Sternstunde Philosophie: Eine andere Demokratie wagen? Der Philosophische Stammtisch

Schweizer Radio und Fernsehen (SRF) Schweizer Radio und Fernsehen (SRF) 10/21/23 - 57m - PDF Transcript

Auf wenig sind wir in der Schweiz so stolz, wie auf die Pünktlichkeit unserer Bundesbahnen,

auf unseren Käse und die Schokolade und natürlich auf unsere direkte Demokratie.

Und doch sind wir mit dem, was sie zutage fördert, selten zufrieden.

Bildet sie wirklich ab, was das Volk will und zu seinen Gunsten wäre und überhaupt wer

ist das Volk?

Unser Thema jetzt am philosophischen Stammtisch.

Seine Stimme erheben, sagen, was man denkt, das ist wichtig in einer Demokratie, zumal

in der Schweizerischen, der direkten, wo das Volk immer Recht hat.

Doch wer ist das eigentlich?

Das Volk, der Demos.

Seit den alten Griechen waren nur Männer wahlberechtigt, sehr viel später kamen die

Frauen dazu, in der Schweiz bekanntlich erst 1971.

Zum ersten Mal seit 1848 durften dieses Jahr ehrenvoll gewählte Frauen nun auch das andere

Männerheiligtum den Nationalratzahl betreten.

Und die Ausländerinnen und Ausländer?

Weiterhin stimmlos, außer in Genf und Neuenburg.

Doch selbst unter denen, die wählen dürfen, machen immer weniger Gebrauch davon.

Seit Jahren mehr drehrt die Stimmbeteiligung in der Schweiz bei 50 Prozent.

Woran liegt das?

Geht es uns zu gut?

Oder liegt viel mehr Verzweiflung in der Luft?

Gar unmacht.

Weil sie da oben in Bern am Ende eh machen, was sie wollen?

Eine Skepsis und eine Wut darf die vor allem sogenannte Populisten setzen, nicht immer mit

lauteren Mitteln oder verfassungskonformen Zielen, wie in Deutschland etwa die AfD.

Wie findet unsere Demokratie aus der Krise, müssen radikal neue Wege gewagt werden?

Soll das losentscheiden, wer ins Parlament kommt?

Brauchen wir eine Regierung der Wissenden?

Bürgerräte, wie es sie in vielen Ländern bereits gibt?

Oder greifen nationale Reformen eh zu kurz, um globale Probleme visionär zu lösen?

Die Klimakrise?

Unsichere Renten?

Migration?

Kriege?

Und Konflikte?

Demokratie ist die schlechteste aller Regierungsformen, abgesehen von all den anderen, so sagte es

einst Winston Churchill.

Aber stimmt das eigentlich noch?

Und wenn ja, wie können wir die schlechteste aller Regierungsformen verbessern?

Ja, wie können wir unsere Demokratie verbessern, Garretten?

Diese drängende Frage der Gegenwart wollen wir heute am philosophischen Stammtisch mit

zwei ausgewiesenen Experten diskutieren.

Dem Schweizer Philosophen erlernt in Zürich Franzis Schönewall sowie der Historikerin

Hedwig Richter.

Sie lehrt in München.

Schön sind Sie da.

Vielen Dank.

Herr Schönewall, heute ist Wahltag, die Schweiz wählt Ihr Parlament, ich nehme an Sie Wahlen.

Schon wählen?

Wäre es denn verberflich, nicht zur Wahl gegangen zu sein?

Genau, ich war wählen.

Es ist ein Recht, wählen zu gehen, aber ich glaube, nicht wählen oder wählen sind nicht

equivalent.

Dieses Recht wurde für mich von anderen erkämpft früher.

Wenn alle nicht wählen gehen, fällt die Schweizer Demokratie in sich zusammen.

Wählen gehen ist nicht nur, dass man die eigene Stimme zählen lassen möchte, sondern man

hält die Institutionen aufrecht.

Von denen alle profitieren, würde ich behaupten.

Diese Institution aufrecht zu halten ist ja in Krisenzeiten besonders wichtig.

Frau Richter, man spricht immer von einer Krise der Demokratie.

Sie haben diese Demokratieentwicklung über hunderte von Jahren beforst.

Gab es dann mal eine Zeit, in der die Demokratie in Westeuropa nicht in der Krise war?

Nein, tatsächlich gehört es zu Demokratie dazu.

Ich würde sagen, der Modus der Demokratie ist die Krise und das ist auch gut, denn die

Demokratie hat eine besondere Krisenkompetenz, würde ich sagen.

Aber was wir momentan sehen, ist wirklich eine Poly-Krise und die Frage ist eigentlich,

ob unsere Demokratie diese Krisen oder wie sie diese Krisen überstehen kann.

Teilen Sie diese Einschätzung?

Demokratie ist immer schon in der Krise und muss es auch in der Krise sein?

Also ich teile die Einschätzung.

Sie lebt vom geordneten Streit von Abwechslung, Opposition, Regierung.

Aber ich finde den Krisenbegriff etwas zu dramatisch und auch zum momenthaft.

Ich schaue eigentlich lieber auf Demokratie-Barometer und die Entwicklung über die Zeit.

Und dann ist eine Krise etwas sehr momentaftes, wo man sofort dramatisch eingreifen muss,

um die Sache zu retten, wenn ich jetzt hier eine Herzkrise habe, oder?

Und wenn wir von der Krise Demokratie sprechen, haben wir keinen Blick dafür,

dass eigentlich wir langfristige Entwicklungen betrachten müssen.

Und da schaue ich so im Moment auf so Demokratie-Barometer, die es gibt.

Wie dem, zum Beispiel das Schwedische, das sind 4.000 Forschende, daran beteiligt.

Und das ist etwas wie der Klimabericht, aber über die Demokratie, so ein Weltdemokratie-Bericht.

Und wenn man sich das anschaut, sieht man, dass eigentlich in Westeuropa,

Nordamerika die Demokratie auf ziemlich hohem Niveau relativ resilient und stabil ist.

Woher kommt denn dieses Gefühl,

dass wir bauen von dieser Krise sprechen?

Ja, vielleicht ist es eine bestimmte Medienlogik, aber, und das muss man hinzufügen,

die regionalen Kurven sind sehr unterschiedlich, oder?

Und die Weltkurve, wenn man die anschaut, dann gab es in den letzten 35 Jahren Fortschritt

und wieder Rutschritt und wir sind wieder genau gleich weit wie vor 35 Jahren.

Also, die Weltdemokratiekualität ist an dem Punkt, an dem sie vor 35 Jahren war.

Und wir haben eben erlebt einen Fortschritt und jetzt haben wir erlebt wieder einen Rückschritt.

Das ist ja aus verschiedenen Hinsichten sehr interessant, weil Demokratie vom Fortschritts-Glauben lebt

und auch eine expansive Logik hat.

Sie sagten, ein Indikator könnte ja auch sein, die Wahlbeteiligung.

Die sind in der Schweiz eher rückläufig, eher zurückgehend.

Der amerikanische Philosoph von Pädagoge John Dewey hatte vor 100 Jahren eigentlich

das Patentrezept für Demokratien in der Krise verschrieben.

Er hat gesagt, die Leiden der Demokratien werden gelöst durch mehr Demokratie, durch

eine Intensivierung des demokratischen Geschehens.

Frau Richter, stimmt das denn stabilisiert die Intensivierung des demokratischen Geschehens

diese Demokratien selbst oder führt das manchmal auch zu Überhitzungen?

Also, ich glaube, dass das eine sehr idealisierte Vorstellung ist, auch von Demokratiegeschichte,

etwa die Vorstellung, dass Demokratie etwas ist, was immer von unten erkämpft wurde,

dass es sozusagen ein anthropologisches Bedürfnis von Menschen ist, wählen zu gehen.

Aber die Demokratiegeschichte ist wesentlich komplexer.

Also nach dieser vereinfachten Geschichte würde dann mehr Demokratie bedeuten, Menschen

wollen ja per se immer wählen und deswegen bedeutet dann eine Ausweitung des Wahlrechts,

etwa dass das der Demokratie dann wieder besser geht.

Aber die Demokratiegeschichte ist viel, viel komplizierter.

Sehr oft wurde das Wahlrecht von oben installiert in den USA, etwa wurde es sehr stark von den

Parteien gefordert, dass es ausgeweitet wird.

Und viel interessanter in der Geschichte der Wahlen, aber auch in der Geschichte der Demokratie

ist die Frage, warum gehen die Menschen wählen eigentlich und nicht die Frage, warum gehen

sie nicht wählen, so wichtig die natürlich für uns in Demokratien ist.

Aber eine Frage wäre ja sowieso, wenn man dieses Zitat von Duy anschaut, was heißt eigentlich

mehr Demokratie?

Also, meint man damit zwangsläufig immer mehr Menschen gehen zur Wahl?

Man könnte auch sagen, mit diesem Demokratiebarometer werden ganz andere Dinge noch gemessen?

Genau, also einerseits wird gemessen die Qualität eines Verfahrens, eines beteiligungszentrierten

Entscheidungsverfahrens.

