals, die auch bei uns in Deutschland zu sehen, war von
der Enkelin des Rabin, die am Grabe ihres Großvaters eine Welt bewegende, muss man sagen, Rede gehalten
hat. Großpapa, du warst das Feuer an unserem Lager und jetzt sind wir alle ohne Fackel in der
Finsternis. Uns ist es kalt. Größere als ich haben dich gerühmt, aber keinem von ihnen war, so wie mir,
das Glück beschieden, deine zärtlichen Umarmungen zu spüren. Ich hege keine rache Gefühle, dafür
ist der Schmerz und der Verlust zu groß. Die Engel, die dich begleiten werden, die bitte ich dich
zu beschützen, denn du verdienst ihren Schutz, hat sie damals gesagt. Es war eine sehr ergreifende
Rede und der amerikanische Präsidentin auch da war, hat sie deinen Ansicht in den Arm genommen und hat
gesagt, das war wirklich das Entscheidende und Bewegende, obwohl auch der jordanische König da
war und eigentlich die gesamte Welt an einem Grab gestanden ist, also die gesamte politische Welt,
war es die Enkelin, die 18-jährige Enkelin, die das Bewegende und Entscheidende gesagt hat.
Du hast nur Rabin im vergangenen Jahr gesprochen, als du die Geschichte für uns aufgeschrieben
hast. Ja, also es war ein Jahr danach, es gab immer die leha Rabin, die Witwe, wurde von vielen
als eine mögliche Nachfolgerin. Sie ist auch angetreten? Ja, sie ist auch angetreten und sie
wollte es auch. Sie hat mir gesagt, bei unserem Interview, ich will diese Fackel weiter tragen,
hat das Wort von ihrer Enkelin aufgenommen und hat es dann letztlich doch nicht geschafft. Sie
konnte nicht die Wähler begeistern und sie war als Netanyahu dann tatsächlich ein Jahr später die
Wahl gewonnen hat, weil sie so am Boden zerstört, dass sie mir gesagt hat, diesen ungeheuerlichen
Satz zum zweiten Mal ist er ermordet worden. Ich fühle mich, als sei jetzt ein zweites Mal
ermordet worden. Ja, sie ist dann kurz darauf gestorben, sie hat nicht mehr, ihr verbittert,
sie hat nicht mehr eine politische Karriere angestrebt, aber es gab ja ihre Enkelin,
auch übrigens noch eine Tochter, aber die Enkelin, auch auf die sich viele politische
Hoffnungen konzentriert haben. Was wurde aus diesen Hoffnungen? Also erst mal, glaube ich,
die Verarbeitung dessen ist hier ungeheuer schwer, können wir uns gar nicht vorstellen für ein
18-jähriges Mädchen. Sie hat dann versucht, in die Fußstapfen zu treten, aber es war viel zu
früh, sie hat dann ihre eigene Karriere gemacht, sie wurde Juristin, Staatsanwältin, hat dann
Filme getreten, sehr gute übrigens, sie hat eine Fernsehserie getreten für das israelische Fernsehen,
aber sie hat immer auch geliebäugelt mit einer politischen Karriere und hat es dann nochmal
versucht, die Linke, sie hat sie als Lefty bezeichnet, die Linke zu vereinen, aber die Zeiten waren nicht
mehr so, dass die Chancen groß waren und auch da muss man sagen, weil der Linken in Israel, die hat
sich und die Liberalen, die haben sich teilweise doch selbst zerlegt, indem sie sich befeindet haben,
persönlich angegriffen haben und sie hat es dann aufgegeben, aber ich glaube nicht, dass man
sagen kann, dass sie gescheitert ist, sie ist ihren eigenen Weg gegangen, es gibt den Tel Aviv, das
Rabin Zentrum, die Gedenkstätte an ihnen, die wird von der Familie geleitet, beziehungsweise von ihrer
Mutter noch, ihrer sehr kranken Mutter und sie selbst ist da auch immer und sie hat mir erzählt, wie
sie mit ihren Kindern umgegangen ist und mit ihren Enkeln, mit ihren Kindern und ihren Neffen, die dann
schon gefragt haben, was ist denn damals passiert? Ich glaube ich einen kleinen Jungen, der träumt
nachts, hat Albträume, dass er ermordet werden. Ja, das hat sie erzählt und da hat sie versucht und
das ist ihr natürlich erfolgreich gelungen, inzwischen sind die auch größer geworden. Es ist
ihr gelungen, dem Kleinen klar zu machen, dass er nicht gefährdet ist, sondern dass es dem
Premierminister galt, auch nicht so sehr der Familie, sondern dem Ministerpräsidenten dessen
Weg gebremst oder unmöglich gemacht werden sollte.
