Verbrechen: Eine betrogene Frau

ZEIT ONLINE ZEIT ONLINE 4/4/23 - Episode Page - 59m - PDF Transcript

Liebe Zuhörerinnen, liebe Zuhörer, ganz herzlich willkommen zu einer neuen Folge unseres Podcasts

Zeit Verbrechen, in der wir Sabine ausnahmsweise ein Irrtum zugestehen müssen.

Ja, es ist das erste Mal, dass wir ein Irrtum korrigieren müssen und es betrifft auch noch mich selbst.

Ich habe vor einigen Wochen ein Podcast mit dir aufgenommen, der hieß, ich war es nicht.

Da ging es um den Fall Albert Heiden. Albert Heiden ist ein Sexualstraftäter gewesen, der durch ein illegales Gesetz,

durch ein rechtswidriges Gesetz des Landes Bayern einfach gegen jedes Menschenrecht unbefristet festgehalten worden ist.

Das Ding hieß Beistruppk.

Genau, und ich habe gesagt, wie immer bei solchen Gesetzen, diese These habe ich da aufgestellt,

werden solche Sachen bei Nacht- und Nebelaktionen durchgewunken, hier zum Beispiel am 24. Dezember.

Am Morgen des heiligen Abend.

Genau, und daraufhin hat sich ein Hörer gemeldet, der hat geschrieben, ja, dass er großes Vergnügen hatte bei dieser Folge,

aber er wollte noch einen kleinen Fehler korrigieren und erschreibt, dass das Gesetz mit der schönen Abkürzung Beistruppk vom Bayerischen Landtag

am Heiligabend 2001 sozusagen bei Nacht- und Nebel- und vorleeren Benken verabschiedet worden sei, ist zwar eine schöne Geschichte, aber falsch.

Tatsächlich hat der Landtag bereits am 12. Dezember 2001 über das Gesetz abgestimmt,

es waren die allermeisten Abgeordneten anwesend und die CSU-Fraktion sowie Teile der SPD haben das Gesetz votiert.

Wir reden hier von einem Gesetz, das später vom Bundesverfassungsgericht kassiert worden ist, ja.

Das kann man alles, in den beim Landtag dokumentierten Unterlagen inklusive Sitzungsprotokoll nachvollziehen, link.

Der 24. Dezember, auf den das Gesetz datiert ist, ist also nicht das Datum, an dem das Parlament abgestimmt hat, sondern das der Ausfertigung durch den Ministerpräsidenten Stäuber.

Der also hat am Heiligabend 2001 anscheinend noch gearbeitet, jedenfalls unterschrieben.

Der ist also vor der Christmette noch mal kurz ins Büro und hat seine Unterschrift unterschrieben.

Hat noch schnell ein illegales Gesetz gerechtfertigt.

Und das war der 24. Dezember, den du wieder abgestimmt hast.

Das habe ich auch geschrieben. Ich werde den Fehler nach meiner Rückkehr, da war ich gerade verreist, in einer der nächsten Folgen korrigieren.

Das aber die CSU-Fraktion und Teile der SPD für das rechtswidrige Gesetz ausdrücklich votiert haben sollen, macht es für die bayerischen Politiker ja nicht besser im Gegenteil.

So, das haben wir jetzt also korrigiert.

Ja.

Und jetzt kommen wir zu einer Folge. Ich habe heute einen Gast eingeladen, der heißt Moritz Eislinger und hat mitgemacht bei einer Folge, die wir über lange Strecken hier in der Zeit veröffentlicht haben.

Sternstunden der Menschheit.

Ja, das beruht auf einem wunderbaren Buch.

Stefan Zweig, Sternstunden der Menschheit. Stefan Zweig hat da einfach seiner Meinung nach total originelle Wendungen der Geschichte herausgegriffen.

Also, ich finde, ich kenne das Buch ganz gut völlig willkürlich. Man kann auch genauso gut andere Geschichten zur Sternstunden der Menschheit erklären.

Das hat es aber sehr schön begründet, wenn eine große Persönlichkeit, das war ja seine Meinung, eine große Persönlichkeit des Ruder der Geschichte herumreißt oder so, oder ein irrer Zufall ganzer Länder verändert.

Das hat da rausgegriffen und sehr schön beschrieben.

Ich dachte, was Stefan Zweig kann, das können wir auch und haben eine ebenfalls 14-teilige Serie ersonnen, die wir dann in der Zeit Woche für Woche abgearbeitet haben, Sternstunden der Menschheit und eine dieser Folgen.

Übrigens wird da ein Buch daraus entstehen, also es wird im September ein Buch erscheinen im Backverlag.

Mit allen 14 Folgen.

Mit allen 14 Folgen.

Und auch dieser Autor, der hier noch ganz still sitzt, der wird auch dabei sein und eine dieser Folgen handelt von einem Verbrechen.

Einem, ich würde mal sagen, es geht zwar nicht um den Tod, sondern eher um das Leben, obwohl der Tod auch eine Rolle spielt.

Aber es geht vor allem um einen großen Betrug und ein großes Unrecht, das ungesühnt geblieben ist und darüber reden wir heute.

Ein geistigem Diebstahl, gewaltigen Ausmaßes.

Ja.

In einer ganz zentralen wissenschaftlichen Erkenntnis und ich muss gestehen, ich kenne zwei der Täter persönlich.

Und ich bin sehr froh, dass du dabei bist, ich freue mich sehr, denn nicht alles ist sehr einfach, was wir heute besprechen, aber die Geschichte ist rasant.

Ich bin übrigens auch sehr, sehr froh, dass Andreas dabei ist.

Hallo von meiner Seite, denn ich kenne niemanden, der wissenschaftlich mehr versiert ist als Andreas und hat sie mir auch bei der Recherche sehr geholfen.

Ah ja, dann sind wir ja alle hier in irgendeiner Form mit Täter an diesem Stück und jetzt können wir loslegen und als ich es wieder gelesen habe, um mich auf diese Folge hier vorzubereiten,

ich habe mich tränen der Wut wieder in den Augen gehabt und die Fotos zu dieser Geschichte kann man im Newsletter angucken, das wollte ich auch noch sagen.

Ja, dabei wird man besonders auf einen Fotos stoßen, das einen Namen hat.

Foto 51, das Foto Nummer 51, darüber werden wir sprechen.

Das ist nämlich ein Beweisfoto, ganz besonderer Art.

Kein Mensch drauf.

Kein Mensch drauf? Nein, stattdessen dunkle Flecken.

Was es mit diesem Foto auf sich hat, darauf kommen wir noch.

Ich würde gerne in eine Zeit eintauchen, unsere Protagonistin über die wir reden werden, Rosalind Franklin heißt sie.

Das Opfer.

Das Opfer wird am 25. Juli 1920 in London geboren.

Das stellt sich relativ rasch heraus, Moritz, die ist auf ganz besondere Art und Weise begabt.

Genau, Rosalind Franklin wird in der jüdische Familie sehr wohlhabend geboren.

Der Vater ist Banker, die Mutter zu Hause, eine ganz geborgene Kindheit.

Sie hat vier Geschwister, sie wachsen mit einer Nennie auf, der Großvater hat ein Wochenendhaus, wo die Kinder ihre Ferien, ihre Freizeit verbringen.

Die Eltern leben sehr, sehr viel bescheidener, der Vater fährt mit der U-Bahn zur Arbeit, arbeitet nach seiner Arbeit als Banker,

geht er noch ans sogenannte Working Men's College, so was wie eine Volkshochschule würde ich sagen, wo er Arbeiter unterrichtet in Geschichte, in Naturwissenschaften.

Und diese Familie ist sehr close, also sehr eng, mögen sich, sie reden sehr viel untereinander.

Und Rosalind sehr früh stellt sich heraus, dass sie anders ist als die anderen.

Schon so, also natürlich als Jüdin in einem anglikanischen Land.

Sie ist aber auch ein Mädchen, das Jungssachen mag und vor allem Naturwissenschaften.

Es gibt einen ganz bezeichnenden Brief von ihrer Tante an die Mutter, in dem die Tante als Rosalind gerade über sechs Jahre alt ist.

An die Mutter schreibt, Rosalind ist erschreckend schlau, sie verbringt ihre ganze Zeit damit, aus Spaß arithmetische Aufgaben zu lösen

und bekommt ausnahmslos die korrekten Ergebnisse heraus.

Also wir haben es hier, glaube ich, mit einem absoluten Wunderkind von klein auf zu tun, die ganz, ganz früh ihre Begeisterung, ihre Faszination für Naturwissenschaften entdeckt.

