Verbrechen: Eine Lüge erfüllt ihren Zweck
ZEIT ONLINE 6/13/23 - Episode Page - 44m - PDF Transcript
Liebe Zuhörerinnen, liebe Zuhörer, ganz herzlich willkommen hier im Büro von Sabine Rückert,
die mir gegenüber sitzt. Mein Name ist Andreas Sendger, ich bin Ressortleiter des Wissens
und Sabine ist stellvertretende Chefredakteur in der Zeit und langjährige Gerichtsreporterin.
Aber wir werden nicht hier im Büro bleiben, Sabine, sondern wir werden jetzt gleich umschalten in
ein Live-Mitschnitt unseres Podcasts aus der langen Nacht der Zeit vom 3. Juni 2023, indem wir
zum ersten Mal mit unseren neuen Podcast-Hosst Anne Kunze, der neuen Kriminalreporterin und Daniel
Müller, dem Chefredakteur von Zeit Verbrechen, unserem Kriminalmagazin aufgetreten sind. Und zwar
in ganz außergewöhnlichen Konstellationen, das können wir schon verraten. Ja, das können aber
dann die Hörerinnen und Hörer selber merken. Was ich noch vorausschicken wollte, ist, dass die
Tonqualität in den ersten 30 Minuten aus technischen Gründen nicht optimal ist, aber man versteht
alles sehr gut. Es klingt nur ein bisschen metallen. Und ja, entschuldigt das bitte und
außerdem wollten wir noch darauf hinweisen, dass wir die kommenden vier Folgen, also alles
Live-Mitschnitte aus der letzten Zeit ausnahmsweise in den kommenden Wochen im Wochenrhythmus ausstrahlen.
Wir sagen jetzt noch mal Dankeschön an Frieda, Frieda Morische, die aus dieser
Aufnahme wirklich alles rausgeholt hat, was rauszuholen war. Und jetzt geben wir rüber zur Uni Hamburg.
Liebe Zuschauerinnen, liebe Zuschauer, Sabina hat Fragen. Ja, ich habe Fragen. Aber erst mal
wollte ich sagen, die Kinder müssen noch drin bleiben. Die dürfen erst nachher raus.
Dürfen die so spät überhaupt nachher? Ja, so jung sind sie nun auch wieder nicht. Aber wir wollten
erst mal über die fünf Jahre, die wir ja jetzt gemeinsam hier und zu zweit bestritten haben,
ein paar Worte verlieren. Wir haben ja Geburtstag und ja, wir haben Fragen aneinander. Zum Beispiel
ich an dich. Ich will von dir wissen. Erinnerst du dich ein bisschen, was hat ja Rainer schon erzählt,
wie das gelaufen ist damals in diesem Führungskräfteseminar, in dem ich damals mit Rainer
zusammengetuckert war und eine Idee haben sollte. Und dann ist mir in aller Eile das
Kriminalmagazin eingefallen. Und dann, als ich mit dem Jochen Wegner Mittagessen gewesen bin und der
Jochen Wegner gesagt hat, willst du nicht ein Podcast machen? Und ich ihn gefragt habe, was ist ein
Podcast? Und er mir gesagt hat, ja, etwas, was man am besten nicht alleine macht. Man braucht einen
Sparringspartner dazu, mit dem man reden kann. Da habe ich mir gedacht, da fällt mir jetzt eigentlich
nur einer ein, das ist der Andreas und zu dem gehe ich jetzt. Und das bin direkt nach dem Mittagessen
gleich beim Andreas vorbei in seinem Büro und habe ihn gefragt, ob er mitmacht. Weißt du das noch?
Ja, das macht sie immer so. Also, da gibt es eine Idee und dann marschelt Sabine los und ihr
könnt euch vorstellen, nicht nur auf der Bühne hat Sabine einen Auftritt, sondern auch in meiner
Büroti auch. Hat ja auch funktioniert. Ja, funktioniert meistens. Ich übe immer noch ein
entscheidendes Wort zu sagen, das hat vier Buchstaben und heißt nein, aber ich bin ganz
glücklich, dass ich ja gesagt habe. Aber damals muss ich sagen, nicht so glücklich ausgesehen,
du hast eher bedenklich ausgesehen und ich war mir auch nicht sicher, ob du wirklich mitmachst.
Ja, ich habe gesagt, wir machen mal fünf Folgen und dann gucken. Ja, genau. Jetzt sind es 150 ungefähr.
Ich habe aber noch eine weitere Frage an dich. Du hast ja ein paar Zahlen ermittelt. Ja, du bist ja
kein großer Ermittler, sondern eher ein Wissenschaftler. Aber diesmal hast du was ermittelt
und zwar über unseren Podcast, worüber ich sehr überrascht war und was sehr lustig ist. Magst du
uns die Zahlen vortragen? Also, wir sind ja am 24. April 2018 zum ersten Mal rausgekommen mit unserem
neuen Podcast. Ich habe mal nachgeguckt, wie viele Leute uns an diesem Tag gehört haben. Also bei
Spotify bei einer der Plattformen. Das waren 108. Ich habe dann, man kann so diese Kurve langgehen,
ich habe dann einmal den Tag rausgesucht, an dem uns am allermeisten Menschen gehört haben. Da haben
wir gerade, du erinnerst dich, den Fall Wedel gemacht und das waren an einem Tag nur bei Spotify,
das ist ein kleiner Ausschnitt sozusagen. Eine Plattform, 250.000 Menschen gehört.
Rainer hat schon gerade gesagt, wie oft wir im Monat gehört werden. Es gibt mal solche,
mal solche Monate, der schwankt. Das schwankt. Je nach Wetterlage und je nach dem, wie viele
Menschen reisen oder gerade bügeln. Also im Urlaub und also um Jahreswechsel werden wir besonders
viel gehört im Urlaub. Also wenn die Leute Zeit haben. Die schönste Zeit hatten wir tatsächlich
jetzt im vergangenen April. Also 04, 20, 23, 24, 4, 4 Millionen. Das fand ich sehr lustig.
Und ich habe mit Frieda telefoniert. Frieda Maurische ist unsere Produzentin. Ich fühle mich
immer schon ganz komisch, wenn ich alleine mit Sabine da sitze, weil Frieda passt immer auf
uns auf, wenn wir aufnehmen. Ich dachte, damit hier nichts passiert. Und ich habe Frieda gefragt,
wie viel haben wir denn jetzt inzwischen aufgenommen? Also wir haben jetzt tatsächlich 141 Folgen,
die veröffentlicht sind. Es gibt noch ein paar, die fertig sind. Danke liebe Frieda dafür. Das ist
ein großartiges Geschenk mit solchen Kolleginnen, mit solchen Menschen zusammenarbeiten zu dürfen.