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Die Folge dieses Mordes ist ja auch eben die Wahl des Netanjahu gewesen und auch das weitere
Erstärken dieser rechten Front in Israel. Wir haben ja jetzt ja hebliche Auseinandersetzungen.
Es war sogar schon von Möglichkeiten eines Bürgerkriegs in Israel, die Rede,
die zwischen den beiden Fronten der liberalen und der religiösen, einfacher Zustande kommen
könnten. Und meine Frage an dich ist jetzt, es wurde ja auch gesagt, die ideologischen Erben des
Rabin-Mörders sitzen heute in der Knesset, also im Parlament, im israelischen. Wie siehst du das?
Ist das wirklich so, dass diejenigen, die damals Armee den Rücken gestärkt haben,
ideologisch, dass die heute im Parlament sitzen?
Als ich das Interview mit Nur Rabin machte, da hat sie mir eine sehr interessante Geschichte
erzählt. Nämlich von einem Parlamentsabgeordneter namens Ben Quir, der als 20-Jähriger oder so
damals das Auto ihres Großvaters angegriffen hat. Der von diesem Cadillac, was abgeschraubt hat.
Wie ist Ben Quir? Ich habe ihn mal rausgenommen. Das ist Herr Ben Quir.
Das ist Herr Ben Quir mit einer Kippa.
Diese Herr Ben Quir hat damals dieses Auto sozusagen beschädigt, unter den bezeichneten Satz
gesagt, wir kommen an seinen Autoran, wir kommen auch an den Mann ran. Das war, kannte man auch so
verstehen, eine Aufforderung Rabin täglich anzugreifen. Und der ist heute Minister für
Nationale Sicherheit. Damals war er im Parlament und Nur Rabin hat mir sehr weitsichtig gesagt,
auf den müssen wir aufpassen, weil der hat seinen Gedankengebäude nie verlassen und der ist immer
noch so radikal, obwohl er jetzt so tut, als sei er ein Parlamentarier. Er ist für die Ultras
eingezogen ins Parlament und als jetzt die Wahlen zum, wie viele mal er auch immer jetzt so wieder
in ein Pad geendet sind, hat Netanyahu etwas gemacht, was er vorher nie getan hat. Er hat die
ganz Radikalen auch in seiner Regierung mit aufgenommen. Also nicht nur die Ultrareligösen,
die eh immer alles ausgebremst haben und auf die Siedlungspolitik gedrängt haben und nicht in
die Militärs und die Nation auch gespalten haben, nicht nur die, sondern die Ultras, die nur davon
reden, dass es einen nur jüdischen Staat geben muss, 20 Prozent der Araber zählen, dann gar nicht
den Israel leben. Und diesen Mann hat er mit reingeholt und musste ihn, um ihn anzubinden in
seine Regierung, musste ihn zum Polizeiminister machen. Ausgerechnet. Ausgerechnet. Und der ist
jetzt einer, der für die Polizei zuständig ist und auch für die Niederschlagung der Demonstration.