Die geht auf eine besondere Schule, die ist für sie sehr geeignet, St. Pauls, eine Mädchenschule. Und diese Mädchenschule zeichnet sich dadurch aus,

dass sie einen ganz hervorragenden naturwissenschaftlichen Unterricht hat.

Es gibt so Daten der Schulbehörde aus dieser Zeit, da werden so die Leistungen von Schulen gemessen.

Und da wird dieser Schule bescheinigt, sie sei in der Didaktik der Naturwissenschaften ganz besonders herausragend.

Also sie hat genau das richtige Umfeld.

Also sie hat vielleicht am Anfang das richtige Umfeld, das wird sich ja dann sehr, sehr entscheidend ändern.

Sie ist 17, da bewirbt sie sich um einen Studienplatz.

Sie bewirbt sich an der Universität Cambridge für Mathematik und Physik.

An der Universität Cambridge ist es aber damals ein bisschen anders als heute.

Und zwar sind gerade mal 500 Plätze für Mädchen bzw. Frauen reserviert, 5000 für Männer.

Also ein Verhältnis von 90 zu 10, weil man einfach davon ausgeht, dass Männer zu Studierende haben

und Frauen eigentlich in den Haushalt gehen, Ehefrauen werden.

Das kommt für Rosalind Franklin überhaupt nicht in Frage.

Und wie du es schon gesagt hast, mit 17 macht sie diese Aufnahmeprüfung und besteht auch direkt.

Es geht dann 1938 nach Cambridge und findet dort eine Welt vor, die einerseits vertraut ist,

andererseits aber ganz fremd.

Also beispielsweise gibt es in Cambridge Regeln nur für Frauen.

Frauen dürfen beispielsweise in den Seminaräumen nur in ihnen zugewiesenen Plätzen Platz nehmen.

Immer in den ersten Reihen. Die Männer dürfen alle nach hinten gehen.

Frauen sind keine vollwertigen Mitglieder der Universität.

Sie bekommen andere Abschlüsse als die Männer.

Und in diese Welt kommt Rosalind Franklin rein.

Anfangs stört sie sich, glaube ich, gar nicht so sehr an diesem Sexismus, an dieser Ungleichheit,

weil das halt so normal damals ist.

Was sie viel mehr stört, ist die damalige politische Ignoranz ihrer Kommilitonen.

Denn 1938 ist ja ein Jahr der größten Krisen.

Also in Deutschland ist die Judenverfolgung in vollem Gange.

Die Nazis sind in Österreich einmarschiert.

In dem Sudetenland an die Deutschen abgedrehten wird.

Alles ist auf Krieg ausgerichtet und auf die Vernichtung der Juden ist schon angelegt.

Und Rosalind Franklin, die ja selbst Juden ist,

schaut mit einem wahnsinnigen Schrecken auf diese Zeit

und sieht eben, wie um sie herum den Leuten das irgendwie egal zu sein scheint.

Und sie entwickelt, glaube ich, in dieser Zeit ein ganz großes politisches Bewusstsein.

Rosalind Franklin erlebt natürlich etwas in dieser Universität jetzt,

was ganz viele Frauen erleben, wenn sie erwachsen werden.

Dass sie nämlich in einer, also viele selbstbewusste Frauen,

die in einer Familie aufwachsen, wo sie bestärkt werden, wo man ihnen sagt,

du bist die größte, du schaffst das und wir halten zu dir und wir glauben an dich.

Und dann treten sie aus der Haustür.

So war das jedenfalls auch in meiner Generation.

Und dann sagt man ihnen, was tusten du da? Also so ungefähr.

Genau.

Also dieser Absturz in der Würde und im Selbstverständnis,

im Erwachsenwerden und eben hinaus treten, zum Beispiel in einen großen Verlag,

wo man auf einmal dann Kaffee holen soll oder sowas, obwohl man Redakteurin ist.

Das erlebt sie auch natürlich noch viel krasser, aber das haben sehr,

sehr viele Frauen erlebt und sie eben ganz besonders,

weil sie eben auch allen anderen noch überlegen waren.

Ja, das ist ein guter Punkt, glaube ich auch.

Und man muss sagen, das ist jetzt nicht nur ein Cambridge so.

Also es betrifft vor allem die naturwissenschaftlichen Fächer,

die hier natürlich extrem Männer dominiert sind und bei der einzelnen Professoren hingehen und sagen,

naja, wenn jetzt noch Frauen hier auftauchen,

die lenken eigentlich meine klugen Männer nur von ihren physikalischen Gedanken ab.

Es ist tatsächlich so, damals in Harvard dürfen Frauen nicht als Lehrkräfte eingestellt werden

in den Naturwissenschaften.

In Princeton ist es sogar so, dass Frauen das Betreten des Physikgebäudes verboten ist,

weil der dortige Institutsleiter sagt, die Frauen lenken die männlichen Geistesgrößen nur von der Arbeit ab.

Es gab doch auch diesen Nobelpreisträger, der bei einer Rede gesagt hat,

die Frauen in Labors, die verlieben sich immer in die Wissenschaftler

und wenn man sie kritisiert, heulen sie.

Und es hat doch jemand dann getwittert, als er hat, der auf einem Vortrag gesagt

und dann wurde er seines Amtes enthoben.

Weißt du, wen ich meine?

Ja, ich suche nach dem Namen, vielleicht fällt er mir im Laufe dieser Sendien.

Also ich fand das damals auch lächerlich, diese furchtbare, drakonische Strafe für diesen Mann,

der sehr, sehr viel große Verdienste in der Wissenschaft erworben hat.

Mir fällt jetzt sein Name nicht ein, aber nach dieser Geschichte hier habe ich die Sache anders gesehen.

Also da habe ich mir gedacht, es ist doch sehr, sehr viel inzwischen ins Land gegangen,

dass man sich so was einfach nicht mehr anhören will.

Also diese Geschichte hat mich nochmal auf ein ganz anderes Gleis gesetzt.

Rosalind ist jetzt im Umfeld der Universität.

Sie lebt auf dem Campus in einer Schule, der sie zugeordnet ist.

Du hast ja gesagt, sie darf offiziell nicht Studentin der Universität sein.

Die heißen dann Schülerinnen dieser Schule, glaube ich.

Genau.

Das wird so zugeordnet.

Und sie bewegt sich so in ihrem eigenen Bereich.

Man rudert in Cambridge natürlich, das macht sie auch.

Aber ansonsten hält sie sich so von Partys und so eher zurück, oder?

Genau.

Man muss ja auch bedenken, nur ein Jahr später fängt der Krieg an.

In Cambridge werden die Studenten und Studentinnen abgezogen und für kriegswichtige Arbeit eingesetzt.

Also in Cambridge beispielsweise ganz berühmt ist ja, dass einige Studenten dabei geholfen haben,

die Verschlüsselungsmaschine der Nazis Enigma zu entschlüsseln.

Also Alan Turing ist ja der berühmteste.

Und auch Rosalind Franklin wird eingezogen und zwar kommt sie ins britische Kohleforschungslabor.

Und da macht sie sich schon in Namen, weil sie dort schon erste wegweisende Entdeckungen macht.

Sie trägt maßgeblich dazu bei, dass die Gasmasken, die ja damals sehr wichtig sind, verbessert werden.

In ihrer Freizeit versucht sie sich auch zu engagieren.

Damals kam ja ganz viele jüdische Kinder mit den Kindertransporten nach England.

Und sie kümmert sich um diese Kinder.

Sie steht nachts wache und guckt nach Luftalarm.

Und was gar nicht so unendlich zu heute ist, versucht Energie zu sparen,

indem sie beispielsweise sich zu Früchte keinen Toast mehr macht, um Gas zu sparen.

Und man merkt eben daran, wie Rosalind Franklin zum einen eben schon im Studium gleich zu den Besten gehört,

zu wegweisende Entdeckungen macht, aber eben auch das gesamtgesellschaftliche den Blick nicht verliert.

Und er sich engagiert und dabei sein will.

Und eben nicht nur Wissenschaft, sondern eben das große Ganze sieht.

Das beginnt schon am Anfang ihres Studiums, wo sie ein Stipendium gewinnt.

Weil sie bei der Aufnahmeprüfung wirklich eine der besten ist.

Und ihr Vater der Bankier sagt, naja gut, also wir brauchen das nicht.

Wir geben das Geld einem jungen jüdischen Studenten, der aus Deutschland nach Großbritannien geflohen ist.

Genau.

Also es zieht sich wirklich durch das Leben der ganzen Familie hindurch.