Durchschnittlich 50 Minuten. Also sind wir jetzt letztlich leicht ausrechnen, aber etwas mehr als 7000
Minuten. Und wer heute Abend anfangen würde uns durchzuhören, du guckst ja auch manchmal Serien,
machst so Bittysportchen. Wie alt wird er dann, wenn er aufhört? Fünf Tage älter. Es ist noch gar nicht so.
Das geht ja noch. Und wir haben doch einen Hörer in Kassarstan, oder? Richtig, also wir werden
inzwischen in 135 Staaten gehören. Und ich muss zugeben, in Kassarstan gab es einen Download.
Ja, hast du denn auch Fragen an mich oder bist du wunschlos glücklich? Ja, die eine Frage hast du mir
schon vorweggenommen, obwohl wir sie eigentlich abgesprochen hatten, nämlich dass ich die Frage,
ob du weißt, wusstest, dass es was ein Podcast ist, als Jochen dich gefragt hat. Das haben wir
ja jetzt schon geklärt. Aber auf dem Magazin steht ja jetzt das Magazin zum Podcast. Ja,
das ist aber falsch. Ich finde, das ist der Podcast zum Magazin, oder? Ja, es ist andersrum. Das
Magazin hat andere Geschichten als der Podcast. Das ist nämlich, darf man nicht verwechseln,
das Magazin hat damals, das habe ich mitlebert und wirklich, Reiner hat recht, ohne Budget,
XR Mulo, haben wir das produziert und dann waren wir erst zweimal im Jahr dran und dann hat sich
aber dermaßen gut verkauft, dass wir viermal im Jahr gemacht haben und dann konnte man es aber auch
nicht mehr machen. Also so übern Durst, es war ja ein Wochenendprojekt oder ein Feierabendprojekt.
Das ist unser Podcast ja immer noch so. Ja, ist immer noch so. Und dann haben wir gesagt,
also wir müssen eine richtige Redaktion her, das können wir gar nicht mehr machen. Und dann kam
Daniel Müller und hat die Sache übernommen und jetzt gibt es sechs Ausgaben im Jahr. Die nächste
kommt am 13. Juni und ist wieder super. Wir haben nur noch eine Frage, warum sind
das zwei Stühle frei? Ja, warum sind zwei Stühle jetzt frei? Hallo, kommt mal raus hier.
So, und für diesen beiden Personen gibt es jetzt auch noch was zu sagen. Das hier ist Daniel
Müller, der Chefredakteur von Zeit Verbrechen. Das ist Anne Kunze, die neue Kriminalreporterin
und zuständig für den Podcast. Und die beiden werden zusammen mit uns den Podcast weiterführen,
denn uns wächst die ganze Sache jetzt langsam über den Kopf. Wir haben jetzt auch die Filmveranstaltungen.
Wir müssen ständig auf Sets gehen und Interviews geben und sonst was. Deswegen sind wir jetzt zuviert,
weil das Ganze der ganze Hefengloß auch geht. Und wir werden auch den Podcast jetzt zuviert
machen. Andreas und ich als altgewohntes Paar. Und die beiden kommen jetzt dazu. Und das werden
sie ab diesem Sommer. Das wird jetzt veranstaltet. Und auch heute werde ich keinen Fall erzählen,
sondern Daniel wird einen Fall erzählen und dann Anne. Und wir werden über zwei Fälle heute Abend
reden, die die beiden recherchiert haben. Und dann können wir loslegen. Können wir loslegen? Wir
legen los, Daniel. Wir legen los. Mit einer Geschichte, die du im Jahr 2018 veröffentlicht
hast. Und es beginnt damit, dass am 13. September 2017 eine 28-jährige Frau auf die
Polizeivache 65 in Berlin kommt. Was hat sie auf dem Herzen? Sie kommt, das muss man vielleicht
noch mal vorwegschicken, überhaupt nur auf die Polizeivache, weil bei ihr die Polizei einen Tag
vorher vor der Tür stand, weil sie gerufen wurde, nachdem es ein Gerangel an der Tür gab. Ein
Gerangel zwischen einem Mann, den sie offenbar kannte, ihr Lebensgefährte, um den es jetzt auch
gleich gehen wird, ein 18-jähriger Iraker, namens Hussein. Der kannte diesen Mann aber nicht. Und
der war wahnsinnig eifersüchtig und glaubte aus irgendeinem Grund auch, dass dieser Mann, der
Tanja, so heißt sie, Geld schulde. Und dann gab es einen Gerangel und der Mann hat dann die Polizei
gerufen, worauf ihn die Polizei feststellte, es gibt einen offenen Haftbefehl gegen diesen
18-jährigen Mann. Den nehmen wir gleich mal mit. Und das hat Tanja zum Anlass genommen. Tanja lebte
mit einem zehnjähriger, jüngeren Mann zusammen, gegen den ein Haftbefehl vorlag, der aber offenbar
nicht vollzogen war. Der lag auch noch nicht so lange vor, muss man sagen. Der lag ein paar Tage und
war noch nicht vollstreckt. Und weil man ihnen designer nicht haphaft geworden ist und weil er jetzt mit
seinem Nebenbohler ins Gerangel kam, hat die Polizei die Gunsterstunde ergriffen und ihn mitgenommen.
Genau. Und die Gunsterstunde ist vielleicht ein bisschen euphemistisch formuliert. An der Stelle
nutzte auch Tanja, um dann folgende Geschichte zu erzählen. Das ganze war Anfang Oktober, die
Geschichte selber, die sie berichtet, trug sie am 13. September 2017 zu und die geht so nach den
Worten von Tanja G. Zwar eigentlich ein ganz normaler Tag, die beiden saßen in ihrer gemeinsamen
Wohnung, sind seit acht Monaten zusammen, er wohnt aber schon seit sechs Monaten bei ihr, hat vorher
einer Flüchtlingsunterkunft gelebt, er hat ihn dann zu sich geholt. Dann haben die beiden sich mal
wieder gestritten, weil er sehr eifersüchtig gewesen sei und plötzlich sei er völlig ausgerastet.
