Inside Austria: Der (Alb-)Traum von Hallstatt

DER STANDARD DER STANDARD 8/12/23 - Episode Page - 35m - PDF Transcript

Haben Sie schon mal von dem Ort Hallstadt in Österreich gehört? Falls nicht, ist das

eigentlich nicht so verwunderlich. Hier leben rund 800 Leute in kleinen, bunten Häuschen

mit Holzbalkon. Direkt an einem alten See. Man sollte eigentlich meinen, hier passiert

nicht so viel. Aber vor ein paar Jahren ist dieser Ort viral gegangen. Google, Instagram, YouTube,

das Internet ist voll mit Fotos aus Hallstadt. Immer mehr Touristen aus aller Welt wollen

sich das idyllische Alpendörfchen anschauen. In guten Monaten aus Sommermonaten sind es bis

zu 10.000 Tagesgäste. Aufs Jahr gerechnet werden es wahrscheinlich so eine Million Leute sein,

in China wurde sogar eine Kopie von Hallstadt nachgebaut. Nur die Einheimischen im österreichischen

Originaldorf sind nicht so glücklich über den Hype. Dieses Jahr wurde in Hallstadt eine

Holzwand gegen Selfies aufgestellt. Die Gemeinde überlegt, eine Obergrenze für

Touristen einzuführen. Hallstadt ist kein Museum. Wir leben vor Ort, wir haben lebendiges Vereinsleben.

Und wir fragen uns, was ist da los? Ich bin Lucia Heisterkamp vom Spiegel. In dieser Folge von

Insight Austria reisen wir dem Hallstadt Hype hinterher. Wir wollen wissen, warum es so viele

Touristen ausgerechnet in dieses eine kleine Bergdörfer schlägt. Und wie sich die Einheimischen

jetzt dagegen wehren. Und wir zeigen, warum Hallstadt womöglich ein Vorbot dafür ist,

was immer mehr Urlaubsorten in Deutschland und Österreich droht.

Es ist ein sonniger Morgen Ende Juli. Meine Standardkollegin Antonia Raut und ich tuckern

mit einem Tretboot über ein See. Die Sonne glitzert aufs tiefblaue Wasser. Hinter uns liegen die Alpen.

Und vor uns die Kulisse von Hallstadt. Es ist wirklich, wie man sich so ein Ort am See

in den Alpen vorstellen würde. Es sind alte Holzhäuser. Man sieht mehrere Kirchtöme im Hintergrund.

Es ist ein riesiger Wasserfall. Das einzige, was das Bild vielleicht ein bisschen stört, ist ein

gigantischer Baugran und jedoch ziemlich überdimensionierte Straße, die man so ein bisschen

durch so ein kleines Tal durchblitzen sieht, die schon vermuten lässt, dass hier ein bisschen mehr

passiert als in einfach nur so einem verschlafenen Dörfchen. Ja, aber sonst ist es wirklich sehr,

sehr malerisch. Bundhäuschen und wahnsinnig schöne Natur. Meine Kollegin Antonia Raut,

die Sie hier auch hören, ist leider nach unserer Reise krank geworden. Deshalb erzähle ich diesmal

alleine von unserem Hallstadt-Trip. Ich bin mit dem Bus angekommen oder besser gesagt mit drei

verschiedenen Bussen aus dem naheliegenden Salzburg und stand dann erst mal am Orteingang

im Stau. Autos, Reisebusse, alle wollen irgendwo halten und so viele Parkplätze kann es in

den kleinen Dörfchen ja gar nicht geben. Romantischer ist da die Anreise mit dem Zug. Man landet auf

der gegenüberliegenden Seite des Sees und kommt dann mit einer Fähre im Ortskern von Hallstadt an.

Also ungefähr so wie Antonia und ich auf unserem Drehboot. Auf dem See ist es wahnsinnig ruhig und

friedlich. Aber sobald wir an Land gehen, ändert sich das. Durchs Dorf führt eine einzige Straße.

Rechts und links sind kleine Souvenirstände. Da werden Hallstadt-Schneekugeln verkauft und

Dirndln in allen Größen. Irgendwo findet man sogar abgefüllte Lupp aus Hallstadt in Dosen. Und

überall Menschen. Menschen aus aller Welt. Mit Kopftuch, mit Kippa, mit Cappy. Ein Stimmgewirr

aus unterschiedlichsten Sprachen. Es sind wahrscheinlich so ein paar tausend Touristen

unterwegs. An guten Sommertagen kommen sogar zehntausend Besucher. Manchmal dürfte es also

noch voller sein als heute. Wir drängen uns vorbei ins Ortsinnere mit dem historischen Marktplatz.

