Verbrechen: Das Kartenhaus der Richterin

ZEIT ONLINE ZEIT ONLINE 5/30/23 - Episode Page - 54m - PDF Transcript

Liebe Zuhörerinnen, liebe Zuhörer, ganz herzlich willkommen zu einer, wie ich finde, ganz besonderen Folge unseres Podcasts Zeit verbrechen.

Denn in diesem Fall Sabine wird eine Richterin vor Gericht landen.

Ja, das haben wir schon mal gehabt. Wir hatten schon mal einen Juristen vor Gericht, der war auch Richter, der hat doch als Prüfer gearbeitet, hat die Juraprüfungen abgenommen und hat den Prüflingen vorab gegen Geld und Sex schon mal die Ergebnisse verraten.

Der war hier auch schon Gegenstand der Berichterstattung. Heute haben wir wieder eine Richterin als Angeklagte und wir haben ein Gast, der noch überhaupt nicht da war, das nämlich Leonie Daumer.

Leonie Daumer war für unsere Seite Verbrechen in der Zeit in diesem Prozess gegen eine Richterin. Hallo Leonie.

Hallo, es freut mich sehr, dass ich da sein kann.

Wie seid ihr auf diesen Fall gestoßen? Man kann schon sagen, der wird spielen in Sitzungssaal 247 des Landgerichts Hagen. Woher kam dahin was?

Also das ist eine ganz lustige Geschichte, zumindest für mich, wie es zu diesem Fall gekommen ist. Und zwar war es mein allererster Tag von meiner Hospitanz bei Zeit Verbrechen und ich bin im Aufzug hoch ins Büro dem Herrn Lebert begegnet.

Herr Lebert ist mit Herausgeber des Kriminalmagazins. Wir haben es damals vor fünf Jahren gegründet. Stefan Lebert.

Diesen Stefan Lebert bin ich begegnet im Aufzug und er meinte, ach, Sie müssen in denselben Stock wie ich. Wie kommt's denn?

Da meinte ich, ich bin die neue Hospitante und ich fange heute an. Und er meinte, kommen Sie gleich mit zu mir ins Büro, ich hab da was.

Und dann bin ich Sie mit uns Büro gegangen und dann zeigte er mir eben eine Mail von einer Anwälte in einem ganz kleinen Ort im Sauerland, in NRW.

Die geschrieben hatte, es gibt da einen Prozess gegen eine Richterin und das ist echt eine große Sache. Schaut euch das doch mal an.

Und dann habe ich quasi direkt am ersten Tag diesen Fall in die Hand bekommen und dann, ich glaube, vier, fünf Tage später ging dann auch schon der Prozess los.

Ja, hast du super gemacht. Also das ist gar nicht einfach dieser Fall, den zu Papier zu bringen, denn es ist voller juristischer Kniffe und Besonderheiten.

Rechtsbeugung ist ein Vorwurf, der sehr, sehr schwer zu beweisen ist und der in der Regel dann nicht zur Verurteilung, ja ganz in der Regel nicht mal zur Anklage kommt.

Genau, also ich würde den Fall gerne beginnen, so wie ich auch meine Geschichte begonnen habe. Und zwar mit dieser Situation, die sich mir über diese sechs Verhandlungstage plus Urteil mir jeweils immer gezeigt hat.

Und zwar diese zwei Richter, die sich im Sitzungssaal gegenüber sitzen. Es gab natürlich noch mehr Richter, wir hatten den Vorsitzenden, wir hatten zwei Beisitzer und zwei Chefen.

Also die sind wirklich mit voller Montur da aufgefahren im Landgericht Hagen.

Und ich fande einfach von Anfang an immer diese Gegenüberstellung total seltsam und irgendwie kurios, dass sich da diese zwei Richter gegenüber sitzen, dass ein Richter, eine Richterin belehrt über ihr Recht auszusagen.

Dann als die Personalien aufgenommen wurden, die Frage, sie sind vom Beruf ein Richterin, sie nickt. Und das hat sich so durch dieses ganze Verfahren gezogen, weil natürlich auch fast ausschließlich Personen aus dem juristischen Umfeld befragt wurden als Zeugen.

