Verbrechen: Der gute Mensch von Siegen

ZEIT ONLINE ZEIT ONLINE 3/21/23 - Episode Page - 55m - PDF Transcript

Liebe Zuhörerinnen, liebe Zuhörer, herzlich willkommen zu einer neuen Folge unseres Podcasts

Zeit Verbrechen und Sabine, wir können ankündigen, es gibt uns demnächst wieder live.

Ja, stimmt. Das große Zeit-Online-Podcast-Festival wird nämlich stattfinden am 30. April in Berlin am

Westhafen. Ja und wir sind auch dabei. Genau. Und auch andere Podcaste. Ich habe ja in letzter Zeit

die eine oder andere längere Reise gemacht und habe jetzt auch mal... Habt ihr auch vermisst?

Ja, ich habe die eine oder andere Sendung gehört von anderen Kollegen, also Podcaste hier von

Zeit Online. Habe ich mir mal durchgehört, ich habe ja sonst immer keine Zeit, aber da hatte ich

Zeit, weil auf langen Reisen kann man schön hören. Und da habe ich mal einige Podcasts mir angehört

und habe jetzt auch schon richtig Lieblinge unter denen. Also mein Lieblings-Podcast ist das

Politikteil. Das ist ein Podcast von unseren Politikredakteuren, die jede Woche über einen

politischen Fall erzählen. Also zum Beispiel über was passiert in Israel. Eine ganz besonders

tolle Sendung, finde ich. Oder was passiert in der Ukraine? Die Sendungen sind auch klasse. Also

man kann sich da richtig politisch bilden. Das ist einer meiner Lieblings-Podcast. Ein anderer

ist Augen zu, der Kunst-Podcast von Giovanni. Wunderbarer Titel für diesen Podcast. Ja,

man sieht ja nichts, aber es geht um Bilder. Und das ist das Originelle daran. Die beschreiben,

die Bilder, ich mache natürlich immer Google auf und schaue mir die Bilder gleichzeitig an. So

bin ich dann immer im Bilde. Und da ich ja von Kunst überhaupt nichts verstehe, ist es für mich

also richtig Bildung von A bis Z. Meine Lieblings-Sendung ist Kaspar David Friedrich. Und Nicky,

das ist so ein Fall. Zum Beispiel. Aber man erfährt eigentlich über alle was. Also Karavaggio oder

sonst was. Wer ins Museum geht, versteht auf einmal, was er da sieht. Und der Elias hat ja

richtig Ahnung von Kunst. Florian Elias, ja. Und dann, was ich auch noch super gut finde,

ist Servus Grüzi. Hallo. Also ein Alpen-Podcast, da würde ich weniger interessieren. Aber ich

komme aus München und ich bin praktisch mit der Schweiz und Österreich im Rücken aufgewachsen.

Und deswegen interessiert mich das. Und es ist auch wahnsinnig lustig zu hören,

wie die Sachverhalte dann über die Länder hinweg besprechen. Man merkt genau, wer der Schweizer ist

und wer der Österreich ist. Man muss ziemlich genau hinschauen, weil die oder hinhören,

weil die auch in ihrem Land das Idiom sprechen. Und das alles wird überwacht von Lenz-Jakobsen

in Berlin. Manchmal habe ich den Eindruck, das ist wie bei diesen Clowns im Zirkus, wo zwei immer

Unfug machen und da gibt es einen Weißen. Ein Weißen Clown mit einem Weißen in der

Sicht. So ein Piero, der immer alle zurechtweist. Das ist Lenz-Jakobsen in dieser Servus-Grützi-Sendung.

Sehr schön. Was hörst du denn zu? Ja, pass auf. Einer meiner Lieblinge ist ein ganz junger

Liebling, der heißt auch das noch. Er hat den schönen Titel der freundliche Krisen-Podcast.

Das ist der Katastrophen-Podcast. Das ist der Katastrophen-Podcast. Da geht es um alle Katastrophen,

die man sich nur vorstellen kann und wie sie zusammenhängen. Das freundliche Krisen-Podcast

verrät schon. Es geht nicht nur um die Katastrophen, sondern auch um die Lösungen. Petra Pinzler und

Stefan Schmidt kennen sich da extrem gut aus. Sie reden total kenntnisreich, aber nicht über

unsere Köpfe hinweg, sondern mit in unser Leben hinein. Das finde ich großartig. Und dann natürlich,

genau das Gegenteil, der älteste Podcast, den wir überhaupt haben, der heißt, woher weißt du

das? Und den hat Max Rauner damals gegründet. Der war noch vor uns. Der war noch in der allerersten

Podcastwelle. Also es gab ja so verschiedene Erfolgswellen und wir sind so in der zweiten

gestartet. Max war uns Jahre voraus tatsächlich. Und das sind richtig aufwendig Gebäudefolgen mit

vielen, vielen O-Tönen und reportagigen Elementen. Also auch noch mal ganz anders als wir. Und das zeigt

mir auch, wie vielfältig dieser Podcastwelt ist, in der wir uns hier bei der Zeit bewegen. Und einer

darf nicht fehlen. Und da verraste ich. Hörst du das? Den beobachte ich natürlich schon als reiner

Konkurrenzbeobachtung. Du hast Angst, dass ich abgeleite? Ja, genau. Aber ich freue mich auch

immer total, wenn du mit Johanna diskutierst. Ihr seid ja gerade noch mitten im alten Testament.

Ja, also die letzte Ankündigung war so, dass Nordreich wird in Folge 3 untergehen. Wir sprechen

über das alte Israel. Das Südreich bekommt in Folge 2 noch einen kleinen Ausschub und in Folge 3

ist aber mit dem alten Israel endgültig Schluss. Ja, stimmt. Und dann kommen wir zu ganz tollen,

zu den Exilsgeschichten. Esther, Daniel, Tobit. Also ganz tolle Exilsgeschichte. Aber wenn ihr so

weitermacht, braucht ihr bis zum Ende des neuen Testaments wahrscheinlich noch so drei, vier

Jahre, oder? Nee, das neue Testament ist deutlich kürzer. Das ist ja immer dieselbe Story,

viermal erzählt. Also wir erzählen es nicht viermal hintereinander, keine Bange. Wir erzählen

es nur einmal. Aber ihr seid auch in Berlin auf der Bühne? Ja, meine Schwester aber wird zugeschaltet

aus Israel. Die ist zurzeit in Israel für ein paar Monate und die kann dann eins zu eins von den

heiligen Städten berichten. Achse Berlin-Jerusalem. So, jetzt wird es spätestens Zeit, unseren Gast

vorzustellen. Ja, hier ist meine Nachfolgerin, Anne Kunze, ehemalige Investigativreporterin,

jetzt Kriminalreporterin der Zeit. Und sie ist natürlich schon die ganze Zeit am Ball und recherchiert,

schicksale und gräbt hier aus. Diesmal hat sie eine, ja, normalerweise kündigen wir ja hier

Possen aus der Provinz an, heute kündigen wir eine Tragödie aus der Provinz an. Und das ist eine

sehr vielschichtige und sehr traurige und bittere Geschichte, die die Anne Kunze hier mitgebracht

hat. Hallo Anne. Hallo, vielen Dank für die große Ehre und die Einladung. Was hat dich nach

Siegen verschlagen? Mich hat nach Siegen geführt der Anruf eines Kollegen, eines Lokaljournalisten,

der sagt, ihr könnt euch gar nicht vorstellen, was hier los ist bei uns in Siegen, es geht um einen

Selbstmord. Ein Mann hat sich auf die Gleise gelegt oder vor eine Regionalbahn geworfen. Ein Mann,

ich glaube, Anfang 60 oder? Genau, ein 60-jähriger Mann. Ein Mann, der bekannt war wie ein bunter

Hund in Siegen, die Leute haben ihn den heimlichen Bürgermeister genannt, der hat allen möglichen

Leuten geholfen. Also ein Wohltäter. Ein Wohltäter, ein guter Mensch, der gute Mensch von Siegen. Die

Siegener Zeitung, wo der Kollege, der mich angerufen hat, gearbeitet hat, hat darüber berichtet,

dass dieser Mann flüchtlinge, Schutzbefolene sexuell belästigt haben soll und eine Woche

nach erscheinen des Artikels hat der Mann sich vor den Zug geworfen. Aber nicht ohne vorher noch zu

checken in seinem WhatsApp. Genau, er hat vorher noch eine Nachricht bei WhatsApp gepostet, also in

seinem WhatsApp-Status. Und da hat er folgendes geschrieben, goodbye, danke an die Siegener

Zeitung für ihre unkorrekte Berichterstattung. Danke an Herrn Hofmann und Herrn Plachanner und

deiner Frau bei der Pressestelle der Stadt Siegen für die unkorrekte Berichterstattung in der

Stadt Siegen. Und das waren seine letzten Worte. Und diese Worte sind auch der Grund, warum wir

jetzt über den Fall sprechen. Wir berichten nämlich nur in Ausnahmefällen über Suizide und

möchten an dieser Stelle darauf hinweisen, dass wer sich mit Suizidgedanken trägt oder Depressionen

hat, Hilfe finden kann, zum Beispiel bei der Telefonseelsorge. Und wir berichten, wir sprechen

heute über Herrn Langer, weil er eben diese Schuldzuweisungen hinterlassen hat. Ich glaube, wir

müssen jetzt mal nach Aachenbach. Der Bürgermeister von Aachenbach, so wird Günter Langer genannt und das

durchaus nachvollziehbar. Es gibt einen oben und einen unten in Aachenbach, denn Aachenbach liegt

an einem Hang. Nimm uns mal mit. Ja, Aachenbach liegt an einem Hang und diese Hang trennt die Aachenbacher.