Pastellfarbenhäuschen mit kleinen Balkonen aus Holz, nette Cafés, ein Brunnen. Alles sieht

ein bisschen aus wie auf einer Postgarte. Und überall werden Fotos gemacht. Wer pauschal reisen

nach Österreich bucht, der kommt an Hallstadt kaum vorbei. Reisegesellschaften werben damit,

dass man hier ein authentisches österreichisches Bergdorf erleben kann. Pure Alpenromantik. Sehr

schön hier. Ja, doch, tolle Aussicht. Sehr, sehr schön hier. We love this, we love this culture and

Vienna and all of things. Das Flair, die Häuser, die Gassen, das sieht toll aus. It's very beautiful

and it's like, it has been a dream place in my checklist. And yeah, it's kind of a dream come true.

Leute sind sympathische und sie kochen sehr gut. Perfekt.

Ein Bild von Hallstadt habe er zum ersten Mal auf Instagram gesehen, erzählt uns dieser Mann aus

Südkorea. Und er ist nicht der Einzige. Ja, ich habe diesen Instagram gefunden. Und als wir

der Straße durch den Orten noch etwas weiter folgen, immer den Besuchermengen hinterher,

wird uns klar, warum. Ist nicht da vorne? Was da vorne? Da? Wir erreichen den berühmten Selfiespot

von Hallstadt. Man hat von hier aus einen fantastischen Blick auf den See, auf die Berge und im Hintergrund

die Dorfkulisse. Am Zaun posieren ein paar junge Leute und lassen sich vor dem idyllischen Panorama

ablechten. Mit oder ohne Selfie-Stange. Die Fotos landen dann auf Instabilter. Sehr wichtig,

von der Natur und von uns. Genau an dieser Stelle stand vor knapp zwei Monaten eine große Wand aus

Holz. Die Gemeinde hat sie aufstellen lassen, um den Blick auf die traumhafte Kulisse zu versperren,

damit die Touristenmassen vom Aussichtspunkt fernbleiben. Geholfen hat das anscheinend nicht.

Jedenfalls ist die Holzwand jetzt wieder weg. Dafür hängt hier ein Plakat am Zaun mit der

Aufschrift Attention. Also Vorsicht. Bitte genießen Sie den schönen Ausblick in Ruhe ohne lautes

Geschrei oder Musik. Laut ist es hier tatsächlich nicht. Keine grönen Jugendgruppen, höchstens mal

ein bisschen Gekicher hier und da. Aber offenbar haben die Bewohner Angst vor Lärm. Hinter uns

ist auch ein Schild No Drone Zone. Drohnen dürfen in Hallstadt nicht geflogen werden.

Solche Botschaften der Einheimischen hängen hier im ganzen Ort. Bitte nehmen sie Rücksicht auf

die Anreiner. Lautes Sprechen, Singen und Musikieren untersagt. Von den Hallstädterinnen und

Hallstädtern selbst ist kaum jemand auf der Straße zu sehen. Na ja, würde man lieber auch erkennen.

Aber die meisten, die hier rumlaufen, sehen eher aus wie Touristen. Ich finde ja, dass es irgendwie

was nettes hat, dass hier in diesem österreichischen Bergdörfchen die ganze Welt zusammenkommt. Dass

man so viele unterschiedliche Sprachen hört. Aber vielleicht ist das auch meine Berlinromantik. Ich

bin ja wegen voller Straßen und vielen Menschen in die Großstadt gezogen. Und Berlin hat auch ungefähr

3,6 Millionen Einwohner und nicht rund 800. Was macht es also mit dem Alltag der Einwohner von

Hallstadt, dass täglich tausende Besucher durch ihr Dorf ziehen? Und wer hat die Holzwand gegen

Selfies angebracht? Wir klingeln an ein paar Türen. Aber niemand macht auf. Und die wenigen

Hallstädter, denen wir begegnen, die winken ab. Ein paar Männer an einer Tankstelle schütteln nur

den Kopf, als wir sie nach ihrer Sicht auf den Massentourismus im Ort fragen. Eine alte Frau

sitzt in ihrem Vorgarten und beobachtet die vorbeiziehen in Leute. Sie sieht ziemlich genervt aus. Auch

sie möchte nichts ins Mikro sagen. Aber sie erzählt uns, dass sie schon ihr ganzes Leben lang hier in

Hallstadt lebt. In diesem gelben Haus. Und dass sie die Situation mit den Touristen nur noch sehr

schwer ertrage. Ständig lande sie auf irgendwelchen Fotos. Leute kämen zu ihren Garten oder glotzten

durch die Scheibe ins Wohnzimmer. Touristen, die wissen wollen, wie die Einheimischen hier leben.