Habe sie erst mal angeschrien, das habe er wohl häufiger getan, sagte sie, aber dann passierte
etwas, was er eigentlich noch nie getan hatte, dann wurde er plötzlich ganz, ganz still. Und das macht
ihr wohl schon so ein bisschen Angst und sie saß da auf dem Sofa, ihm gegenüber, fast ganz nackt,
nur mit einem BH bekleidet und wollte irgendwie aus der Situation raus und dann habe er sie auf
das Sofa zurückgeworfen, habe plötzlich ein Handyladekabel geholt, ihr die Hände gefesselt,
mit seinem Gürtel die Beine gefesselt und habe dann eine Rasierklinge geholt und sie ganz langsam und
fast genüsslich geritzt und geschnitten, abwechselnd an den Armen und an den Oberschenkeln. Dann habe er
ihr das Blut aus den Wunden gesaugt und sie angespuckt mit dem Blut und habe in einem ganz nüchternen Ton
gesagt, du Schlampe, du hast es nicht anders verdient und dann habe er sie da liegen lassen,
sei in die Küche gegangen, habe eine Zitrone geholt und Salz und habe das Beis vermischt
und ihr dann in die Blutenden Wunden geträufelt. Das habe höllisch gebrannt, sei eine wahnsinnige
Qual gewesen und es sei quasi der Höhepunkt eines Materiums der letzten sechs Monate gewesen,
indem sie eigentlich das Haus habe praktisch nicht verlassen dürfen, er habe sie da eingesperrt
in dieser kleinen Wohnung, habe sie ständig gedemütigt, gequält, klein gehalten und sie sei froh,
dass dieser Anlass, diese Verhaftung nun endlich dazu führe, dass sie das sich mal von der Seele
und wie ging die Sache weiter? Was hat die Polizei gemacht? Was hat die unternommen?
Die Polizei hat ihr empfohlen, nachträglich in die Rechtsmedizin der Charité zu gehen,
um die Wunden untersuchen zu lassen. Hat die Anzeige natürlich aufgenommen,
er saß ja ohnehin schon in Haft, das heißt, die konnten in Ruhe ermitteln, ohne seiner noch Haaphaft
werden zu müssen und hat im Grunde genommen versucht irgendwelche Zeugen noch zu finden und hat aber
parallel auch noch die anderen Vorwürfe, die gegen ihn bestanden, das nur so kurz geschildert,
er war so ein Drogenmilieu unterwegs in Berlin und soll auch mit Drogen gedielt haben und einmal
habe er dann auch einen Polizisten vor Schienbein getreten und die Polizei wähnt ihn irgendwie
als Teil eines Drogendealer rings, deshalb gab es auch diesen Haftbefehl. Ja, die Aussage der
Frau war jetzt nicht der Grund für den Haftbefehl, sondern der Haftbefehl bestehend aus anderen Gründen.
Genau, sie hat da oben drauf gesattelt. Ganz genau. Und was sagt die Rechtsmedizin?
Und dann geht sie also in die Rechtsmedizin, die stellt auch wahnsinnig viele Wunden fest,
nicht nur die ca. 10, die er ihr beigefügt haben soll, sondern fast 30 Wunden ältere und frische,
wo sie dann auch zugegeben hat, die habe sich früher durchaus auch mal selbst geritzt in schwierigen
Phasen, wo sie mit dem Druck des Lebens nicht klargekommen sei, aber diese Verletzung, die sie
dann präsentierte, die seien eben frisch und die habe der Hüße ihn ihr beigebracht. Die Rechtsmedizinerin
holt noch eine Kollegin dazu, die gucken sich das beide gemeinsam an und sind sich relativ schnell
einig, dass die sehr, sehr wahrscheinlich selbst beigebracht sind, diese Verletzungen. Insbesondere
deshalb, das kann man immer ganz gut sehen, wenn die Schnitte sehr gerade ausgeführt werden,
dann spricht das für eine Selbstverletzung. Das ist eigentlich kein Muster, was jemand was
antut, weil dann gibt es ja meistens ein Gerangeln und dann gibt es irgendeine Art und Weise Abwehr
und dann passieren die Schnitte nicht so gerade. Deswegen waren die relativ schnell sicher,
das ist selbst beigebracht und haben bei dem ermittelnden Kriminalkommissar angerufen bei der
Polizei Berlin und dem das auch mitgeteilt und gesagt, sie könnten durchaus ein Gutachten erstatten
darüber, aber das müsste dann halt von der Staatsanwaltschaft den Auftrag gegeben werden
und diesen Gutachtenauftrag erwarten sie dann. Und? Den gab es nie. Die Staatsanwaltschaft wollte
also einen Fall gehabt, das schwere Körperverletzung war angeklagt. Gefährliche Körperverletzung?
Und Sie haben dazu kein rechtsempathetische Expertise angefordert, sondern haben gesagt,
Pi mal Daumen wird schon stimmen oder? Die hatten quasi nur das Verletzungsbild,
also das hatten sie aus der Charité, das hatte der Kriminalkommissar auch bekommen.
Da drin war allerdings, es war eine reine Anamnese, also da war nichts weiter über die Herkunft dieser
Wunden vermerkt und der Kriminalkommissar offenbar jedenfalls, denn das hat die Staatsanwaltschaft
dann später gesagt, hat diese Information auch nie bekommen von diesem Kommissar. Ich habe
natürlich die Geschichte gemeinsam recherchiert mit meinem Kollegen Miguel Helm und wir beide haben
natürlich auch dann die Polizei Berlin konfrontiert und die sagte nur, ihres Wissens gab es nie
ein Telefonat zwischen der Rechtsmedizin. Ist ja noch verrückter, dass sich das ein Opfer zur
Rechtsmedizin geschickt wird und dann will niemand wissen, wie es ausgegangen ist. Aber so war es
und die Staatsanwaltschaft hat dann Anklage gegen ihn erhoben wegen gefährlicher Körperverletzung.
Er saß sieben Monate in Untersuchungsaft und dann ging der Prozess. Dann hat man eine Anklage
geschrieben, ohne dass man in irgendeiner Form eine medizinische Einschätzung der Wunden hatte.
Ja, also es gab nur ihre Anklage. Dann habe ich sowas überhaupt noch nie gehört.