Unten in der Fuhrt leben die alteingesessenen, der deutsche Mittelstand auch Günter Langer lebte

dort. Wenn man da durchführt, durch die Fuhr zieht man ganz viele Einfamilienhäuser mit großen

Gärten, auch ein paar mehrfamilienhäuser, aber vor allem so den deutschen Mittelstand. Und oben auf

dem Berg, das hat auch einen Namen, das heißt der Heidenberg, da leben diejenigen, die gar kein

Einkommen haben oder nun geringes Einkommen, die auffällig geworden sind, die schon mal im

Gefängnis saßen, Menschen, die große Probleme haben. Und der Günter Langer hat sich um diese

Menschen gekümmert, hat den Kindern Nachhilfeunterricht organisiert, hat die Väter und die Mütter in

Lohn und Brot gebracht, der hat sich um alle gekümmert. Und das hat dazu geführt, dass der

Günter Langer unfassbar erfolgreich war. Der war auch Kommunalpolitiker für die zuerst lange bei

der SPD, später für die unabhängige Wählergemeinschaft in Siegen der Direktkandidat und er hat in

manchen Bezirken bis zu 75 Prozent der Stimmen geholt, also eine unglaublich hohe Zahl.

Aber in welcher Funktion hat er sich denn gekümmert? Als Kommunalpolitiker oder als Gutermint

oder für die Kirche oder für wen denn? Nein, also er war auch in der Kirche, darüber sprechen

wir später noch. Nein, er hat sich gekümmert eigentlich als Vorsitzender des Heimatvereins.

Und wir kennen ja den Heimatvereine eher so als, ich sag's jetzt mal ein bisschen polemisch als

Altherrenveranstaltung. Das ist ein Heimatverein. Ein Heimatverein ist eigentlich ein Verein,

der sich um den Erhalt einer Region kümmert. Also der Klassiker ist zum Beispiel, das gibt es auch

in Aachenbach, ein Wanderweg durch die Region, der da gehegt und gepflegt wird von den Senioren.

So sieht der klassische Heimatverein aus und so sah auch der Aachenbacher Heimatverein aus,

als Günter Langer ihn übernommen hat. Aber Günter Langer hat aus diesem Heimatverein

ein florierendes Unternehmen gemacht. Er hat auch ein Unternehmen gegründet, die Weiter

Bildungsgesellschaft. Das ist ein Sozialunternehmen. Dieses Sozialunternehmen hat Günter Langer dem

Heimatverein angeschlossen und das hatten an seinem toten Umsatz gehabt von über einer Million,

also ein riesiges Unternehmen für so einen kleinen Verein. Das hat der Günter Langer geleitet und in

diesem Unternehmen, das gab zum Beispiel ein Sozialkaufhaus oder ein Restaurant, ein Sozialrestaurant,

wo die Leute essen gehen konnten, die sich sonst kein Essen gehen leisten können. Das hat alle möglichen

Kurse angeboten zur Weiterbildung, zu Wiedereingliederung, wie gesagt Hausaufgaben. Alles mögliche,

was du dort gemacht hast. Eine super Geschichte. Eine ganz tolle Sache. Ja, jetzt könnte man meinen,

Günter Langer sei so ein siegender Urgestein, schon seit Generationen da verwurzelt. Das ist aber

gar nicht so. Ja, das fand ich ganz interessant. Also ich habe mit sehr vielen Menschen gesprochen,

die Günter Langer kannten und die von sich sagen, sie seien sehr, sehr enge Freunde von

Günter Langer. Aber keiner konnte mehr erzählen, warum Günter Langer überhaupt nach Siegen gekommen

ist vor 30 Jahren. Also klar ist, dass er aus Berlin kommt. Er hat manchmal erzählt, dass er in

einem Weisenhaus aufgewachsen, aber die Umstände seines Großwertens sind mysteriös. Fest steht,

dass er vor 30 Jahren nach Siegen gekommen ist und dort auch eine Frau geheiratet hat, die fest in

Achenbach und auch in einer Gemeinde dort verwurzelt ist und sich seitdem dort rürig tut. Die Tat hat

mal ein ganz großes Porträt über ihn geschrieben. Der Hausbesuch heißt das. Und da sagt Günter Langer

zum Stichwort Heimat. Heimat ist ja nicht da, wo man geboren ist, sondern da, wo man sich wohlfühlt.

Oder wo man die Verbindlichkeit der Menschen spürt, wenn man ihre Zuneigung gewonnen hat.

Dringt nicht nach einem, der sich irgendwie nach dem Tod sehnt oder der sich so in die Ecke

getrieben fühlt, dass er sterben will. Was ist geschehen? Es ist folgendes geschehen. Es gab

diesen Artikel, den ich schon angesprochen habe und den auch Günter Langer in seinem Status,

in seinem WhatsApp-Status kurz für seinem Tod benennt, dieser Artikel in der signen Zeitung,

der berichtet über Vorwürfe der sexuellen Belästigung. Also ich referiere jetzt einmal

vielleicht, was in diesem Text steht. In diesem Text steht, dass es zwei Nigerianer gab. Ich muss

dazu sagen, dass ich selbst mit diesen Nigerianern nicht sprechen konnte. Deswegen beziehe ich mich

jetzt auf den Text und auf die Journalisten, die ich sprechen konnte, die den Artikel verfasst haben

und auf eine Frau, die diese Nigerianer nach wie vor betreut. Aber ich muss vielleicht noch hinzufügen,

dass du die Nigerianer nicht sprechen konntest, weil sie so fertig waren durch den Suizid des Herrn

Langer, dass sie nicht mehr in der Lage waren, zu irgendjemandem darüber zu sprechen. Genau,

die fühlen sich verantwortlich für den Tod von Herrn Langer, sind traumatisiert und können darüber

nicht mehr sprechen. Also die Vorwürfe, die in diesem Text stehen, sind folgende. Günter Langer

soll den beiden Flüchtlingen, die hatten zum Zeitpunkt des russischen Überfalls auf die Ukraine

in Kiew Wirtschaftswissenschaften studiert und sind in diesem Zuge nach Deutschland gekommen,

gelten aber nicht als ukrainische Flüchtlinge, sondern sollten in ihre nigerianische Heimat

abgeschoben werden. Diese Abschiebung drohte und Günter Langer habe, so sagt das der Artikel,

den beiden angeboten, 10.000 Euro auf ein Treuhandkonto zu überweisen und so dem

deutschen Staat zu garantieren, für alle Kosten aufzukommen und das hätte bedeutet,

dass sie hätten hier bleiben können. Allerdings, so sagt das der Text, habe der Günter Langer den

beiden auch was dafür abverlangt. Einen von den beiden habe er in Konto gezeigt, zum Beispiel auf

dem mehrere hunderttausend Euro standen. Dabei ist eine Hand auf den Arm eines der Nigerianas gelegt

und gesagt, du kannst auch was davon haben, aber du musst auch was dafür tun, nämlich ihm Bilder

seines Penis schicken. Ganz unverblümt. Also so wie die beiden das auch auf Tonbändern schildern,

die ich auch angehört habe, das stand mit zur Verfügung bei diesen Zeitungsinterviews,

sind Tonbänder gemacht worden und die konnte ich anhören und da schildern die beiden das auch so,

dass es immer wieder so Anzüglichkeiten gab. Also ich habe Screenshots gesehen von WhatsApp,