Also wir haben ja derzeit im Moment, da wir diesen Podcast aufnehmen, eine kleine Pause in
diese Auseinandersetzung, aber es kam zum Generalstreik, zu Blockharte von Autobahnen,
zu unendlichen Kundgebungen und es zeichnet, dass ich abzustand, dass jedenfalls bei uns in der
Zeitung, dass es eine Auseinandersetzung gab zwischen der sogenannten weißen, säkularen,
linksdenkenden Oberschicht, die in Israel die staatlichen Institutionen beherrscht und dem
wir, der Anderdocs, gläubig und rechts. Diese gläubige und rechte Population nimmt ja auch in
Israel stark zu, durch Zuzug aus allen möglichen Herrenländern. Und Geburtenrate. Und Geburtenrate.
Wobei man auch sagen muss, man darf es nicht zu pauschal sehen, nicht jeder, der religiös ist,
ist ein Ultra. Das stimmt. Und nicht jeder, der konservativ ist. Das geht auch kross und quer,
das stimmt. Nicht jeder, der konservativ ist, ist deswegen irgendwie verdächtig, dass er,
dass er irgendwelche Terroranschläge plant innerhalb. Und außerdem machen es die Palästinenser mit
ihrer Radikalität, die Hamas und auch die korrupte Regierung in Ramallah, ist den liberalen und
linken in Israel auch nicht gerade leicht. Das Zentrum des Konflikts ist ja das oberste Gericht,
das eben gerade von den Ashkenazi dominiert wird und das eben Gesetze, die beschlossen worden sind,
im Parlament aufheben kann und korrigieren kann. Und dagegen wendet sich das nicht.
Ja, dagegen war Netanyahu immer, er hat nur nicht gewagt, irgendwas direkt dagegen zu unternehmen.
Israel muss man wissen, hat keine Verfassung, weißt du, wenigen Länder ohne verfassung
demokratische. Aber es hat dieses oberste Gericht als die letzte Instanz, die eben auch die Politik
kontrollieren kann. Das ist für einen Premierminister natürlich nicht ganz leicht, vor allem wenn er
der Korruption angeklagt ist, wie ich Netanyahu ja. Das kann unbequem werden. Ja, sehr unbequem und
er möchte natürlich gerne und das könnte er, wenn dieses Gesetze durchkommt, im Parlament mit
einer einfachen Mehrheit, wieder alles, was das oberste Gericht gesagt hat, nicht dich machen.
Eigentlich müsste ja ein Herrscher in Israel wissen, dass es immer den Propheten gibt,
der ihm in die Suppe spuckt und dagegen spricht. Davon handelt die Bibel ja auch. Aber interessanterweise
hat Jigal Amir, der hinter Gittern sitzt seit 30 Jahren, ein sehr bewegtes Privatleben und das
ist auch eine interessante Wendung. Er hat viele Fans, also wir merken ja, wie tief dieser
Konflikt verankert ist und für einige ist er der Held. Ja, für Frauen. Es war ungeheuerlich, also
er saß kaum hinter Gittern, da hieß es, er bekommt Fanpost von jungen Damen, Fehlgeleiteten und
Leute, die plötzlich in Helden hielten, Leute, die einfach an interessanten Typen fanden, Leute,
die fanden, dass er unheimlich gut aussieht, junge Damen vor allem. Und er hat diese Briefe entweder
alle in den Papierkopf geworfen oder ganz kurz beantwortet, weil er hat im Grunde sich immer
als Intellektuellen gesehen und er hat sich als ein Bibelversteher gesehen, also ein Thora, Leser,
Thora Exegeten und er hat deshalb eigentlich immer darauf gewartet, ob es nicht ein interessanten
Brief, eine interessante Mitteilung gibt und eines Tages kam sie. Aber wenn ich hier die Bilder
angucke, die Andreas mitgebracht hat, muss ich sagen, der sieht wirklich aus wie ein Model der Armier.