Da gehören so Dinge dazu wie Versammlungsfreiheit, Redefreiheit, Pressevielfalt, Mitbestimmungsrechte,

wer ist überhaupt, wer hat das Suffrage, also wer hat das Stimmrecht im Land und so weiter.

Und da ist aber ein ganz zweiter Teil dazu, da geht es um solche Dinge wie Rechtsstaatlichkeit,

Grundrechte, Gewaltenteilung, Jackson Balances.

Also eigentlich das, was, ich sage mal so, das Volk vor sich selber schützt.

Solche Dinge.

Ja, das finde ich auch ein ganz wichtigen Aspekt dieses, dass die Geschichte der Demokratie

immer auch die Geschichte, ich nenne es jetzt mal, ihre Einschränkung ist.

Also Verfassungen sind ja ganz starke Einschränkungen des Demos.

In Deutschland kann die Todesstrafe nicht mehr eingeführt werden, egal ob mehrheitens

des Volkes oder Gewaltenteilung, ist auch eine ganz klare Einschränkung.

Also die liberalen Demokratien, die sie hier herausentwickelt haben, das ist eben auch

eine Geschichte.

Wie kriegt man das eigentlich hin, dass alles das Wahlrecht haben?

Das ist ja eine unwahrscheinlich, unwahrscheinlichere Herausforderung.

Und eine der Antworten war eben dieses Jackson Balances, diese Gewaltenteilung.

Zwei kann man sehr oft.

Also diese Vorstellung, dass Demokratie und immer noch mehr Demokratie, dass es so ein

Selbstläufe ist und auch so eine Geschichte der Herrlichkeit und von immer mehr, die ist

wirklich sehr unterkomplex und wird auch der Zwiespältigkeit der Demokratie, der Demokratiegeschichte

nicht gerecht.

Ich finde das jetzt ganz interessant als Dynamik, weil also meine Frage zieht ihr darauf ab,

wie man die Demokratie intensiviert, wie man mehr Beteiligung, mehr Intensität im demokratischen

Willensbildungsprozess erzeugt und beide, sie sagten, eigentlich geht es eher um Einhegungen.

Eigentlich geht es darum, vorsichtig damit umzugehen, dass die Dynamik nicht aus dem

Ruder läuft und dass vieles an demokratischen Institutionen darauf abzielt, das Volk eher

zu steuern und gezielt zu ermutigen, als es wirklich freizulassen.

Das würde ich so nicht sagen, ich würde einfach sagen, die Prozesse, die Verfahren sollen

möglichst fair sein.

Und dazu braucht es einen rechtstaatlichen Rahmen, dazu braucht es Zugang zu Informationen.

Und jetzt, wenn eine gewählte Amtsperson damit beginnt, die Pressevielfalt zu reduzieren,

die Gerichte zu unterlaufen, dann bedroht diese Person quasi die Qualität der nächsten

Wahlen.

Und die Bedingungen der Möglichkeit der Willensbildung?

Die Qualität der Verfahren wird garantiert durch diese liberalen Schranken der Demokratie.

Und deshalb sagt man, das Ganze ist mehr Demokratie, oder?

Mehr Intensität, die sich einander anbrüllen, ist nicht mehr Demokratie.

Aber ich würde nochmal interessieren, auf diese These zurückzukommen, die Demokratie

zu unter Druck oder in Gefahr.

Sie haben gesagt, wir sind eigentlich, wenn wir diese Demokratiebarometer anschauen, am

gleichen Punkt wie vor 35 Jahren.

Zum einen würde mich interessieren, ist das denn eine gute Nachricht, weil wir haben ja

doch etwas verloren.

Also ist das hinreichend gut im Moment.

Und vielleicht auch der Blick nach Polen.

Im Moment sagen viele, Polen ist jetzt irgendwie ein Hoffnungsschimmer für die Demokratie.

Wie man das genau deuten muss, ist glaube ich im Moment auch nicht so ganz klar.

Aber wie schätzen Sie das ein?

Also gibt es gerade auch so ein bisschen wieder einen Wechsel in dieser Stimmung?

Also ich pruele es auf jeden Fall eine sehr, sehr gute Nachricht.

Also man ist das gar nicht mehr gewohnt, dass plötzlich so eine Nachricht kommt.

Aber ich muss auch sagen, dass es, ich hatte neulich eine Diskussion mit einem Journalisten

von der Gazeta Diborca, also von dieser polnischen großen Tageszeitung.

Und der hat auf dem Podium gesagt, also diese ganzen, alles was wir uns zurzeit ständig

sagen, es wird wieder dunkel und es ist gefährlich, wir müssen aufstehen, was alles auch richtig

ist.

Aber nachher hat er gesagt, selbstverständlich wird in Polen die Demokratie siegen und selbstverständlich

wird auch in Ungarn die Demokratie siegen und das leuchtet mir unmittelbar ein.

Ich finde das unwahrscheinlich, dass Menschen tatsächlich anfangen, zumal in westlichen

Demokratien wirklich die Demokratie abzuschaffen.

Aber die sind ein Druck, hat man doch in den letzten Jahren.

Ich finde auch, es gab mal im Kommunismus eine Zeit, da hat man gesagt, selbstverständlich

wird der Kommunismus siegen, als ob es einen Piloten in der Geschichte gebe, der mit Notwendigkeit

darauf zuführt, dass das System sich verstietet.

Mir würde es ähnlich gefährlich sein, zu sagen, selbstverständlich wird die Demokratie

siegen, selbstverständlich wird sie nicht siegen.

Sondern es ist immer sehr prekär, sehr offen und ob das in Polen ein demokratischer Fortschritt

ist, dass die Partei, die am meisten Stimmen hat, jetzt von der Macht ausgeschlossen wird,

das ist ja noch die Skutabe.

Also ich glaube, es gibt keine selbstverständliche Linearität eines Fortschritts hin zur Demokratie

und dann ist die Liberale Demokratie am Ende der Geschichte angelangt.

Aber noch einmal, was ich gesagt habe in den letzten 35 Jahren, das ist nicht wir, sondern

das ist der Weltdurchschnitt.

In Westeuropa, Nordamerika ist die Demokratie auf markant höherem Niveau, als sie es war

zu meiner Geburtszeit, hat sich eingependelt und auch die Verwerfungen der letzten Jahre

haben diese Kurve nicht massiv nach unten gebracht.

Also da ist eine relative Resilienz der Demokratie in freiheitlichen, relativ wohlhabenden Verhältnissen,

marktwirtschaftlichen Verhältnissen festzustellen.

Die Kurve ist ganz unten im nahen und mittleren Osten, vor allem in Lateinamerika sind die

Demokratien unter Stress und in Osteuropa und Zentralasien, also ich sage jetzt mal das

Einflussgebiet von Herrn Putin, dort ist die Demokratie, dort geht die Kurve massiv nach

unten und deshalb geht auch die Weltkurve etwas nach unten, aber bei uns, wenn Sie sagen

wir, wenn Sie sagen die Schweiz, dann geht diese Demokratiekurve nicht einfach so steil nach

unten.

Die Demokratie ganz und gar.

Die ist markant höher als, es beginnt 1972 und wenn ich noch weiter zurück denke in meiner

Lebenszeit, sind wir zwar unter Stress, aber auf viel höheren Niveau, als wir es waren

vor 50 Jahren, sage ich mal.

Also ich finde es auch wichtig, dass es selbstverständlich gibt es nicht diese Selbstverständlichkeit

und gar weltweit diese lineare Fortschrittsentwicklung, das ist ganz klar.

Was ich mit selbstverständlich meine, ist diese ziemliche Resilienz in den westlichen

Demokratien und das wird oft unterschätzt und es wird zum Beispiel auch völlig unterschätzt,

wie stark Rechtsextremismus in den 50ern war, egal in welchem westlichen Antisemitismus.

Wir tun heute so, als ob das eine komplett neue Entwicklung war, das macht das heute

nicht harmloser, aber wir sind heute wirklich auf einem anderen Niveau, auch was die Inklusion

von Frauen betrifft, von Menschen mit Migrationsgeschichte und so weiter.

Und über diese Einhegungen auch recht extremer Kreise wollen wir später auch noch sprechen,

aber ich würde gerne noch mal kurz auch bei der Schweiz bleiben.

Also wie ist denn die Situation hier oder auch in Deutschland, sind wir zufrieden mit

der Demokratie und wenn wir es am Tisch sind oder Sie als Expertinnen, als Experte es

sind, warum sind es denn die Menschen da draußen nicht?

Weil diesen Eindruck teile ich nicht, viele sagen ja tatsächlich, eben ich gehe nicht

zur Wahl, es interessiert mich nicht, aber oft auch es bringt einfach nichts.

Also komparativ sind die Schweizerinnen und Schweizer relativ zufrieden mit der Demokratie

im Vergleich zu anderen auch westlichen Ländern.

Also die Zustimmungsrate zur Demokratie ist bei uns immer noch höher als anderen Orts.

Jetzt vielleicht nimmt sie etwas ab, aber man kann nicht sagen, wir hätten es mit einer

massiven Erosion des Glaubens der Schweizerinnen und Schweizer an die Demokratie zu tun.

Das sehe ich nicht.

