NZZ Akzent: Er bekam Elon Musks Rache zu spüren

NZZ – täglich ein Stück Welt NZZ – täglich ein Stück Welt 10/2/23 - Episode Page - 15m - PDF Transcript

Dieser Podcast wird ihn präsentiert von der LGT, ihrer Privatbank in der Schweiz.

NCZ-Aktzent

So ja, da ist jemand gefragt.

Ja, tatsächlich. Wir sind im Jahr 2022.

Joel Roth, ein um die 30-Jähriger Amerikaner, hat ein großes Problem.

Sein Handy vibriert ununterbrochen.

Seit Stunden erhält er Nachricht um Nachricht jede Minute auf allen Kanälen.

Es erreichen ihn viele Drohungen, Beleidigungen.

Er ist schwul und jüdischer Herkunft.

Und das nehmen die Leute als Hintergrund hin zu Piesacken.

Er hält dann sogar auch Morddrohungen.

Okay, und warum?

Im Netz sind plötzlich Gerüchte aufgetaucht.

Joel Roth sei Pädophil. Das sind falsche Anschuldigungen.

Dahinter steckt niemand Geringeres als der gegenwärtige Twitter-Chef Elon Musk.

Joel Roth arbeitete lange bei Twitter und wollte den Online-Hass unterbinden.

Doch dann wendet sich die Plattform gegen ihn, erzählt Technologiere-Daktoren Joja da Silva.

Ich bin Antonia Moser.

Also Joja, Twitter gibt es ja offiziell jetzt nicht mehr.

Aber wir sprechen trotzdem noch von Twitter?

Ja, der Dienst heißt im Moment Ex.

Elon Musk, als er es übernommen hat, hat es unbenannt.

Aber das ist ja noch nicht so lange so.

Und während Joel Roth für die Firma gearbeitet hat,

hieß sie noch Twitter.

Er selbst spricht auch immer noch von Twitter.

Und ich habe ihn an der Rande eines Kongresses getroffen, in Zürich.

Und habe mit ihm gesprochen.

Und ich würde mal sagen, der Einfachheit halten,

bleiben wir doch einfach bei Twitter.

Aber Joel Roth, was hat er denn genau bei Twitter gemacht?

Ja, vielleicht kurz zu seinem Hintergrund.

Er hat Kommunikation studiert, also doktoriert

und von Anfang an interessieren in soziale Netzwerke.

Es geht ihm schon immer darum, eigentlich Plattformen sicherer zu machen.

Und in diesem Interesse hat er sich bei Twitter gemeldet, als Praktikant.

Er wollte ihre Contentmoderation untersuchen.

Contentmoderation, was ist das genau?

Dort geht es darum, dass Online-Inhalte gelöscht oder moderiert werden,

sprich, Falschnachrichten oder Verschwörungstheorien

bekommen Warnhinweise aufrufe zu Hass, Rassismus, Pornografie, Gewaltdarstellungen,

Terrorpropaganda, das wird gelöscht.

Und das untersucht Joel Roth dann bei Twitter?

Genau, dafür wird er dann auch fest angestellt bei Twitter

und er versucht, diese Contentmoderationsregeln zu verbessern.

Damit will er eben verhindern, dass Twitter die problematische Inhalte verbreitet.

Und seine Arbeit wird dann ziemlich fest auf die Probe gestellt,

unter anderem durch Donald Trump.

Donald Trump, der war ja ziemlich aktiv auf Twitter.

Ja, tatsächlich schon als Präsidentschaftskandidat

und natürlich dann aber auch während seiner Präsidentschaft.

Er brach ja ständig die Regeln, hat man das Gefühl,

er verbreitete Unwahrheiten während den Wahlen, während Corona.

Und Ross muss sich jetzt darum kümmern, was mit diesen Tweets geschieht.

The question is, how do you do it responsively?

Eigentlich müsste er einige davon löschen,

aber Donald Trump ist halt auch der Präsident und Twitter möchte nicht

einfach die Tweets von einem gegenwärtigen Präsidenten löschen.

Weil sie halt auch sagen, die Menschen sollen ja auch sehen,

welche Rhetorik ihr Präsident online verwendet.

Daher entscheidet Ross in einem Team,

dass seine Tweets nicht gelöscht werden,

sondern mit Warnhinweisen versehen.

Aber dann kommen die Ereignisse vom 16. Januar.

Das ist der Sturm aufs Kapitol in Washington.

Richtig, genau.

Das ist das riesige Chaos im amerikanischen Parlament.

Trump wird dafür ja mitverantwortlich gemacht.