Es hat offenbar mit der Herkunft dieses Anklagen zu tun, wo man gedacht hat, den kann man mal
ohne weiteres unterpflügen, weil sich nicht weiter jemand für ihn interessiert. Hatte der denn kein
Verteidiger? Ja, also nach dem Motto natürlich, also dem müssen wir eh von der Straße holen mit
seinen ganzen Drogeneskapaden und jetzt kommt das noch on top. Das glauben wir mal blind und
natürlich, also das kann man niemandem unterstellen, aber ich sage mal, es riecht schon sehr, sehr übel
danach, dass der Kriminaloberkommissar, der das ermittelt hat, dem das ganz gut zu pass kam,
dass er da in Iraka von der Straße holen kann. Wir werden ja dann hören, was das Gericht zu der
Sache sagt. Er war natürlich verteidigt und der hat das eigentlich auch ganz gut verteidigt, weil
der seinem Firmenhof heißt, der Strafverteidiger aus Berlin, der sehr guter Verteidiger, der sich
sehr engagiert hat für seinen Mandanten und gesagt hat, Leute, das kann doch nicht euer Ernst sein,
aber wir werden das dann vor Gericht schon alles beweisen. Es wird sich da zeigen. Er hat dann
gesagt, okay, vorher kriegen wir das, kriegen wir die Kuh jetzt nicht mehr vom Ei ist, aber in dem
Prozess wird sich das schon zeigen. Es wird sich aufklären. Es geht ja gar nicht anders. Er hat
immer an die Unschuld seines Mandanten geglaubt. Was ist das für ein Mandant? Hast du den gesehen?
Hast du ihn kennengelernt? Was hat der für eine Geschichte? Wir haben ihn beide kennengelernt. Miguel
und ich haben ihn getroffen. In der Kanzlei seines Verteidigers, ein ganz unscheinbarer, feingliedriger,
zarter Mann, junger Mann, damals gerade erwachsen gewesen, der immer noch 19, also da hätte er ja
noch unter das Jugendstrafrecht fallen können. Aber in dem Fall auch so. Ach, vieler dann. Ja,
der Prozess stand unter Ausschuss der Öffentlichkeit statt, Westin und Plädoyer, da war die
Öffentlichkeit dann wieder zugelassen. Der immer so ein bisschen Psychiater sagen,
Paratym lächelte, also so an den ganz falschen Stellen lächelte. Der hatte seine Emotionen
einfach überhaupt nicht adäquat im Griff. Der handelte quasi im Gesicht immer ganz anders,
als die Situation es eigentlich verlangt hätte. Er war sehr einsilbig, so fast so ein bisschen
Devot. Vielleicht kann man sich ja auch vorstellen, wenn man noch nie, als es ein Fremdes leint,
da kommt ein großes Medium. Journalismus im Irak ist natürlich was anderes als in Deutschland.
Er war so selbst verunsichert, was er eigentlich erzählen möchte, was er erzählen darf. Ich
habe ihn als Schüchtern und auch so ein bisschen nicht bei sich selbst mit seiner eigenen Person
übereinstimmend erlebt. Da kommen wir vielleicht noch zu zu seiner ganzen Biografie, die hat er
uns dann erzählt. Und immer wenn man so in die Tiefe wollte auf die Beziehungsebene ist,
was hat ihm das bedeutet, was hat ihm jenes bedeutet, da fiel ihm dann immer nicht so viel
ein. Also das war so ein bisschen, die Reporter sagen immer, man kriegt da so schwer Fleisch
an diesem Knochen. Also zweidimensional? Ja, vielleicht ein bisschen schlicht. Was hat
er denn für eine Geschichte, wo kam er denn her? Er ist in einer Kleinstadt in Irak geboren, 1998.
Als Ältestes von Instagram sieben Kinder, vier kleine Schwestern, zwei kleine Brüder, der Vater,
Hotelmanager, die Mutter Hausfrau, also Mittelstand im Irak. Der Vater hatte zusätzlich noch so
eine Viehzucht. Wir müssen uns jetzt die Jahre, in denen er aufgewachsen ist, nach 98 bis 2015 hat
er in Irak verlassen. Das war natürlich im Irak eine schreckliche Zeit. Kriegsgebäutelt,
eigentlich fast die ganze Zeit in verschiedenen Kriegen, in der Zeit 2013 bis 2017, im Bürgerkrieg
mit dem islamischen Staat. Da hat er viele üble Sachen erlebt, insbesondere auch, weil er so nied ist,
noch in der religiösen Minderheit. Einmal kam die Polizei vorbei, hat einfach seinen Vater aus
dem Haus geführt, hat die ganzen Kinder antanzen lassen und dann wurde der Vater vor den Augen
der Kinder verprügelt und gedemütigt. In der Schule wurde er ständig geschlagen, hat dann später,
als er exploriert wurde, von der forensischen Psychiaterin, hat er mal gesagt, die Jugendstrafanstalt
in Berlin, die ist ein Fünf-Sterne-Hotel gegen die Schule in Irak. Also der hatte einfach einen
wirklich Kriegs- und Traumagebeuteltes Aufwachsen und das hat er auch sehr schwer mit sich herum
getragen. Und letztlich, warum er dann aber als Einziger der Rest der Familie ist im Irak geblieben,
warum er dann den Irak verlassen hat, war, weil er sich in eine Frau verliebt hat. Die hat seine
große Liebe bezeichnete, da waren die beide 17. Das ist so genau der Punkt, den ich gerade schon
mal versucht habe zu skizzieren. Da würde man sich ja jetzt erwarten in so einem Gespräch,
da geht er so in die Tiefe, da will er was erzählen über diese Frau, aber da kam fast
gar nichts. Also wir konnten dann nicht so richtig hinter die Gardinen blicken seiner Seele. Fest steht
nur, er hatte eben diese Beziehung, auch eine sexuelle Beziehung und davon haben ihre Eltern
erfahren und da das ja keine arrangierte Vereinbarung war zwischen den beiden, sind die Eltern völlig
ausgerastet. Also die hatten mit ihrer Tochter was anderes vor? Genau. Und haben ihn mit dem Tode
bedroht. Und dann hat der Vater sein Geld zusammengekratzt, hat einen Schleuser bezahlt und
gesagt, du musst hier weg. Also keine klassische Fluchtgeschichte, sondern der musste sozusagen
aus privaten Gründen abhauen. Ja, der war also mit dem Tode bedroht und ist dann 2015 wie so viele
andere auch über die Türkei, Griechenland und die Balkanroute nach Deutschland. Ist diese Geschichte
später mal verifiziert worden oder ist das allein seine Erzählung? Das ist seine Erzählung, die sich
aber das Gericht dann auch zu eigen gemacht hat und auch die forensische Psychiaterin nicht
angezweifelt hat. Die hat im Grunde genommen auch über fast alles, was er gesagt hat, gesagt,
das ist sehr stimmig. Also er neigt nicht zu Übertreibung, nicht zum Ausschmücken, das habe
ich auch schon skizziert, das neigt er nicht. Ich sage das fast nix, also ausschmücken kann man das nicht
bennen. Aber sie bezeichnet ihn da so als sehr adäquat in seinen Geschichten. Das muss ich
mal glauben und habe ich ihm auch geglaubt. Wie geriet er jetzt an unsere Tania? Er hielt sich
dann, also nachdem er fünf Tage in Halberstadt in dem Verteilungszentrum... 2015 ist er glaube
ich gekommen, ist er nach Berlin verschickt worden. Man muss wissen, allein in dem Jahr war
er fast eine Million Geflüchtete, die nach Deutschland gekommen sind, davon allein 70.000 nach Berlin.