Also Richter und Richterinnen, Geschäftsstellen, Mitarbeiterinnen, Mitarbeiter. Und das war dann irgendwie immer dasselbe, dass der Richter so meinte, ja ich weiß schon, dass ihr wisst, was ich jetzt sage.

Ihr habt das selber schon sehr oft gesagt, aber der vorm halber muss ich es eben trotzdem nochmal sagen und dann ging es eben um diese Belehrung.

War denn Publikum da?

Es war Publikum da. Die Leute waren meistens sehr überrascht, dass jemand von so einem überregionalen Medium wieder Zeit da ist.

Also es waren meistens so zwei, drei Lokaljournalisten noch da, hin und wieder noch andere Leute, die sich das angeschaut haben.

Aber prinzipiell war jetzt nicht so der riesen Medienrummel. An ein paar wichtigen Tagen war auch das Fernsehen da, aber ganz generell war es nie schwierig, einen Platz zu kriegen in diesem Gerichtssaal.

Wir sind auch noch, das beweist ein Foto, das vor mir liegt, quasi mitten in der Pandemie, denn wir sehen so einen ziemlich nüchternen Sitzungssaal, sehr nüchtern eingerichtet, sehr funktionell.

Und die Richterbank, an der fünf Menschen sitzen, ist immer unterbrochen durch so Plexiglass-Scheiben, die zwischen die Richter gestellt sind.

Manche haben auch die Maske auf, ne?

Genau. Und zwischen, ich nehme an, dem Verteidiger und der Angeklagten Richterin steht auch so eine Scheibe, durch die man sich dann verständigen muss.

Also wir sind so richtig mittendrin.

Richtig. Wir sind im Oktober 2021.

Im März 2022 ist es erschienen, ne?

Genau. Oktober 2021 befinden wir uns also nicht mehr die Hardcore-Corona-Zeit, aber genau, Maske, Plexiglass-Scheibe, das war alles noch angesagt zu dieser Zeit.

Und der Corona-Lockdown wird auch noch eine Rolle, eine kleine Rolle spielen in dieser Geschichte, da kommen Werber später noch dazu.

Zuerst will ich natürlich erstmal darüber reden, was überhaupt passiert ist, dass eine Richterin vor Gericht sitzt.

Das ist ja durchaus ungewöhnlich. Generell, dass eine Richterin vor Gericht sitzt.

Und dann ist es natürlich noch viel ungewöhnlicher, dass eine Richterin als Richterin und nicht als Privatperson vor Gericht sitzt.

Und wie du schon gesagt hast, Sabine, sie sitzt dort, weil sie der Rechtsbeugung angeklagt ist, in 14 Fällen.

Davon 9 Fälle zugleich ein Verwahrungsbruch soll begangen worden sein und in einem Fall gleichzeitig eine Urkundenfeldschung.

Also, liebe Zuhörerinnen, liebe Zuhörer, ich weiß nicht, ob es Ihnen so geht wie mir.

Unter Urkundenfeldschung kann ich mir was vorstellen, wenn meine Tochter ihr Zeugnis selbst unterschreiben würde, wäre das, glaube ich, schon eine.

Und jetzt müssen wir noch den Begriff der Rechtsbeugung klären.

Wir behaupten ja, durchaus auch selbst immer wieder hier würde in bestimmten Fällen das Recht gebeugt, aber was sagt denn der Paragraf genau?

Also, für eine Rechtsbeugung, das ist schon mal das Besondere, ich zum Beispiel kann gar keine Rechtsbeugung begehen.

Ich bin nämlich weder Richterin, noch Schiedsrichterin, noch irgendeiner andere Amtsträgerin, die befugt wäre, überhaupt das Recht zu beugen.

Sie ist aber befugt, weil ich würde jetzt einfach kurz den Paragrafen euch mal vorlesen, 339 StGB.

Ein Richter, ein anderer Amtsträger oder ein Schiedsrichter, welcher sich bei der Leitung oder Entscheidung einer Rechtssache zugunsten oder zum Nachteil einer Partei,

einer Beugung des Rechts schuldig macht, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu fünf Jahren bestraft.