Und gerade die Parteien, auch unsere rechtsbürgerlichen, rechtskonservativen Parteien, das sind eigentlich,

wenn sie einen Wert hochhalten, dann die Demokratie oder das ist vielleicht auch der Grund, weshalb

man sie vom Rechtsextremismus dann unterscheiden kann oder das wäre ein Kriterium, sie vom

Rechtsextremismus zu unterscheiden und jetzt kann natürlich darüber sprechen, wie sie vielleicht

die Bedingungen verändern möchten, in Bezug auf das, was ich gesagt habe, mit Rechtsstaatlichkeit

und so weiter, aber es ist nicht festzustellen, also ich teile das nicht, dass hier eine Erosion

des Glaubens an die Demokratie in der Schweiz stattfindet.

Sie sagten ja, Europa können wir sagen, ist eine Art Zentralkontinent für die Demokratie immer noch

auch qualitativ.

Die Schweiz ist ganz im Bauchnabel Europas, das ist auch ein Ursprungsland, die Demokratie ist hier

wichtig.

Es ist aus einer Perspektive von Deutschland ausgesehen, auf so unter 50 Prozent die Wahlbeteidigung.

In einer Situation, in der die Welt in Flammen steht, in der sich Polikrisen verdichten,

ist das eine Art Demokratie der Schlafwander, wird hier eine Stabilität simuliert oder angenommen.

Wir müssen gar nichts tun.

Es ist doch alles in Ordnung.

Es wirkt für mich schon einigermaßen verwirrend, dass sie sagen, einerseits ist die demokratische

Rückhalt sehr stark und dann gehen nicht 50 Prozent zur Wahl in einer Zeit, in der man das Gefühl hat,

hier geht es nicht um wenig, vielleicht sogar um alles.

Also ich finde es ganz wichtig, dass die Wahlbeteiligung nicht per se in Ausdruck der Qualität der Demokratie,

das wird oft verwechselt.

Und in Deutschland galt ja lange Zeit der Demokratie-Krisendiskuss der Tatsache, dass

die Wahlbeteiligung gesunken ist, sei die AfD stark geworden ist, sehr stark mit Nichtwählerinnen,

Nichtwählern, zieht man das auch wieder anders.

Also ich finde zu einer Demokratie gehört es auch, dass man nicht wählen geht, anders

als in den meisten Diktaturen, da muss man der Regel wählen gehen.

Also da würde ich auch passen, inwiefern man das als Kriterium nehmen.

Aber das müssen wir, glaube ich, noch mal erklären.

Also nehmen wir mal an, wir hätten jetzt in der Schweiz eine Wahlbeteiligung noch von 5 Prozent.

Würden Sie immer noch sagen, prima Demokratie?

Nein, natürlich ist ein Problem und natürlich würde ich auch sagen, es ist besser, wenn mehr Leute wählen gehen.

Also ich würde auch immer sagen, geht wählen, das ist eine wichtige Bürgerpflicht, die Demokratie lebt davon.

Aber das ist nicht das große Kriterium, wenn 60 Prozent, 50 Prozent wählen gehen,

muss das noch nicht heißen, dass die Demokratie in der Krise ist.

Das kann, je nach Situation, nicht Wahl, das ist ein sehr großes Forschungsfeld,

das kann auf die unterschiedlichsten Dinge hinweisen.

Aber in der Schweiz eben ist ein sehr schönes Beispiel für eine stabile Demokratie mit einer ziemlich niedrigen Wahlbeteiligung.

Genau, wir haben ja zum Teil hohe Stimmbeteiligung, dann weiß auch Abstimmung,

wenn es dann wirklich um das mobilisiert dann die Leute, und dann sieht man auch, dass sie, dann nehmen sie ja teil.

Also, aber ich will das, es ist richtig, man sollte das nicht verhandlosen.

Also ich habe es ja auch gesagt, die Demokratie fällt in sich zusammen, wenn die Leute nicht stimmen und wählen gehen.

Es braucht einen bestimmten Grundstock, würde ich mal sagen, von Wählenden, den braucht es.

Ja, selbstverständlich.

Und wie reagiert sich dieser Grundstock?

Das ist ja auch derzeit eine große Diskussion.

50 Prozent der Wahlberechtigten gehen wählen, es gibt in der Schweiz auch sehr viel mehr Menschen,

die dort leben, die nicht Wahlberechtigt sind, Stichwort Ausländer, Wahlrecht.

Das ist ja auch die Frage, wer ist der Demos eigentlich?

Das Wahlvolk ist ja offensichtlich nicht die Einwohnerzahl der Schweiz, und zwar nicht mal annäherend.

Darf ich noch etwas kurz?

Also es ist so, wenn man die, eine nicht stimmen ist ja wie eine Stimmenthaltung,

und die Stille ist immer multi, also vielseitig interpretierbar.

Ich sage, weshalb gehen die Leute nicht wählen, da sagen die einen, die sind faul,

und die anderen sagen, sie sind resigniert und so weiter.

Aber man kann schon feststellen, es sind Leute mit niedrigerem Einkommen, die tendenziell nicht stimmen gehen,

und es sind Leute, die weniger Bildungsgänge absolviert haben, die nicht wählen gehen.

Also es sind schon tendenziell, es ist eine Gruppe von marginalisierten Leuten.

Entmutigung ist da.

Entmutigung ist da.

Und da ist natürlich schon, das ist ein Problem.

Da muss man sich fragen, wie holt man diese Leute wieder?

Und zum Teil haben ja, also das Gute, was man dem Populismus abgewähnt,

ist, dass sie diese Leute zum Teil wieder mobilisiert für die Demokratie, also wieder reinholt.

Und damit auch in die Debatte reinholt.

Und das ist eigentlich eine gute Sache.

Dieses Mobilisierungspotenzial des Populismus ist eigentlich,

das kann der Demokratie wirklich auch gut tun.

Aber jetzt haben Sie ja von den Ausländern noch gesprochen bei uns.

Also wie groß ist der Demos?

Sollen wir davon jetzt noch sprechen?

Auf jeden Fall.

Das ist ja auch so eine Frage, oder?

Heißt eigentlich, gewisse Personen auszuschließen,

ist das nicht auch ein Demokratiedefizit, wenn man so will,

dass man von vornherein seit der Demos, der ist nur zusammengesetzt

aus dem Personen mit dem Schweizer Pass jetzt in der Schweiz zum Beispiel?

Ja, also das ist immer ein Problem.

Von jeder Demokratie, der sich zugleich explodiert.

Also die Demokratiegeschichte ist eine Geschichte der Inklusion,

der Inklusionsrevolution wird das auch genannt.

Der Einbeziehung?

Der Einbeziehung, genau.

Aber sobald man das Wahlrecht hat, sobald man auch Bürgertum, Bürgerschaft hat,

gibt es eben eine Definition dessen und dann kommt es eben auch zu Ausschluss.

Und das ist eine Sache, die immer umstritten ist

und die auch immer umstritten sein soll.

Eine der vielen Krisenmöglichkeiten von Demokratie.

Wer gehört jetzt dazu und wer nicht?

Ich will da noch mal kurz darauf zurückkommen.

Ich finde es auch ein ganz wichtigem Punkt, dass die Nichtwählerschaft,

dass da gibt es eine sehr beeindruckende Forschung dazu,

dass die sehr oft aus den sozial Benachteiligten besteht.

Und das finde ich tatsächlich auch ein wichtigem Punkt,

dass man das mit im Blick hat.

Ich finde nur nicht, dass es eine gute Lösung ist,

wenn Populisten das zurückholen,

weil sie ja oft mit einer Antipolitik kommen,

oft mit falschen Tatsachen und falschen Versprechungen.

Und damit, die Menschen zu Demokratie zu holen, das finde ich problematisch.

Ich habe hier eine Verwirrung, die ich gerne unter Experten geklärt wüsste.

Es ist so, dass wenn man die politischen Felder beobachtet,

es meist links oder links orientierte Parteien sind,

die für eine Ausweitung des Demos plädieren,

insbesondere mit Ausländerwahlrecht, Jugendwahlrecht.

Wenn man das Gefühl hat, diese Ausweitung

ist eigentlich ein populistisches Geschäft,

sollte eigentlich von den Rechten gefordert werden.

Warum sind die Linken so stabil für die Ausweitung,

wenn man das Gefühl hat,

dass die Ausweitung selbst den Rechten eher nutzt?

Vielleicht weiß ich wirklich davon mehr Stimmen erhoffen.

Aber eigentlich ist es eine Gerechtigkeitsfrage,

das muss eine Gerechtigkeitsfrage sein.

Also wer hat eigentlich Anspruch darauf, mitstimmen zu können?

Das sollte man nicht entscheiden, indem man versucht,

zu sagen, welche Partei nicht strategisch.

Deshalb kann man sich fragen,

was sind denn eigentlich die Kriterien für die Inklusion?

Es ist okay, dass die Leute,

die in Frankreich leben und in Deutschland leben,

sich an den Schweizer Wahlen nicht beteiligen sollen.

Aber wie steht es mit den Leuten, die in der Schweiz wohnen?

Die nachhaltig den Schweizer Gesetzen,

dauerhaft den Schweizer Gesetzen unterstellt sind.