Die alte Frau sagt, was zu viel ist, ist zu viel.

Ein Anruf bei Sigrid Prada. Auch sie ist eine waschechte Hallstädterin. Wir rufen sie aus unserem

Hotel an. Eigentlich sind wir nur ein paar Minuten von ihrem Haus entfernt. Aber sie möchte uns nicht

treffen. Hat keine Lust mehr auf Termine mit Medien. Und sie erklärt uns auch, warum offenbar

keiner der Einheimischen mit uns sprechen will. Zumindest dürfen wir

ihr unsere Fragen am Telefon stellen. Darüber, wie die vielen Besucher ihren Alltag verändern.

Früher, sagt Prada, habe sie Freundinnen und Bekannte, gerne im Ortskern zum Kaffee getroffen.

Angefangen habe es so vor zehn Jahren, sagt Prada. Vorher seien auch schon Touristen gekommen, aber

eben viel weniger. Über die Jahre wurden es dann konstant mehr Besucher. Vor allem Tagesgäste,

die mit Reisebussen nur für ein paar Stunden kommen, durch den Ort ziehen, Fotos machen und

wieder gehen. Und die teilweise, so Prada, keine Rücksicht auf das Leben der Anwohner nehmen.

Prada sagt, durch solche Erfahrungen hat sich auch ihr Blick auf die Touristen geändert.

Inzwischen engagiert sich Prada politisch gegen den Massentourismus in ihrem Ort. Sie ist Vorsitzende

des Vereins Bürger für Hallstadt, der mit vier Sitzen im Gemeinderat vertreten ist.

Denn klar ist, Hallstadt profitiert ja auch stark vom Tourismus, nämlich finanziell. Dazu kommen

wir noch. Aber Prada sagt, egal wie viele Mehreinnahmen durch die vielen Touristen in den

Ort kommen, die negativen Konsequenzen überwiegen. Sie und ihre Mitstreiter fordern zum Beispiel,

dass nur noch eine begrenzte Zahl an Autos pro Tag in den Ort fahren darf. Sie wollen,

dass Drohnenflüge wirklich verboten werden, sind dagegen, dass in Hallstadt noch mehr Hotels

gebaut werden. Und sie sind dabei weitere Konzepte zu erarbeiten, damit die Massen aus dem Ort wieder

verschwinden. Wir haben nur eine Straße durch den Ort und haben eben eine begrenzte Fläche zum

Leben und zum Gehen und zum Fahren. Und das muss man halt trotzdem erwägen, dass man da gewisse Schritte

besitzt, die wo es wieder Lebensqualität in den Ort bringen, für uns Hallstadt. Die Idee,

eine Selfie Wand aufzubauen, kam übrigens nicht von ihr. Die Wand habe ja auch den Anwohnern die

Aussicht versperrt und sie sei ohnehin nutzlos gewesen. Prada sagt, sie sei für konstruktive

Lösungen und dass auch die Besucher davon profitieren würden, wenn insgesamt weniger Gäste

kämen. Also ich glaube, dass einfach mit weniger Touristen, weniger Tagestouristen wieder mehr

Qualität auch in die Wirtschaft, in die Restaurants und in die Gasthäuser kommen würde.

Die negativen Folgen des Massentourismus, also vollgestopfte Straßen, Verkehrschaos,

die gehen auch an den Touristen nicht spurlos vorbei.

Ja, also wir sind auch im Autohöhen, wir parken oft bei dem anderen Ort da drüben und mussten dann

hier hinfahren, weil Parkplätze alle voll waren. Yeah, because when we first came in, we were surprised,

like the number of cars, the number of people here. In der Parkplatzsituation erkennt man schon,

dass es recht voll ist und ich finde auch, dass es sehr viel los ist. All in all.

Aber während wir wieder die überfüllte Straße am See entlang schlendern, fragen wir uns schon,

wieso zieht dieses winzige Bergdörfchen so viele Menschen aus aller Welt an? Klar,

der Ort ist wirklich malarisch, aber schöne Flecken hat Österreicher viele.

Da gibt es ganz unterschiedliche. Auf der einen Seite ist es natürlich die Nähe zu Salzburg.

Das ist unser Kollege Markus Rohrhofer vom Standard. Er ist Korrespondent für Oberösterreich.

Und auch er bekommt ziemlich oft die Frage gestellt, was es mit dem Heilstadt-Hype auf sich hat.