Also, ich weiß nicht, wie es euch geht, aber ich finde das erstmal wahnsinnig schwammig.

Ich saß damals vor diesem Paragrafen und habe mir gedacht, ja.

Rechtsbeugung ist, wenn jemand das Recht beugt.

Ja, habe ich mir irgendwie so ein, weiß ich nicht, so ein heiß gewordenes Stück Stahl vorgestellt, was man irgendwie dann durchbiegen kann.

Aber was das mit dem Recht zu tun hat, das habe ich dann erst im Prozess rausgefunden.

Und zwar hat unsere Richterin, die Katharina S. kurz gesagt eine Spur der Verwüstung in ihrem kleinen Amtsgericht im Sauerland angerichtet,

weil sie zahlreiche Urteile nicht mehr richtig bearbeitet hat.

Sie hat Fristen versäumt, sie hat, um diese versäumten Fristen zu vertuschen, Datenfristen zurückdatiert und sie hat,

das ist jetzt, kommen wir zum Thema Verwahrungsbruch.

Das ist die Urkundenfälschung.

Genau, die Urkundenfälschung ist tatsächlich noch etwas Extremeres.

Sie soll ein Hauptverhandlungsprotokoll gefälscht haben, also eine sehr große Sache.

Und Thema Verwahrungsbruch, wo wir ja auch noch waren, da dreht es sich darum, dass bei der guten Frau Katharina S.

in ihrem Keller ein Karton gefunden wurde.

Und dieser Karton war randvoll mit Akten.

Wie es so weit kommt, dazu kommen wir ja dann gleich, aber ich wollte noch sagen die Rechtsbeugung.

Wir hatten doch den Fall Amelie, der sich hier über vier Teile erstreckt.

Das ist der Fall 20, 21, 22 und 23.

Eine große Recherche.

Genau, die große Recherche.

Und da gab es einen Richter, einen vorsitzenden Richter, der hat innerhalb eines Verfahrens Zeugen weggelassen,

die zugunsten des Angeklagten ausgesagt haben.

Das darf er nicht, er kann nicht einfach Zeugen hören und dann die Zeugen unter den Tisch kehren,

nur weil die etwas sagen, was ihm nicht in seinem Weltbild passt.

Und so war das aber hier.

Es waren Zeugen da, sogar zwei, die haben ausgesagt, zugunsten des Angeklagten haben der Nebenklägerin das Alibi weggehauen.

Und das hat der Richter einfach weggelassen.

Also das Gericht hat sich selbst eingeladen.

Es waren keine von der Verteidigung aufgerufene Zeugen, sondern vom Gericht geladene Zeugen,

deren Aussage den Gericht nicht gepasst hat, also hat man sie weggelassen.

Und das ist zum Beispiel...

Die tauchen nicht im Protokoll auf.

Die tauchen nicht im Urteil auf.

Nicht im Protokoll gibt es in der Hauptverhandlung.

Spannend finde ich hier, und das zeigt eigentlich die ganze Dramatik dieses Falles,

geht es erstmal um scheinbar lässliche Versäumnisse.

Also was ich gelernt habe aus deinem Text ist, es gibt einen Prozess, dann wird ein Urteil gesprochen.

Und spätestens fünf Wochen später muss dieses Urteil schriftlich vorliegen.

Ist das richtig?

Das ist ganz richtig.

Es hat vor allem den Zweck, dass nach so einem Urteil natürlich in vielen Fällen Rechtsmittel eingelegt werden können.

Und für die Rechtsmittel braucht man natürlich ein niedergeschriebenes Urteil.

Und dann gibt es zwei Möglichkeiten, dass entweder nach so einem Prozess, nach der Verhandlung,

nach der Urteilsverkündung, das Urteil direkt mit dem Protokollführer oder der Protokollführerin gegeben wird.

Oder, und so hat es eben die Katharina S. auch in vielen Fällen gemacht,

oder das machen viele Richterinnen und Richter in den Fällen,

dass die sich nochmal hinsetzen, nochmal alles durchgehen und dann das Urteil nochmal runterschreiben zur Akte geben.