Es war ein heiloses Durcheinander, darauf war natürlich die Stadt überhaupt nicht vorbereitet
und man kennt ja nun Berlins Bürokratieapparat und Berlins Kapazitäten mit Problemen umzugehen,
die waren natürlich völlig, völlig überrannt und deswegen gab es auch keine so richtige Hilfe.
Er war ein unbegleiteter minderjähriger Flüchtling mit 17, das Jugendamt hat ihn mal einmal gesehen,
aber ansonsten gab es nichts. Der saß dann in so einer Unterkunft, in Spandau, in so einer Sammelunterkunft
und wusste nix mit seinem Leben anzufangen. War happy irgendwie angekommen zu sein, hat er mir gesagt
und aber super traurig, dass er allein war und dann hat er sich halt irgendwelche Leute gesucht,
mit denen er die Zeit totschlagen kann. Er hatte vorher schon im Irak, um diese ganzen Situationen
dort irgendwie zu verkraften, angefangen viel Alkohol zu konsumieren und das ist dann in Berlin
nochmal viel stärker geworden. Da hat er am Tag acht, neun Flaschen Bier getrunken,
eine halbe Flasche Whiskey oder eine halbe Flasche Wodka und war im Prinzip den ganzen Tag
betrunken und fing dann irgendwann an in die Clubs zu gehen, Drogen zu nehmen, erst exte sie
dann regelmäßig jeden Tag ein Gramm Kukka, Ihen, Amphetamine und so weiter und sofort und hing viel
am Alexanderplatz rum und dort traf er eines abends auf Tanja, zehn Jahre älter als er Mutter
einer Tochter, die aber nicht bei ihr lebte und irgendwie hat er gesagt, in die hat er sich sofort
verliebt. Sie hat ein Gesicht wie ein Kind, das mag ich, das war der Satz, den er gesagt hat.
Konnte er den Gipfdeutsch sprechen? Ja, er hat zwar diese Sprachkurse drei oder vier angefangen
und dann relativ schnell wieder abgebrochen, weil er einfach keinen Durchhaltevermögen hat,
er hat auch selber gesagt, er hatte keinen Durchhaltevermögen, hatte keine Kapazitäten,
irgendetwas zu lernen in dieser Anfangszeit, aber er hat das auf der Straße ganz okay gelernt,
also man konnte sich mit ihm auf Deutsch verständigen. Tanja war dann seine Retterin oder wie
ging es weiter mit dieser, mochte sie ihn denn auch? Ja, sie mochte ihn auch, den kleinen Wirkopf,
wie sie ihn immer nannte. Sie war ja deutlich älter als er, ne? Sie war deutlich älter,
hatte eine ganz andere Lebenserfahrung, aber im Grunde genommen muss man sich das vorstellen,
wie zwei Ertrinkende, die sich versuchen, aneinander festzuhalten und dann beide untergehen. Die hatten
also im Grunde genommen keinerlei Halt, keine Perspektive, keinen Job und keine wirklichen
Zukunftsaussichten und für ihn war das glaube ich aber so ein bisschen deswegen eine Rettung,
weil da war endlich jemand, der braucht die ihn irgendwie und den konnte er auch beschützen.
Das war irgendwie so sein Ding, er wollte etwas beschützen. Das ist seine Liebe im Irak,
die konnte er nicht beschützen. Nun war er in Deutschland und da war eine Frau auch noch
älter als er, die braucht die ihn und das war für ihn ein großes Ding. Und wieso kam es dann zu
diesem hässlichen Ende? Ja, das ist natürlich eine gute Frage. Ich nehme mal an, es ist nie
aufgeklärt worden, warum das so, also wir werden ja gleich noch da zu kommen, wir haben es ja schon
mal angerissen, dass diese Geschichte so nicht passiert ist, wie sie sie erzählt hat. Die Mutmaßung
ist, sie hatte zu der Zeit wohl eine zweite Beziehung mit einem Marokkaner und sie ist dann auch
wenig später schwanger geworden und die Vermutung liegt nahe, dass sie schon schwanger war. In diesem
Moment, wo die Polizei an dem Tag da an die Tür kam und sie für sie das womöglich so eine passende
Gelegenheit war, ihn loszuwerden. Jetzt nimmt die Polizei ihn eh schon mit, wenn ich denen das noch
erzähle, dann kommt er jahrelang nicht wieder und ich kann mit meinem neuen Mann. Da kommen wir dann
drauf, ihr habt sie ja dann auch nach dem Prozess noch mal besucht, wie ihr ja denn die öffentliche
Reaktion. Das war ja auch ein interessanter Punkt an diesem Fall, deswegen seid ihr ja überhaupt
nur drauf gekommen, weil es einen Aufschrei in der Öffentlichkeit gab und weil sich da Leute drauf
gesetzt haben auf diesen Fall und ihr Süppchen drauf gekocht haben. Ich finde, das ist wirklich
ein Lehrstück darüber, wie eine private Geschichte politisch werden kann. Im Grunde genommen ist
das ja erst mal nur eine Geschichte zwischen zwei Menschen. Ob sie jetzt war es oder nicht, es ist
erst mal im Intimbereich, aber diese Geschichte wurde rasend schnell, als sie dann öffentlich wurde
durch den Prozessbeginn am 2. Mai 2018 titelte die BZ, eine Boulevardzeitung in Berlin,
geliebte in Klammern 30 sechs Monate lang gefesselt, geschnitten, gequält Ausrufezeichen.