Chats zwischen Günter Langer und einem der Nigerianas und die sind wirklich ziemlich

explizit. Also da hat der Langer schon viele eigene Nachrichten gelöscht, aber auch diejenigen,

die er nicht gelöscht hat, sind wirklich deutlich. Er sagt dann zum Beispiel einmal,

warum sendest du kein Bild? Oder fragt den, wann gehen wir in die Sauna? Dann sagt er in einer

Nachricht nur zeigen und dann schickt er zum Beispiel eine Kamera und eine Aubergine. Das ist

in den sozialen Netzwerken das Bild für den Penis und Langer schreibt man, man kann nicht nur nehmen,

man muss auch was geben. Und in diesen Chats sieht man ein Hierarchiegefälle. Also der Student

nimmt den Langer immer nur mein Chef oder Herr Günter und der Langer bietet ihm auch an,

ihn zu unterstützen, aber nur wenn er liefert. So jedenfalls legen es die Chats nahe. Und dann hat

der andere Nigerianer den Journalisten berichtet, dass Langer ihnen eine Sauna mitgenommen haben,

soll er unter dem Vorwand mit ihm schwimmen zu gehen. Und dort unter der Dusche habe Langer dem

Nigerianer Shampoo über den Kopf gekippt und ihn dabei, als er sich versucht hat,

das Shampoo aus den Augen zu wischen, habe der Langer ihnen am Geschlechtsteil berührt. Und

daraufhin habe dieser Nigerianische Cousin den Kontakt auch zu Langer abgebrochen. Und darüber

haben die beiden Nigerianer eine Aussage bei der Polizei gemacht, der Herr Langer hat eine

Gefährderansprache bekommen und dann hat die Signalzeitung ganz kurz danach, wenige Tage später

berichtet. Am 9. September 2022, das ist also noch gar nicht lange her, ein halbes Jahr. Ich finde,

es ist interessant, dass der Herr Langer also bei seinem Abschiedswort, wenn man das so nennen darf,

auf WhatsApp nicht sagt, ihr habt mich fertig gemacht durch Lügen oder so, sondern er steht kurz

vor seinem Suizid, vor den Gleisen und schreibt die unkorekte Berichterstattung. Also das würde

ich ehrlich gestanden, wenn ich hier Opfer einer Pressekampagne wäre, würde ich erstens mir das

Leben nicht nehmen, sondern ich würde erst mal einen Rechtsanwalt anrufen. Und zweitens würde ich

auf keinen Fall von einer unkorekten Berichterstattung schreiben, sondern ich würde sagen Lügenpack. Ich

meine Lügenpresse, das sagen doch viele Leute, die deutlich weniger Grund haben dazu, so was zu

sagen. Wie deutest du denn diesen sehr verklausulierten Angriff hier? Also ich fand spannend, dass als ich

in Siegen recherchiert habe, habe ich gemerkt, dass es immer wieder Vorwürfe an Langer gab,

deswegen. Es gab immer wieder Ploppte, das hoch das Thema, dass er Schutzbefolene missbraucht,

angefasst belästigt haben soll. Immer junge Männer, immer Männer, die in prekären, schwierigen

Situationen waren, die kein gutes Deutsch sprechen oder sehr erwirtschaftlich sehr schwach

aufgestellt waren. Und dann hat er immer gesagt, es stimmt alles nicht. Also wenn solche Vorwürfe

aufkam, hat er immer wieder gesagt, es stimmt nicht. Und das ist eine politische Kampagne

gegen mich. Und ich würde auch vielleicht gleich gerne mal euch anhören lassen, wie ich mit dem

einen der Journalisten gesprochen habe von der Siegener Zeitung, der mir erzählt hat, wie er

schon vor 15 Jahren mal drauf gekommen ist, dass der Langer belästigt haben soll. Ist das derjenige,

der in der WhatsApp-Nachricht erwähnt wird? Ja, genau, der Herr Plachner. Und zuvor würde ich

vielleicht gerne noch zur Einordnung sagen, dass eben seit dem Tod Langers Siegen zu rissen ist.

Und es viele gibt, die sagen, der Langer sei tatsächlich ein Opfer einer Intriege geworden.

Und die Siegener Zeitung hat ihn auf dem gewissen. Es gibt auch jemanden, der sagt, die Redakteure

haben Blut an ihren Händen. Und andere, die eben sagen, na ja, die Aachenbacher haben

jahrzehntelang weggeschaut. Ja, man muss vielleicht nochmal das Bild noch ein bisschen stärker

ausmachen des guten Menschen von Aachenbach, bevor wir uns anhören, was unser Journalistenkollege

berichtet. Denn Herr Langer ist extrem gut organisiert. Er besucht Menschen zu ihrem Geburtstag,

hat sich damit das nicht zu viel wird. Die Regel gegeben, erst wenn die 70 werden,

dann legt er los, kommt mit einem Blümchen und macht Fotos. Und die postet er auch eifrig.

Er postet die nicht aus eigener Eitelkeit, sondern er sagt, er möchte ein gutes Beispiel

abgeben, damit Menschen ihre alten Verwandten auch regelmäßig besuchen. Das ist das Bild,

das Langer von sich in der Öffentlichkeit erzeugt. Er besorgt Wohnungen. Er hat,

glaube ich, einen Garten angelegt, einen öffentlichen Garten, den man nutzen kann gemeinsam. Und

er arbeitet natürlich immer mit jungen Männern zusammen da. Genau, ich habe irgendwann in

der Recherche immer gefragt, ja, gab es eigentlich auch mal eine Frau? Ja, es gab auch Frauen,

offenbar mitarbeitende Frauen, aber es waren schon auffällig viele junge Männer. Das ging mir

auch so in der Recherche, dass ich diesen Eindruck bekommen habe. Und er war wirklich, man kann

ihn sich, glaube ich, vorstellen wie ein Getriebenen der guten Sache. Also er hat die ganze Zeit für

die Leute unterwegs. Er hat die ganze Zeit Gutes tun wollen, ist ständig zu den einen hingefahren,

zu den anderen und hat offenbar immer wieder auch bis in die Nacht hinein noch rumorganisiert,

Kühlschränke hin und her gefahren für Geflüchtete wirklich alles Mögliche gemacht. Er war so ein

bisschen wie unser im Dauereinsatz kaum zu fassender, gut Mensch, so ein bisschen wie unser

Fahrrad, über den wir damals die Sendung gemacht haben, der verlorene Hirte, der durch sein

Engagement verdecken wollte, dass er seine Konferenten vergewaltigt hat. Umso größer war,

glaube ich, die Überraschung für Tim Plachner, den wir jetzt hören, als er vor 15 Jahren

anonymes Schreiben in die Redaktion bekommen hat. Das ist so, ich würde sagen, 15, 16 Jahre her. Da

haben wir ein anonymes Schreiben in die Redaktion bekommen. Und da hieß es, das muss ich jetzt

wirklich aus der Erinnerung erzählen, im Großen und Ganzen, es gibt Vorwürfe gegen ein Mitglied

des Stadtrates, nämlich gegen Günther Langer. Er soll im Rahmen seines Jobs auszubildende

quasi angegangen sein oder genötigt haben. Das war so ein handgeschriebenes Dienervierblatt.

Da habe ich mich ein bisschen umgehört, aber man bekam nichts so richtig zu packen. Dann habe

ich mich entschieden, einfach Günther Langer selber anzurufen. Es war, glaube ich, auch damals mein

erster richtiger Kontakt zu ihm. Mal abgesehen davon, dass er natürlich im Rahmen seiner

politischen Tätigkeit irgendwie immer Gegenstand der Berichterstattung war, aber jetzt nie so,

dass ich gesagt hätte, ich kenne den in irgendeiner Art und Weise. Und ich habe ihn damals angerufen und

habe ihn von diesen Vorwürfen berichtet und er hat das damals abgetan und vermutete eine Intrige

aus dem politischen Raum. Man wolle ihn quasi Mundtod machen über irgendwelche Dinge, also

mittels irgendwelcher Dinge, die ihm dann nachgesagt werden. Und nach ein paar Tagen habe ich es dann

auch dran gegeben, weil, wie gesagt, Polizei hatte nichts Offizielles und ich hatte ja auch keinen

Absender oder irgendjemanden, den ich noch näher hätte befragen können. Und dann habe ich damals