Ja, ist ein attraktiver junger Mann, kurz und schwarzen Haaren. Er wird hier gezeigt zwischen
Polizisten, die ihm am Arm festhalten und hat so ein leichtes spielerisches Lächeln auf den Mund.
Und damals Ende 20. Natürlich fanden ihn viele attraktiv und man hat ja dieses Phänomen sowieso,
dass dann irgendwelche Freaks und Fans aus dem Lager und nicht unbedingt aus dem politischen
Gründen, aber aus irgendwelchen Gründen das so faszinierend finden, dass sie sich an ihn ranmachen
wollten. Dann machen wir nochmal eine Extrasendung drüber über Mörder, die Liebesbriefe kriegen
aus aller Herrenländer. Da gibt es auch interessante Geschichten. Jetzt kommt ein Brief von Larissa.
Larissa, die, wir können uns jetzt schon verraten, später Larissa Armier heißen wird,
denn die beiden werden heiraten. Was ist an diesem Brief anders oder was ist an dieser Frau anders?
Alles. An dieser Frau ist alles anders. Sie ist in Moskau geboren, sie hat geheiratet dort,
hat vier Kinder, als sie diesen Brief schreibt, ist nach Israel ausgewandert hat. Aber muss man
sagen, in Moskau immer auch schon mit den Refusenix, also mit den Leuten, die gegen das Regime waren,
korrespondiert, hat den Versuch zu helfen, hat also eine starke, wie soll man sagen, soziale
jüdische Ader, wie sie glaubte, ist mit ihrem Mann ausgewandert und war nur mit ihren vier Kindern
in Jerusalem schon einige Jahre und hat offensichtlich keinen Zugang zu dieser säkularen
israelischen Gesellschaft gefunden. War sehr rechts, sehr gläubig und war sehr interessiert an dem
Menschen und an dem Täter, Armier. Sie hat nicht von Anfang an gesagt, toll, was du da gemacht hast
oder so, keine von diesen und auch keine Fanpost, sondern sie hat ihn gefragt, welche Bücher würden
dich interessieren, welche Bücher kannst du mir empfehlen, können wir in einen intellektuellen,
jüdischen Gedankenaustausch treten. Sie ist auch ein ganzes Stück älter als er, ich glaube so zehn
Jahre, oder? Sieben, acht Jahre ist er älter. Sie stammte aus dieser Welt, wo sie offensichtlich
gedacht hat, Israel gleich zur Weltunion und sie hat das gleichgesetzt, den Widerstandsgeist, den
man haben muss gegen die Autorität, das hat sie nach Israel hinein verpflanzt in ein demokratisches
Land. Sie hat da keinen Unterschied gemacht. Jedenfalls ist das meine Interpretation, weil sonst
hätte sie nicht so auf ihn zugehen können und sie hat ihm das geschrieben, er hat das gelesen,
er hat sofort reagiert. Es kam dann, das durfte man, kam zuerst ein Austausch, zuerst ein Treffen,
nach einigen Treffen haben die beiden, wie sie sagen, sich verliebt. Sie hat sich scheiden lassen?
Sie hat sich scheiden lassen von ihrem Mann, die vier Kinder, zurückgelassen und hat angefragt,
ob sie ihn nicht heiraten könnte. Sie hat ihn gefragt, ob sie ihn heiraten könnte? Ja, er war
überglücklich. Er hat auch damals wahrscheinlich schon einen Nachwuchs gedacht nochmal, aber er
wollte eine Beziehung aufbauen zu einer Gleichgesinnten und das war sie, diese Larissa. Und es gab eine
Diskussion, kann man das erlauben, dass sie aber sprach nichts gegen eine Heirat, es gab dann eine
Zeremonie im Gefängnis, keine natürlich nicht, irgendwie was draußen, keine großen Feierlichkeiten,
aber es gab diese legale Heirat. Und das Nächstes gab es, das Begehren von ihm und von ihr an Kind
zu zeugen. Das wiederum hat natürlich die israelische Justiz und Öffentlichkeit ziemlich beschäftigt.