Dieses Positioniert sein, nicht nur in der Wissenschaft selbst,

sondern auch politisch wach und interessiert zu sein.

Und übrigens auch literarisch interessiert zu sein.

Sie hat wahnsinnig viele Talente. Sie beherrscht mehrere Sprachen.

Sie liest sehr gerne.

Wir werden nachher noch einen Freund von ihr kennenlernen,

mit dem sie über den Jolisses von James Joyce lange diskutiert hat.

Also eine faszinierende Frau.

Ja, damit unsere Hörerinnen und Hörer auch begreifen,

dass wir hier jetzt nicht aus irgendeinem Geschichtsbuch vorlesen

und uns da auch durch eine Dienstreise im Archiv

eine umfassende Recherche über Frau Franklin angeeignet haben,

wollte ich dich mal fragen, du hast ja das Leben der Frau Franklin umgegraben

und du bist auf erstaunlich viele Menschen gestoßen,

uralte Menschen, die sie noch gekannt haben,

die mit ihr verwandt waren, die mit ihr befreundet waren.

Andreas hat es eben erwähnt, wie hast du das angestellt?

Du bist zum Beispiel auf ihre Schwester gestoßen,

die von diesem unglaublichen Unrecht, das ihr geschehen ist, erzählt hat,

aber auch von der ganzen Frau.

Und du hast versucht auch an die Täter heranzukommen.

Erzähl mal, wie du das angestellt hast.

Die alten Menschen da auszugraben ist vielleicht nicht der richtige Ausdruck,

aber im übertragenen Sinne.

Das war eine ganz, ganz tolle Recherche,

weil ich eben diese ganz besonderen Männchen kennenlernen

und mit ihnen sprechen durfte.

Ich hatte am Anfang mir alles zu Rosalind Franklin geholt,

Bücher, Dokumente, Artikel und hab die durchgelesen

und bin immer wieder auf Namen gestoßen,

von ehemaligen Kollegen, Kolleginnen verwandten

und hab dann geschaut, Leben die noch gibt, die noch,

kann man die irgendwie erreichen.

Und tatsächlich habe ich drei über 90-Jährige,

zwei Männer und ihre Schwester, eine Frau, ausfindig machen können

und hab die angeschrieben, angesprochen, über Kontakte irgendwie versucht,

Kontakt aufzunehmen und bin dann zweimal nach England gereist,

wo die alle leben, um sie zu treffen.

Und die erste war die Schwester von Rosalind Franklin,

die einzige von den vier Geschwistern, die noch lebt.

Damals 92 Jahre alt, alle meine Gesprächspartner waren über 90.

Und sie hat mich nach Cambridge, wo sie lebt, eingeladen

und wir haben einen ganzen Nachmittag miteinander verbracht,

eine ganz zierliche, aber aufgeweckte Frau mit einem Kopftuch,

weil sie kaum noch Haare hat, ganz idyllisch gelegen,

ihr Häuschen, in dem sie schon seit 1960 lebt mit ihrem Mann,

der leider damals an der Alzheimer schon erkrankt war,

mittlerweile gestorben ist.

Und sie hat dann einen Karton ausgegraben mit den ganzen Briefen

von Rosalind Franklin, weil Rosalind Franklin,

ab dem Zeitpunkt, als sie in Cambridge war,

ganz, ganz viele Briefe an die Familie, also wie ich schon gesagt habe,

die Familie war sehr eng und die haben sich die ganze Zeit hin- und hergeschrieben.

Und sie war einsam, das ist auch ein Zeichen.

Ganz genau, wie du eben schon gesagt hast.

Man hat abends Zeit, eine Million Briefe zu schreiben.

Genau. Und die anderen beiden Männer, die ich getroffen habe,

haben mit Rosalind Franklin zusammen gearbeitet.

Und daher hervorzuheben ist der damals 98-jährige Simon Altmann,

ein ursprünglich aus Argentinien kommender Jude,

der 1951 Rosalind Franklin kennenlernt,

als sie am Londoner Kings College ihre erste richtige Stellung bekommt,

in der Abteilung für Bio-Physik. Und ab dem Zeitpunkt geht eigentlich

jetzt diese Verbrechensgeschichte los.

Genau. Bio-Physik. Rosalind Franklin interessiert sich

für die Struktur von Molekülen, für die Struktur von Substanzen.

Und eine typische Methode, um Strukturen von Molekülen aufzuklären,

ist, ihren Schatten zu untersuchen.

Moritz, du wirst auch einen Schatten, wenn ich jetzt ein Licht auf dich richte,

hinter dir an der Wand. Und ich kann von diesem Schatten

auch ein bisschen darauf schließen, wie du aussiehst,

selbst wenn ich dich nicht sehe.

Ich könnte ein paar Dinge davon ableiten,

vielleicht wie groß du bist, was hast du für eine Körperform

und könnte aus mehreren solcher Schatten sozusagen ein Bild zusammenbauen.

Das geht bei Molekülen auch nur, das funktioniert nicht mit Licht.

Dazu ist Licht dann zu langwellig und die Moleküle sind zu klein.

Man braucht also eine kurzwelligere Strahlung.

Und das sind Röntgenstrahlen.

Und das Problem bei Molekülen ist, dass sie zum einen sehr, sehr, sehr klein sind.

Man sieht sie natürlich mit dem bloßen Auge nicht.

Und sie halten nicht still.

Sie sind so ein bisschen wie Kinder von der Fotokamera.

Sie bewegen sich die ganze Zeit.

Aber anders als Kinder kann man Moleküle sozusagen verhexen.

Und dann ist es, dass sie mit einem Mal still halten.

Und wenn man dann eben die besagten Röntgenstrahlen auf sie schickt,

erzeugen sie solche Kristallgitter.

Und diese Kristallgitter formen regelmäßige Schattenrisse.

Und so kann man in wirklich kleinster Feinstarbeit

die räumlichen Konturen dieses Moleküls schließen.

Und genau das macht Rosalind Franklin jetzt.

Das soll sie machen.

Und zwar soll sie die Struktur der DNA herausfinden.

Fotografieren.

Genau, fotografieren.

Sie soll die DNA fotografieren.

Und das ist zu dem Zeitpunkt damals Mitte des 20. Jahrhunderts

eigentlich die vielleicht größte wissenschaftliche Frage.

Wie sieht diese Struktur aus?

Weil daraus kann man wiederum schließen, was ist das eigentlich Leben?

Wie entsteht das?

Was macht es aus?

Es gibt ja einen Vorläufer.

Ehrlich gestanden, dass es Vererbungen gibt.

Es geht ja um Vererbung.

Wie entsteht Leben?

Wie setzt sich ein Bausteinkasten eines Individuums zusammen?

Wo kommen eigentlich die ganzen Informationen her?

Dass meine Nase platt oder lang oder krumm ist.

Und meine Ohren abstehen oder nicht.

Dass es Vererbung gibt.

Das weiß man ja schon.

Viele, viele Jahre.

Das weiß man sogar schon im alten Testament.

Es gibt im ersten Buch Mose schon Überlegungen,

wie sich Böcke und Schafe zusammentun

und welche Farben da hervortreten.

Es sind fast 5000 Jahre alte Geschichten.

Da hat man das schon gesehen.

Das ist aber mit magischem Denken durchmixt.

Und hat dann gesagt, das sind an besonderen Stellen gezeugte Kinder.

Da werden dann Schwarz oder so.

Die haben natürlich nicht geahnt, dass es eine Vererbung gibt.

Aber sie haben es gesehen.

Die alten Israeliten hatten riesige Schafherden

und haben natürlich gesehen, dass sich Dinge fortpflanzen.

Und dann später, du erwähnst es ja in deinem Text,

Mendel, der alte Pfarrer,

der das an seinen Erbsenblüten festgestellt hat.

Ein bisschen was dazu sagen über die Vererbung.

Also man ist zu dem Zeitpunkt jetzt Mitte des 20. Jahrhunderts

schon relativ weit.

Mendel hat angefangen damit.

Mit dieser Vererbungslehre hat gesehen,

dass wenn er bestimmte Erbs miteinander kreuzt,

immer wieder die gleichen Formen rauskommen.

Und man weiß auch schon,

dass es Gen sehr, sehr entscheidend ist bei der Vererbung.

Man weiß, dass es die Chromosomen gibt,

auf denen die Gene liegen.

Oswald Avery, ein weiterer Forscher,

hat herausgefunden,

dass eine Substanz namens desoxyribonucleinsäure,

kurz DNA, eine entscheidende Rolle spielt.

