Deffner & Zschäpitz: Wirtschaftspodcast von WELT: Deutschland – Kranker Mann oder nur untrainiert?

WELT WELT 8/12/23 - Episode Page - 9m - PDF Transcript

Herzlich willkommen zu Defna und Schäpitz. Mein Name ist Defna, Dietmar Defna.

Mein Name ist Schäpitz, Holger Schäpitz.

Die im Podcast besprochenen Aktionen und Fonds stellen keine spezifischen Kauf- oder Anlageempfehlungen dar.

Die Moderatoren und der Verlaghaften nicht für etwaige Verluste, die aufgrund der Umsetzung der Gedanken oder Ideen entstehen.

Wir haben was Neues für euch. Jeden Samstagmorgen bekommt ihr bei uns den Börsen Rückblick und wir schauen, was in der kommenden Woche wichtig wird.

Anders als Dienstags, kurz und knapp, denn Zeit ist Geld und wir lassen immer eine Uhr mitlaufen, damit keiner hier zu viel redet.

Und das ganze gibt's freitags auch schon bei Weltfernsehen live um 17.45 Uhr.

Und jetzt rein in die Show!

Wir waren natürlich im Blick auf die Börsenwoche. Die war ein auf und ab ein achter Bahnfahrt der Gefühle.

Das ging für den DAX zeitweise über die Marke von 16.000 Punkten hoch.

Am Ende schließt er dann ungefähr 0,7 Prozent im Minus diese Woche ab.

Und es waren die Zinsen in den USA und die Inflationsdaten, die sind erst mal besser ausgefallen als erwartet mit einem Anstieg auf 3,2 Prozent.

Aber dann die Erzeugerpreise sind wieder etwas schlechter ausgefallen.

Das hat die Stimmung zum Wochenende dann wieder etwas gedämpft und so gehen wir mit einem Minus aus dem Hand.

Ich hab mich ja immer schon gefragt, was macht dieser DAX bei 16.000?

Der darf's ja nicht vergessen, es geht um Gewinne an den Börsen.

Und im ersten halben Jahr sind die Gewinne der DAX-Unternehmen um 1,5 Prozent eingebrochen.

Und kann man sagen, die Börse guckt in die Zukunft, sieht das zweite halb Jahr besser aus.

Aber das zweite halb Jahr Konjunktur in Deutschland ist schlecht China.

Da ist auch nichts zu erwarten, dass der wichtigste Handelspartner auch für viele Unternehmen machen, da ihre Geschäfte.

Also für mich ist die Stimmung beim DAX viel besser als die Lage.

Ich habe eine Aktie mitgebracht, da ist eigentlich meiner Meinung nach die Stimmung schlechter als die Lage.

Denn die Zahlen, die waren sehr, sehr gut.

SMA Solar aus Kassel, einer der wegen Solarwerte, die wir hier noch haben in Deutschland.

Und die haben den Umsatz um 64 Prozent gesteigert im abgelaufenen Quartal

und haben es von einem Minus im Vorjahreszeitraum auf einen deutlichen Gewinn geschafft

und sind trotzdem an der Börse abgestraft worden mit einem Minus von 7 Prozent am Tag der Zahlenveröffentlichung.

Für mich zu Unrecht, deswegen für diese Aktie ein Bulle der Woche.

Du darfst nicht vergessen, was bei SMA Solar kam, das sind die Orders eingebrochen zwar um über 20 Prozent.

Und diese Aktie hat eine Vorgeschichte, hat ja immer wieder in der Vergangenheit enttäuscht.

Wir sind ja in Deutschland das Land, was das meiste für die Energiewende ausgibt,

aber keine wirklich richtig guten Unternehmen haben, die damit verdienen.

Jetzt hoffe ich natürlich auch, dass es mal klappt mit SMA Solar.

Die haben ja ein Wachstumsbereich und das sollte auch weiter wachsen.

Insofern würde ich sagen, wenn die Aktie vielleicht so unter 75 Dollar geht, dann Euro geht,

dann würde ich da auch mal einsteigen.

Also insofern hoffe ich mal, dass die Wachstumsgeschichte noch nicht vorbei ist.

Und die Analysten sind auf jeden Fall positiv.

Sie sehen einen Kursziel von 105 und ein Potenzial von 37 Prozent.

Das KGV liegt bei 19, das wird ein Wachstumswert schon sehr, sehr günstig.

Das stimmt, aber Analysten, die liegen auch oft daneben.

Das stimmt.

Meine Aktie der Woche ist sieben.

Es ist ja eigentlich die Vorzeigeunternehmung in Deutschland.