Und dann können das die Anwälte dann anfordern.

Die Fristen, die das Gericht hat, um das Urteil anzufertigen, richtet sich nach der Länge des Prozesses.

Also es sind nicht immer fünf Wochen, sondern es sind so viele Wochen, wie es Verhandlungstage gab.

Oder auf jeden Fall abhängig von den Verhandlungstagen hat dann das Gericht Zeit,

wenn du dir vorstellst, in München ist dieser NSU-Prozess, da kann man nicht in fünf Wochen Urteil schreiben,

wenn man da zweieinhalb Jahre verhandelt hat.

Das geht nicht. Also es hängt davon ab, wie lange verhandelt wurde.

Aber die entscheidende Nachricht ist, es gibt ganz bestimmte Fristen.

Ja.

Und diese Fristen sind notwendig, damit Menschen auf ein Urteil reagieren können.

Richtig.

Es gibt Fristen für das Gericht, es gibt aber auch Fristen für die Staatsanwalter,

für den Verteidiger, es gibt ja alles Fristen.

Ja.

Und jetzt haben wir eine Richterin, die im besten Sinne prokrastiniert.

Ganz richtig. Prokrastination ist hier das Zauberwort.

Ich kenne das zum Beispiel sehr gut.

Ich bin auch Studentin, ich prokrastiniere sehr viel und sehr gerne.

Es ist allerdings schwierig, wenn man ein Licht erinnert.

Prokrastinieren heißt?

Prokrastinieren heißt, das ist jetzt zumindest was ich von der Aussage

des psychiatrischen Gutachters, der gehört, wurde mitgenommen habe.

Prokrastination ist, in einen Konflikt zu geraten,

zwischen dem, was man tun sollte und dem, was man gerne täte.

Und dass man eben diesen Konflikt so lange, wie es möglich ist

und unter erheblichen persönlichen Einbüßungen,

sich eben für die zweite Variante entscheidet, nämlich dem, was man lieber täte.

Also man schiebt die Sachen vor sich her.

Gut Deutsch, man schiebt die Sachen her, ganz genau.

Und das hat eben unsere Richterin Katharina S. in großem Stil getan.

Diese 14 Fälle sind vor Gericht gekommen.

Es gibt aber noch eine große Anzahl noch von anderen Akten,

die vermutlich auch liegen geblieben sind.

Aber bei den 14 haben sie sich dann quasi versucht,

darauf festzunageln und die festmachen zu können.

Fangen wir mal an bei der Richterin. Was ist das für eine Figur

und wie kam alles raus?

Also was ist diese Richterin für eine Frau?

Ich fand sie im Prozess sehr schwer greifbar.

Sie saß da zwischen diesen zwei Plexiglass-Scheiben ja auch sehr einsam.

Sie sah fast schon kindlich aus, also sehr, sehr jung.

Sie sah sie aus.

Sie war zu dem Zeitpunkt 37 Jahre alt, sah aber deutlich jünger aus.

Ganz helles blondes Haar, ganz kindliches Gesicht.

Und saß da mit ganz versteiner Termine in diesem Prozess.

Und als sie dann gefragt wurde, ob sie aussagen möchte,

dann hat sie gesagt, ja.

Und das fand ich irgendwie ganz bizarr.

Hat sie gesagt, ich möchte jetzt erst mit meinem beruflichen Werdegang

anfangen, mein beruflicher Werdegang als Richter.

Und hat eben dann auch genau damit angefangen.

Hat erzählt, wie sie in Bochum ihr Studium absolviert hat.

Und ja, alle weiteren Stationen, die sie dann im Richterdienst absolviert hat,

sind alle in einem Umkreis von ja,

wenigen Kilometern haben sich vollzogen.

Ich habe das mal auf Google Maps...

Also ihr wächst in Nordrhein-Westfalen auf,

die studiert in Nordrhein-Westfalen.

Alle Stationen sind in Nordrhein-Westfalen.

Alles in Bochum.