Und eben jetzt, 1951, als Rosalind Franklin

am Londoner Kings College anfängt,

ist die nächste Frage eben,

wie sieht jetzt diese DNA,

diese desoxyribonucleinsäure genau aus?

Und das Entscheidende jetzt für uns ist,

dass es zu dem Zeitpunkt zwei Teams gibt,

die daran forschen.

Einmal am Londoner Kings College

und einmal an der Universität Cambridge.

Man kann sich das so ein bisschen vielleicht vorstellen,

wie zwei große Zeitungen,

in denen jeweils ein Investigativteam

an einer großen Story arbeitet.

Und in dem einen Team gibt es zwei Freunde,

die miteinander arbeiten.

Wie heißen die?

James Watson und Francis Crick.

Und in dem anderen ist Rosalind Franklin und Maurice Wilkins.

Und die sind jetzt nicht gerade die besten Freunde.

Das fängt schon damit an,

wie Rosalind Franklin an dieses Institut kommt.

An dem Tag, nämlich ist Maurice Wilkins nicht da.

Rosalind Franklin war in Paris,

hat dort ihre Kenntnisse da in dieser Röntgen-Kristallografie

wahnsinnig ausgebaut,

kommt also mit so richtig gutem,

praktischen Fachwissen und guter praktischer Kenntnis.

Und dann muss man jetzt schon sagen,

es ist ja nicht einfach so,

du hast gesagt, man kann Moleküle verzaubern,

dann macht man ein Foto und dann sieht man das.

Laborarbeit bedeutet zu 99,9% Scheitern.

Ja, mal bilden sich keine anständigen Kristalle,

das Foto verschwimmt,

die Menge an Wasser in der Probe variiert.

Das macht was mit den Molekülen.

Es sieht unscharf aus.

Man braucht wahnsinnig viele Versuche,

um wirklich so ein gutes Bild herzustellen,

wie das über das wir später reden werden.

Und sie kommt rein

und der Institutsleiter ist so jemand,

der nicht so sauber Aufgaben zuweist.

Maurice Wilkins arbeitet schon an der DNA

und da kommt diese junge Frau

und dann sagt der Institutsleiter,

na, machen sie halt auch DNA.

Und damit geht der ganze Konflikt los.

Aber der Institutsleiter ist nicht Wilkins.

Maurice Wilkins ist der stellvertretende Leiter

der Bio-Physik-Abteilung,

aber nicht der Leiter.

Er entscheidet nicht, wer was bearbeitet.

Und als er dann aus dem Urlaub zurückkommt,

erfährt er nicht nur,

dass Rosalind Franklin auf das gleiche Pferd gesetzt wird,

wie er, an dem er arbeitet,

nämlich die Struktur der DNA zu entschlüsseln,

sondern er erfährt auch,

dass Rosalind Franklin ihm gleichgestellt ist.

Er ist immer davon ausgeschlagen,

sie kommt als seine Assistentin,

wir haben eben über die damaligen Umstände gesprochen,

und er ist immer davon ausgegangen,

dass er der Chef ist und dass Rosalind Franklin für ihn arbeitet.

Das ist aber nicht so, sondern sie sind gleichgestellt.

Und das ist für ihn ein absolute Affront.

Und damit fängt es eigentlich an,

dann ist eigentlich die Zusammenarbeit schon zum Scheitern verurteilt.

DNA ist ein auf der einen Seite riesiges und auf der anderen Seite

aus unserem Maßstein heraus winziges Molekül.

Die Substanz wird übrigens entdeckt in Tübingen,

in der Küche des Schlosses.

Friedrich Miescher isoliert DNA in raunen Mengen,

und zwar aus Eiter.

Er ist der Erste, der tatsächlich diese Substanz greifbar macht.

Und die Londoner im Kings College haben eine extrem gute Quelle

für diese DNA, nämlich für die Analysen, die man jetzt machen will,

braucht man sehr, sehr reine DNA.

Die darf nicht mit anderen Sachen verunreinigt werden.

Und die kriegen sehr gute Proben.

Das ist schon mal eine wichtige Voraussetzung für diese Arbeit.

Wo kriegen die die Proben her?

Die kommen, glaube ich, aus einem Schweizer Labor.

Richtig, aus dem Schweiz.

Genau, und am Kings College kann man, glaube ich so sagen,

seit Rosalind Franklin da ist, geht es rapide aufwärts in der Forschung.

Also sie machen große Fortschritte.

Vor allem eben Rosalind Franklin macht erste Entdeckungen.

Sie sieht, dass die DNA-Moleküle in zwei Formen vorkommt.

Und zwar einmal nass und einmal trocken.

Da kann man sich so ein bisschen vorstellen,

wie wenn man ein Handtuch ins Wasser erhält.

Und dann einmal eben in diesem nassen Zustand,

und wenn man es ausfringt, im trockenen Zustand.

Das findet sie heraus.

Mit anderen Entdeckungen während die Konkurrenz an der Universität Cambridge,

James Watson und Francis Crick,

die sind in all dem, also in dieser Kristallografie und Röntgenbeugung,

nicht so wirklich auf der Rapp.

Das sind gute Modellierer, also eher so Handwerker.

Aber den fehlt die Theorie.

Es ist wirklich ein scharfer Kontrast zwischen den beiden Jungs,

also Watson und Crick.

Und vor allem Rosalind Franklin.

Rosalind Franklin ist diejenige, die akribisch Daten sammelt.

Versuche macht, protokolliert, immer wieder auf ihre Röntgenaufnahmen schaut,

guckt, was sie lassen, sich dafür Molekülabstände ableiten,

wie viel Wasser ist da drin in diesem Molekül.

Und Watson und Crick sind eigentlich eher so verspielte Jungs.

Also die haben so Modellbaukasten

und versuchen so ein bisschen herumzuspielen,

wie kriegt man das umgesetzt, was da drin ist.

Also man weiß, in dieser DNA sind Phosphatgruppen drin,

da ist Zucker drin, da sind Basen drin,

auch in einem ganz bestimmten Verhältnis.

Es gibt Adenin und Thymin, zwei Basen,

die sind immer im gleichen Verhältnis.

Und Zytosin und Guanin, die sind immer im gleichen Verhältnis so einander.

Die haben also irgendwas miteinander zu tun.

Da gibt es irgendeine Beziehung zwischen diesen Molekülen.

Und das alles muss in ein Molekülmodell gebaut werden.

Das ist die Herausforderung, weil die jetzt gerade stehen.

Also die Beziehung zwischen Rosalind Franklin

und ihrem Co-Wissenschaftler Wilkin funktioniert überhaupt nicht.

Ein Bekannter hat dir erzählt, dass dieser Maurice Wilkin

eben Frauen gegenüber sehr verschlossen war

und Schüchtern und Rosalind dagegen sehr selbstbewusst und zielstrebig.

Und das war von Anfang an natürlich für ihn eine Katastrophe.

Ja, es gibt eine lustige Anekdote, die muss Maurice Wilkins später

in seine Autobiografie schildert.

Und zwar hat er seinem Analytiker immer wieder erzählt

vom Stress, den er mit Rosalind Franklin hatte.

Ach, der musste sogar in Therapie.

Ja, und er meinte, er weiß nicht, wie er mit dieser Frau umgehen soll

und so, und der Analytiker hat ihm dann irgendwann gesagt,

ja, laden Sie sie doch einfach mal zum Essen ein, meine Güte.

Und am Abend geht dann Maurice Wilkins wieder ins Labor

und nimmt sich vor, okay, dann gehe ich jetzt heute mit Rosalind essen

und vielleicht können wir es endlich begraben, das Kriegsfall.

Und macht die Tür zum Labor von Rosalind Franklin auf,

es ist Sommer, heiß, noch keine Klimaanlage und so.

Und er beschreibt, wie er dann Rosalind Franklin über den Mikroskop gebeugt,

schwitzend da sitzen sah und sie gerochen hätte

und dann entschieden hätte, nee, das mache ich jetzt doch nicht

und geht wieder. Also das zeigt so ein bisschen seine Art.

Er konnte sie nicht riechen.

Er konnte sie wortwörtlich nicht riechen.

Er hat auch gesagt, ihre Haltung war immer von oben herab.

Sie kam ja auch manchmal zu ihm und hat, oder bei irgendwelchen Präsentationen

gesagt, das stimmt was nicht.

Ganz genau. Und das ist auch wiederum so paradigmatisch für diese Zeit.

Beispielsweise wurde Rosalind Franklin dafür kritisiert,

dass sie Gott forbid Männern in die Augen gesehen hat,

anstatt auf dem Boden zu gucken, wenn sie mit denen geredet hat.