Das Problem ist nur, die Zahlen waren schlecht und deswegen bekommen die auch von mir den Bären der Woche.

Und das Problem ist nicht nur die Zahlen waren unter Erwartung, sondern auch der Ausblick.

Man muss ja wissen, Siemens ist in absoluten Wachstumsfelden unterwegs.

Da geht es um Elektrifizierung von der Welt, es geht um Industrialisierung, die Digitalisierung der Industrie

und es geht um Mobilität und gerade bei Digitalisierung der Industrie.

Das ist ja das wirklich große Ding.

Da gab es richtig einen Einbruch bei den Orders in China, minus 60 Prozent.

Und was ich da sehe, die haben ein massives China-Problem.

Und der US-Präsident Biden hat ja diese Woche gesagt, da tickt der Zeitbaum in der Ökonomie von China.

Und wenn die hochgeht, dann sieht es für Siemens nicht gut aus, für andere auch nicht, aber eben auch nicht für Siemens.

Deswegen ist das mein Bären.

In der Tat, China schwächelt, sind sogar in der Deflation.

Und deswegen glaube ich, dass die Chinesen auch ein Konjunkturprogramm nochmal auflegen müssen.

Das könnte dann eben auch den exportabhängigen deutschen Firmen, die in China starke Geschäfte machen, helfen.

Und Siemens hat ja auf der anderen Seite auch andere Spaten, die erfolgreich sind.

Die Zugsparte zum Beispiel hat die Auftragseingänge über 200 Prozent gesteigert.

Und deswegen sind die Auftragseingänge insgesamt um 15 Prozent gestiegen.

Und deswegen finde ich auch, dass die Siemens-Aktie zu Unrecht so stark abgestraft wurde.

Du denkst immer, Konjunkturprogramme, billiges Geld, das wird in der Ökonomie helfen.

Ich sehe einfach, China ist in die Probleme so groß, das wird nichts bringen.

Insofern bin ich eher skeptisch sowohl für China als auch für Siemens.

Aber skeptisch bin ich auch für Deutschland.

Und da komme ich zu meinem Thema der Woche.

Wir haben uns ja in Deutschland mal wieder den Titel, kranker Mann Europas verdient.

Und was man daran sehen kann, wir sind die einzige Ökonomie in der Eurozone,

die noch so vor Corona-Liveau rumhampelt.

Alle anderen sind schon weit davon entfernt.

Obwohl die in Corona viel stärker eingebrochen sind.

Man sieht, wir kommen da einfach nicht richtig vom Fleck, die Mittelschicht bröckelt.

Unternehmen gehen weg.

Und wenn wir mal ein Unternehmen in Deutschland irgendwie hinbringen wollen,

wie die Chipwerke oder CSMC jetzt, dann müssen wir denen Handgeld geben.

Es ist für mich ja das mit Marktwirtschaft und mit attraktiven Standort nichts zu tun.

Da müssen wir echt etwas Besseres machen.

Die Leute sollen Bock haben auf Deutschland, sollen hierher kommen

und ohne irgendwie Milliarden dafür zu nehmen.

Also, kranker Mann Europas finde ich übertrieben.

Ich halte es mit dem Wirtschaftsminister, der sagt, wir sind nicht krank.

Wir sind vielleicht ein bisschen untertrainiert.

Ich glaube, das beschreibt die Situation sehr gut.

Der kranke Mann Europas, der waren wir zur Jahrtausendwende.

Und damals sah es wirklich düster aus.

Der Arbeitsmarkt lag brach.

Wir hatten fast 5 Millionen Arbeitslos.

Und dann kam die Reformagenda 2010, die dann endlich mal Reform angestrengt hat

und die Dinge in Deutschland verändert hat.

Seitdem hat sich dann eben politisch leider nicht mehr viel getan.

Aber unsere Wirtschaft leidet natürlich momentan eben auch,

wie das Beispiel Siemens zeigt, unter der Weltkonjunktur.

Wir verkaufen Investitionsgüter weltweit.

Und wenn da die Konjunktur etwas nachlässt, dann sind die eben nicht so gefragt.

Das wird auch wieder, aber trotzdem sind wir eben nicht gut trainiert.

Das ist vollkommen richtig.

Aber jetzt musst du dich mal drüben stimmen.

Aber was ich auch sagen muss, der Arbeitsmarkt gibt ja völlige Fehlsignale.

Und das ist das Fatale auch an der Geschichte.

Wir haben Fachkräftemange.

Und deswegen ist der Arbeitsmarkt nicht mehr so ein guter Integrator.

Der zeigt, wie schlecht es uns eigentlich geht.

Und ich weiß nicht, ob du das Interview in der Zeit mit Herrn Habeck gelesen hast.