Günther Langer nochmal angerufen und habe ihm gesagt, Herr Langer, ich wollte Sie nur darüber

informieren. Wir haben ja gesprochen, wir werden nichts veröffentlichen, weil ich habe nichts. Mir

sagt keiner was und ich kriege da auch nichts dran. Und ich möchte nicht, dass Sie jetzt zu Hause sitzen

und quasi jeden Tag denken, oh, was passiert denn da jetzt? Und ich schlag die Zeitungen auf und

da steht irgendwas drin oder sowas. Und dann kam ein Moment und das werde ich nie vergessen, der ist

am Telefon zusammengebrochen, Heulend. Der hat geweint, also da kriege ich jetzt wirklich noch Gänsehaut,

der hat geweint wie ein Kind. Ich konnte das überhaupt nicht einordnen, weil er hatte sich dann

auch noch so bedankt, so ja vielen Dank, vielen Dank und sie wissen ja, ich habe Familie hier, also so

richtige Ausbruch war das. Und in dem Moment war das für mich, also ich habe das so verstanden als

Erleichterung, weil da ist nichts dran. Also jemand dem wird irgendwas vorgeworfen und er hört

plötzlich, oh, die Presse ist da dran. Und jetzt sagt ihm die Presse, nee, wir machen da nichts. Und

das ist erstmal so ein Gefühl von, boah, da fällt jetzt alles von mir ab, weil das ist irgendwie

alles so ungerecht oder wie auch immer. Und dann war das Thema für mich eigentlich auch ziemlich

schnell abgehakt, weil wie gesagt dieser emotionale Ausbruch, das war für mich fast schon wie ein okay,

der ist einfach nur erleichtert, weil der ist unschuldig. Und wie gesagt, dann habe ich da auch

eigentlich das Thema nicht weiter verfolgt. Und Mitte August dieses Jahres rief mich dann unser

Chefredakteur in seinen Büro und sagte im Tim, ich will dir nur sagen, der Christian Hoffmann ist

da an einer Geschichte dran, dass du im Thema bist, weil wie gesagt Christian eigentlich anderes

Ressort, ich aber für das lokale zuständig, deswegen die Info an mich, da geht es darum,

das soll jemand, der in der Flüchtlingsarbeit tätig ist, Geflüchtete angegangen sein,

sexueller Natur. Und später ist dem Tim Blachner dann eben klar geworden, dass dieses Weinen eigentlich

eher ein Geständnis sein müsste von Günther Langer und eben nicht eine Erleichterung. Also das zeigt

ja, dass dieses System, ich nenne es jetzt mal so, dass Günther Langer immer wieder über

seine soziales Engagement den Kontakt zu Jungen von ihm dann am Ende abhängigen Männern verschafft,

dass er dieses System seit mindestens 15 Jahren missbraucht. So ist er verdacht,

dass er missbraucht haben soll. Jetzt muss man aber dazu sagen, dass sich über den Ton des Textes,

also der Text hat genau das gesagt, er hat es auch von einem System lange gesprochen und über

den Ton des Artikels haben sich aber viele Siegner geärgert. Also auch weil in diesem Artikel

spekuliert wird, der Langer könnte nur die Spitze eines Eisbergs sein und ob es vielleicht noch

andere gibt, ob es noch Schläger-Trupps gibt, die der Langer vorbeischicken könnte. Und ein Siegner

hat sogar Beschwerde beim Presserat eingereicht. Deswegen, aber der Presserat hat jetzt keinen

Verstoß festgestellt. Aber ich will nur sagen, also der Text ist schon, der nennt den Langer nicht

beim Namen, aber der ist schon sehr deutlich in seinen Worten. Und Langer ist natürlich für

jeden, der dort wohnt und seine Heimatzeitung liest, eindeutig identifizierbar auch, wenn der

Namen nicht drinsteht. Ganz genau. Was sagt denn seine Familie dazu? Hast du zu der Kontakt

herstellen können, wie ist denn jetzt Situation? Er hat ja eine Frau, er hat auch Kinder. Er hat

ein Kind, ja genau. Ich habe versucht mit der Frau zu sprechen und die hat nicht auf meine Anfragen

reagiert. Ich habe nach vielen Versuchen mit engen Freunden von Günter Langer sprechen können. Und

ich glaube, ich habe sehr viele Menschen gesprochen, die mir eben alle übereinstimmend

geschildert haben, wie rührig der Günter Langer war. Und einige von denen sagen, ja gut, wir

können es uns schon vorstellen jetzt im Nachhinein. Er ist schon sehr gern in die Sauna gegangen.

Er hat da seine Saunatücher waschen lassen und so weiter. Eine besonders spannende Gesprächspartnerin

für mich war die ehemalige Angestellte von Günter Langer, Tamara Schmidt. Die war drei Jahre lang

bei dieser Weiterbildungsgesellschaft beschäftigt und hat fast Tag und Nacht, kann man sagen, mit

Günter Langer zusammengearbeitet. Bevor wir Tamara Schmidt hören, müssen wir aber, glaube ich,

noch über einen zweiten, ganz anders gelagerten Vorwurf gegen Günter Langer reden. Wir haben

jetzt vor allem über die jungen Männer und die Missbrauchsverdacht geredet. Es gibt noch einen

ganz anderen Verdacht, nämlich den der Sozialbetrugs. Du hast schon gesagt, dieses Sozialunternehmen,

das Günter Langer da gründet, wird am Rande dieses Heimatvereins richtig groß. Es geht um viele

Menschen und es geht, glaube ich, auch um viel öffentliches Geld. Genau, es geht um sehr viel

öffentliches Geld. Eigentlich können wir es ganz schön an der Tamara Schmidt auch erzählen,

weil sie kann wirklich einen guten Einblick geben über das, was du gerade ansprichst, Andreas. Also

vielleicht hören wir uns einmal an, was sie sagt, wie der Günter Langer ihr begegnet ist, was ihr

erste Eindruck war von Günter Langer. Er hat mir damals einen Eindruck gemacht, als ein Mann mit wenig

Zeit. Also er hat sich nicht viel Zeit für mich oder unser Gespräch genommen. Und das war so der

erste Eindruck, da ich gedacht habe, naja, du könntest dir ruhig mal ein bisschen mehr Zeit nehmen. Aber

das war, also der Eindruck hat sich, der ist nie weggegangen, hat also wirklich immer viel zu tun

gehabt und was mich aber bei ihm auch total begeistert hat. Also ich fand ihn und seinen

Engagement immer selber eindruckend. Also ich habe ihn auch bewundert. Also die Frau Schmidt hat mir

dann erzählt, dass der Günter Langer ziemlich frei händig umgegangen ist mit so Verträgen des

sogenannten Bundesfreiwilligendienstes. Bufdies. Bufdies. Was ist denn das? Bundesfreiwilligendienst,

nach der Abschaffung der Wehrpflicht und damit auch dem Wegfall des Zivildienstes,

hat man einen sogenannten Bundesfreiwilligendienst eingeführt. Da konntest du sozusagen, also wenn

du kein Gap hier in Norseland machen willst, kannst du einen Bundesfreiwilligen Jahr machen und

du dich hier so ein freiwilliges soziales Jahr, so hieß es früher. So interessant ist aber,

ich glaube, in Siegen gibt es auch ganz alte Bufdies. Genau, interessant ist, dass das keine

Gap-Year-Leute sind, keine jungen Menschen kurz vor ihrer Ausbildung oder im Studium, sondern eben

auch hochbetagte Bufdies, die Eltern, nämlich von Mitarbeitenden bei der Weiterbildungsgesellschaft,

diese Bufdies bleiben zum Teil sehr lange. Die Weiterbildungsgesellschaft und der Heimatverein

haben insgesamt 336 Bufdies beschäftigt seit ihrer Existenz, die hatten Platz für 72 Bufdies

gleichzeitig und es ist enorm viel für so ein Kleinfahrt. Ja genau, diese Bäume gefällt,

Wanderwege gepflegt und so weiter. Also um einen Vergleich zu nennen beim Deutschen Roten Kreuz

in Siegen noch eine riesige Gesellschaft, arbeiten zum Beispiel gerade im Moment elf Bufdies

gleichzeitig. Also das war ein enormer Bufdie-Umsatz, den es da gab. Und was heißt das? Der

Verein kassiert jetzt für jeden Bufdie vom Staat Geld. Man bekommt eben Zuschüsse vom

Staat und die Tamara Schmidt hat mir zum Beispiel erzählt, dass sie eben bei den Bufdies gesehen

hat, dass viele ihre Stunden überhaupt nicht geleistet haben oder auch nur zum Teil geleistet

haben oder eben diese Eltern von Mitarbeitenden waren. Karteilbufdies. Karteilleichen. So

erzählt es die Tamara Schmidt, wir müssen an der Stelle darauf hinweisen, dass es

Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gibt, die sind noch nicht abgeschlossen. Die Weiterbildungsgesellschaft

hat im Moment noch keinen rechtlichen Nachfolger, aber der designierte Nachfolger hat mir gesagt,

er könne sich nicht vorstellen, dass es da illegale Sachen gegeben hat, zwar unkonventionelle

Methoden, aber keine illegalen und er hätte noch nichts Schlimmes gefunden. Also der Langer hätte

Chaos fabriziert, aber noch keinen Betrug. Aber es gibt zumindest einige Verdachtsfälle, wo die

Bufdies sozusagen dem Verein auf der einen Seite Zuschüsse bescheren, staatliche Zuschüsse und

auf der anderen Seite zu Arbeitseinsätzen geschickt werden, was was ich irgendeinen Garten aufräumen.