Sie hat ja nicht nur in die Augen geguckt, sie hat ja sie auch unterbrochen.

Genau, sie hat sie sogar gewagt, zu unterbrechen und zu zerbessern.

Und hat gesagt, das ist Quatsch, was Sie hier gerechnet haben, das stimmt es nicht.

Und zwar muss es so gerechnet werden.

Das war natürlich, und zwar vor versammelter Mannschaft.

Da haben die natürlich hinterher einen ordentlichen Hass geschoben.

Ganz genau.

Also Sie waren natürlich, das muss man jetzt vielleicht auch dazu sagen,

auch nicht besonders interessiert daran, Frieden zu stiften.

Sie ist auch nicht reingegangen und hat gesagt, gehen wir mal essen.

Sondern sie saß auch in ihrem Büro und hat sich da verschanzt.

Und wenn einer reinkam, sagte sie raus.

Also ist nicht der Typus, den man jetzt als Friedenstifter

oder als Diplomaten einstellen würde.

Nee, sie war halt irgendwie aber auch halt eben nicht so ein Mädchen,

Mädchen wie damals, sondern sie war halt eher wie ein Mann.

Und damit konnten die Männer nicht wirklich umgehen.

Am 21. November 1951 hat Rosalind Franklin,

die damals 31 Jahre alt gewesen ist,

am Kings College eine Vorlesung gehalten über ihre Arbeit.

Und ihr Mitforscher Wilkins hat jemanden eingeladen.

Wen?

Er lädt die Konkurrenz ein aus Cambridge, James Watson.

Die beiden kennen sich aus einer Tagung in Neapel.

Und sagt, er soll auch kommen.

Rosalind wird da ihre Ergebnisse fortragen.

Vielleicht kann er was daraus ziehen.

Und James Watson fährt die Stunde mit der Bahn von Cambridge nach London

und setzt sich da rein.

Macht man das, macht man das, dass man die Konkurrenz einlädt

und sagt, da könnt ihr vielleicht was abgreifen?

Gute Frage, also...

Was sagst du dazu?

Na ja, es gibt schon regelmäßige Fachsymposien,

wo man dann auch zeigt, was das eigene Institut kann.

Das ist ja auch immer so ein Schaulaufen in der Wissenschaft.

Also man möchte schon nach außen zeigen, wo stehen wir gerade.

Und das ist ja, in dem Moment, wo du einen Vortrag gehalten hast

und du hast den öffentlich gehalten, ist das ja als dein Wissen in der Welt.

Das heißt, du hast da auch so deinen Namensstempel draufgedrückt.

Also das wissen wir hier am Kings College.

Das ist unser Beitrag.

Ist das aber auch eigentlich ein Zeichen der Anerkennung, oder?

Wenn er da andere einlädt zu einem Vortrag von Frau Franklin?

Ich würde sagen, das ist noch ein ganz normaler wissenschaftlicher Austausch.

Was jetzt danach passiert, was jetzt losgeht, das ist nicht ganz normal.

Und es fängt schon damit an, dass James Watson kein allzu aufmerksamer Zuhörer ist, ehrlich gesagt.

Genau, er versteht, wie gesagt, wenig von Kristallografie und Röntgenbeugung.

Wenig ist gut.

Und später wird er in seinem Bestsellerbuch, Die Doppelhelix,

diesen Tag diesen Vortrag beschreiben.

Und aus seiner Beschreibung sieht man, was er von Rosalind Franklin hält,

was er von Frauen generell hält.

Ich kann dir mal was vorlesen.

Ja, bitte.

Seine Beschreibung von diesem Vortrag ist wie folgt.

In ihren Worten war keine Spur von Wärme oder Frivolität.

Und doch konnte ich Rosie, so nennt er sie,

und doch konnte ich Rosie nicht vollständig uninteressant finden.

Einen Augenblick überlegte ich, wie sie wohl aussehen würde,

wenn sie ihre Brille abnehmen würde und irgendetwas Neues mit ihrem Haar versuchte.

Man könne sich Rosie gut als das Produkt einer unbefriedigten Mutter vorstellen,

die es für überaus wünschenswert hielt, das intelligente Mädchen-Berufe erlernten,

die sie vor der Heirat mit langweiligen Männern bewahrten.

Das ist ja was dran.

Also ein interessanter Beruf bewahrt einen in der Tat vor der Heirat mit langweiligen Männern.

Das Problem für James Watson war allerdings,

dass er sich so auf das Aussehen von Rosalind Franklin konzentriert hat,

dass er überhaupt nicht zugehört hat, was sie eigentlich sagt.

Und das führt ein paar Wochen später zu einem sehr peinlichen Moment.

Und zwar bauen Watson und Crick in Cambridge ein erstes Modell der DNA.

Also sie haben eben diesen Vortrag gehört, Watson hat den Vortrag gehört,

er hat die Daten so ein bisschen mitgeschrieben, aber nicht so wirklich.

Und wie gesagt, er hat es sich ganz verstanden.

Aber die beiden sind so überzeugt von sich und von ihrer Arbeit,

dass sie sagen, wir können auch jetzt schon das Modell bauen.

Und sie bauen ein erstes Modell.

Als sie fertig sind, rufen sie sofort in London bei Maurice Wilkins an

und sagen, wir haben was gebaut, wir glauben, das ist die Lösung, wir haben es geschafft.

Die Londoner Gruppe um Rosalind Franklin und Maurice Wilkins

setzt sich in den Zug eine Stunde wieder nach Cambridge

und schaut sich das Modell an.

Und wieder ist es Rosalind Franklin, die drei Sekunden auf dieses Modell schaut

und sofort sieht, es ist falsch. Und das sagt sie auch sehr direkt.

Was für die beiden Männer für Crick und Watson eine komplette Demütigung ist.

Rosalind Franklin hat recht, alle können ihr nicht widersprechen, weil es sofort auffällt.

Aber der Hass auf sie steigt sozusagen ins Bodenlose.

Und jetzt geht es so weiter, dass Watson und Crick, die merken natürlich,

die ist einfach so gut, wir brauchen die irgendwie oder wir brauchen zumindest ihre Daten.

Und jetzt fängt Watson an, immer wieder ins Kings College zu fahren

und immer wieder zu versuchen, die Daten, die Ergebnisse von Rosalind Franklin abzugreifen.

Sie nennen sie ja auch nicht Frau Franklin oder Rosalind, sondern sie nennen sie Rosie.

Obwohl sie wissen, dass sie das hasst.

Das ist so eine kleine Spitze. Rosalind Franklin merkt das natürlich, was hinter ihrem Rücken vorgeht.

Und jedenfalls gibt es dann eine Begegnung, die mir Simon Altmann, der 98-Jährige erzählt hat,

der ganz, ganz eng befreundet war damals mit Rosalind Franklin.

Und der hat mir erzählt, wie Rosalind Franklin eines Tages Tränen aufgelöst

zu ihm zu Simon Altmann ins Büro gestürmt ist.

Und erzählt hat, ja, ich bin gerade aus einer Vorlesung gekommen und wollte in meinen Büro,

macht die Tür auf und sehe, wie James Watson durch meine Unterlagen wühlt.

Also die Konkurrenz aus Cambridge wühlt sich durch die Unterlagen ihres Schreibtischs.

Ganz genau. So hat es mir Simon Altmann erzählt.

Und Rosalind Franklin ist so erstaunt, so erschreckt von dem Ausmaß an Unanständigkeit,

die halt eben zu ihrem besten Freund flüchtet und ihm das erzählt.

Aber auch natürlich merkt, außer ihm hat sie überhaupt niemanden, zu dem sie gehen kann,

weil ihr direkter Kollege Maurice Wilkins sie auch mit Missachtung bestraft

und sie weiß einfach nicht mehr, was sie tun soll.

Und in der Folgezeit geht es immer mehr so, dass eben die Jungs aus Cambridge versuchen,

das herauszufinden, was Rosalind Franklin an Forschungsergebnissen an Daten gesammelt hat.

Was hat sie denn herausgekriegt, Andreas? Was ist denn das, was die unbedingt haben wollen?

Die große Frage ist, wie schafft es dieses Molekül, Informationen zu tragen

und diese Informationen auch weiterzugeben?

Also wir alle sind ja mal aus einer befruchteten Eizelle entstanden

und daraus haben sich Milliarden von Zellen gebildet, die unsere Körper formen.

Und jede dieser Zellen hat das komplette Erbgut, das wir mit uns herum tragen, in ihrem Kern.

Also muss es eine Kopiermaschine geben, die dieses Erbgut kopiert.