I was part of the team that made the decision to ban him.

Und ein Team um Joel Roth entscheidet,

wir müssen dann Donald Trump verbannen.

Erst kriegt er dafür keine Bewilligung von seinem CEO,

aber irgendwann dann schon.

Also Joel Roth, ein quasi unbekanter, verpasst dem Präsidenten

einen Malkorbetter zugespitzt gesagt.

Ja, das kann man wirklich so sagen.

Er ist damals knapp über 30.

Er sagt auch, diese Entscheidung fiel ihm alles andere als leicht.

Trotzdem sagt er, es war nötig, jemand musste da handeln.

Aber ich nehme an, bei Trump und seinen Anhängen

kommt das gar nicht gut an, dass Ross da handelt.

Ja, das ist richtig.

Er wird auch sehr stark beschimpft, online angegriffen.

Aber es sind ja doch nicht nur Trump-Fans,

die das vorgehen nicht okay finden.

Das kann man ja auch in Frage stellen,

dass eine private Firma so viel macht,

hat überwärts sich am öffentlichen Diskurs beteiligen kann und wer nicht.

Jedenfalls findet auch Elon Musk irgendwann.

Das geht eigentlich gar nicht.

Also warum mischt Elon Musk sich jetzt da ein?

Elon Musk sagt, die Meinungsfreiheit online sei ihm so wichtig.

Er kämpft, wie er es nennt, gegen die Zensur.

Er kündigt an, Twitter zu kaufen, um genau das zu ändern.

Weniger Content-Moderation.

Und das tut er ja dann auch.

Genau, nach langem Hin und Her kauft er dann Twitter tatsächlich.

Er entlässt dann sofort Tausende Mitarbeitende.

Man sagt, Twitter hätte um die 8000 Leute vorher gehabt.

Jetzt sind das noch etwa 1500.

Das ist viel.

Und was ist mit Joel Roth?

Er wird zu seinem eigenen Erstaunen, wird er eben nicht entlassen.

Okay.

Er ist eine Surprise.

Seine Chefin und der Chef, seine Chefin werden entlassen.

Und Roth verbleibt dann ja als Content-Moderator in Chief sozusagen.

Und arbeitet weiter.

Obwohl Musk ja eigentlich öffentlich sagt,

dass er weniger Content-Moderation will,

es braucht es ja trotzdem.

Also die Plattform muss extreme Gewalt, Inhalte löschen,

Terrorpropaganda, das muss gelöscht, das steht im Gesetz.

Man kann nicht einfach die Content-Moderation ganz abstellen.

Also geht es eigentlich zunächst weiter wie bisher?

Ja, zu Beginn eigentlich schon, wobei man auch sagen muss,

der Hass, oder die Hassinhalte auf Twitter,

haben schon sehr stark zugenommen,

seine Elon Musk am Ruder ist.

Aber Roth kann eigentlich relativ gut mit Musk am Anfang,

weil Musk hört auf seine Argumente.

Und entscheidet grundsätzlich in seinem Sinne.

Und Roth denkt an das Bild von Musk als exzentrischer Chef,

sei eigentlich gar nicht so zutreffend.

Aber das hat sich dann sehr schnell verändert.

Was passiert?

Ja Roth merkt, dass Musk, wenn er etwas wirklich will,

es auch einfach durchsetzt.

Also geht es immer weniger um Regeln und Prinzipien in der Content-Moderation,

sondern eigentlich nur noch darum, was Elon will.

Und schon nach drei Wochen unter Musk reicht es, Roth erkündet.

Wir sind gleich zurück.

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Joel Roth geht also weg.

Von Twitter ist er nicht mehr zufrieden.

Was macht er dann?

Er setzt sich hin und schreibt auf,

was seiner Meinung nach bei Twitter falsch laufe.

Diesen Text publiziert er dann bei den New York Times.

Er kritisiert darin unter anderem auch Musk,

der halt auch einfach die Macht an sich gerissen hat.

Und wie reagiert Musk darauf?

Ja, der hat jetzt gar keine Freude an dem Text.

Er greift dann Joel Roth persönlich an.

Er nimmt einen Absatz aus seiner Doktorarbeit,

wo es um den Zugang von minderjährigen zu Dating-Apps geht.

Und er deutet damit an, dass Roth pädophil sei.

Es ist schon ein heftiger Vorwurf.

Und was danach kommt, haben wir ja schon am Anfang gehört.

Ja, richtig.

Er wird dann Spotschaften und Drohungen überschwemmt.