Das nahm dann die AfD zum Anlass, diesen Artikel auf Facebook zu teilen und dazu zu schreiben,
widerwärtig, Iraka quält fraubestialisch über ein halbes Jahr. Mit Hussein habe Tanja
Zitat den Teufel in ihr Leben gelassen. Den Bürgern sei es nicht zumutbar, nochmal Zitat der AfD,
den menschlichen Bodensatz aufzufangen. So redet eine angeblich demokratische Partei
über einen Angeklagten, der noch nicht mal verurteilt wurde, wo noch nicht ein einziger
Prozesttag überhaupt stattgefunden hat. Das war für Miguel und mich der Moment,
wo ich gesagt habe, da müssen wir jetzt mal ganz genau hergucken, was ist da eigentlich los.
Das ging ja auch weiter. Also das Internet ist explodiert, man kann sich das vorstellen.
Auf Social Media, die ganzen Leute, die man nie um ihre Meinung fragt, die sie aber erst recht
kundtun wollen, schrieben dann da 5.700 Mal, wo der Artikel geteilt, mehr als 1.000 Kommentare darunter.
Einer schrieb, solcher Asi abschauen gehört aus dem Land gejagt, ein anderer, der gehört entmant
und stand für immer eingesperrt bei täglich zwölf Stunden harte Arbeit. Und das waren nicht mal die
schlimmsten Sachen, die man hier zitiert. Erika Steinbach. Das ist die Vorsitzende
des Bundes der Vertriebenen. Eremals genau, früher und auch nicht zu vernachlässigen
Sprecherinnen für Menschenrechte und humanitäre Hilfe der CDU CSU, Bundestagsfraktion, lange Jahre
gewesen, die schickte so einen wütenden Smiley dahinter. Darunter prangte unter dem Artikel, weil
der AfD natürlich auch noch der Mitglieder antragte. Man konnte seinen Hass direkt quasi in die AfD-Suppe
kippen und teil dieser ganzen Brauen zu werden. Es erinnert mich an ein Interview,
das ich mit Jan Philipp Rehmzmar geführt habe, als er 30 Tage in der Gewalt von Entführern war und
er gesagt hat, also was ihn wirklich bestürzt hat, war die Briefe, die er dann von wohlmeinenden
Bürgern hinterher bekommen hat, was man mit diesen Entführern alles machen sollte, wenn man die mal
in die Finger kriegt. Da hat er gesagt, das sind die mittelalterliche Folterungsfantasien wurden
ihm dazu geschickt und man hat dann auch noch gehofft, dass er das gut findet und dass er sich
dann dafür bedankt für solche Briefe. Er hat gesagt, letztlich sind das Verbrecher, die ihre Taten
im Kopf ausleben und er muss sich diesen Scheiß anhören und in Briefform zuschicken lassen.
Also der ist wirklich von den sogenannten wohlmeinenden Bürger, die es mit dem Opfer gut meinen,
wirklich angewidert. Daran erinnert mich das. Sehr nachvollziehbar. Und auch, dass jemand,
der dem Bund der Vertriebenen vorsitzt, also für Vertriebene überhaupt keinen Sinn hat,
finde ich auch schon fast lachhaft. Ja, das ist wirklich, es macht einen Sprach los. Also es gab
ein Prozess jetzt. Ja, es gab ein Prozess und dann kam das Ganze durch einen Zufall eigentlich nur
raus. Das fing also an und der Staatsanwalt war auch sehr überzeugt von der Geschichte, die er da
ermittelt hatte oder die die Polizei zugetragen hatte. Hussein wurde exploriert und wurde auch
eine schwere psychische Störung, attestierte Borderline-Störung. Hat er. Es sind ja Menschen,
die so ihre Emotionen nicht so ganz regulieren können, die sehr impulsgestört sind und impulsiv
eben reagieren in bestimmten Situationen und die alles sehr exzessiv machen. Das passt ja zu ihm
auch sehr gut, der Alkoholkonsum, der Drogenkonsum. Das passt ja schon alles sehr gut, glaube ich. Und
man war schon so auf so einem Weg, ihn aufgrund vermindeter Schuldfähigkeit auch einmal mit dem
Alkohol und dem Drogenkonsum, aber auch aufgrund deiner Diagnose ihn nach Paragraf 63 dann
anschließend unterzubringen. Das war eigentlich der vorgezeichnete Weg schon mal. Nur sagt er eben,
die Psychiaterin, sie könne eben zum Tatgeschehen nicht sagen, weil er sage eben, es habe nie
stattgefunden. Deswegen müssen wir jetzt natürlich immer die Hauptverhandlungen abwarten. Und dann
kam es nun dazu, dass die Vorsitzende Richterin mit der Rechtsmedizinerin, die ja immerhin schon
gehört werden sollte zu dieser Anasebogen, versuchte einen Termin zur Zeugenvernehmung zu
vereinbaren und die reagierte dann was erstaunen und sagte, wie ist es denn überhaupt zu einem
Prozess gekommen? Und dann sagte die Richterin, was meinen sie denn? Naja, die Verletzungen waren
doch ganz klar selbst beigebracht. Aber uns hat ja nie jemand wieder angerufen, wir haben uns
schon gewundert. Berlin. Aber was gibt es nur in Berlin? Ja, in der Tat würde man das in München
nicht erleben. Also das kann man sich relativ sicher sein und dann wurde sie eben als Zeugin
geladen und ihre Kollegin auch noch, die dann beide eben sagten, ja das ist alles sehr wahrscheinlich
erstrungen und erlogen, diese ganze Geschichte. Und sie hat dann durch ihre Aussagen auch noch
dazu beigetragen. Also das steht dann später im Urteil auch, dass es voller Widersprüchlichkeiten
war, was sie da ausgesagt haben, null Aussagekonsistenz. Also das war einmal so eine Generalvernichtung
auch noch der Zeugin und dann war das relativ schnell vom Tisch. Und interessanterweise, und das
muss man ja dann sagen, ich war schon oft vor Gericht und ich sage mal, wenn man Staatsanwälte,
ich will nicht alle in einen Top werfen, aber mit dem Wort Beratungsresistent beschreibt,
dann ist das sicherlich keine allzu schlimme Verunglimpfung. Es ist wirklich so, dass dort
dieser Staatsanwalt einfach ganz klar gesagt hat, okay das waren hier Kleiten, Pech und Pannen in
der Ermittlung, ein grober Fehler des Rechtsstaats, er möchte sich in aller Form dafür entschuldigen.