Da gibt es schon einen Prinzip,

ich würde es als Interwerfungsprinzip nennen,

der dauerhaft den Gesetzen unterworfen ist.

In einer Demokratie soll Beteiligungsrechte haben.

Jetzt ist die Frage, wie weitet man das aus?

Ist einfach Residenz, also quasi, dass man Anwohner ist,

oder Einwohner schafft,

ist das ein genügendes Kriterium, um das Stimmrecht zu bekommen?

Oder sollte man einfach den Pass mehr Leuten anbieten?

Also Sekondos einfacher einbühren und so.

Das sind zwei Modelle,

die aus diesem Unterwerfungsprinzip folgen.

Ich glaube, sie sind beide gestützt davon.

Es sind nur zwei verschiedene Modelle.

Aber Sie würden sagen, eines der Modelle sollten wir vertreten?

Ich bin schon der Meinung, dass es ein Problem ist,

wenn jemand dauerhaft oder über Jahre hinweg in der Schweiz wohnt,

sogar hier geboren ist, kein Stimmrecht hat.

Viele werden ja eingebürgert.

Aber diese 25 % oder wie auch immer die genaue Zahl ist,

sind dann ein Problem.

Weil sie sind dauerhaft gesetzen und erworfen,

zu denen sie nichts zu sagen haben.

Sie wollten dazu noch was sagen?

Ja, genau.

Ich würde hier gerne zwei Punkte einfügen.

Das eine ist, dass wir uns auf sehr viele von sprechen,

von der Ausweitung der Staatsbürgerschaft,

ich bin da in alle Regeln dafür, auch von der Ausweitung des Wahlrechts.

Ich würde das sinnvoll finden, das auf 16 Jahre etwa zu senken.

Da gibt es viele gute Gründe dafür.

Aber oft werden damit Probleme auch nicht gelöst.

Aber die Integration wird nicht zwangsläufig besser,

dadurch, dass das Wahlrecht ausgeweitet wird.

Mein zweiter Punkt, auch hier ist es interessant,

auf die Geschichte zu schauen.

Historisch gesehen war die Ausweitung des Wahlrechts

in alle Regeln Interessen geleitet.

Strategisch.

Die Ausweitung des Frauenwahlrechts

ging immer sehr stark damit an,

ob die Parteien, die jeweils an der Macht waren,

sich was davon versprochen haben oder nicht.

Das ist eine Art der Ausweitung des Wahlrechts.

Wir haben in den letzten Jahren

in der Linken und liberalen Parteien Angst,

wo den katholischen Wählerinnen hatten.

In der Schweiz auch entsprechend.

Aber das bedeutet nicht, dass man es nicht gerechtig heißt.

Nein, Sie haben völlig recht.

Aber das sollte man im Hinterkopf haben.

Auch das ist keine rumreiche Demokratiegeschichte,

sondern auch hier sehen wir ein Lift.

Die Liste der Geschichte hat dazu geführt,

als Gerechtigkeit.

Es ist eine Krise,

dass das Schweizer Volk plötzlich sagen würde,

wir wollen die Demokratie nicht mehr.

Aber was es gibt, ist so ein Unbehagen,

dass man sagt, vieles ist so blockiert.

Wir kommen nicht mehr voran.

In der Europafrage beispielsweise,

in der Vorsorge der Renten.

Aber natürlich auch bezüglich der Klimafrage.

Das ist einfach eine Schwierigkeit,

dass wir den Eindruck haben,

wir kommen nicht voran mit unserem System.

Insofern ist dieser Krisendiskurs ja auch aufzudröseln.

Man muss den Eindruck haben,

vielleicht brauchen wir andere Instrumente.

Wie stellen Sie sich denn dazu?

Ich finde die repräsentative Demokratie,

die sich herausentwickelt hat,

ich finde, dass es eine sehr sinnvolle Einrichtung ist,

dass das Wahlvolk wählt.

Ich bin auch eine Gegnerin der direkten Demokratie.

Ich finde, dass da vieles dagegen spricht.

Das müssen wir noch genauer verstehen.

Das müssen wir noch darüber diskutieren.

Was ich momentan vermisse,

ist, dass die Gewählten,

dass die Abgeordneten,

dass die viel mutiger,

die das Mandat, das sie haben, in Anspruch nehmen.

Wir können die Klimakrise nicht lösen,

indem wir, was der deutsche Bundeskanzler

von der Vorstellung hat,

in dem wir plebiscitär,

theoretisch plebiscitär,

nur die Volksabstimmung.

Der sagt, eigentlich mache ich nur Klimamaßnahmen,

die auch plebiscitär,

und so kann Klimapolitik natürlich nicht funktionieren.

Ich finde es wichtig,

dass man diese Möglichkeit,

die man in der repräsentativen Demokratie hat.

Ich bin jetzt gewählt auf 4 oder 5 Jahre.

Jetzt nehme ich diese Verantwortung

und setze wirklich auch die Dinge um,

die ich für richtig halten.

Verstehe ich Sie richtig,

dass der Vorteil der repräsentativen Demokratie,

wie Sie ihn formulieren, darin besteht,

dass, wenn man einmal gewählt wäre,

sich zu einem Müd bekennen kann,

der in der Bevölkerung so nicht vorhanden wäre,

sondern teilweise auch gar nicht dem Volkswillen entspricht,

sondern ihm scheinbar zu widerläuft,

um ein Agenda durchzusetzen,

zu der man sich mit Volksabstimmungen selbst nicht würde,

hinaufraffen können.

Genau, Demokratie ist nicht Demoskopie.

Das ist wirklich auch das Großartige.

Und wie mit Prennens zum Beispiel ...

Demoskopie wäre quasi eine Volksbefragung.

Sie wollen sagen,

und das finde ich jetzt wirklich ein interessanter Punkt,

es ist kein Demokratiedefizit,

wenn jemand sagt in einer gewählten Person,

ich will was durchdrücken,

was das Volk bestimmt nicht annehmen würde.

Es ist kein Demokratiedefizit,

sondern es ist Ausdruck der Demokratie.

Ich würde das auf jeden Fall anders formulieren.

Sehr oft sehen wir mutige Politikerinnen,

wenn die eine Agenda haben

und die überzeugend dann auch tatsächlich umsetzen,

dass sie dann auch Mehrheiten gewinnen.

Zum Beispiel wie Librand Ostpolitik.

Die Deutschen waren nicht bereit.

Viele hingen immer noch an den alten Schleschen.

Und was weiß ich?

Die ganzen Ressentiments, die es gegeben hat.

Und er hat gesagt, ich mache jetzt diese Politik.

Und sein Kniefall in Warschau etwa,

als er sozusagen bekannt hat,

als Bundeskanzler die Verantwortung zu übernehmen.

Und für die Schuld des Holocausts,

da war eine Mehrheit der Deutschen entsetzt und war dagegen.

Aber er hat diese Politik umgesetzt

und er konnte die Deutschen dann dafür gewinnen.

Frau Richter, das ist superinteressant.

Man könnte das fast mit Kant sagen,

wenn du mal gewählt bist, dann Aufklärung und dann nach vorne.

Finde ich auch ganz wichtig.

Sie sind da nicht so einverstanden?

Nein, ich glaube, es ist eine folgenschwere Verwechslung,

direkte Demokratie und pläbisitäre Demokratie quasi zu identifizieren.

Das sind zwei ganz verschiedene Angelegenheiten.

Ein Pläbisit oder eine pläbisitäre Demokratie.

Das ist, wenn die Regierung von oben top down das Volk befragt.

Genau, demoscopisch, wie Sie zu Recht sagen.

Und zwar genau dann, wenn es in der Regierung passt

und genau zu den Themen, die der Regierung passen.

Das ist die pläbisitäre Demokratie.

Man kennt sie aus dem Frankreich, der Bonaparte und so weiter.

Man kennt sie aus dem alten Rom.

Das ist nicht das, was wir in der Schweiz

und der direkte Demokratie verstehen.

Und was eigentlich auch in Deutschland

und der Sachmittelwahrer Demokratie verstanden wird,

das sind nämlich Bürgerinnen, Bürgerrechte, Volksrechte,

Unterschriften zusammen, ein Referendum zu ergreifen.

Das ist bottom up.

Und Pläbisitäre ist top down.

Das ist eben nicht das Volk.

Wenn Sie jetzt sagen, Sie seien gegen die direkte Demokratie,

dann will ich zur Kenntnis nehmen.

Sie sind gegen die pläbisitäre Demokratie.

Aber damit sind Sie eben noch nicht gegen die direkte Demokratie.

Das sind Volksrechte von unten, Referenten zu ergreifen.

Und zwar zu Entscheidungen, die das Parlament gefällt hat.

Das ist quasi nur ein Adon,

das sind komplementäre Rechte in einem System,

das fundamental repräsentativ ist.

Ist das auch in der Schweiz?

Sie sagen, Sie sind gegen die direkte Demokratie.

Genau, das ist völlig klar.

Man kann den System sozusagen komplett direkt demokratisch machen.

Oder man kann eben Elemente davon haben,

die in der Schweiz stärker sind.

Und in Deutschland teilweise in Bundesländern,

teilweise auf Kommunalebene.