So, almost immediately after he did that,

there was a wave of threats against me.

Eine Zeitung veröffentlicht dann auch noch seine Adresse.

Er brach dann Polizeischutz.

Also vor dem Haus von ihm und seinem Mann steht da die Wache rum.

And so at that point my husband and I had to leave our home.

We had to sell our house a few weeks later.

Schlussendlich müssen sie das Haus aber verkaufen und ziehen weg.

Krass.

Aber unternimmt Roth denn irgendwelche Schritte jetzt

gegen diese Drohungen oder sogar gegen Musk,

der das Ganze eigentlich angefangen hat?

Nein, er selbst sagt, das würde zu lange dauern und zu wenig bringen.

And so, I don't think there's any action I can take against Elon.

Er hat sich jetzt mit diesen Hassbotschaften und den Drohungen einfach abgefunden.

Er gibt aber seinen Kampf für sichere soziale Netzwerke.

Nicht auf, er möchte verhindern, dass es Attacken gibt wie diejenige,

die er jetzt gerade erlebt.

Was macht Roth denn jetzt genau?

Er ging an eine Universität und forschte jetzt zum Thema soziale Netzwerke

und wie man sie sicher machen kann.

Er äußert sich auch öffentlich zu Twitter und zur Branche allgemein.

Er kennt die Branche ja sehr gut.

Er ist ja sehr, sehr gut vernetzt darin und hat sehr lange darin gearbeitet

in einer wichtigen Position.

Er ist weiterhin davon überzeugt, dass es klare Regeln braucht,

denn sonst könne er auch keine Meinungsvielfalt im Internet entstehen.

Wie meinte das genau?

Man muss ja wissen, im Internet ist die Hemmschwelle tief,

irgendwelche Hassbotschaften oder Hetze zu posten.

Das geht da viel schneller als im echten Leben sozusagen, analogen Leben.

Roth weiß aber, und das hat nach Studien gezeigt,

dass wenn man nicht moderiert, also nichts löscht,

dann äußern sich irgendwann die Menschen, gegen die sich der Hass richtet, nicht mehr.

Unrestricted free speech actually leads to less speech, not more.

Das führt dann meistens dazu, dass bestimmte Erlaubensgemeinschaften,

aber auch die LGBTIQ plus Community sich dann zurückzieht.

Und damit geht ja dann auch die Meinungsvielfalt zurück.

Und beobachtet Joel Roth diese Entwicklung jetzt auch bei Twitter,

also dass da eigentlich nur noch die stärksten am lautesten Brüllen

und die anderen sich zurückziehen.

Ja, das beobachtet er genau.

Er berüchtet deswegen auch, dass Untermask sich Hass weiter ausbreitet.

Und dass Twitter in diesem Sinne auch an Bedeutung verlieren wird,

als diese Plattform, wo bisher die Öffentlichkeit verhandelt wurde,

und wo so denn das geschehen, was glaubt man?

Er glaubt, dass es neue Plattformen geben wird, die in die Bresche von Twitter springen.

Plattformen, die eben fair und transparent moderieren.

Er selber ist aber auch wehmütig.

Twitter war ein wichtiger Teil seines bisherigen Lebens,

seine gesamte Karriere eigentlich.

Und deshalb sind diese Entwicklungen für ihn auch,

sie tat, ein persönlicher großer Verlust.

Shoya, bist du noch bei Twitter?

Ich bin noch bei Twitter, aber ehrlich gesagt, ich poste fast nie.

Ich schaue es mir nur an, vielleicht für Recherchehinweise.

Genau, aber selber aktiv bin ich eigentlich nicht.

Danke, dass du da warst.

Danke für die Einladung.

Das war unser Akzent.

Produzent dieser Folge war Simon Schaffer.

Ich bin Antonia Moser.

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Bis bald.

Untertitel im Auftrag des ZDF, 2020

Machine-generated transcript that may contain inaccuracies.

Yoel Roth entschied bei Twitter, welche Posts und Profile gelöscht werden mussten. Bekanntester Fall war Donald Trump, dessen Profil gesperrt wurde. Doch mit der Vision des neuen Chefs Elon Musik war er nicht einverstanden. Mit gravierenden Folgen.

Heutiger Gast: Gioia da Silva, Technologieredaktorin

Host: Antonia Moser

Produzent: Simon Schaffer

Weitere Informationen zum Thema: https://www.nzz.ch/technologie/wir-hatten-eine-erschreckend-grosse-macht-darueber-inwieweit-sich-ein-amtierender-praesident-am-diskurs-beteiligen-kann-ld.1756207

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