Und in diesem Fall ist es diese Kopiermaschine in dem Molekül quasi selbst mit eingebaut.

Sie findet heraus, die DNA, die desoxyribonucleinsäure, ist eine Doppelhelix, so eine gewundene Leiter.

Man stelle sich mal so eine Leiter, so eine Strickleiter, die man so ein bisschen um sich selbst verdreht,

zu einer Schraube, zu einer Helix.

Und diese Leiter hat eben zwei lange Holme, die werden aus Zucker und Phosphat gebildet und dazwischen Sprossen.

Und diese Leitersprossen werden gebildet aus Basen.

Und diese Basen passen komplementär zueinander.

A passt immer zu T und C passt immer zu G.

Und wenn man dieses Molekül jetzt auseinander nimmt, diese Leiter auseinander nimmt,

dann hat man sozusagen mit einer Hälfte der Leiter die Matrix dafür, eine neue Leiterhälfte zu bauen.

Und so können sich sozusagen diese Molekülleitern vervielfältigen.

Das ist das große Geheimnis der DNA.

Interessant.

Und das Entscheidende hier wiederum ist, wir haben ja gesagt, das große Rennen ist,

wer findet zuerst heraus, wie diese DNA aussieht.

Und was gäbe es Besseres, wenn man einfach ein richtig gutes Foto davon bekäme.

Ja.

Und genau daran sitzt Rosalind Franklin.

Und sie macht in der Folgezeit immer bessere Aufnahmen von der DNA.

Mit dieser Röntgenbildung, Kristallografie, wie wir schon gesagt haben,

schafft sie es, immer genauere, immer schärfere Bilder zu machen,

bis am 2. Mai 1952 sie das allerbeste Bild, das jemals bis dahin von der DNA geschossen wurde, macht.

Das ist das, was Andreas vorhin erwähnt hat, das Foto 51.

Genau, das berühmte Foto 51.

Man sieht darauf eigentlich jetzt als Laie gar nicht so viel.

Es ist ein Kreis, ein dunkler Kreis mit einem Kreuz in der Mitte.

Aber für die Wissenschaftler damals sieht nun was ganz Entscheidendes.

Und zwar, man sieht, dass die DNA eine helikale Struktur hat.

Und das ist eigentlich der Schlüssel der Weisen.

Diese Leiter ist nicht gerade, sondern wie es in sich verdreht,

ist eine Schraube und das nennt man diese helikale Struktur.

Und es ist auch wichtig zu wissen, wie eng sich diese Schraube umeinanderwindet.

Das ist Teil dieser Analyse und das lässt sich eben von dieser Röntgenaufnahme,

die wir hier vorliegen haben, sehr gut ableiten.

Und Rosalind Franklin könnte jetzt eigentlich mit diesem Bild publik gehen.

Also sie könnte eigentlich jetzt sagen, jetzt habe ich es geschafft,

schaut euch dieses Bild an, ich habe es gemacht, aber das macht sie nicht.

Sie hat dieses Bild zusammen mit ihrem Doktoranden, der ihr geholfen hat, geschossen.

Und sie verstaut aber erst mal das Bild, weil sie weitere Daten sammeln will,

weil sie ganz ganz sicher gehen will, dass das Bild auch wirklich dümmt.

Also, dass die Daten stimmen.

Normalerweise ist, wenn ich was entdecke und ich arbeite in einem Team

und ich habe was entdeckt, dann spring ich auf, rennt zur Tür raus,

zu dem Menschen, mit dem ich dieses Team bilde oder zu den Menschen

und sag, hey, schaut mal her, was ich entdeckt habe, kommt mal alle zusammen.

Das macht sie nicht, sondern sie nimmt das Foto und verstaut in der untersten Jupplade

und macht hier, kann man jetzt nicht gerade sagen, ein Teamwork.

Ist denn das in Ordnung?

Ja, ich würde sagen, es ist sogar wissenschaftlich lauter.

Also es entspricht eigentlich der wissenschaftlichen Ethik.

Du kannst dir ja auch vorstellen, du hast ein Artefakt.

Also, es gab irgendeine Störung, die dazu geführt hat,

dass dieses Foto so aussieht, wie es aussieht.

Und es ist gar nicht die Substanz, selbst dieses Muster macht.

Es gibt irgendeine Verunreinigung oder so.

Das heißt, du musst jetzt schaffen, dieses Bild zu reproduzieren.

Ein einziges Foto ist noch kein Beweis.

Also wer als Wissenschaftlerin was auf sich hält, schreibt nicht gleich Hurra,

außer sie heißen Watson und Crick, die gehen dann in den Pub und sagen,

sie haben das Geheimnis des Lebens entdeckt,

sondern jemand wie Rosalind Franklin sagt, ha, das ist ein echter Ansatzpunkt.

Da gucken wir jetzt genauer hin.

Und es ist natürlich eine berechtige Frage, die du stellst, Sabine.

Warum geht sie nicht zu Maurice Wilkins zu ihrem Kollegen und sagt,

schau mal, was ich habe?

Ich glaube, zu dem Zeitpunkt war deren Beziehung so schon angeknackst.

Da war so viel Misstrauen gegenseitiges, dass sie das einfach nicht gemacht haben.

Ich weiß nicht, ob sie schon geahnt hat,

dass Maurice Wilkins hinter ihrem Rücken böse Spiel betreibt, aber...

Maurice Wilkins hat ja mit den anderen beiden gemeinsame Sache gemacht.

Gegen sie. Darauf läuft es ja dann später hinaus.

Aber vielleicht ist sie deshalb auch nicht zu ihm gegangen.

Genau. Sie merken auch, dass sie hinter ihrem Rücken lästern und sich lustig machen.

Und das kann ja jeder für sich selbst auch entscheiden.

Aber ich würde es wahrscheinlich dann auch nicht machen.

Warum soll ich zu dem gehen, der sich die ganze Zeit hinter meinem Rücken lästert über mich?

Ich bin aber trotzdem ein wissenschaftliches Team.

Und es geht ja um die Universität und nicht um ein persönliches Wohlbefinden.

Ja, aber sie hat natürlich ihren Doktoranten, mit dem sie alles teilt.

Und die werden so ein eingespieltes Team.

Dem vertraut sie.

Und ich glaube, dass es sehr nachvollziehbar ist, wie sie handelt.

Und jetzt kommen wir zum springenden Punkt.

Im Winter 1952 begutachtet eine wissenschaftliche Kommission

die Arbeit der Bio-Physik-Abteilung des Kings College.

Das machen die einmal jährlich, glaube ich.

Und Rosalind Franklin fasst dafür ihre Resultate in einem Bericht zusammen.

Der Bericht ist eigentlich nur für Mitglieder dieser Kommission gedacht.

Nicht für andere, schon gar nicht für Konkurrensteams.

Doch ein Kommissionsmitglied aus Cambridge steckt den Bericht von Rosalind an Watson und Crick durch.

Und dadurch erhalten die ganz entscheidende, ganz wichtige Daten für ihr Modellbau,

für ihre Vorstellung, wie diese Struktur aussehen wird.

Das ist ein ganz entscheidender Punkt.

Der wichtigste kommt aber ein paar Wochen später, ein paar Monate später.

Und zwar am 30. Januar 1953.

Es ist wieder so, Watson ist mal wieder am Kings College, stromert dadurch die Gänge.

Und sieht, dass die Tür von Rosalind Franklin's Labor so halb angelehnt.

Also eigentlich zu ist, aber ohne anzuklopfen, stürmt er ins Labor von ihr.

Sie ist ganz konzentriert in ihrer Arbeit über ein Mikroskop gebeugt.

Und er, so beschreibt er es später in der Doppelhelix, sieht, was gerade vor sich geht.

Und zwar, dass es irgendwie für sie gar nicht geht, dass er hier so reingeplatzt kommt,

dass er sie ja bei der Arbeit stört.

Und dann, statt sich zu entschuldigen, und das sagt er ganz offen in diesem Buch,

entscheidet er sich zur Provokation.

Und er redet auf Rosalind Franklin ein und sagt ihr, dass sie nichts kann

und dass es nicht stimmt, was sie da alles macht und so.

Und dann, er beschreibt es jedenfalls so, wer Rosalind Franklin fast handgreiflich geworden,

wer fast auf ihn zugestürmt, gerade noch rechtzeitig sei Morris Rilkins

von dem ganzen Geschrei aufgeschreckt und dazugekommen und hätte James Watson gerettet.

Er beschreibt Rosalind Franklin in diesem Moment wie eine Irre.