Das ist völlig klar.

Es geht prinzipiell darum,

wie sinnvoll ist es, das repräsentative System zu stärken?

Und wie sinnvoll ist es,

dieses direktdemokratische zu stärken?

Der Witz ist, diese direktdemokratischen Instrumente,

die stärken das repräsentative System.

Die erhöhen zum Beispiel auch das Vertrauen in dieses System,

weil die Leute wissen,

wir können noch ein Referendum ergreifen zu einer Sache,

zu irgendeinem Kompromiss, der da im Parlament geschmiedet wurde.

Dagegen können wir noch mal das Referendum ergreifen.

Und wir können sogar über die Initiative,

können wir quasi den Verfassungsdiskurs

in bestimmte Richtungen leiten, von unten.

Aber Herr Schöneweiler, es ist doch eine sehr ambivalente Sache.

Man kann ja auch repräsentativ gezielt ausbremsen.

Wenn ich Frau Richter richtig verstanden habe,

kann es auch eine Gefahr einer Demokratie sein,

die über Volksabstimmungen sich weiterhin legitimiert,

dass sie eine ungeheure Trägheit,

vielleicht sogar ein Reformumwillen, gut legitimiert.

Das wäre dann das andere Thema,

ob das verlangsam natürlich den Entscheidungsprozess,

darüber können wir sprechen.

Aber es ist nicht so,

oder wenn repräsentierende, wie man so sagt,

über die Köpfe hinweg die Dinge entscheiden,

dann haben wir vielleicht Gesetze,

die dann von einer Elite für gut befunden werden.

Aber wenn die nicht im Volk ankommen,

wenn sie nicht eingearbeitet sind,

ist das nicht sehr nachhaltig.

Und in einem direktdemokratischen System wie der Schweiz

gehen die Dinge langsamer,

aber sie sind dann wirklich verankert.

Es ist wirklich angekommen dann,

beim sogenannten Volk.

Aber das ist jetzt quasi der Werbespot für die Schweizer Demokratie,

den ich gerne auch ein Stück weit überschreibe.

Aber man muss ja schon sehen,

eben viele Leute denken, es geht so langsam.

Nehmen wir einen konkreten Vorschlag,

der Zukunftsrat.

Das wurde ja kürzlich lansiert in der Schweiz.

Das ist ein konkreter Vorschlag,

dass man ein 100 Bürgerinnen und Bürger,

jeweils per Los, bestimmen würde

und dann aber auch repräsentativ noch auswählen würde.

Für sechs Jahre wären die gewählt, eine dritte Kammer.

Wirklich der Vorschlag einer dritten Kammer,

um eben Prozesse mutiger anzustoßen,

weil der Vorwurf dieses Gremiums,

ein sehr breit abgestützter Gremium hat das lansiert,

die sagen genau auch das,

dass die Parteien mehr und mehr

fast schon tribalistisch funktionieren.

Das heißt, die trauen sich nicht auszuscheren,

die sind immer nur für vier Jahre gewählt,

müssen sich dann wieder bewähren

und niemand hat wirklich Mut, etwas wirklich anzustoßen.

Und dieser Zukunftsrat hätte ein Wettorecht,

sollte man noch sagen.

Genau, dieser Zukunft hat ein Wettorecht,

aber auch zum Beispiel könnte Vorschläge machen

zu Verfassungsänderungen beispielsweise.

Wäre das eine Weiterentwicklung der Demokratie?

Ich finde das wirklich noch mal ganz wichtig

mit diesem direktdemokratischen,

das wird sehr oft Plebiscitär genannt.

Es kann wirklich eine plebiscitäre

Verantwortungslosigkeit geben.

Und ich finde, in der Schweizer Geschichte sehen wir das auch.

Die Schweiz hat sich während des Nationalsozialismus

nicht bedrohenbekleckert.

Und momentan, was mir der Ukraine passiert,

ist wirklich ein Problem.

Und ich denke, das liegt sehr, sehr stark daran,

dass die Schweiz sich da so vornehmen, zurückhält

und die anderen die Tracksarbeit machen lässt,

noch nicht mal bereit ist,

dann wirklich Waffenlieferungen zuzustimmen.

Also nicht mindestens sozusagen ein Solidarität,

die wir der Ukraine schuldig sind, würde ich sagen.

Zustande bringt hat natürlich was damit zu tun,

dass die Schweiz wesentlich stärker direktdemokratisch funktioniert,

als sie repräsentativ funktioniert.

Und wenn wir zum Klima kommen, Europa kann sehr, sehr viel mehr durchsetzen,

weil dort die Demokratie noch indirekter ist.

Also das ist eine große Stärke Europas,

dass sie eben auch sehr stark, also beim Grundgesetz haben gesagt,

sich das Volk auf Distanz hält,

dass sich sehr positiv, als sehr positiv erwiesen hat,

nach dem Zweiten Weltkrieg.

Und in Europa wird es eben oft genutzt, wirklich vermutige Maßnahmen.

Und das, finde ich, sollte man schon im Blick haben,

wenn es um direkte Demokratie geht, um plebiscitäre Elemente,

dass die eben auch sehr stark die Verantwortungslosigkeit fördern können.

Das ist ein starker Tee-Setter.

Das spreche ich natürlich nicht mehr von der Qualität der Verfahren,

sondern jetzt sprechen die von den Leistungen, also den Outputs.

Und jetzt können wir natürlich schauen,

wie vergleichen wir die Outputs von Direktdemokraten,

also Systemen, die repräsentativ sind,

mit Direktendemokratie wie die Schweiz,

im Vergleich zu einem parlamentarischen oder reinen Wahlsystem.

Jetzt behaupten Sie, die haben über die Dauer hinweg

insgesamt die besseren Outputs als die Schweiz.

Ist das die Behauptung?

Ich habe gesagt, dass die plebiscitären Elemente zu einer gewissen

Verantwortungslosigkeit führen können.

Also das würde ich ja nicht die Frage stellen.

Die Frage ist nur, ob man über die Zeit hinweg,

wenn sich so ein System immer wieder wiederholt,

ob es andere bessere Outputs geben.

Ich bin natürlich auch, ich höre zu denen,

die meistens verlieren in den Abstimmungen.

Es kommt nicht so raus, wie ich stimme,

vielleicht gerade auch in Europa fragen und so.

Und ich bin sofort bei Ihnen, wenn es um bestimmte Leistungen geht,

die die Schweiz erbringen sollte,

in der Verteidigung und in der politischen Gestaltung Europas.

Also über diese Outputs und deren Qualität sollen wir nicht reden.

Aber die Frage ist doch, mit welchem Entscheidungsverfahren

das eben beteiligungszentriert ist.

Natürlich, genau.

Es geht natürlich nicht um die Verbindung.

Wie kommen wir zum Output demokratisch?

Dass wir zum Output despotisch kommen können,

werde ich da nicht in Abrede stellen.

Aber ich würde gerne doch noch kontern,

weil Sie das jetzt nicht gemacht haben,

dass die Schweiz die Drecksarbeit, die anderen machen lässt.

Das finde ich doch eine zu harte These.

Ich meine, darüber kann man diskutieren.

Wir hatten auch schon Sendungen, beispielsweise zur Frage,

wie man das Neutralitätsprinzip heute auslegen sollte,

kann man auch nachschauen.

Das ist eine große Frage in der Schweiz.

Auch eine, bei der der Zukunftsrat zum Beispiel sagt,

wir kommen nicht voran,

wir müssen da irgendwie kreative Lösungen haben.

Aber ich glaube, es ist ein Ringen,

wo man auch sagen kann,

die Schweiz hat da auch schon sehr gute Rollen übernehmen können,

in einer Situation, wo es für andere Länder nicht möglich war.

Ich werde da zurückhaltender in der Formulierung.

Das möchte ich doch gerne noch festkommen.

Jetzt kann ich doch mal einen Vorschlag zur scheinbaren Güte machen.

Und der würde darin bestehen,

dass weder eine direkte Demokratie mit Volksabstimmungen

noch eine Repräsentative in Sachen Klimaproblematik,

die letzten 30 Jahre, wesentliches oder Notwendiges geleistet hätte.

Man könnte sogar soweit gehen zu sagen,

dass die Frage nach der Vereinbarkeit

von notwendigen politischen Maßnahmen

mit Klimakrise und Demokraties entschieden.

Es klappt nicht.

Wir wissen seit 30 Jahren, was zu tun ist.

Es gibt nicht nur eine Verschleppung,

sondern gerade so eine gegenläufige Inaktivität.

Und es ist doch so, dass wir uns jetzt ernsthaft fragen müssen,

ob mit den demokratischen Mitteln, die wir haben,

die Transformationsbemühungen, die offenbar notwendig sind

oder scheinen überhaupt umsetzbar sind.

Und die letzten 30 Jahre als Track record,

Sie sprachen das an, sprich deine klare Sprache,

das heißt einfach, nein, es klappt so nicht.

Und welche Konsequenzen zieht man darauf?

Genau, das würde ich zuvor sagen.

Das liegt ja hier auf dem Tisch, weil sowohl die Repräsentativen

wie auch die direkte demokratische Systeme,

bestimmte Outputs, also Leistungen,

in Bezug auf die Lösung nicht erbringen.