Die Frage war, kann man ein sexuelles Treffen im Gefängnis erlauben? Kann man, soll man zulassen,
dass eine künstliche Befruchtung mit Jigal Amir Samm stattfinden kann außerhalb des Gefängnis?
Darf ein Mörder seine Gene weitergeben? Er wollte es und wahrscheinlich ist es jedenfalls
ein israelischen Gericht so entschieden, ein Grundrecht, das keinem genommen werden darf,
auch nicht einem lebenslänglichen Mörder. Es gibt zunächst mal so eine technische Lösung,
also so einen technischen Kompromiss, die beiden dürfen sich nicht sehen, aber sein Sperrmörder
auf das Gefängnis verlassen. Das war ein hohem Stritten, ist aber so gekommen. Später gab es
dann tatsächlich auch noch eine normale Befruchtung. Man weiß nicht so richtig, wie es was von beiden
nun, aber jedenfalls sie haben einen Sohn bekommen. Jinnon Elia heißt er. Elia, der berühmteste Prophet der
Bibel. Und Jinnon heißt himmlischer Garten und ist ein nordafrikanisch-arabischer Name. Ja,
erstaunlich, aber eben trotzdem. Als dritten Namen haben sie gewählt Shalom, was Frieden heißt
auf israelisch. Und den Zeitpunkt der Beschneidung des Babys, die ersten Beschneidung des Babys haben
sie am 4. November festgelegt, den Jahrestag des Attentats auf den Rabin. Alles, alles,
alles voller Symbolik. Du hast Larissa Amir gesprochen. Ja, das war eigentlich für mich
die größte Überraschung und seine Tat verteidigt. Und wie bist du überhaupt an sie rankekommen?
Ja, das ist eine längere Geschichte. Über einen Anwalt, über einen Freund, der Anwalt sagt
hinein, der Freund sagt, wir versuchen über den nächsten Bekannten und so. Irgendwann kam
dann der Durchbruch, dass ich die Nummer bekam und die Zusage, dass sie sich auch interviewen lassen
wollte. Und ich war sehr, sehr skeptisch erstens mal. Kann man das überhaupt so machen? Ich denke,
ja. Das zweite war erlaubt sie mir Zitate oder wie das ganze Interview zu drucken. Und das dritte
war ja, wie wir es überhaupt reagieren. Und geht sie dann ran? Ist sie es überhaupt? Und es gab
dann dieses Gespräch und sie war, wie soll ich das sagen, sie war sehr kühl, sehr entgegenkommt,
nicht herzlich, aber durchaus bewusst ihrer Entscheidung, die sie da getroffen hat und nicht
in irgendeiner Form entschuldigen. Sie hat sehr genau aufgepasst, was sie gesagt hat. Am Anfang hat
sie gesagt, ich verstehe seine Tat. Sie hat nicht gesagt, ich billige seine Tat, aber ich
verstehe seine Tat und ich billige seine Art und Weise, wie er damit umgegangen ist. Und im
weiteren Verlauf des Gesprächs hat sie dann aber ungeheuerliche Dinge gesagt, wie ich finde,
nämlich, dass sie glaubt, dass durch diese Tat möglicherweise mehr Leben gerettet wurden, weil
Rabin dieses Land ausverkauft hätte und es zu mehr Terror gekommen wäre. Und sie ist eben ganz auf
dieser Schiene, wie er auch, es war ausverkauf, es war berechtigt, dagegen aufzustehen. Sie hat
knapp davor Schluss gemacht zu sagen, es war berechtigt, ihn umzubringen. Darf ich mal fragen,
wenn du jetzt mal heraustrittst aus unseren gewohnten Trampelpfaden des Denkens und auch der
Wahrnehmung hier, kann es sein, dass ihr Recht hat? Dass es zu mehr Gewalt gekommen wäre, wenn es eine
Verschiebung der Landverhältnisse gegeben hätte? Also es wäre erst mal eine große Chance gewesen.