Grober Fehler von ihm, nicht des Rechtsstaats. Da kann der Rechtsstaat nichts dafür, wenn er
niemanden anruft. Oder sein Kommissar ihm das natürlich auch nicht weiter trägt, also das ist
ja beides. Staatsanwaltschaft muss sich selber umsetzen. Absolut, absolut. Also das war von
vorne bis hinten vergeigt und dann hat er sich an ihn gewendet, an den Hussein und gesagt,
lassen sich nie wieder mit solchen Frauen ein. Auch noch ein guter Rat, wo ich so dachte,
es ist ein guter Rat, aber naja, ob ihm das so zustieft. Was hat denn die AfD gesagt?
Die stand jetzt auch im Schlauch mit ihren Ganzen. Die AfD fand das natürlich die Spitze,
nee die haben gar nichts dazu gesagt. Es ist ja Teil dieser Erregungskultur in diesem Land ist es
ja, dass man irgendetwas in die Welt kühlt und kotzt und sich dann nicht mehr drum kümmert,
was daraus eigentlich geworden ist. Natürlich hat sich an dieser Stelle von der AfD keiner drum
gekümmert. Wir haben uns aber natürlich drum gekümmert, dass sie darauf kommen, was da wirklich
passiert ist und haben einen ganzen Katalog an Fragen an den Bundessprecher der Partei geschickt
und haben auch gefragt, wer denn bitte dafür verantwortlich war für diesen Prost und ob der
jenige nicht mit uns mal besprechen. Natürlich war niemand dazu bereit auf die Frage, ob denn
eine Lehre daraus gezogen werden könnte. Antwortete der Sprecher nur kein Kommentar,
was wohl so viel heißen soll wie nein. Und Frau Steinbach, habt ihr die auch noch mal angesprochen?
Ja, die ist auch ran gegangen und das muss man immerhin sagen, die hat sehr gut reagiert. Sie
stündet zwar weiterhin hinter ihrem wütenden Smiley, weil das ja nun mal das Assessment quasi
dieser Situation zu dem Zeitpunkt war, da konnte sie ja gar nichts anderes wissen. Da kann man sich
ja schon mal erregen, wenn man noch nichts weiß. Aber sie hat dann gesagt, naja, also das dürfen
natürlich überhaupt nicht ungestraft bleiben, die müssen ganz hart bestraft werden. Jetzt soll
jemand anders hart bestraft werden. Genau, irgendwer kriegt es ab und das sei wirklich fürchterlich,
dass so eine Falschbeschuldigung, das würde den Rechtsstaat wirklich vor große Problemen
stellen. Also sie hat sehr ausführlich mit mir gesprochen am Telefon und ich fand es auch
relativ glaubhaft, dass ihr das Leidtart auf einer Art, also zumindest was mit dem Hussain passiert
ist, alles andere lassen wir mal dahingestellt. Ihr habt ja dann auch noch mal die Tanja besucht?
Genau, der Miguel. Was ist denn mit ihr gewesen? Miguel saß dann bei ihr auf dem Sofa. Du warst
gar nicht selber der Miguel? Da war Miguel da, aber ich habe natürlich ausführlich mit ihm gesprochen
auch in der Vorbereitung auf den Podcast noch mal und Miguel saß dann genau auf dem Sofa,
wo das angeblich passiert sein soll und sie saß da mit einem Kopftuch. In Kopftuch hat
sie jetzt. Ja und durch ihren Mann, den Marokkaner, habe sie jetzt den richtigen Islam kennengelernt
und war Hochschwanger, könne kaum erwarten, dass ihr zweites Kind endlich zur Welt kommt,
bei dem sie alles anders machen wolle als bei dem Ersten, ohne in die Details zu gehen,
was mit dem Ersten war. Da weiß man nur, dass es nicht bei ihr lebte, das Mädchen. Sie wollte
aber eigentlich gar nicht reden, hat Miguel aber dann doch reingelassen und hat aber noch mal gesagt,
dass das alles so stimmt, wie sie es erzählt hat und dieser Psychokopf, also sie nannte ihn immer
entweder mein kleiner Willkopf oder dieser Psychokopf und dieser Psychokopf, man wisst ja nicht, was
in dessen Kopf vorgehe, aber sie bleibe bei ihrer Darstellung. Wie ging es denn dann weiter? Sie
hat ja auch glaube ich behauptet, sie würde sich gar nicht ripsen. Sie hat auch behauptet,
sie, ihrer Familie sei das natürlich schon vorgekommen, aber sie hätte das niemals gemacht,
was sie ja in der Rechtsmedizin schon anders erzählt hatte, also da ist ja auch schon mal wieder
eine Diskrepanz. Es war ja auch diagnostiziert. Ja also das war ganz klar und sie ist dann immerhin auch,
sie hat dann auch ein Verfahren bekommen, also immerhin, das haben sie nicht verschlafen und sie
ist letztlich auch, es ist ein Strafbefehl ergangen, es kam nicht zum Prozess und sie musste
Geld bezahlen. Genau, 180 Tagessätze, ab 15 Euro wegen uneidlicher falscher Aussage.