Mehr repräsentative Demokratie, also mehr Warn,

das benkt ja offenbar auch nichts.

Da bin ich völlig bei Ihnen.

Jetzt ist die Frage, ob das dieses Instrument,

was das genau bedeutet und ob das weiterführt.

Ich finde, das ist eine interessante Idee,

die Demokratie wiederum eine Komplementarität zu schaffen.

Man hat da ein System, das ist grundsätzlich repräsentativ,

es gibt direkte demokratische Rechte,

das wollen Sie alles nicht abschaffen, nämlich an.

Dann ist die Frage, was leistet das zusätzlich, oder?

Aber Frau Richter, habe ich Sie denn richtig verstanden?

Sie sind jetzt vielleicht nicht dagegen und nicht dafür.

Ihre Intervention verstand ich so.

Es muss auch eine Art gezielter, agendageleitete Entmündigung geben,

in dem Sinne, dass man die Dinge, Sie würden das sagen,

über das Volk hinweg entscheidet,

vielleicht auch gegen den scheinbaren Volkswillen,

weil es nicht darum geht, ein Gemeinwohl derzeit zu organisieren,

sondern das Überleben einer Art zu gewährleisten.

Also gegen den Volkswillen finde ich wirklich falsch.

Natürlich leben Demokratien letzten Endes von der Mehrheit.

Und dann gibt es nach vier Jahren eine Wahl.

Das Prinzip der repräsentativen Demokratie.

Und interessanterweise hatte die eben nach 45 starken Schub.

Also die Demokratien in Europa, abgesehen von der Schweiz,

die westlichen Demokratien haben sich nach 45

sehr stark, sehr stark repräsentative Verfassung gegeben,

indem sie sich das Volk auf Distanz hielten.

Und das war eine gute Idee.

Das war die Lehre aus dem Faschismus, aus dem Nationalsozialismus.

Dass man gesagt hat, wir sind in einer tiefen Krise

und wir müssen jetzt tatsächlich sehr viel,

Expertenwissen hat damals eine große Rolle gespielt.

Sehr viel auch technokratisch werden wir das heute sehr negativ nennen.

Und das war für diese Krise genau richtig.

Das hat sich dann 68 verändert.

Also man muss auch sehen, die Zeiten verändern sich.

Aber wir sind momentan wieder in einer Zeit,

in der das für eine liberale Demokratie

sind flexible Systeme völlig legitim wäre zu sagen,

wir müssen jetzt wieder viel, viel stärker...

Also These noch mehr Distanzwagen?

Naja, jedenfalls eine mutige Politik machen

und dann sagen, okay, dann macht doch nach,

wählt uns nach vier Jahren ab.

Aber das, was jetzt anstehen, müssen wir machen.

Aber da gäbe es doch bestimmt, ich übertreibe jetzt,

aber ich sage es jetzt genauso, wie es wahrscheinlich dann käme.

Was sie anstreben, ist sowas wie eine Ökodiktatur.

Nein, nein, nein, nein.

Ich sage es jetzt einfach mal so.

Nein, nein, nein, überhaupt nicht.

Genau.

Das ist wirklich eine Scheindebatte.

Niemand will eine Ökodiktatur.

Das ist ganz, ganz wichtig.

Das wird oft vorgebracht gegen klare Maßnahmen.

Sie halten das für rein rhetorisch?

Ja, das ist rein.

Also es gibt bestimmten Fahrversprechen.

Aber was mir problematisch erscheint,

das ist etwas wie eine Demophobie,

die aus diesen Zeilen entspricht.

Man hat eigentlich Angst vor dem Volk.

Irgendwie, weil man meint,

der Nationalsozialismus kam vom Volk.

Das ist eine seltsame Diagnose.

Und diese Demophobie halte ich für verfolgenschwer.

Ich glaube, die Politik,

die sobald die Politik Angst hat vor dem Volk,

macht sie keine, sie ist nicht mehr fähig,

eine demokratische Politik zu machen.

Genau.

Und dann sprechen wir nicht über mehr,

sondern über weniger Demokratie.

Ja, die Demophobie verhindert doch gerade die Klimapolitik.

Das finde ich ein sehr guter Begriff.

Was wir in Deutschland sehen, ist eine völlige Lehmung,

weil man Angst hat vor dem Volk.

Man hat Angst davor, ein Staat zu sagen,

eine Mehrheit wird es gut finden.

Es gibt auch alle Umfragen zeigen.

Ich denke, das ist in der Schweiz ähnlich.

Das ist eine große Mehrheit für Klimamaßnahmen.

Dass man dann nicht im Einzelnen sagt,

jetzt sind Sie dafür dagegen,

sondern ich mache jetzt eine mutige Politik,

ohne Angst vor dem Volk.

Diese Figur, die hier auf dem Tisch liegt,

das ist die Frage,

ist es top-down oder bottom-up?

In der Regel sind diese Bürgerräte,

die haben ein Element des Plebiscitären.

Das heißt, sie sind von den Regierungen organisiert.

Dann ist es semi-random,

oder die Auslosung ist halb randomisiert.

Und die andere Hälfte wird eben durch Kriterien bestimmt

wiederum von oben, und dann wird gelost.

Und noch mal nachgelost, bis es passt, oder?

Und dann wird von oben eine Frage gestellt,

und dann soll der Bürgerrat etwas antworten.

Ich interpretiere das nicht.

Ich interpretiere das als etwas,

als ein top-down Instrument.

Es gibt Leute in Deutschland,

die die Sache unmittelbare Demokratie verteidigen,

die es sehr bedauerlich finden,

dass die Parteien, die direkte demokratische Instrumente,

die jetzt den Handhabe aus dem Programm gestrichten haben

und durch die Bürgerreizeidee,

durch die diese Auslosungidee ersetzt haben.

Ich halte das für eine falsche Entwicklung.

Man sollte nicht denken,

das wird hier die direkte Demokratie ersetzen,

sondern das wird sie ergänzt in einer Weise, wie es sinnvoll ist.

Zum Beispiel im Bundesstaat Oregon gibt es so einen Rat,

der dann quasi zu Volksabstimmungen Empfehlungen abgibt.

Und solche Dinge.

Es gibt 100 Variationen dazu.

Frau Richter, Sie schreiben ja,

damit verrate ich nicht so viel gerade ein Buch

über Klimakrise und Demokratie.

Die Dynamik scheint nicht mehr so zu sein,

ob man fragt, ob die Demokratie die Klimakrise bewältigt,

sondern ob die Klimakrise die Demokratie bewältigt.

In dem Sinne, dass die Effekte der Klimakrise

sehr ernsthaft zu der Frage führen,

ob Demokratie, wie wir sie kennen,

unter diesen Bedingungen überhaupt noch stabilisierbar wäre.

Das heißt, der Druck kommt doch gerade von der anderen Seite.

Genau. Ich denke auch, dass wir wirklich viel, viel stärkert ist.

Wenn wir das zur Kenntnis nehmen,

dass wir bei ab 2 Grad oder gar 2,5 Grad,

worauf wir sehr klar jetzt zusteuern,

dann wird diese liberale Demokratie sich nur noch sehr,

sehr schwer halten können.

Weil wir sind auf einen gewissen Wohlstand angewiesen.

Wir sind darauf auf eine gewisse Souveränität

der Parlamente des Volkes angewiesen.

Wenn wir eine Katastrophe nach der anderen haben,

wenn sozusagen nur noch das technische Hilfswerk

nur noch die Katastrophenhilfe am Werk ist,

dann wird die Demokratie mit den deliberalen Prozessen

natürlich dann nicht mehr so weiter existieren können.

Wir müssen uns dessen viel, viel stärker bewusst sein,

um dann auch sagen zu können,

wir müssen eine viel mutigere Politik machen

und eben nicht aus Angst vor dem Volk diese Politik nicht machen,

sondern auch davon ausgehen,

dass die Menschen das letzten Endes verstehen werden,

dass sie eine klare Klimapolitik mittragen können.

Aber darf ich mal fragen, woher haben Sie,

dass Sie sagen, die Menschen werden das verstehen?

Also belehren Sie mich gerne, aber gerade in Deutschland,

die Wahlen jetzt, man hat ja eigentlich auch,

man sieht, die AfD legt dauernd zu,

das ist nun keine Partei,

weil ich der Eindruck habe, Klimaschutz steht an oberster Stelle.

Also haben Sie wirklich den Eindruck, das wird mitgetragen

und wie gehen wir mit diesen Kräften um?

Letztlich müssen wir die ja in einer Demokratie auch einhegen,

auch da die Frage der Angst vor dem Volk letztendlich.

Ja, also ich denke, diese Angst vor der AfD,

die Angst vor gelbwesend, das war auch sehr lange der Diskurs,

das ist wirklich das, was Politik lehmt.

Und die AfD, die Rechten, die Extremisten werden so oder so gewinnen.

Die werden gewinnen von Maßnahmen, die wir machen,

die werden aber auch gewinnen, wenn die Katastrophen kommen.

Das kann nicht die Politik sein, dass wir sagen,

wir dürfen keine Maßnahmen machen, um die Kleinen zu halten.