Und das Nächstes kann man durchaus auch sagen, es hätte mehr Gewalt geben können,
im Nachhinein ganz schwer abzuschätzen. In der Situation von damals und mit der Bereitschaft von
allen beteiligten Gruppen Frieden zu schließen, hätten, glaube ich, die Chancen überwogen. Die
Aussage, dass Jigal an mir sozusagen Leben gerettet hat durch diesen Mord, finde ich nach wie vor
ungeheuerlich und finde ich auch, kann man nicht billigen, so kann man nicht denken. Sie nennt
ihn ja sogar einen Märtyrer. Ja, ja. Sie wollte das Wort eigentlich nicht so richtig einfühlen,
als ich gefragt habe, dass ich ja natürlich, und er ist ein politischer Gefangene, auch eine
Ungeheuerlichkeit in der Demokratie, wo ein Mensch den Ministerpräsidenten umgebracht hat,
käme man nicht unbedingt darauf, ihn einen politischen Gefangenen zu nennen. Aber sie sieht
eben dieses Israel als eine Vorzuzug des autoritären Regimes, dass sie in der Sowjetunion kennengelernt
hat und mit dem ganzen Recht des Widerstands. Die ganze Geschichte des Volkes Israel ist an Kampf
um Boden, oder? Mit Boden wird Krieg geführt, mit Boden, auf dem man Häuser baut. Es ist eine
Religion, die eine unglaubliche Verwurzelung im Nahen Osten hat und die nicht wie das Christentum
losgelöst ist von diesen Gegebenheiten und von dieser Region, sondern sie hängt an dieser Region
und das ist auch eine große Faszination. Also ich fahre jetzt auch wieder nach Israel, weil ich
natürlich auch ein Bibelkundig bin, an dieser Stelle ein kleiner Hinweis auf meinen Podcast
und der Pfarrersteuchter. Zudem hatte ich schon das Gefühl, wir haben uns verirrt, aber es waren
gute, sehr gute Hilfe für die Verirrung. Aber es ist natürlich, ich mein Gott kommt in der Hymne vor
in jedem, in jeder Äußerung, sind biblische Zitate zu hören, zu lesen, obwohl sehr, sehr viele
Israelis nicht an Gott glauben. Wird dieses Volk trotzdem von einem Gott zusammengehalten,
an denen die Mehrheit nicht glaubt. Und trotzdem ist er eine Identifikationsfigur, aber auch eine
Erdachte. Wie Sie schon gesagt haben, eine starke Trennung. Es gibt eigentlich zwei Israels. Es ist
wirklich in Tel Aviv, finden Sie dieses Phänomen relativ selten, westliche Stadt, Tel Aviv, Berlin,
New York. Das ist das Dreieck der jungen Leute heutzutage. Nachtleben und Ausgehen und Hedonism.