Das ist so diese klassische Urlaubs-Tour, der Asiat nimmt durch Europa, wo sie in der anderen

Stadt meistens zwei Stunden verweilen und da ist es meistens der Klassik auf dieser Route,

wo man zuerst auf Salzburg fährt, dann mit dem Zug zurück, mit dem Schiff über den Heilstädter See

und dann im Heilstadt besucht. Das ist eine so eine Theorie. Eine andere Theorie hat etwas mit

einer südkoreanischen Soap-Operat zu tun. Sie hören hier den Soundtrack der Dramaserie Springwalls,

eine herzzerreißende koreanische Liebesgeschichte, in der sich ein Pärchen aus Jugendzeiten nach 15

Jahren wieder trifft. Die Serie wurde unter anderem in Heilstadt gedreht. Und jetzt wollen natürlich

viele Fans die Original-Schauplätze sehen. Was den Hype womöglich noch mehr befeuert hat,

Heilstadt soll auch Vorbild für Elsas Königreich in Frozen 2 gewesen sein, falls sie den Disney-Film

gesehen haben. In China ist die Begeisterung für Heilstadt offenbar so groß, dass das

Albendorf dort einfach mal identisch nachgebaut wurde. Ernsthaft. In der chinesischen Provinz Guangdong

steht jetzt eine Siedlung namens Heilstadt, die genauso aussieht wie das österreichische Original.

Samt Marktplatz, Spitzenkirchtum und den wunden Häuschen.

Hier besucht der YouTuber Matthew Tai das chinesische Heilstadt und kann gar nicht

fassen, was er da sieht. 2012 wurde der nachgebaute Ort eröffnet. Seitdem wollen aber noch mehr

Besucher das echte Albendorf in Österreich sehen. Immerhin, wenn wir die Heilstädter hier auf die

chinesische Kopie ihrer Heimat ansprechen, dann müssen manche doch ein bisschen schmunzeln.

Aber zurück zum Original. Das ist laut unseren Kollegen auch kulturhistorisch ziemlich interessant.

Es ist ein Ort, der eine ganze geschiedliche Epoche mit der Heilstadtzeit den Namen gegeben hat.

Und dann gibt es noch etwas, das Heilstadt bekannt macht. Am Nachmittag erklimmen Antonia und ich

einen Alpenwanderweg. Es gibt auch einen Lift, der nach oben führt, aber wir sind sportlich.

Kein leichter Aufstieg für eine Großstädterin aus dem Flachland, aber wir werden belohnt.

Mega schön. Es ist echt cool. Also dafür lohnt sich auf jeden Fall das Hochgestraxel.

Oben auf der Panorama-Plattform haben wir einen spektakulären Ausblick auf den See und die Berge.

Und hier befindet sich das älteste Salzbergwerk der Welt. Auch dafür ist Heilstadt nämlich berühmt.

Hier haben Menschen schon vor 7000 Jahren Salz abgebaut. Wegen all dem, der Kultur, der Geschichte,

der spektakulären Natur, ist Heilstadt sogar UNESCO-Weltkulturerbe. Klar, dass auch das

Touristen anzieht. Und natürlich ist dieser Social Media Bereich ein ganz entscheidender

geworden. Man präsentiert, dass weltweit so den Heimfleck der Erde, dass dort alles gut oder

alles schön und so wird das auch über Social Media verkauft. Und das ist sicher auch der Grund,

warum da den Massen dorthin sträumen. Für die Einwohner ist die Schönheit ihres Ortes gewissermaßen

Fluch und Segen zugleich. Einerseits leben sie an einem der hübschesten Fleckchen der Erde. Aber

so richtig glücklich wirken die meisten darüber nicht. Weil eben alle den schönsten Ort der Welt

sehen wollen. Und das macht ihnen aus Sicht der Einheimischen kaputt.

Was unternimmt Österreich eigentlich gegen den Klimawandel? Wie viel Betrogen und Bestochen

wird im Profisport? Und wie sofort ihnen Frauen immer noch weniger Geld als Männer? Ich bin

Margit Ehrenhöfer. Ich bin Tobias Holub. Wir stellen die brennenden Fragen unserer Zeit. Und die

Standardredaktion liefert Antworten. In Thema des Tages von Montag bis Freitag um 17 Uhr überall,

wo es Podcasts gibt.

Ein Besuch im Gemeindeamt von Haltstadt, gleich um die Ecke vom Marktplatz. Der Bürgermeister ist

krank, aber sein Stellvertreter springt ein. Alfred Gammzjäger, SPÖ. Das Problem Massen-Tourismus

liegt bei ihm seit Jahren auf dem Tisch. Ich glaube schon, dass die Mehrheit der Einwohner dafür ist,

dass man dies reduziert. Aber es kommt total immer wieder darauf an, welche Zahl. Aber wenn man

sagt, wir machen den Schritt auf 2000, dann werden natürlich die Gewerbetreibenden schein.