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Und wie ging es mit unserem Hussein weiter? Du hast ja geschrieben am Schluss deines Textes, dass er
voller Vorsätze ist, voller guter Vorsätze. Er will jetzt in einen Sprachkurs gehen und er will
auf einer Baustelle anfangen. Er hat ja auch im Irak auf Baustellen schon gearbeitet. Er will
jetzt Geld verdienen und will versuchen hier zu bleiben. Was ist nun aus ihm geworden? Das ist
ja nun ein bisschen her, ziemlich genau fünf Jahre. Ja, jetzt kommt er, also nicht, dass der
erste Teil lustig gewesen wäre, aber jetzt kommt der traurige Teil dieser Geschichte. Es ist nicht
gut ausgegangen. Es ist alles andere als gut ausgegangen. Etwa drei Monate nachdem wir mit ihm
in der Kanzlei saßen und über das alles gesprochen haben, was nicht passiert war,
passierte tatsächlich etwas. Und Hussein kam wieder in Untersuchungshaft und zwar am 17. Oktober
2018. Ich muss mal einen ganz kurzen, ganz kurz ausholen, damit er die Geschichte versteht. An
diesem 17. Oktober 2018 treffen sich zwei 16-jährige Mädchen in Berlin Gesundbrunnen. Die eine
stammt aus Syrien, die andere stammt aus dem Irak. Die haben sich angefreundet in Berlin und die
eine hat die andere, die sehr unter ihren sehr strengen Eltern gelitten hat und mit denen in
Duisburg lebte, so ein bisschen nach Berlin gelotzt, um die von der Familie wegzuholen, weil die
Familie wollte die Tochter wegen zu schlechter Einflüsse in Deutschland wieder zurück in den
Irak schicken. Das wollte die auf keinen Fall. Und dann hat die Syrerin sie zu sich geholt und
dann haben die eine Weile auch gemeinsam gewohnt und waren super eng befreundet. Und in diesem
Freundeskreis war auch Hussein und waren auch noch weitere Iraker. Und dann gab es aber so
Streitigkeiten zwischen diesen beiden Mädchen. Einmal um einen Jungen wohl, aber dann auch um
Lügen darüber, wann, wo gewesen. Also so Streitigkeiten, bei denen man kaum nachvollziehen
kann, dass daraus etwas wirklich Schlimmes erwächst. Denn was daraus erwachsen ist, ist wirklich
schlimm. Denn an diesem Tag, an diesem 17. Oktober, als sie sich da getroffen haben, war diese
16-jährige Syrerin quasi der Lokvogel. Sie wollte sich an Aja, heißt sie, das Opfer, an Aja rechnen.
An der Irakerin. An der Irakerin für irgendwelche Lügen und was, Herr Engwer, was. Und hat sie dann
in eine Wohnung eines 53-jährigen Ägyptes, in dem diese ganze, in dieser ganze Freundeskreis immer mal
wieder sich auffielt und trank und Drogen nahm. Das war so ein bisschen so deren Jugendzentrum quasi,
wo die immer rum hingen, im Wedding war das in Berlin. Und da haben sie die dann hingelotzt und
zwar mit dem Vorsatz, wie die 16-jährige Syrerin sagte, sie zur Schlampe zu machen, damit sie
entehrt ist und von ihrer Familie dann zurück in den Irak geschickt wird. Sie wollten sie quasi
loswerden, indem sie sie entehren und haben quasi diese Idee kam von der 16-Jährigen und die hat
dann Hussain und zwei andere darauf angesprochen und hat den vorgeschlagen ihr müsst sie vergewaltigen.
Und das hat er getan. Und das haben die drei dann getan. Ich kann mal einmal aus dem, aus dem Urteil
zitieren, der Angeklagte, der um ihren Widerstand gegen seine sexuellen Handlungen zu verhindern,
in der rechten Hand das Messer führte, befahl ihr leise zu bleiben und drohte, wenn du schreist,
bekommst du Narben ins Gesicht. Aus Angst vor Schlägen und dem Einsatz des Messers setzte sich
Aya nicht zur Wehr. Er packte sie an den Haaren, schob ihr Kleid bei Seite und legte sie im Gesicht
und am Körper. Als Aya vor Ekel und Angst anfing zu weinen, äußerte der Angeklagte, dass das
Wein ihn aggressiv mache und versetzt ihr zur Verdeutlichung einen Schlag ins Gesicht. Das
ganze geht noch sehr viel brutaler weiter. Er hat sie am Ende zum Oralverkehr und zum Analverkehr
gezwungen, immer unter Vorhaltung eines Messers. Und ist letztlich dann vom Landgericht Berlin,
da war er zum Tatzeitpunkt 20 Jahre und acht Monate alt. Aber das Landgericht Berlin hat
eine Reife Verzögerung angenommen und ihn deswegen nach Jugendstrafrecht verurteilt.
Was hat er bekommen? Trotz der psychiatrischen Diagnose,
diesmal keine Rede vom Maßregelverzug. Er hat fünf Jahre und sechs Monate, was für eine
Jugendstrafe schon sehr substanziell ist bekommen. Also er sitzt jetzt noch? Der würde eigentlich noch
sitzen. Es ließ sich nicht ganz aufklären, warum er das nicht mehr tut. Ich konnte nur in Erfahrung
bringen, dass er das Land inzwischen verlassen hat. Wo er sich auffällt, ist nicht bekannt,
aber ist nicht mehr in Deutschland. Eine schaurige Geschichte. Wir können uns aber,
glaube ich, auch die Biografien, die andere Leute in anderen Ländern haben, überhaupt nicht vorstellen
und die führen dann zu monströsen Taten, die dann zum Teil eben auch hier begangen werden. Das ist,
ja, ich danke dir, dass du sie mitgebracht hast und dass ihr das damals recherchiert habt und
das ist bitter, dass es so ausgegangen ist. Ja, das ist sehr bitter und insbesondere hoffe ich,
dass das jetzt nicht zum Anlass genommen wird von diesen rechten Kräften, über die wir heute
schon gesprochen haben, zu sagen, ja, das haben wir doch gleich gesehen. Dann kann ich mich jetzt
vorerst erstmal nur bei euch entschuldigen, dass wir hier tontechnisch nicht auf der Höhe waren
und mich dafür bedanken, dass ihr nicht rebelliert habt.
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Liveaufzeichnung von der Langen Nacht der ZEIT (Teil 1)
Eine junge Frau bezichtigt ihren Freund, der aus dem Irak geflüchtet ist, sie sadistisch misshandelt zu haben. Die AfD macht einen Skandal daraus. Vor Gericht sieht die Sache dann aber ganz anders aus …
Folge 142 ist ein Livemitschnitt aus der Langen Nacht der ZEIT vom 3. Juni in Hamburg. Sabine Rückert spricht mit Daniel Müller, Chefredakteur des Kriminalmagazins ZEIT Verbrechen, über einen falschen Verdacht, dessen politische Instrumentalisierung und ein schreckliches Ende.
Der Text zur Folge von Miguel Helm und Daniel Müller: ("Eine passende Lüge") ist im September 2018 in der ZEIT erschienen.
Die neue Ausgabe des Kriminalmagazins ZEIT Verbrechen liegt am Kiosk und ist hier online bestellbar. Sie möchten zwei Ausgaben zum Kennenlernpreis testen? Dann klicken Sie hier.