Dann haben Sie auf der anderen Sadiose leben, ein ganz gegenteiliger Gesellschaft. Und eben in
den besetzen Gebieten oder in den Siedlungen, größtenteils auch teilweise sogar auch Sekulare,
die siedeln, aber größtenteils eben auch Leute, die sagen, das ist unser Anspruch. Das ist unser
Recht hier zu siedeln, das ist biblisches Land. Es ist unglaublich faszinierend diese Welt. Also ich
bin ja selber ein Teil dieser Welt sozusagen und kenne sie gut und man versinkt darin. Man kann
sich das gut vorstellen, diese Prophezeiungen, dieser große Auftrag, den jeder hat. Und diese
Verheißung, es wird dir alles gelingen, solange du nur treu zu diesem Jachweh stehst. Also ein
in sich geschlossenes Weltbild, in dem man untergehen kann. Für Jigal Amir ist es dieses Weltbild,
das ihn zum Attentäter macht. Seine Frau Larissa sagt über ihn, er ist kein Krimineller. Er handelte
aus Verzweiflung. Kannst du das nachvollziehen? Nein, diese Verzweiflung, die er für sich
behauptet hat, in die hat er sich hineingesteigert. Die hat auch nicht die Mehrheit der Israelis
damals geteilt. Er hat sich als die Speerspitze gesehen, einer Bewegung und ich glaube, er sieht
sich auch heute noch als ein Helden, der etwas gemacht hat, was dieses Land in seinen Augen
voranbringt oder jedenfalls was verhindert hat, dass es weiter absinkt, versinkt. Wir können die
Geschichte nicht zurückdrehen, wir können nicht herausfinden, was passiert wäre, hätte es dieses
Attentat nicht gegeben, wäre diese Politik der Annäherungen fortgesetzt worden. Ich weiß noch,
ich habe das Bild noch mal vor mich gelegt mit diesem Händedruck. Ich weiß noch, wie viel Hoffnung
für den Rest der Welt mit diesem Händedruck verbunden war. Vielleicht, bevor du dich jetzt
verabschiedest, denn ich höre schon den Sound, würde ich mich noch interessieren, was aus dem
kleinen Jinnon geworden ist. Ja, der Amir Larissa-Sohn ist jetzt 15 Jahre alt und ich habe
natürlich auch gefragt, wie geht er denn mit ihm um und wie geht sie denn mit ihm um, wie erzählt
sie die Geschichte? Und sie hat gesagt, das war natürlich am Anfang sehr schwer, sogar vier,
sechsjährige, sie hat einmal gefragt, wo ist Papa und so. Da hat sie das sehr verbremt und ihm nicht
richtig erzählt, aber als er zwölf war und dann sich bewusst war und auch in dieser religiösen
Schule in der er aufgewachsen ist, dann hat sie ihm alles erzählt und alles erklärt. Und sie sagt,
er hat das alles begriffen und er diskutiert jetzt mit seinem Vater, wenn immer sie Gelegenheit haben,
das geht nur in regelmäßigen Abständen, das ging jetzt lange natürlich wegen Covid dann auch nicht.
Sie haben eine bestimmte Zeitfenster, wo sie ihn sehen dürfen, Frau und Sohn, aber da wird
offensichtlich über den Mord und über religiöse Themen gesprochen, sodass man sich fragt, wer hört
dazu, was bedeutet das alles? Und die ganz große Frage ist natürlich bei den Ultrar religiösen
und bei den anderen Ultras von Ben Quirr, gibt es durchaus eine Bewegung, die sagt, befreit ihn
aus dem Gefängnis. Lieber Erich, ganz ganz herzlichen Dank für diesen tiefen Einblick in die
Geschichte und die Befindlichkeiten dieser ganz besonderen Weltregion. Ja, ich danke dir auch,
wir haben ja hier unterschiedliche Formen von Tötungsdelikten, aber manches Tötungsdelikt
wirft die Welt im wahrsten Sinne des Wortes aus der Bahn und danke, dass du uns das heute erklärt
hast. Sehr gerne, vielen Dank.
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Jitzchak Rabin, der größte Friedenspolitiker Israels, suchte Versöhnung mit den Palästinensern. Das kostete ihn sein Leben. Rabins Mörder Jigal Amir gilt manchen bis heute als Märtyrer und fand erst im Gefängnis die Frau seines Lebens.
In Folge 137 sprechen Sabine Rückert und Andreas Sentker mit dem ZEIT-Autor Erich Follath über eine Bluttat, die die ganze Welt veränderte – und über einen rätselhaften Täter.
Der Text zur Folge ("Gottes Hass, Gottes Liebe") ist im Juni 2022 in der ZEIT erschienen.
Die neue Ausgabe des Kriminalmagazins "ZEIT Verbrechen" liegt am Kiosk und ist hier online bestellbar. Sie möchten zwei Ausgaben zum Kennenlernpreis testen? Dann klicken Sie hier.