2000 Gäste pro Tag wären zu wenig für Gastwerte und Hoteliers, die am Tourismus sehr viel verdienen.

Klar. Aber wie viele Menschen verträgt der Ort? Als Vizepürgermeister steht Gammzjäger zwischen

den Stühlen. Denn Haltstadt lebt vom Tourismus. Manche Menschen hier sind dadurch reich geworden.

Und eine Million Besucher im Jahr bringen auch der Gemeinde ziemlich viel Geld. Klar, die meisten

Besucher sind Tagestouristen. Sie ziehen ein paar Stunden durch den Ort und gehen dann wieder. Aber

auch die kaufen Souvenirs oder trinken zwischendurch mal ein Kaffee für 4 Euro. Sie nutzen die

öffentlichen Toiletten für 1 Euro. Oder die kostenpflichtigen Parkplätze. Im Jahr 2019 hat die

kleine Gemeinde immerhin über 3,7 Millionen Euro eingenommen. Geld, dass dann den Einwohnern

zugutekommt. Wir haben einen neunwöchlichen Kindergarten, Sommerkindergarten, jetzt was

gemeint. Es geht ab September der Hurt ganz Tag, es hat den Betrieb für die Dinge. Das gibt man nicht.

Da haben wir nicht die Einnahmen aus der Parkplatzbewirtschaftung. Ohne die Parkplatzbewirtschaftung

kein Geld für öffentliche Kinderbetreuung oder Sozialwohnungen, in denen einige Haltstädter

günstig wohnen können. Außerdem hat der Ort das Problem, dass immer mehr Leute wegziehen. Vor allem

junge Menschen. Die Bevölkerung ist in den vergangenen 20 Jahren von über 1.000 auf rund 800

geschrumpft. Wenn es den Tourismus nicht gäbe, dann würden wahrscheinlich noch mehr Menschen das

Dorf verlassen. Gleichzeitig wächst in der Bevölkerung die Unzufriedenheit. Und Gamsjäger

kann den Ärger verstehen. Seit Jahren sind die Besucherzahlen konstant gestiegen. In der Corona

Pandemie war kurz Ruhe, danach kamen dann noch mehr Touristen. Und erst seit dieser Woche erlaubt

China wieder Gruppenreisen nach Österreich. Die große Sorge ist jetzt, dass bald noch mehr Menschen

kommen. Dabei sagt auch der Bürgermeister, die Gemeinde ist jetzt schon völlig überlastet. Es

müssen dringend weniger Leute kommen, zumindest in der Hochsaison. Die Frage ist, wie lassen sich

die Zahlen reduzieren? Versucht hat Gamsjäger schon einiges. Er hat mit Reiseanbietern gesprochen.

Vielleicht können sie es ein bisschen steuern, nicht? Dass nicht all von Mai bis September

kommen. Man könnte ja sagen, dass von Oktober bis in April, das ist ein bisschen günstiger,

nicht? Dass man das an meinen Klenken kann. Aber das hat sie bis jetzt eigentlich nicht durchgesetzt.

Mehr Angebote für Touristen, die außerhalb der Hochsaison kommen. Das würde den Ort in den

Sommermonaten entlasten. Aber welches Interesse haben die Reiseanbieter, die Massen zu steuern?

Haltstadt ist ja auch ein Zugpferd für den Tourismus im ganzen Land. Auch der Tourismusverband

in Österreich will für Haltstadt werben. Egal zu welcher Jahreszeit. Ein anderer

Vorstoß, der vom Bürgermeister kam, die Selfiewand. Die hat nämlich der Bürgermeister angebracht.

Als Versuch, ob sich damit die Touristenmassen an dem Spot weniger drängen. Gebracht hat es

aber wenig und nur die Anwohner verärgert. Deshalb wurde die Holzwand dann schnell

wieder abmontiert. Eine Maßnahme, die auch ermäßig erfolgreich war, ein Slot-System für Busse.

Maximal 54 am Tag dürfen jetzt im Ort halten und müssen sich vorher ein Zeitfenster dafür buchen.

Nur kommen jetzt dafür leider mehr Touristen mit dem Auto an. Die Folge des Verkehrskaus

am Ortseingang bleibt dasselbe, die Menschenmassen auch. Das Slot-System auf PKWs auszuweiten,

so wie es Sigrid Prader von den Bürgern für Haltstadt fordert, findet der Wize-Bürgermeister

im Grunde richtig. Wie man das in der Praxis genau machen soll, das ist das Problem.