Genau. Vermietet werden. Sie sind vermietet worden. Und da wurde noch mal eingenommen. Genau. Also

zum Beispiel, du hast dir eine Hecke, du warst Mitglied des Heimatvereins und wolltest dir

deine Hecke schneiden lassen. Dann, so ist der Vorwurf, schickt der Langer dir seine Leute

vorbei, seine Bufdies vorbei. Oder verfirmen, die erlassen Gartenbauarbeiten machen. Alle möglichen

Sachen, auch Catering, auch Veranstaltungen. Und dann bekommt, so ist der Vorwurf, der Heimatverein

oder die Weiterbildungsgesellschaft das Geld. Und vom Start bekommt man aber hier noch mal Geld

für diese Bufdies. Das heißt, man hat, wenn das zutrifft, keine Kosten und nur Gewinnen. Und die

Tamara Schmidt hat mir erzählt, dass auch ihr eigener Vertrag am Anfang mit einem Bufdievertrag

aufgestockt wurde. Also, sie war am Anfang angestellt und buf die gleichzeitig, bis sie

darauf aufmerksam gemacht wurde, dass das illegal ist. Und dann habe der Langer auch das Geld

zurückgezahlt. Aber wenn das stimmt, was sie sagt, was sie vermutet, dann gibt es da einen

Sozialbetrug enormen Ausmaßes. Das muss man echt mal sagen. Also, sie hat mir erzählt, dass der

Günter Langer sehr findig war in Stellen und Finden von Förderanträgen, noch ein soziales

Projekt, noch eine Maßnahme, Geld für eine Maßnahme. Und hat mir auch erzählt, dass

Verwendungsnachweise, zum Beispiel für Lebensmittel, kopiert wurden und gleich bei mehreren Trägern

eingereicht wurden. Die Brötchen wurden mehrfach gegessen. Genau, die Brötchen wurden offenbar

mehrfach gegessen. Und dann hat sie mir auch erzählt, dass viele Menschen ihre Teilnahme an

Kursen unterschrieben hätten, die nie stattgefunden hätten. Also, du gibst zum Beispiel einen

Wiedereingliederungskurs, du Andreas fährst jetzt dahin und machst eine Woche Wiedereingliederungsmaßnahme

für Langzeitarbeitslose und die unterschreiben 20 Leute. Du bist gar nicht da oder machst

in der Zeit etwas anderes. Die kommen auch nicht. Die kommen auch nicht. Und jeder hat

was davon. Und die öffentliche Hand zahlt. Genau. Aber so werden natürlich auch mehr und

mehr Menschen von den Zuwendungen von Günter Langer abhängig. Genau. Eines Tages steht

ein Herr Wächte vor Tamara Schmidt. Ganz genau. Wer ist Herr Wächte und was ist sein Anliegen?

Herr Wächte begleitet einen jungen Mann. Der steht auch mit dem Herrn Wächte vor der

Tamara Schmidt. Und die Tamara Schmidt hat mir erzählt, dass sie bis dahin, bis zu diesem

Moment, dass alles auch gar nicht so schlimm gefunden hat, was da passiert ist. Weil sie

hat ja gewusst, es ist für einen guten Zweck. Und also, sie hat schon auch immer wieder den

Herrn Langer darauf aufmerksam gemacht. Das geht so nicht, wenn jemand immer nur kassiert

hat, ohne Leistung zu bringen. Aber sie hat gesagt, es war ja für einen guten Zweck.

Also er hat es nicht selber eingesteckt. Ja. So ist das, was wir bislang wissen. Dass

er davon nichts in die eigene Tasche gewirtschaftet hat. Er hat Geld offenbar umverteilt. So

wie bei Helmut Kohl. Alles für die CDU. Und ich würde euch gerne einmal vorspielen,

was die Tamara Schmidt mit mir erzählt hat, wie diese Situation war, als der junge Mann

gemeinsam mit dem Frank Wächte vor ihr stand. Ja, ich sage dem auch außerhalb, hier wie

sie da denn aussah, sie haben mir einen Vertrag und sie kommen nicht arbeiten und der Armekelt

völlig explodiert. Also der war, wie alt wird der gewesen, sein Ende 20. Also kein ganz

junger, aber auch kein gestandener Mann. Also der hat mir wirklich Leid getan. Der fing

an, also der war richtig aufgelöst. Er wüsste gar nicht, was er jetzt hier sollte und hat

wir so nett vereinbart gewesen. Und er würde seit zweieinhalb Monaten auf der Straße leben

und keiner würde ihm helfen. Und der Langer ging nicht an den Telefon und er hätte ihm

so viele Versprechungen gemacht. Der war ganz aufgelöst. Und dann habe ich gesagt, Moment,

Moment, sag ich, stop, sag ich, was ist denn los? Sag ich jetzt, ja, nee, und das ging

nicht. Er hätte da richtig Probleme und keiner würde ihm zuhören. Ja, sag ich, dann nehmen

wir uns jetzt die Zeit, setzen uns mal zusammen und ich höre ihn zu. Und was hat sie erfahren,

als sie ihm zugehört hat? Die Geschichte ist für sie unglaublich. Also sie konnte es,

als ich mit ihr gesprochen habe, immer noch nicht fassen, was der erzählt hat. Und zwar

sagt sie, hätte der Frank Wächte, der das übrigens mir gegenüber auch nochmal bestätigt

und dann gesagt, ja, das sei ja noch längst nicht alles. Das ist nur der Anfang und hat

dann erzählt, dass Günther Langer offenbar häufig und gerne in die Sauna gegangen sei

mit jungen Männern. Und der Frank Wächte hat zu mir gesagt, dass der junge Mann, der

da vor der Tamara Schmidt stand, auch von Langer aufgefordert wurde, ihm Bilder seines

Penis zu schicken. Also Wächte hat mir wörtlich gesagt, Langer wollte seinen Schwanz sehen,

ganz eindeutig. Und für Wächte war eigentlich klar, wenn man was von Langer will, dann muss

man mit ihm in die Sauna gehen und sich von ihm mindestens anschauen lassen. Und der Wächte

muss man jetzt vielleicht dazu sagen, den hat das total fertig gemacht. Der macht sich

Vorwürfe, der ist in psychotherapeutischer Behandlung, der kann im Moment nicht arbeiten,

weil er sagt, ich habe jahrelang zugeschaut und habe nicht verstanden, was da eigentlich

vor sich geht. Das kann er sich im Moment noch nicht verzeihen. Und der junge Mann, der

damals vor der Tamara Schmidt stand, den habe ich auch erreicht.

Also das Opfer sozusagen, das mit den die Sauna gehen sollte.

Genau, das mutmaßliche Opfer habe ich auch erreicht. Und der hat aber gesagt, er will

jetzt gar nicht mehr so viel darüber reden. Der hat mir gesagt, der Langer ist jetzt bei

Gott und dort wird er seine Strafe erhalten. Und die Tamara Schmidt hat sich dann entschieden,

so erzielt sie es, Langer zu konfrontieren und glaubt, dass sie darauf hin, was ins

Rollen gebracht hat. Also sie glaubt, dass Langer daraufhin wirklich Angst bekommen hat

und versucht hat, reinen Tisch zu machen. Weil sie hat das gemerkt, indem sie plötzlich

ganz viele dieser gekündigten Bufdie-Verträge auf dem Tisch hat.

Ah, der römt jetzt auf.

Genau.

Derbung.