Da hat er auch gesagt, ich bin stolz auf meine Arbeit.

Ich habe noch nie so tolle Arbeit geleistet.

Von demut konnte ich da nichts sehen.

Und von Einsicht, dass da was sich verändern muss.

Insofern bin ich eher skeptisch.

Ich will wirklich was, dass die Politik das Land attraktiver erscheinen lässt.

Das ist ja eher marketingmäßig, was Positives macht.

Und wir haben es eher geschafft, dass durch die Politik Deutschland

noch schlechter dasteht, als es eigentlich ist.

Und insofern bin ich da eher skeptisch.

Wenn man immer nur vom Krankenmann Europas redet,

dann ist das auch kein positives Marketing für den Standard Deutschland.

Das ist schon mal ganz klar.

Und der Arbeitsmarkt, ich finde schon,

dass der zeigt, dass die Konjunktur in Gang ist.

Wir haben 46 Millionen Stellen, die besetzt sind.

Aktuell zur Jahrtausendwerde, wenn der war uns noch nicht mal 40 Millionen.

Also da ist schon ein großer Unterschied da.

Das muss man sehen.

Nichtsdestotrotz.

Das ist mein Thema.

Wir brauchen aber auch ein Fitnessprogramm,

um wieder gut trainiert zu werden.

Das möchte ich schon auch für Deutschland.

Das ist ja vollkommen klar.

Auch wenn man nicht auf dem Krankenlager liegen.

Und was muss da geschehen?

Was macht man, wenn man schlecht trainiert ist als Mensch?

Dann macht man sich einen ordentlichen Trainingsplan.

Und zwar einen langfristigen einen, den man auch umsetzen kann.

Nicht irgendwie so ein Aktionismus.

Wir brauchen ein vernünftiges langfristige Trainingsprogramm.

Wir müssen die Probleme anpacken.

Zum Beispiel Bürokratieabbau, Digitalisierung

und auch teilweise Entlastungen von Unternehmen.

Aber so ein Aktionismus wie ein Fünfpunkt

ist so ein Fortprogramm der Union.

Er nützt da überhaupt nichts.

Denn die haben ja 16 Jahre regiert und haben es da auch nicht geschafft.

Da sind wir uns jetzt mal ausnahmsweise einig.

Ich finde auch so ein Aktionismus ist Mist.

Das bringt ja nichts, wenn ich die Abschreibungsregeln verbessere.

Es muss ja jemand erst mal investieren, damit er abschreiben kann.

Aber wenn die Fachkräfte gar nicht zu uns kommen wollen,

weil sie keinen Bock haben, dass sie die Hälfte ihres Lohns

in den deutschen Sozialstaat stecken müssen.

Also da muss wirklich was passieren.

Was langfristig das Vertrauen in den Standbord,

dass die Leute hier wieder arbeiten wollen,

die im Inland gerne arbeiten wollen, die aus dem Ausland gerne kommen.

Und da muss was passieren.

Darüber werden wir weiter deportieren.

Und wir werfen einen Blick auf die Börsenwoche in der nächsten Woche.

Ich denke, dass wir uns wieder erholen werden.

Der DAX könnte nächste Woche über die Marke von 16.000 Punkten steigen.

Weil vielleicht die Zuversicht wieder kommt,

dass die Zinsen in den USA den Höhepunkt erreicht haben.

Ach, deine Zuversicht.

Das geht um Gewinne an der Börse, nicht um Zinsen.

Gewinne gibt es nicht.

Der Sommer ist tendenziell schlecht an der Börse, 16.000.

Das kannst du wirklich vergessen.

Ich würde sagen, nächste Woche werden wir auf dem Niveau von jetzt sitzen

oder sogar noch tiefer.

Darauf wetten wir und lösen nächste Woche die Wette auf.

Das war's für diese Woche bei Dev9chapots.

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Die Börsen-Woche

In dieser Glotzcast-Folge von Deffner&Zschäpitz diskutieren die beiden Wirtschaftsjournalisten Dietmar Deffner und Holger Zschäpitz darüber, wie schlimm es um Deutschland steht und welche Rezepte verschrieben werden sollten. Jeden Samstag hört ihr hier jetzt zusätzlich Deffner&Zschäpitz mit dem Fazit zur Börsenwoche und den Wirtschaftsthemen, die in der nächsten Woche an den Märkten anstehen.
Wenn ihr diese Folge von Deffner&Zschäpitz schon freitags sehen möchtet, findet ihr die TV-Sendung zum Podcast hier: https://www.welt.de/mediathek/talk/deffner-und-zschaepitz/

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