Denn wer soll all die Autos kontrollieren und was wenn zum Beispiel Freunde von Einheimischen

vorbeikommen wollen? Also das kommt mir, meine Tochter ist auswärts so, von vielen nicht. Die

könnte auch nicht einmal auf Besuch herkommen. Spontaner Besuch von Angehörigen ist dann nicht

mehr. Ein anderer Vorschlag, der in der Gemeinde diskutiert wird, eine Obergrenze für Touristen.

Maximal 5.000 Leute pro Tag zum Beispiel. Aber auch da fragt sich Gamsjäger, wie das in der Praxis

funktionieren soll. Gibt es dann Tickets für den Haltstadtbesuch, so wie zu einem Festival?

Und was wenn die Touristen trotzdem kommen? Es gibt sehr viele Vorschläge, die was in der

TUW relativ gut ansagen, aber in der Praxis sehr schwer umzusetzen. Immerhin ab September

soll ein Manager der UNESCO ein Büro in Haltstadt eröffnen und Lösungen für die überforderte

Gemeinde ausarbeiten. Gamsjäger lächelt ein bisschen hoffnungsvoll, aber so richtig überzeugt

sieht er nicht aus. In der Tourismusforschung gibt es ein Wort für das.

Was in Haltstadt passiert? Over Tourism. Viele schöne Orte auf der Welt werden mittlerweile von

Touristen nur so überrannt. Amsterdam, Venedig, Barcelona. Wie kriegen andere Gemeinden das

Problem in den Griff? Mein Name ist Markus Pilmeier. Ich bin Professor an der Hochschule München,

dort an der Fakultät für Tourismus. Markus Pilmeier forscht zu Tourismusmanagement. Er beschäftigt

sich auch mit der Frage, was es mit Orten macht, wenn sie zu Hotspots werden. Massentourismus ist

natürlich kein neues Phänomen. Aber in den letzten Jahren sind die Zahlen nochmal stark nach oben gegangen.

Ja, also Ankunfts- und Nachtungszahlen sind zwei der wichtigsten Größen, die wir eben kennen im

internationalen Tourismus. Haben sich auf den ersten Blick erfreulicherweise nach oben entwickelt.

Also Tourismus ist gewachsen und natürlich auch die Reisefreudigkeit der Menschen international.

Und natürlich ist so ein Phänomen, wie Social Media oder Instagram-Touristen. Der ganze Hype

und Selfies oder Fotosports und Ähnliches hat da schon auch seinen gewissen Anteil dran und hat

das Ganze noch mit verstärkt. Diese Entwicklung, sagt Pilmeier, wurde lange Zeit nur positiv gesehen,

weil der Tourismus ja wirtschaftlichen Aufschwung bringt.

Aber oftmals war es eher so, dass die Einheimischen so gut wie keine Rolle gespielt haben. Natürlich

auch von dem Hintergrund, dass oftmals auch gesagt wurde, naja, jetzt regt euch mal nicht auf,

jetzt haltet mal die Füße still, weil ihr profitiert ja auch davon, was ja auch stimmt. Natürlich

die Einheimischen, die im Tourismus in irgendeiner Art und Weise ihren Arbeitsplatz haben oder mit

dem Berührung kommen und auch Nutzenieser der touristischen Infrastruktur sind, profitieren

natürlich davon. Andererseits sind da eben die negativen Folgen, über die ja auch die Einwohner

in Hallstadt klagen. Lärm, Menschenmassen. Was schlussendlich da noch darin, die Gipfel hat

das Menschen auf die Straße gehen. Sie kennen vielleicht auch die plakativen Posts, Tourists

Fuck Off oder Tourists Go Home. Mittlerweile entsteht langsam ein Bewusstsein für Overtourism. Und

einige Städte setzen schon Maßnahmen um, damit wieder weniger Besucher kommen. In der kroatischen

Urlaubstadt Dubrovnik gibt es zum Beispiel eine Obergrenze für Kreuzfahrtschiffe. Da müssen

natürlich alle mitspielen. Natürlich die Kreuzfahrtschiffe bzw. der zuständige Verband,

die Hotels, die Restaurants, die Souvenirverkäufer, die Tourguides. Eine Maßnahme ist auch,

die Preise so stark zu erhöhen, dass sich ein bestimmtes Klientel den Urlaub an einem

Ort gar nicht mehr leisten kann. Nur wenn Restaurants oder Supermärkte teuer sind,

dann bekommen das natürlich auch die Einheimischen zu spüren. Oder ein Thema, das bei uns eben sehr,

sehr stark ist. Der ganze Bereich um Besucherlenkung, Besuchermenagement, dass man versucht,

erst diese Hotspots gar nicht zustande kommen zu lassen und den Gästen eine Alternative

anbietet, eben über Apps oder die diverse Ausflugsticker, wie es auch heißt. Statt Hallstadt

könnte Touristen dann eben ein anderes nettes Bergdorf angeboten werden. Die Frage ist allerdings,

ob sie sich dann darauf einlassen, wenn ein Ort erst mal so gehypt ist wie Hallstadt. Es gibt

auch die Möglichkeit des Deemarketings. Also das heißt, kein Auslandsmarketing mehr zu betreiben.