Und was mich optimistisch stimmt,

ist, wir müssen mal überlegen,

wenn wir keine Klimapolitik machen, was das bedeutet,

wenn wir sagen, wir können nicht den Autofokier reduzieren,

wir können nicht neue Heizungen einbauen,

wir können all diese Dinge, können wir den Menschen nicht zumuten.

Das bedeutet doch, dass wir davon ausgehen,

dass den Menschen egal ist, dass sie ihre Umwelt zerstören,

dass sie das Leben ihrer Kinder zerstören,

dass sie andere Länder zerstören.

Unser tägliches Leben,

alles, was wir machen, Kleider einkaufen,

die Flüge, die wir machen, all das ist doch das Fleisch,

das wir essen.

Das ist ein Leben der Zerstörung.

Aber alles, was Sie sagen, ist ja gut verständlich für alle.

Weshalb sollen Sie dann nicht.

Und wenn es für Sie verständlich ist,

und man es Ihnen verständlich machen kann und das Mut braucht,

aber man muss auf Sie zugehen, die Leute,

dann warum soll man dann im Schluss quasi demophob

das Volk auf Distanz halten, das versteht nicht.

Ich finde das ganz beeindruckend, wie Sie sagen,

und bei einer gemäßen Mündigkeit würde man sagen,

man ist überzeugt und man handelt gemäß Überzeugung.

Nun wissen wir aber, dass es so nicht läuft.

Und wir wissen es nicht nur aus Skepsis,

wir wissen es seit 30 Jahren.

Man kann doch nicht mit dem,

was wir die letzten 30 Jahre politisch erlebt haben,

unsere Generationen, die das seit 30 Jahren so tun,

man muss sie halt nur überzeugen.

Ist es nicht der Punkt, an dem man einfach entschlossen sagen muss,

so geht das nicht weiter.

Und wir machen uns etwas vor,

wenn wir glauben, dass die Institutionen, die wir haben,

das lösen werden.

Also eben, das soll man sich ja so sagen,

so kann es sich weitergehen.

Und das und das müssen wir tun.

Aber eben, was ist es dann?

Wollen wir den Scheid demokratisch herbeiführen?

Oder nicht?

Auf diese Frage läuft das ja.

Nein, natürlich.

Also das finde ich ganz wichtig.

Ja, aber das ist ein Paradox.

Das Paradox ist ja offenbar.

Man könnte auch sagen,

ich sehe es nicht unbedingt aus dem Paradox,

sehen Sie, unsere Demokratie, wie die aufgestellt ist,

wir haben ganz viele Instanzen,

die eigentlich dem Mehrheitswahlverfahren entzogen sind,

oder wir stimmen nicht über den Zins,

hat der Nationalbank gehabt.

Wir stimmen nicht darüber,

ab welches Lebensmittel zugelassen werden soll.

Und so weiter.

Wir haben ganz viele wissenschaftliche Behörden,

die bestimmte Sachentscheide fällen.

Und das tun wir und wir nennen uns trotzdem Demokratie, oder?

Deshalb sehe ich auch hier keinen Systemwandel,

wenn man jetzt sagt,

dass eine Umweltagentur bestimmte Sachentscheide fällen hat.

Aha, jetzt kommen Sie aber sehr auf meine Seite.

Nein, aber das ist ein neues Moment.

Diese Umweltagentur, die möchte ich einfach,

dass die per Referendum eingeführt wird.

Verstehen Sie?

Ja.

Dass man ein sieht,

wir brauchen so was.

Wir brauchen ein Expertengremium für so etwas.

Ich bin einfach dagegen,

dass man jetzt quasi

eine solche Umweltagentur einführen würde.

Auch die Schweizer Nationalbank,

was die tun darf und was die nicht tun darf,

das ist demokratisch abgegolten.

Die Frage ist halt,

würde so was überhaupt in der Schweiz dann durchkommen?

Weil noch einmal, ich bin ein bisschen skeptisch,

ich verstehe die Analyse, die gemacht wird.

Ich bin ein bisschen skeptisch,

ich teile sie auch in vielen Zeilen.

Aber gucken wir beispielsweise nach Frankreich,

die Gile Gion.

Es stimmt doch einfach nicht,

wie Sie gesagt haben,

dass das Volk der Demos

bereit ist, in diese Richtung zu marschieren.

Und deswegen würde ich immer sagen,

genau da ist die Demokratie gefragt.

Wir müssen die Menschen mitnehmen,

wir müssen sie ihnen erklären.

Wieder und wieder,

wir müssen aber auch Abfedern,

Klugabfedern,

damit nicht die Koffer einseitig getragen werden.

Herr Schöne,

aber Herr Schöne war gerade etwas anders gesagt.

Wir müssen das Volker zu bringen,

um nur so weit zu legitimieren,

dass sie eine schleichende Entmündigung vornehmen kann.

Nein, das ist eben keine Entmündigung,

wenn es um Expertenentscheide geht.

Weshalb soll ich mitentscheiden,

ob ein Lebensmittel zugelassen wird,

oder eine Impfung,

oder weshalb soll ich entscheiden,

wie der beste Zinssatz

für die Nationalbank aussehen soll.

Diesen Sachentscheid

muss ich nicht selber fällen.

Aber ich möchte,

dass das mit mir abgegolden ist,

wie das Personal bestückt wird,

diese Agenturen,

dass ihr Mandat geprüft wird,

dass jemand da beschränkt wird,

dass man ihnen auch auf die Finger schaut,

aus dem Parlament und so weiter und so fort.

Das sind ganz klar Wasser auf meinen Mühlen,

dass wir eine klare Politik machen müssen.

Aber wir müssen auch versuchen,

natürlich die Bevölkerung zu überzeugen.

Aber wir kriegen das nicht hin,

indem wir sagen,

so was ist jetzt die Mehrheit,

Demoskopie,

sondern indem man nochmal librant.

Aber es gibt ja viele Beispiele in der Politik,

in denen man sagt,

das ist jetzt die richtige Politik.

Und momentan ist zwar keine Mehrheit dafür,

dass die Klima-Pariser-Klimaziele erreichen werden.

Aber darf ich da nochmal einhaken,

weil ich habe da schon eine ganz grundsätzliche Sorge.

Nehmen wir mal an,

wir würden in solche Expertenräte gehen

und noch mehr solche Expertenräte beiziehen.

Haben wir nicht gerade aus der Corona-Krise gelernt.

Das genau das eigentlich die Kräfte befeuert,

die gegen diesen Elitismus sind,

gegen diese Expertokratie,

die davor wahlen,

dass wir immer mehr auslagern an Experten

und das nicht demokratisch legitimiert,

dann regeln irgendwie aufakturiert werden,

zu denen wir nichts mehr zu sagen.

Klar, aber das war ja bestimmt,

wie gesagt,

aus dem Notstand von der Regierung eingesetzt.

Das ist eben nicht,

gerade nicht quasi demokratisch abgegolten gewesen,

weil die Zeit dazu fehlt.

Aber wenn man langfristig etwas aufgleichen will,

muss es einfach demokratisch abgegolten sein.

Und das ist dann anders,

als eben nicht per Notrecht, sondern...

Herr Schnauert, erstens könnte man sagen,

Notstand ist,

wir haben es einfach nicht erklärt.

Und das Zweite ist,

das hat ja Barbara,

dass es in ganzen allen westlichen Demokratien so,

die Allergieanfälligkeit,

die Nacht der Corona-Krise für Expertokratie eingerissen ist,

die wird sehr, sehr schwer zu therapieren sein.

Das ist so.

Deshalb sollte man das möglichst demokratisch einführen.

Und eben möglichst von unten oder möglichst abgegolten

und ja, nicht top down.

Aber vielleicht auch noch zu diesem Losverfahren.

Bei einer Wahl, die wir heute haben,

da legen die Parteien und die Kandidierenden

ihr Programm auf den Tisch

und damit sind sie den Bürgern und Bürgern,

die sie wählen, rechenschaftspflichtig.

Die Leute, die hier hineingelost werden

und dann in der nächsten Runde nicht mehr dabei sind,

die sind niemanden gegenüber rechenschaftspflichtig.

Hier gibt es dann ein Accountability-Problem

bei solchen Figuren.

Deshalb sage ich,

das kann nur komplementär eingesetzt werden

zu den Verfahren, die wir kennen,

insbesondere zur repräsentativen Demokratie,

weil die rechenschaftspflicht,

der repräsentierenden gegenüber den repräsentierten,

ist das, was genau funktioniert.

Wenn wir keine Wahl mehr machen und nur noch losen,

dann geht das also gut.

Jetzt sprechen wir über David von Reibruckern.

Wir wollen ja nicht die Belgische.

Das Los hat dieses Problem.

Genau, aber selbst er sagt,

wir brauchen zwei Gremien.

Eine kann losgewählt, eine normal.

Dann ist das komplementär, genau.

Aber die Accountability von vier Jahren als Parlamentarier

bei Prozessen, die 400 oder 40 Jahre betreffen,

ist ja auch nicht so sehr hoch.