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So ermählich bekommen wir tatsächlich über diese verschiedenen Zeugen und Zeugen einen

kleinen Einblick in das, ich nenne es jetzt auch nochmal, wie im Artikel, in das System

Langer. Die eine Seite ist sozusagen ein soziales Engagement, das Ihnen in engem Kontakt zu

jungen Männern bringt und diese Situation mit diesen abhängigen Männern versucht ja

immer wieder auszunutzen. Und auf der anderen Seite und damit verbunden, sind ganz viele

Bufdie-Verträge, die vom Staat subventioniert sind, die er vergibt, mit denen er Leute

unterstützt, sie aber wieder von sich abhängig macht. Und jetzt plötzlich gerät dieses System

ins Wanken, angestoßen davon, dass Tamara Schmidt ihn konfrontiert und er jetzt anfängt

aufzuräumen. Und dieses Aufräumen trifft am Ende auch unsere beiden Nigerianer, bei denen

wir angefangen haben, oder? Ganz genau. Weil unter denjenigen, die gekündigt wurden,

bei denen sozusagen aufgeräumt wurde, wie du das gerade genannt hast, sind eben jene

beiden Nigerianer, die dann später, ganz kurze Zeit später, den Herrn Langer, des sexuellen

Missbrauchs, beschuldigen gegenüber der Polizei und der Presse. Und das hören wir uns jetzt

vielleicht auch nochmal an. Langer hatte plötzlich alle Leichen, die er im Keller hatte, versucht

loszuwerden. Ich glaube tatsächlich, da der angefangen hat, wirklich diese ganzen Fake-Verträge

zu kündigen, damit er keine Angriffsfläche bietet. Und die beiden waren betroffen. Also

durch diese Kündigung der Verträge sahen ihre Fälle davon, schwimmen, dass sie jetzt

kein Visum für Deutschland bekommen und haben jetzt mit ihrem Wissen Rheintich gemacht.

Da bin ich von überzeugt, die hätten das nicht gemacht, wenn er sie nicht rausgeschmissen

hätte. Also da glaube ich ganz sicher, das haben die nicht gemacht. Doch ich glaube,

dass das eine rache Geschichte gewesen ist. Und die damit halt wirklich diesen Stein losgetreten

haben, den ich zwar intern schon losgetreten hatte, aber ja nicht. Also ich wäre ja mit

meinem Wissen nicht an die Presse gegangen. Ich wäre zur Polizei gegangen, wenn ich Beweise

gehabt hätte, aber ich hätte ja nicht die Presse angerufen.

Und dann, das müssen wir uns alles jetzt vorstellen, das ist ein irres Tempo, wird jetzt in Siegen

an den Tag gelegt. Das ist alles innerhalb von wenigen Tagen. Die Tamara Schmidt konfrontiert

den Langer im August, also Ende August. Dann werden die beiden Nigerianen gekündigt. Dann

gehen die zu ihrer Betreuerin und erzählen, was ihnen widerfahren sein soll. Dann ermutigt

die Betreuerin, die beiden jungen Männer zur Polizei zu gehen und mit der Presse zu reden.

Weil sie sagt, also sie hat mir gesagt, sie hätte gleich gedacht, das kann der Langer

nicht zum ersten Mal gemacht haben. Das ist ihr so perfide vorgekommen von der Masche.

Sie hat mir gesagt, ich hatte sofort diesen systemischen Missbrauch im Kopf. Wenn da einer

allein WhatsApp Nachrichten löscht im großen Stil und der Ton dieser Nachrichten, diese

Masche mit dem, ich zeig dir mal, wie viel Geld ich habe und du kannst davon was haben,

das alles sei ihr so vorgekommen wie ein systemischer Missbrauch. Und kurz darauf, also wenige Tage

später gehen die beiden dann tatsächlich zur Polizei und sprechen mit der Siegener

Zeitung. Und dann konfrontiert die Siegener Zeitung den Günther Langer, der sagt, ich

muss erst mal mit meinem Anwalt reden und dann erscheint der Artikel. Und dann macht

der Günther Langer, räumt dann selber nochmal auf. Also ich habe zum Beispiel auch mit einem

guten Freund von Günther Langer gesprochen, der mir erzählt hat, dass er dann nochmal

seinen eigenen Vertrag, den er auch hatte, bei der Weiterbildungsgesellschaft nochmal

verlängert hat in dieser Woche. Also er wollte sozusagen alles in Ordnung bringen und eine

Woche nach erscheinen des Artikels hat er sich dann das Leben genommen. Übrigens hat

dieser Freund sich extrem gewährt gegen die Berichterstattung. Er hat auch eine Mahnwache

organisiert vor der Siegener Zeitung. Was heißt Mahnwache? Was muss ich mir darunter

vorstellen? Er hat zu mir gesagt an den Händen der Redakteure Klebblut. Die haben den auf

den Gewissen und er hat über Facebook und Mund zum Mundpropaganda einige Dutzend Demonstranten

organisiert und hat dann Kerzen angezündet vor der Siegener Zeitung und ein Gedicht

vorgetragen. In einer Strophe, wenn ihr wollt, soll ich euch mal eine Strophe vorlesen von

diesem Gedicht, das der Peter Schulte heißt, der selber geschrieben hat. Da steht drin

ihr, die ihr oftmals davon lebt, bedeutende ganz klein zu machen, hofft, dass am Ende

ein Marke klebt. Doch wir, wir sehen auch dann noch seine großen Sachen. Auch dann noch.

Also es ist auch kein richtiges Bestreiten. Nee, und das ist total interessant. Also

ich fand dieses Gespräch mit dem Peter Schulte wahnsinnig spannend, weil der hat mir auch

gesagt, er glaubt, dass hinter dem Artikel eine politische Kampagne steckt und er glaubt

nicht, dass es ein Zufall ist und dass die Story viel zu groß für zwei Journalisten

sei. Aber er sagt eben, dass Günther Langer ist nur darum gegangen sei, Menschen zu helfen.

Also dass er nicht wissentlich betrogen hat, sondern wirklich nur für Menschen, was erreichen

wollte. Und das können wir uns auch gerne nochmal anhören, damit ihr einen Eindruck

habt, wie ich bei ihm saß in seinem Wohnzimmer, wie er in seinem Sessel sitzt und dann hatte

mir das erzählt. Wenn es darum ging, für Menschen was zu erreichen, war er glaube ich

bereit, die Regeln so weit zu dehnen, wie es irgend möglich ist. Ich glaube nicht, dass

er bewusst recht gebrochen hätte. Wenn es darum ging, Leuten zu helfen, dann hat er das

alles ganz weit auch ausgedehnt, was ihm möglich war. Und das fand ich deswegen so spannend,

weil der Peter Schulte mir erzählt hat, dass ich auch einen innen junger Mann gewendet

hat, den der Langer angefasst haben soll. Also das hat der Schulte mir gegenüber sogar

zugegeben. Und ich habe auch da wieder ein Screenshot von einem Chat gesehen, wo nach Langers Tod

ihm schon ein ehemaliger Azubi geschrieben hat, dass der Langer, also ich zitiere jetzt

wirklich immer wieder sexuelle Sachen gebracht oder mir an den Penis gepackt. Und Schulte,

der Freund Langer, es hat darauf geantwortet, jeder Mensch hat seine dunklen Seiten, aber

Günther hatte auch sehr viele Helle. Sag mal Anne, es hört ein bisschen so an wie

Shit Happens, oder? Genau. Er macht so viel Gutes. Ach komm, lass mal die drei, vier

Jungs, die er damit gehen hat lassen, das ist doch auch wurscht, oder? So hört sich

das an. Ja, so war wirklich ein Narrativ, das mir in Siegen permanent begegnet ist.

Also die Leute haben immer wieder betont, was er Gutes gemacht hat, aber das ist ja außer

Frage, was er alles Gutes gemacht hat. Aber das, ich finde halt, das kann nicht dazu

führen, dass du nicht über Verfehlungen reden darfst. Aber das, da gab es wie so eine Art

Schweigen, kollektives Schweigen darüber, was dann halt mit den jungen Männern, ach mein

Gott, das hat man halt geschehen lassen, weil es so schlimm war es jetzt auch nicht. Ja,

das war früher aber generell so, ne? Diese Eigenschaft, da hieß es, ja, er ist ein

super Journalist, oder er ist da ein ganz, ganz toller Wissenschaftler. Oder ein ganz

Frommapfarrer. Oder ein ganz Frommapfarrer, der so, tut so viel für unsere Gemeinde.

Ach, da kommen die drei, vier Konferenten, Who cares, so ähnlich hört sich das an, ne?