Da gab es vor einiger Zeit eine sehr, sehr scharfe Diskussion in Bern, dass Bern beispielsweise

bestimmte Märkte nicht mehr adressiert hat. Es gibt auch das Beispiel von Amsterdam-Tourismus,

die ihr Auslandsmarketing komplett eingestellt haben. Dass eine Patentrezept gegen Overtourism,

das gibt es aber nicht. Und die große Frage, ist laut Pilmeier sowieso, sind diese Lösungen wirklich

langfristig. Und müssen wir vielleicht nicht insgesamt gerade im Tourismus ein bisschen mehr

umdenken hin zu einem nachhaltigeren Tourismus, zu einem Tourismus, der vielleicht von einem

Postwachstumsansatz geprägt ist oder auch einem Tourismus, der von vornherein klare Grenzen formuliert.

Grenzen. Also vielleicht insgesamt weniger Reisen. Weniger Zieleabklappern dafür länger

an einem Ort verweilen. Mehr auf einheimische und die Natur achten. Nicht nur dahin fahren,

wo sowieso schon die Massen sind. Pilmeier sieht ja alle in der Pflicht. Die, die vom Tourismus

leben und Reisen anbieten. Die Politik, die dafür die Rahmenbedingungen schafft. Aber natürlich

auch die Reisenden, die erkennen müssen, es ist nicht alles selbstverständlich. Nur weil man sich

gerade, wenn man mit dem Smartphone agiert, spontan zu irgendetwas entscheidet. Diese Fragen

sind laut Pilmeier alles andere als trivial. Wenn wir uns darüber im Klaren sind, dass die Reiseströme

weiter wachsen werden aufgrund des globalen Wohlstandes, dass wir einen Klimawandel haben,

der bestimmte Reisegebiete beispielsweise im Mittelmeerraum unattraktiver werden lässt. Zum

mindestens für bestimmte Zielgruppen, die sich dann Alternativen suchen. Zum Beispiel in Nord- oder

auch Mitteleuropa. Das heißt, Urlaubsorten, Österreich oder auch Deutschland dürften in

Zukunft immer attraktiver werden. Was für uns auf den ersten Blick sehr komfortabel ist,

weil wir natürlich in gemäßigten Breiten liegen. Aber wenn wir nicht jetzt Maßnahmen ergreifen,

wo einzelne Destinationen schon dran sind, dass wir dann erst wirklich über Overtourism sprechen

werden und ob das, was wir jetzt vielleicht die letzten Jahre erlebt haben, nur so vorboten waren,

für das, was unter Umständen wirklich kommen wird.

Zurück nach Heilstadt, wo das Problem Overtourism schon längst angekommen ist. Wir sitzen auf einer

Terrasse im Seewirt, ein Hotel mit Restaurant mitten im Zentrum, dunkle Holztische, an der Wand

hängen historische Bilder aus dem Ort. Auf der Außenterrasse blickt man auf eine enge Gasse und

die netten bunten Häuschen. Das ist Josef Peter Zaurner, der Besitzer. Er hat den

Seewirt vor rund 20 Jahren von seinem Vater übernommen. Selbst er befürwortet Maßnahmen,

um die Besucherzahlen zu reduzieren. Obwohl er, wie so viele hier, sehr gut am Tourismus verdient.

War da nicht wild, dass seine Heimat eine Art Freiluftmuseum wird? Wir leben vor Ort,

wir haben lebendiges Vereinsleben, wir haben auch im Gegensatz zu anderen Medien,

die es immer kolportieren, wirklich auch Stammtische, gerade bei uns im Haus.

Gäste, die im Seewirt übernachten wollen, müssen mindestens zwei Nächte bleiben. Trotzdem ist

das Hotel fast immer ausgebucht. Deshalb wäre es für Zaurner auch gar nicht schlimm, wenn weniger

Touristen kämen. Wir sind in der glücklichen Lage, dass man sagt,

jetzt rede ich aus Wirt, dass ich so gucke, bis jetzt 5.000 oder 4.000 oder 3.000 sind. Ja,

ich misse einen Frühjahr. Die Lebensqualität in Hallstadt leide unter den Besuchermassen,

findet Zaurner. Aber es freut ihn irgendwie auch, dass so viele Menschen seine Heimat sehen wollen.