Das funktioniert ja nicht sehr gut bei langfristigen Prozessen,

weil die vier Jahreshorizonte natürlich für die Menschen...

Leute, die hineingelost werden,

haben vielleicht auch keine Mehrfreiheit.

Aber die haben nicht unbedingt einen höheren Entscheidungshorizont.

Wir sind ja in der gleichen Kurzsichtigkeit drin,

weil wir eben kurzfristige Gewinne

höher einstufen als langfristige Verluste.

Wir haben nicht mehr so viel Zeit

und ich würde gerne unbedingt noch mit Ihnen darüber sprechen,

was wir eigentlich die demokratische Kultur nennen.

Weil das ist ja auch so etwas,

wovon man jetzt oft hört, das ist am Bröckeln.

Gerade Stichwort auch AfD-Zuwachs in Deutschland.

Was ist denn die demokratische Kultur

und wie können wir die stärken?

Ich finde es sehr wichtig,

dass wir das Verständnis von Bürgertum...

Ich benutze jetzt mal den Begriff Anstand,

dass wir das ausweiten.

Und so, wie es zum bürgerlichen Anstand gehört,

dass ich wählen gehe.

Das ist ja immer noch eine Mehrheit.

Für die meisten ist das selbstverständlich,

natürlich gehe ich wählen,

weil das für meine Demokratie entscheidend ist.

So müssen wir auch zum bürgerlichen Anstand dazu zählen,

dass wir ein Leben führen,

das möglichst ohne Zerstörung abläuft.

Das ist zutiefst anständig,

wie wir im Alltag leben, wie wir Autofahren,

wie wir essen und so weiter.

Wir müssen, als gute Bürgerin,

lebe ich natürlich so,

dass ich nicht maximal die Umwelt zerstöre.

Aber Frau Richter, da gibt es auch ganz viele,

die sagen wunderschön gesagt,

aber das bringt doch alles nicht.

Wieso soll ich mich mäßigen,

wenn alle anderen vor sich hinmachen, was immer sie wollen?

Das ist doch irgendwie ein Tropfen auf den heißen Stein.

Diese Optik gibt es ja sehr, sehr stark.

Da finde ich wirklich wichtig,

dass Politik viel mutiger ihre Agenda vertritt.

Wir haben keine Zeit, wir müssen was machen.

Und damit kann man ja auch Menschen überzeugen.

Wir haben das einmal ganz kurz in Deutschland gesehen,

nach dem Krieg,

als Robotabik wirklich diese Anzagen gemacht hat.

Und er wurde dafür überhaupt nicht abgestraft.

Und es ist ein großes Rätsel dieser aktuellen Runde.

Da gibt es so ein Möglichkeitenfenster,

wo man auch mutig vorgehen kann, wenn es sie gibt.

Genau, und man kann sie auch selber schaffen,

indem man überzeugt ist davon.

Man muss dann wirklich diese Botschaft auch...

Natürlich ist es nicht das Allheilmittel.

Aber wenn wir über Bürgertum reden,

Bürgerschaft,

müssen wir das wirklich ausweiten,

auf ein Leben ohne Zerstörung.

Anstandstum in ökologischer Art kultivieren.

Ein Begriff, der immer kommt,

das heißt ja nicht mehr demokratische Kultur,

es heißt jetzt Resilienz.

Man sieht schon, das ist alles sehr defensiv.

Man muss irgendwas retten, auf keinen Fall etwas gestalten.

Gibt es denn diese Resilienzkultur in der Schweiz?

Der Begriff ist schon etwas gefährlich,

aber man kann einfach objektiv feststellen,

ob bestimmte Systeme Resilienz sind oder nicht.

Aber ich möchte noch etwas anderes sagen.

Ich glaube, was eben wichtig ist,

wir sprechen jetzt hier von der Demokratie

und wir sprechen mit Deutschland, von der Schweiz.

Wir sprechen aber von einem Problem,

einem Klimaproblem, das ist ein globales Problem.

Und die Demokratien haben ein kollektives Handlungsproblem.

Und ich glaube, das ist das, was die Leute dann umtreibt.

Wenn wir hier strenge Gesetze machen,

und wir können die strengsten Gesetze machen in der Schweiz,

wird das Klimaproblem nicht lösen.

Das ist das, was die Leute umtreibt.

Man kann diese Gesetze nur auf immer höherer Stufe.

Wenn Sie das in einer deutschen Talkshow sagen,

dann sind Sie ja eine AfD-Politikerin.

Ich sage Ihnen das nicht als Vorwurf.

Aber dieses Argument ist ganz schwierig.

Darf ich vielleicht so hinterreden?

Die Demokratien und alle Staaten haben zusammen

ein kollektives Handlungsproblem.

Wenn die einen hart arbeiten am Klimaproblem

und die anderen Treadbrett fahren,

dann wird das Problem nicht gelöst.

Das muss man ansprechen.

Dann muss man B sagen und sagen,

jetzt müssen wir mehr Demokratie wagen,

aber auf höherer Stufe.

Wir können hier nicht einfach die Schweizer Demokratie

immer mehr perfektionieren wollen

und meinen, wir lösen das Klimaproblem.

Und was heißt das, höhere Stufe?

Es braucht eben die Gestaltung des europäischen Raumes

und letztlich braucht es eine globale Lösung des Problems.

Ich glaube, so war man den Leuten,

beim man zu den Leuten kommt zu sagen,

hört mal Leute, hier haben wir die Möglichkeit,

verbindliche Regeln, die dann für alle Gelden auf dem Globus,

durchzusetzen, da bin ich sicher, da machen die Leute mit.

Weil ich glaube, was die Leute umtreibt,

ist dieses kollektive Handlungsproblem zwischen den Staaten.

Wir haben das mit dem Pariser Abkommen.

Mit dem Pariser Klima-Abkommen haben wir die Regeln.

Es gibt keine Ausrede für uns, wir sind nur 2%.

Aber verstehen Sie, die Leute wollen nicht nur die Regeln sehen,

sondern deren Umsetzung.

Das Mitreißende.

Der andere soll sich daran halten müssen, oder?

Ja, natürlich.

Wir sind am Ende unserer Zeit eine ganz kurze Antwort.

Was ist jetzt zu tun, Frau Richter,

um die Demokratien zu stärken, zu retten?

Es braucht viel mutigere Politik,

auch den Menschen das zumuten zu können

und davon auszugehen, dass Demokratien

Menschen durchaus in der Lage sind, Dinge zu verstehen

und auch die Zumutung demokratisch zu ertragen.

Frau Richter, verschreibt uns Mut.

Was verschreiben Sie uns?

Vielleicht etwas zur Schweiz.

Ich glaube, die letzte Baustelle bei uns

waren die Transparenzregeln für die Parteienfinanzierung.

Ich spreche jetzt ganz im Kleinen, etwas unphilosophisch.

Und jetzt diese Baustelle, über die wir vielleicht noch zu wenig gesprochen haben,

habe ich sehr doch ein Problem.

Einerseits die Leute wieder zurückzuholen in die Politik,

also mehr Beteiligung wieder

und quasi mehr Demos wagen,

im Sinne von es einfach zu korrigieren,

das ist 25 Prozent bei uns, wie ich mitstimmen kann.

Mehr Demos wagen?

Man könnte sagen, das ist die Mission des Stammtisch,

auch wenn der Demos ein sehr regulierter ist.

Auf jeden Fall.

Danke unseren beiden Gästen heute.

Herr Schöneweil, Frau Richter, danke, dass Sie da waren.

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Der Rückhalt für die Demokratie scheint zu schwinden. Selbst im Musterland Schweiz. Die Wahlbeteiligung sinkt, die Skepsis an demokratischen Verfahren wächst. Und mit ihr die populistische Wut. Was tun, um unsere Demokratien zu stärken? Müssen wir Volksherrschaft zukünftig neu denken?

Am 22. Oktober wählt die ganze Schweiz ein neues Parlament. Die ganze Schweiz? Nein, nur diejenigen Einwohnerinnen und Einwohner unseres Landes, die stimm- und wahlberechtigt sind. Also weder die Ausländerinnen und Ausländer noch die 16- und 17-Jährigen. Und auch nicht die wachsende Zahl derjenigen, die gar nicht wählen oder abstimmen.
Zur Urne gehen damit weniger als die Hälfte aller Menschen, die in der Schweiz leben. Und das nennen wir dann Volksentscheid? Ist das noch zeitgemäss? Gerecht? Vernünftig?
Welche Wege führen aus der Krise westlicher Demokratien: Von Populismus bedroht. Und oft auch zu mutlos in notwendigen Entscheidungen? Siehe Klimawandel.
Wäre es besser, das Los entscheiden zu lassen, wer in der Volksvertretung sitzt? Sollten wir, wie viele europäische Länder um uns herum, Bürgerräte einführen? Hat die Demokratie ihren Zenit gar überschritten? Oder bleibt sie nach wie vor die schlechteste aller Regierungsformen, abgesehen von allen anderen, wie Winston Churchill es einst formulierte?
Barbara Bleisch und Wolfram Eilenberger diskutieren diese Schlüsselfragen der Gegenwart mit der deutschen Historikerin Hedwig Richter und dem Schweizer Philosophen Francis Cheneval.