Mich hat das übrigens auch total interessiert, was da früher war, ne? Also wie lange das

schon geht oder gegangen sein könnte. Und ich hab mich bemüht jemanden zu finden, der

von früher erzielen kann, ich hab auch jemanden gefunden. Wem denn? Die ehemalige Chefin von

Günther Langer. Ah, Langer war, bevor er Sozialunternehmer war, was anderes. Genau. Ich

hab mich ohnehin schon gefragt, woher dieser Hans Damp in allen Gassen sein Organisationstalent

hat. Ja, er war Hotel und Restaurant Fachmeister. Und die Frau, die ich getroffen habe, Susanne

Heun, heute 66 Jahre alt, die hat ein Ausbildungshotel geleitet in Siegen und den Günther Langer

hat die eingestellt als Fachbereichsleiter, Restaurant. Und sie hat mir auch gesagt,

dass der Günther Langer sich extrem gut gekümmert hat. Also sie hat das so gesagt, also nicht

nur um die kleinen Jungs, der hatte wirklich Interesse, also nicht nur an den kleinen Jungs,

sondern auch an allen anderen. Also er hat offenbar auch da schon Menschen wirklich geholfen,

ne? Also zum Beispiel einem Jungen, der immer das Essen gestohlen hat, weil er halt viel

zu wenig zu Essen bekommen hat, hat er eine Stelle an einem großen Hotel verschafft und

hat vielen, vielen Menschen geholfen. Aber da gäbe es eben auch schon Vorwürfe. Welche

denn? Also zum Beispiel hat die Frau Heun mir erzählt von einem jungen Türken, der ist

gerade volljährig gewesen. Und sie hat mir erzählt, dass der Langer diesen jungen Türken

am letzten Tag seine Ausbildung so eingeteilt habe, dass er mit ihm alleine war. Das war

das Jahr 2005. Und sie hat mir wörtlich gesagt, dass der Langer ihn unter dem Vorwand eine

Zimmerkontrolle, also der Langer hätte ihm gesagt, du, wir müssen Zimmer kontrollieren

und hätte ihn dann dort aufs Bett geschmissen und überall angefasst. Und der junge Türke

hätte sich aber... Also im Hotel, auf einem Hotel, frisch gezogenes Hotelbett. Genau,

bei der Arbeit sozusagen. Also dein Chef kommt zu dir und sagt, du, wir müssen nochmal...

Zimmerkontrolle. Genau. Einmal mit dem weißen Handschum oben über den Rand des Spiegels.

Genau. Und dann hätte der Langer, also wie gesagt, letzter Tag der Ausbildung, der Langer

ihn dann aufs Bett geworfen und überall betatscht. Und der Junge hätte sich aber gewährt, ne?

Er sei aufgestanden und hätte dem Langer auch Schläge angedroht und dann sofort alles,

der so seine Heuen erzählt. Und die hat dann ziemlich pragmatisch reagiert, wie ich finde

und hat den jungen Mann gebeten, ein Protokoll anzufertigen und hat dann nochmal rumgefragt

im Hotel, werden uns sonst noch sowas weiß. Und da ist sie auf einen anderen auszubildenden

gestoßen, jungen Afrikaner. Und der hätte gesagt, dass der Langer ihn in der Umkleidekabine

auch schon überall betatscht hätte. Und interessant ist, Frau Heuen, behält das nicht

für sich, sondern sie wird jetzt initiativ. Genau. Also sie hat schon erstmal den Langer

konfrontiert. Und der Langer, der war damals schon über 40, hat aber gesagt, ja, das war

nur eine Rangelai unter Jungs und hat alles so abgetan. Und sie hat aber auch eine Politikerin,

die in der SPD war. Wie lange auch damals? Langer war damals auch in der SPD, ganz genau.

Hat sie in ihr Büro eingeladen und die Protokolle auf den Tisch gelegt und gesagt, ich muss

mal kurz aus Klo. Und so konnte die Politikerin diese Protokolle lesen. Und ich habe auch diese

Politikerin erreicht. Und die hat gesagt, ja, klar, ich habe das schon alles so gehört

von der Frau Heuen. Und wir haben auch versucht, damals was zu machen, aber wir hatten einfach

nicht genug in der Hand. Haben denn die jungen Männer nicht ausgesagt, sind die nicht zur

Polizei gegangen? Doch. Die Frau Heuen ist selber zur Polizei gegangen und hat gesagt,

machen Sie da mal was. Was heißt denn, wir haben nicht genug in der Hand? Was soll das

bedeuten? Der Langer wurde einfach still und heimlich, woanders hinversetzt, nämlich

dann auch so eine andere Gesellschaft, wo er unterrichtet hat. Damals selber eben dann

diese Kurse gegeben hat, die er später dann als Sozialunternehmer neu aufgesetzt hat und

hat dort auch wieder mit, zum Beispiel, mit Flüchtlingen ein Haus gebaut und alles Mögliche

dann in seiner neuen Stelle gemacht. Aber man hat einfach, also die Frau Heuen sagt,

sie hat das überall rum erzählt, aber es hat sich halt keiner so richtig dafür interessiert

und keiner hat jedenfalls klar, dann muss man natürlich auch aufpassen, dass man nicht

Gerüchte ventiliert, dass man nicht in Rufmord betreibt, dass man nicht jemandem falsch bezichtigt,

aber offenbar hat das, was es damals gab, nicht genügt dafür, dass dem Langer irgendwas

geschehen ist. Naja, da ist ein junger Türke und junger Afrikaner und dem gegenüber ein

40-jähriger offenbar schon sozial engagierter und in einer Kommunalpolitik engagierter

Mann, der sagt, das ist jetzt alles eine Intrige und das stimmt alles nicht und dann steht

Aussage gegen Aussage und es gibt keine Zeugen. Ja, und dann gibt es noch die Kirche. Auch

da ist ja Langer sehr aktiv. Was hat es denn mit dieser Kirche auf sich? Es ist ja nicht

irgendeine Kirche, sondern eine spezielle. Genau, es ist eine Freikirche. Und zwar war

für mich neu zu erfahren, dass in Siegen und im Siegerland es überall freikirchliche

Gemeinden gibt. Also das sind, Sabine, da musst du mich gleich unterstützen. Du kennst

dich da ja besser aus, was die Kirche angeht. Aber wenn ich es richtig verstehe, sind es

eben freikirchliche Gemeinden, die mit der evangelischen Landeskirche nicht allzu viel

zu tun haben. Also die evangelikale Freikirche, die der Günther Langer besucht hatte, ist

eine ehemalige Brüdergemeinde, also eine sehr konservative Gemeinde. Ja, evangelikale

Strömungen sind ja ohnehin sehr konservativ. Genau. Also die sind sehr bibltreu und biblgläubig,

sind nicht sehr modern. Genau, die gerieren sich als modern, finde ich, weil da theologische

Leinen vorne stehen und predigen. Aber in Wirklichkeit, also wenn man sich diese Predigten

mal anhört, das habe ich getan auf YouTube und ich habe auch mit Menschen gesprochen,

mit Experten, die diese Freikirchen erforschen. Und da entsteht ein ganz anderes Bild. Also

zum Beispiel das Bild, das in manchen dieser evangelikalen Gemeinden Männer und Frauen

getrennt beten. Und dass die Frauen während des Gottesdienstes eher hart zu bedecken haben

und manchmal auch außerhalb des Gottesdienstes. Manche dieser freikirchlichen Gemeinden verbieten

Scheidung, Selbstbefriedigung, Sex vor der Ehe. Und das heißt, wer mit der Gemeinde

bricht, der verliert Freunde und Familie. Das ist ja wie vor 200 Jahren. Ja, das ist

wirklich Finster, was er da begegnet. Also offenbar wird da wörtlich ausgelegt, Sabine,

was du schon gesagt hast, was in der Bibel steht. Also zum Beispiel das Weibschweige

in der Gemeinde oder der Mann soll nicht beim Manne liegen. Ja, also das sind, ich weiß

nicht, sind das Kreationisten auch noch? Glauben die auch noch, dass Gott die Welt in sieben

Tagen erschaffen wird? Ja, ich habe mit einem Lehrer gesprochen, aus Siegen. Und der hat

gesagt, es sei extrem schwierig, die Kinder von diesen Freikirchlen zu unterrichten,

weil du quasi alles zensieren musst. Also wenn es da um irgendwas geht, ist schwierig

das zu unterrichten. Du hast die ganze Zeit Eltern auf der Matte stehen, die sagen, so

stimmt das alles nicht. Und ich bin auch selber viel durch Aachenbach gefahren und habe dann

ziemlich vieles von dieser Frauen und Mädchen gesehen, die ganz lange Röcke haben und ganz

lange Haare, die sie so zu Zöpfen geflochten haben. Sind bei den Amish-Piepel. Es ist

wirklich erstaunlich, dass sowas im Jahr 2022, 2023 mitten in Deutschland möglich ist.