Also wenn man das liest...

Man muss sagen, diese Passage aus der Doppelhelix hat das Bild von Rosalind Franklin über Jahrzehnte geprägt.

Die Schwester von Rosalind Franklin hat mir erzählt, als das Buch rauskommt,

war das die schlimmste Passage für ihre Mutter, für Rosalinds Mutter zu lesen,

weil sie gesagt hat, lieber wäre meine Tochter gar nicht in Erinnerung geblieben,

als so, als eine Irrefurie, die andere Männer anfängt irgendwie handgreiflich zu werden.

Finde das nicht so schlimm?

Also, ihr würdest jetzt nichts ausmachen, wenn mich jemand so beschreibt.

Ist doch angemessen, wenn einer einen Platz unter anfängt,

in meinen Sachen rumzuwühlen, da würde ich dem aber auch eine kleben.

Ja, für die Mutter war es irgendwie klar, aber auch die Tochter war zu dem Zeitpunkt schon tot.

Und für sie war es einfach ungerecht.

Also ließ mal vor.

Im ersten Augenblick war sie erschrocken, war Rosalind erschrocken,

aber dann gewann sie rasch ihre Fassung wieder und sah mich unverwandt an.

Ihr Blick gab mir zu verstehen, dass ungebetene Gäste wenigstens die Höflichkeit haben sollten, anzuklopfen.

Watson entscheidet sich dann, Anführungstriche eine Explosion zu riskieren.

Ohne weiter zu zögern, gab ich ihr zu verstehen, sie sei unfähig, Röntgenaufnahmen zu interpretieren.

Plötzlich kam Rosie hinter dem Labor-Tich, der uns trennte hervor und ging auf mich los.

Da ich Angst hatte, sie könnte mich in ihrer Wut schlagen, zog ich mich hastig Richtung offene Tür zurück.

Aber Maurice, der auf der Suche nach mir gerade den Kopf hineinsteckte, verhinderte meine Flucht.

Während sich Rosie und Maurice über meine gebeugte Gestalt hinweg anblickten,

teilte ich Maurice klein laut mit, mein Gespräch mit Rosie sei zu Ende.

So, und jetzt gehen die beiden Männer, ziehen sich zurück, machen die Tür zu

und Maurice Wilkins sagt zu James Watson, komm mit in mein Büro,

wir lassen die Alte jetzt in Ruhe und unterhalten uns zwischen Männern, ich will dir was zeigen.

Sie gehen in das Büro und ein paar Wochen zuvor hat Raymond Gosling, der Doktorant von Rosalind Franklin,

mit dem sie dieses ganz berühmte Foto 51 gemacht hat,

hat dem Maurice Wilkins ohne Wissen von Rosalind Franklin das Bild gegeben, hat ihm das gezeigt und gegeben.

Und Maurice Wilkins hat es jetzt in seiner Schublade, in seinem Büro,

es ist das eigentlich tatsächlich das wertvollste, was zu diesem Zeitpunkt die ganze Universität besitzt.

Also das ist ein unermesslicher Schatz, weil das eben sozusagen die Lösung des Rätsels ist,

an dem Forscher seit Jahrzehnten sitzen.

Und Maurice Wilkins, der Kingsmann, gibt dem Cambridge Mann dieses Foto jetzt.

Das ist die Konkurrenz, wird jetzt gefüttert mit dem wertvollsten, was man hat.

Ganz genau.

Warum?

Ja, wie gesagt, also ich glaube, das war...

Aus Hass, auf diese Frau.

Also er wollte lieber, dass das Konkurrenz-Team den Durchbruch macht, als das Rosalind die Lorberne einheimst.

Und er gibt Watson dieses Bild und Watson sagt, ihm sei nur noch der Unterkiefer runtergeklappt,

als er drauf geschaut hat, weil er sofort verstand, das ist das letzte Puzzleteil, das wir brauchten.

Jetzt haben wir es.

Die Doppelhelix.

Die Doppelhelix.

Er fährt sofort zurück nach Cambridge, erzählt seinem Kollegen Francis Crick, was er gesehen hat,

und sie bauen das richtige Modell.

Ist das nicht strafbar?

Sowohl die Sache mit dieser Kommission, wo die Daten rausgehen nach Cambridge, als auch hier.

Da müsste doch eigentlich die Polizei kommen, oder?

Der Kommissionsbericht tatsächlich ist kein vertrauliches Dokument, da steht nicht Top Secret drauf oder so.

Das ist also keine Verschlusssache, aber es gehört sich einfach nicht, solche Dinge weiterzuspielen.

Ich meine, du musst dir ja eine wissenschaftliche Community angucken, in der man sich ständig gegenseitig begutachtet.

Du hast ja erzählt, da kommen Experten aus Cambridge nach London ins Institut und schauen, wie gut sind die denn.

Und diese Evaluation sorgt natürlich dafür, dass jeder ständig einen Einblick darin hat, wo die Konkurrenz gerade steht.

Man gibt ihn nur nicht die allerletzten Geheimnisse und Beweise.

Von daher ist dieser Kommissionsbericht, da hat ohnehin ein fremdes Institut und Forscher von einem fremden Institut,

hat einen Einblick, aber dass Maurice Wilkins jetzt dieses Foto rausrückt.

Das ist für mich wirklich Betrug an Rosalind Franklin und Betrug an der eigenen Institution.

Und es hat keine Konsequenzen.

Es hat keine Konsequenzen.

Es hat keine Konsequenzen.

Im April 1953 wird dann in der Fachzeitschrift Nature, der Artikel publiziert von Watson und Crick,

der mittlerweile legendär geworden ist, indem sie eben beschreiben, dass die Struktur der DNA eine Doppelhelix ist

und zeitgleich in der gleichen Ausgabe von Nature publiziert auch Rosalind Franklin,

was hier an Daten gesammelt hat und das perfide ist, dass Watson und Crick in diesem Artikel schreiben,

sie hätten keinerlei Ahnung gehabt von den Daten- und Forschungsergebnissen der Leute vom King's Collet.

Also eine glatte Lüge.

Es gibt aber die verräterische Bemerkung, sie seien durchaus inspiriert worden in diesem Artikel.

Also insgeheim geben sie es doch ein bisschen zu, dass sie da nicht alleine drauf gekommen sind,

aber das perfide an dieser Nature Ausgabe ist eben diejenigen, die eigentliche Arbeit gemacht hat,

die empirischen Daten geliefert hat und man weiß aus ihren Notizen, sie hatte die Lösung vor Augen.

Die liefert sozusagen so den Materialartikel und den großen Wurf, den präsentieren die beiden Jungs.

Aber zwei Fragen, hat sie sich dagegen nicht gewährt, dass das eine und das zweite,

wie kam es denn dann raus, wenn die es nie zugegeben haben?

Woher weiß man denn das, was du hier alles erzählst?

Also zur ersten Frage ist es wohl so, so als mir jedenfalls die Schwester gesagt,

sie glaubt, dass Rosalind Franklin nie erfahren hat zu Lebzeiten, was die ihr gemacht haben.

Also sie hat nie erfahren...

Sie hat es nicht gewusst.

Sie hat es nicht gewusst, dass hinter ihrem Rücken dieses Bild an Watson weitergegeben wurde.

Und so drängender die zweite Frage, wie kam es raus?

Jahre später beschreibt das alles James Watson in seinem Bestsellerbuch, Die Doppelhelix.

Ganz offen beschreibt er, wie sie Rosalind Franklin um ihre Daten, um ihre Forschungsergebnisse,

um das Bild betrogen haben.

Und mir kam es beim Lesen vor, als würde da ein Eiteler Dieb irgendwie seine Tipps und Tricks preisgeben,

weil er so von sich selbst überzeugt ist und so Eitel und so nach Aufmerksamkeit gierend,

dass ihm das alles egal ist, wie er wahrgenommen wird, sondern er will einfach, wie ein Verbrecher,

der einfach nicht stillhalten kann und irgendwann sein perfektes Verbrechen preisgibt.

Und die anderen beiden, was sagen die dazu?

Die waren noch zu amused, als sie erfahren haben, dass dieses Buch veröffentlicht werden sollte

und haben auch noch versucht, rechtlich dagegen vorzugehen.

Hat aber nicht geklappt und seitdem hatten die auch kaum noch Kontakt miteinander.

Das seltsame ist aber, auf das Buch folgt auch kein Aufschrei.

Also wenn man heute so eine Tat veröffentlichen würde, in ich Form, so mit unverholendem Stolz,

das würde einen gewaltigen Aufschrei erzeugen, so wie das, was du ganz am Anfang zitiert hast.