Und dass Hallstadt auf der ganzen Welt bekannt ist, dass er, wenn er selbst mal ins Ausland reist,

plötzlich Souvenirs aus seinem Dorf entdeckt. Jetzt fliegen wir irgendwo hin nach Shanghai oder

irgendwo in fern Ost, dann kommen wir am Flughafen an, dann sehr geheuchten Bütteln. Da sind es

wieder stolz, das haben wir wieder stolz drauf. Ein bisschen stolz ist da wohl bei allen Hallstättern.

Trotzdem ist man sich im Ort einig, mit dem Massentourismus kann es so nicht weitergehen.

Ob in den nächsten Jahren eine Lösung gefunden wird oder ob einfach immer mehr Besucher kommen,

das ist völlig offen. Es lohnt sich aber zu verfolgen, wie es in Hallstadt weiter geht. Selbst

wenn man nicht dort lebt. Vielleicht können wir etwas von dem Alpendörfchen lernen, wenn in

Zukunft noch viel mehr Orte Overtourism zu spüren bekommen. Und falls Antonia und ich noch mal

nach Hallstadt fahren, kommen wir beim nächsten Mal auf jeden Fall außerhalb der Saison und bleiben

mindestens eine Woche. Insider Ostia hören sie auf allen gängigen Podcast-Plattformen auf

desstandard.at und auf spiegel.de. Wenn ihnen unser Podcast gefällt, folgen sie uns doch und

lassen sie uns ein paar Sterne da. Kritik, Feedback oder Vorschläge zum Podcast, wie immer gern

an insideostia.spiegel.de oder an podcast.desstandard.at. Unsere journalistische Arbeit können

sie am besten mit einem Abonnement unterstützen. Alle Infos zu einem Standard-Abo finden sie

auf abo.desstandard.at. Und unsere Hörerinnen und Hörer können mit dem Rabat-Kurz Standard 12

Wochen das Angebot von Spiegel Plus für nur 2,49 Euro pro Woche testen. Alle Infos dazu finden

sie auf spiegel.de.desstandard. Alle Links und Infos stehen wie immer auch in den Show Notes

unserer Folge. Danke fürs Zuhören und allen die auch hinter den Kulissen an diesen Podcast

mitwirken. Das waren diesmal vor allem Antonia Raut, Ole Reismann, Schold Wilhelm und Christoph

Ich bin Lucia Heisterkamp und sage diesmal Tschüss und Baba.

Wie können wir die Erderhitzung stoppen? Wie verändert künstliche Intelligenz unser Leben?

Und wann wird nachhaltiges Reisen endlich einfacher? Um diese und viele weitere Themen geht es

im Podcast Edition Zukunft und Edition Zukunft Klimafragen.

Ich bin Alicia Prager und ich bin Jula Bayra. Wir sprechen über Lösungen für das Leben und die Welt von morgen.

Jeden Freitag gibt es eine neue Folge Überall wo es Podcasts gibt.

Machine-generated transcript that may contain inaccuracies.

Das kleine Alpendorf ist zum Sinnbild für Overtourism geworden. Wieso dieser Ort viral gegangen ist und wie sich die Einheimischen dagegen wehren

Hallstatt in Oberösterreich. Knapp 800 Leute leben hier in kleinen, bunten Häusern mit Holzbalkonen. Direkt an einem Alpensee. Man sollte meinen, hier passiert nicht viel. Aber vor ein paar Jahren ist dieser Ort viral gegangen. Google, Instagram, Youtube – das Internet ist voll mit Fotos aus Hallstatt. Mittlerweile pilgern jedes Jahr fast eine Million Touristen aus aller Welt in das idyllische Alpendörfchen. Alle wollen Selfies vor der Traumkulisse machen. Ein Segen für den Tourismus, könnte man meinen. Doch die Einwohner haben die Schnauze voll. Wie kann das sein?
In dieser Folge von "Inside Austria" reisen wir dem Hallstatt-Hype hinterher. Wir wollen wissen, warum es so viele Touristen ausgerechnet in dieses eine kleine Bergdorf zieht – und wie sich die Einheimischen jetzt dagegen wehren. Und wir zeigen, warum Hallstatt womöglich ein Vorbote dafür ist, was immer mehr Urlaubsorten in Deutschland und Österreich droht.

Unsere Hörerinnen und Hörer können mit dem Rabattcode "Standard" 12Wochen das Angebot von SPIEGEL+ für nur 2,49 € pro Woche testen. Alle Infos dazu finden Sie auf spiegel.de/derstandard.