In Amerika ist das Gang und Gebe. In Amerika gibt es, das ist ja auch das große Argument

für die Landeskirchen. Also, dass Religion in der Schule gelehrt wird und nicht in irgendwelchen

Hinterzimmern, von irgendwelchen Laien, die die Bibel eins zu eins nehmen und den Kindern

sagen, eine Evolution gibt es nicht. Sondern das hat alles der Liebe Gott gemacht und er

hat mit den Walfischen angefangen oder er hat die Sonne an den Himmel gehängt.

Und dann hat er den Dinosaurier und Meteoriten auf den Kopf geschmissen? Genau. Das ist in

Amerika zum Beispiel weit verbreitet der Kreationismus. Da werden die auch schon die Lehrbücher

umgeschrieben, wieder zurück ins alte Testament. Also es ist eine ganz rückständige Art und

Weise sich damit auseinanderzusetzen. Da gehört natürlich auch die Einstellung zur Homosexualität

dazu nicht. Obwohl, wenn man ganz genau ist, da kenne ich mich nun zufällig aus, ist natürlich

die Homosexualität in der Bibel auch. Also, ich meine, König David hatte auf jeden Fall

eine homosexuelle Beziehung zu seinem Freund Jonathan. Das steht auch so drin. Jonathan,

du bist mir mehr als 1000 Frauen. Ja. Ich glaube, diese Botschaft wird von den Freikäuchten

anders interpretiert. Die kann sich ja die Bibelstellen aussuchen, die man vorliest.

Genau. Das ist wirklich irre in diesen Predigten. Da wird Bibelstelle um Bibelstelle, da wird

es dir um die Ohren geballert. Also ihr könnt euch ja vorstellen, wie gern ich mit jemandem

sprechen wollte aus dieser Gemeinde. Habe ich wirklich ziemlich viel versucht. Aber du

hast doch mit jemandem gesprochen. Ja, ganz am Ende hat sich noch jemand durch einen Zufall,

durch einen Umweg, durch einen Freund von Lange. Erzähl mal, wie du draufgekommen bist.

Ja, das war ein wirklich interessantes Gespräch abends in dem Hotel, in dem ich wohnte, sind

die da zu mir gekommen. Und wir haben gesprochen und dieser Mann, der in der Freiköchlichen

Gemeinde ist, in die auch der Lange ging, hat mir zum einen erzählt, dass der Lange direkt

nach dem Artikel den Rat der Ältesten in der Gemeinde gesucht hat, weil die sind ja

nicht irgendwie so organisiert wie die Landeskirche, über einen Pfarrer oder so, sondern es gibt

Älteste, die die Geschicke der Gemeinde bestimmen und deren Rat habe Lange gesucht und ihnen

sofort für sichert, dass an diesen Vorwürfen nichts dran sei. Und dann habe ich natürlich

versucht, diesen Mann zu verschiedenen Sachen zu befragen. Also zum Beispiel Sex vor der

Ehe oder so was. Das ist natürlich ein großes Problem, ist ja klar. Aber das allergrößte

Problem ist die Homosexualität. Also er konnte das Wort Homosexuelle oder Schwul auch gar nicht

über die Lippen bringen. Er hat sich auch, ich darf ihn nicht wörtlich zitieren, aber

er hat sich wirklich drastisch über Homosexuelle geäußert, in drastischen Vergleichen und

Bildern. Und er hat in dem Zusammenhang mit Homosexualität echt mit einem großen Problem

gesprochen. Und es ist vollkommen klar geworden in diesem Gespräch, dass du, wenn du homosexuelle

Neigungen hast, in dieser Gemeinde viel am Platz bist. Also das funktioniert nicht.

Also wenn er es zugegeben hätte, der Herr Lange, dann wäre er rausgeflogen oder gemieden

worden. Das ist auf jeden Fall auch die Vermutung zum Beispiel von dem Peter Schulte, der selber

nicht in der Freiköchlichen Gemeinde ist, aber der das genauso vermutet hat. Und der

hat auch den Günther Lange sogar darauf angesprochen. Und das hat er mir auch erzählt, was der

Günther Lange dann gesagt hat. Es ist ja kein Problem für ich immer nach Köln zu fahren,

in eine Schwulenbad zu gehen und das auszuleben. Aber ich glaube, das hätte er auch nicht gekonnt.

Das hätte er auch mit seinem Glauben wahrscheinlich nicht vereinbaren können. Er ist dafür nicht

fertig geworden im letzten Endes. Er hat es nicht mal aussprechen können. In dem letzten

Gespräch, das ich mit ihm geführt habe, da habe ich ihn ein bisschen darauf angesprochen.

Und ich habe auch verstanden, dass er es mir sozusagen bestätigt hat, aber ohne es aussprechen

zu können. Ja, ich habe ihn quasi gefragt und er hat gesagt, ich habe Angst, meine Familie

zu verlieren. Ich finde aber, dass wir bei dieser Deutung

ein bisschen vorsichtig sein müssen, weil homosexuell hat ja nichts damit zu tun mit

dem, was Lange vorgeworfen wird. Nämlich, dass er sexuell belästigt haben soll und

dass er seine Macht missbraucht haben soll. Also da muss man, glaube ich, aufpassen, dass

man der Deutung nicht auf den Leim geht, dass er halt schwul war und ach, die Gemeinde

hat es verhindert, sondern wenn das stimmt, was Lange vorgeworfen wird, dann hat er ja

ein System des Missbrauchs geschaffen. Und das haben ja auch viele gemacht, die nicht

schwul waren. Aber ein System vor der eigenen Haustür. Also,

der Peter Schulte deutet das ja an. Warum fährt er nicht am Wochenende einfach nach Köln

oder sucht die Anonymität irgendeiner Großstadt, wo er dann fürs Wochenende in die Schwulenszene

abtaucht? Ja, kann ich auch nur spekulieren. Aber ich könnte mir vorstellen, dass es eben

nicht nur darum ging, sondern dass es eben wirklich, wenn es stimmt, eher um Abhängigkeitsstrukturen

ging. Und vielleicht hätte er sich es auch nicht selbst zugeben wollen und köln. Er hatte

ja auch Familie. Genau, er hatte eine Frau, die tief in dieser frei körperlichen Gemeinde

verwurzelt ist, ein Kind. Das ist wieder so ein Fall, in dem jemand vor den Trümmern

des Systems steht, dass er gebaut hat, um sich herum. Und dieses System zieht sich immer

enger um ihn herum zusammen. Ein Leben am Hang war der Text überschrieben, der am 12.

Januar 2023 noch gar nicht so lange her bei uns in der Zeit erschienen ist, den du geschrieben

hast. Der Hang ist ins Rutschen geraten und hat Günther Langer unter sich begraben.

Warst du auch an seinem Grab? Das ist auch so interessant. Du findest alle möglichen

Deutungen. Wenn du durch Siegen fährst und an Haustürmen klingelst mit Menschen, findest

du alles Mögliche. Du findest Leute, die mit dem Finger aufeinander zeigen, alle möglichen

Deutungen, alles Mögliche. Aber was du nicht findest, ist das Grab von Günther Langer,

der wurde nämlich anonym bestattet in einem Friedwald. Also eine Ohrne, die sich dann irgendwann

selbst auflöst, unter die Wurzeln eines Baumes gegraben. Eine sehr traurige Geschichte und

eine bittere Geschichte. Liebe Anne, schön, dass du da warst und uns die erzählt hast.

Herzlichen Dank. Vielen Dank an euch beide.

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Der Stadtrat Günther Langer lebt für andere. Er reibt sich auf für die Schwächsten der Gemeinde: für Flüchtlinge, für Arme, Alte und Benachteiligte. Aber er hat noch eine andere Seite – eine dunkle.

In Folge 134 sprechen Sabine Rückert und Andreas Sentker mit der Kriminalreporterin der ZEIT, Anne Kunze, über einen Mann mit zwei Gesichtern.

Die neue Ausgabe des Kriminalmagazins ZEIT Verbrechen liegt am Kiosk und ist hier online bestellbar. Sie möchten zwei Ausgaben zum Kennenlernpreis testen? Dann klicken Sie hier.

Der Text zur Folge (Anne Kunze: Ein Leben am Hang) ist am 12. Januar 2023 in Entdecken erschienen.