Da reicht eine Bemerkung in einem Vortrag, eine despektierliche.

Und schon bist du geächtet in der Community.

Hier passiert das überhaupt nicht.

Im Gegenteil, so die Rezensionen sagen, ah, spannendes Buch,

liefert wertvolle Einblicke in den wissenschaftlichen Betrieb.

Wir sind immer noch in den 60er Jahren.

Ich meine, diese Beschreibungen von Rosalind Franklin von Frauen allgemein sind so misogyn und so verletzend,

das würde heute kein Lektor, kein Verlag mehr machen können.

Und das Buch wird sogar für den National Book Award, also für den größten Buchpreis der USA nominiert,

ist wochenlang auf Platz 1 der Beste.

Dass er da eine Wissenschaftlerin die Beste von allen über den Tisch gezogen hat, interessiert niemanden.

Interessiert niemanden?

Im Gegenteil, man sagt noch.

Ganz genau, das kommt alles erst später.

Als die Gesellschaft sich insgesamt verändert, wird das Bild von ihm und von Rosalind Franklin gerade gerückt.

Andreas, du kannst das wahrscheinlich noch besser erzählen, weil du eben die beiden kanntest.

Was sind denn das für Typen gewesen?

James Wilson und Francis Crick.

Ich habe die natürlich sehr, sehr viel später kennengelernt.

Und die beiden sind sehr unterschiedliche Wege gegangen, muss man sagen.

Also Francis Crick hat sich irgendwann aus der Genetik komplett verabschiedet

und hat sich einem nächsten ganz großen Rätsel zugewandt, nämlich dem menschlichen Bewusstsein.

Darüber hat er sehr lange geforscht, sehr intensiv in Kalifornien.

Und er ist inzwischen gestorben, 2004 gestorben.

James Watson lebt noch.

Du hast ja auch versucht, Moritz mit ihm Kontakt aufzunehmen.

Genau, aber er lebt ganz zurückgezogen.

Ich hatte versucht über eine Forscherin und die hat nun wiederum eine Kollegin gefragt, die ihn kennt.

Die hat dann aber mitgeteilt, dass er keine Interviews mehr gibt.

Und zurückgezogen, ich glaube, er lebt auf Long Island.

Der ist ja auch mittlerweile Ende 90.

Und James Watson habe ich kennengelernt genau 50 Jahre nach der Veröffentlichung.

Also 2003, da durfte ich ein Festakt moderieren.

Zu 50 Jahre DNA-Entdeckung und James Watson war Gast.

Und war damals aber natürlich schon ein sehr alter Mann, immer noch mit hochgetragener Nase, muss man sagen.

Unangenehm.

Das ist der, der in den nur zum Verständnis für unser Publikum.

Das ist derjenige, der den Schreibtisch von Rosalind Franklin durchführt hat.

Genau, damals als 24-jähriger Jungspund.

Und jetzt saß mir ein alter Mann gegenüber so im großen Bewusstsein seiner historischen Tat sozusagen.

Also das trägt er nach wie vor durch.

Er ist aber in der wissenschaftlichen Community heute wirklich völlig raus.

Er hat sich da selber rauskatapultiert mit rassistischen Bemerkungen.

Er hat Bemerkungen über die genetische Ausstattung von Afrikanern und Amerikanern gemacht.

Er hat gesagt, weiße sind schlauer, generell schlauer als schwarze Menschen.

Er hat dafür plädiert, dass, wenn die Genanalyse so weit sind, dass Frauen schon bei ihren Föten sehen würden,

ob die Kinder homosexuell werden, dass man dann die Föten abtreiben sollen dürfen.

Das ist jetzt Wissenschaft, oder was?

Ein abgedrehter alter Mann.

Mit geklautem Ruhm.

Aber jetzt kommt der Hammer. Jetzt kommt ja der Hammer, die drei.

Wie geht es mit den drei Männern weiter, dem Verräter im Kings College und den beiden Schurken in Cambridge?

Wie geht es mit den drei weiter und wie geht es mit unserer Rosalind weiter?

Mit den drei Jungs geht es ziemlich gut weiter, genau so, wie sie es wollen.

Und zwar erhalten sie ein paar Jahre später alle drei den Nobelpreis.

Also das größte Ziel, auf das sie immer hingearbeitet haben oder das sie immer wollten,

gearbeitet ist, eher in Anführungsstrichen zu setzen. Also sie bekommen genau das, was sie wollen.

Der 10. Dezember 1962 und es gibt ein Riesenabendessen und James Watson hält eine lange Dankesrede.

Da ist er 34 Jahre alt.

Also ganz jung, ein Nobelpreis.

Und während die drei feiern und genau das haben, was sie immer wollten,

ist Rosalind Franklin zu dem Zeitpunkt schon tot. Denn 1956 wird bei ihr Eierstockkrebs diagnostiziert.

Die hatte ihr auch die ganze Zeit mit Röntgenstrahlen zu tun gehabt?

Ja, genau. Also es ist so traurig irgendwie, weil die Forscherin, die den größten Anteil an der Entschlüsselung der DDR&A geleistet hat

und Zeitlebens keiner Anerkennung dafür erfahren hat, bezahlt den größten Preis und zwar ihr Leben.

Es ist nicht klar, ob die Röntgenstrahlen dafür verantwortlich waren oder ob sie es beschleunigt haben.

Eierstockkrebs ist, glaube ich, oft auch genetisch. Aber trotzdem ist es irgendwie ein Schlag des Schicksals,

das ausgerechnet sie mit gerade mal 37 Jahren am 16. April 1958 stirbt, während vier Jahre später

James Watson, Morris Wilkins und Francis Crick den Nobelpreis erhalten für eine Arbeit,

die ganz maßgeblich auf ihren Forschungsergebnissen basiert.

Der Tod macht es dem Nobelkomitee einfach, denn es gibt eine Regel.

Ein Nobelpreis darf höchstens unter drei Wissenschaftlern aufgeteilt werden.

Und Rosalind Franklin wäre eine zu viel gewesen, in dem Augenblick.

Hat man da gewartet oder wie muss ich das verstehen?

Es gab immer wieder böse Zungen, die das behauptet haben,

weil die Entdeckung natürlich auf einen Schlag Weltgeschichte geschrieben hat.

Man hätte den Nobelpreis wahrscheinlich auch ein oder zwei Jahre nach der Entdeckung vergeben können,

hat man aber nicht. Und es gab immer wieder Gerüchte oder Vermutungen,

ob man vielleicht extra gewartet hat, nachdem eben 1956 diese Diagnose Eierstockrebs kam,

bis sie tot ist, weil die Nobelpreisregeln besagen, dass man Toten nicht den Nobelpreis verleihen darf.

Das ist aber nie verifiziert worden.

Das wäre ja noch ein weiterer Verrat gewesen.

Das wäre wahrscheinlich der größte Verrat von allen gewesen.

Aber es gab auch schon vorher genug Verrat an dieser Frau, muss ich sagen.

Photo 51. Manchmal ist es ein kleiner Augenblick,

der die ganze Wissenschaftsgeschichte auf den Kopf stellt.

In diesem Fall ist es so eine echte Sternestunde der Menschheit.

Und die Frau, auf die diese Sternestunde zurückgeführt wird,

wird jetzt erst richtig gewürdigt.

Ich hoffe auch durch diesen Podcast.

Hoffentlich.

Und wer will, kann sich in unserem Newsletter jetzt die Rosalind Franklin anschauen,

wie sie durch ein Mikroskop guckt und überhaupt.

Und auch die drei Nobelpreisträger.

Lieber Moritz, ganz herzlichen Dank, dass du diese Geschichte nicht nur aus den Büchern erzählt,

sondern all diese Zeugen aufgetrieben hast, die vom Leben von Rosalind Franklin berichten konnten.

Ich danke dir auch. Tschüss.

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Die junge Rosalind Franklin ist eine Ausnahmewissenschaftlerin. Ihr ganzes Leben gehört der Forschung an Molekülen. Doch ihre männlichen Kollegen hassen sie und durchwühlen ihren Schreibtisch. Als Rosalind die Struktur der DNA entdeckt und weltberühmt werden könnte, verschwinden die entscheidenden Unterlagen aus ihrem Büro.

In Folge 135 sprechen Sabine Rückert und Andreas Sentker mit dem ZEIT-Reporter Moritz Aisslinger über einen der größten Betrugsdelikte in der Geschichte der Wissenschaft.

Der Text zur Folge ("Sie war's") ist im Oktober 2022 im ZEIT Dossier erschienen.

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