Ich habe mir das auf Google Maps mal angeschaut.

Es ist nicht alles in Bochum.

Aber man könnte quasi alle beruflichen Stationen in ihrer Laufbahn

in weniger als 2, 3 Stunden abfahren.

Bochum, ich komme aus dir.

Ganz genau.

Was hat sie für Lebensumstände?

Sie lebt allein, auch in der Nähe ihres Geburtsortes wieder

haben sie eben zu zwei Dritteln als Familienrichterin

und zu einem Drittel als Strafrichterin tätig ist.

Sie hat 2013 im Richterdienst angefangen,

ironischerweise an genau demselben Landgericht,

an dem sie dann später als Angeklagte sitzen sollte,

nämlich am Landgericht Hagen,

und ist dann eben an unser kleines Amtsgericht im Sauerland gekommen,

wo sie dann 2016 als Richterin auf Lebenszeit ernannt wurde.

Die kommt eigentlich aus einem behüteten Elternhaus,

einigermaßen mittelmäßiges Abitur,

und verbessert die Note ihres Staatsexamens,

ihres juristischen Staatsexamens im zweiten Anlauf noch einmal.

Ich glaube, das ist eine wichtige Voraussetzung dafür,

denn für das Richteramt braucht man, glaube ich,

ganz gute Abschlussnoten, oder?

Ja, man wird ja gewählt als Richter

und da versucht man natürlich, die Besten zu kriegen, ja.

Und laut der Aussage der Zeuginnen und Zeugen vor Gericht,

der meisten zumindest, ist sie das auch gewesen.

Also, die haben sie beschrieben als eine zuverlässige,

kompetente, aufgeschlossene, vor einem sozial engagierte Richterin,

die fast schon nicht diese Gänge dort geschwebt ist,

mit allem auf Durstand, Blockflötenkonzerte organisiert hat,

Plätzchen gebacken hat für die Weihnachtsfeier,

mit ihrem Geschäftsstellenmitarbeiter,

und Kaffee trinken gegangen ist.

Und das war das Bild, was eben erst,

als diese ganzen Rechtsbeugungsverstöße von ihr langsam

als Licht gekommen ist, erst dann hat dieses Bild

langsam angefangen, Risse zu bekommen.

Also, das war so das Bild einer perfekt funktionierenden

und perfekt besetzten Frau, die ist an der richtigen Stelle,

die macht alles richtig, das ist ein Idealfall.

Ganz genau.

Wie groß ist denn dieses Amtsgericht,

von dem wir nicht sagen, wo es liegt?

Also, so groß kann es nicht gewesen sein, im Prozess selber.

Es ist nämlich nur ein anderer Richter zu Wort gekommen,

und es ist auf einen anderen Richter die Sprache gekommen.

Also, so groß, nehm ich mal an, kann es nicht gewesen sein.

Und das ist auf jeden Fall auch das,

was alle Zeuginnen und Zeugen berichtet haben,

dass das ein winzig kleines Gericht ist,

in einem winzig kleinen Ort, wo ganz, ganz viel geredet wird.

Wo es viel Gerüchteküche ist,

und diese Gerüchteküche ist auch immer am Kochen.

Und diese Gerüchteküche hat auch in Bezug auf sie gekocht.

Das fand ich nämlich sehr interessant,

dass die Richter, die im Zeugen stand waren,

die Staatsanwälte, die im Zeugen stand waren,

die Direktorin des Amtsgerichts, die im Zeugen stand war,

die waren alle völlig schockiert, dass das passiert ist

und wie das passiert sein konnte.

Die Direktorin des Amtsgerichts hat gesagt,

das kam für sie wie ein Blitz aus heiterem Himmel.

Aber fragte man andere Leute.

Das waren jetzt in dem Fall die Geschäftsstellen,

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von der Familien

und der Strafgerichtsgeschäftsstelle.

Also, die Assistenten.

Richtig.

Die Assistenten.

Oder fragte man auch die Anwältin, die Familienanwältin,

die uns diesen Tipp gegeben hatte.

Dann sah das Bild ganz anders aus.

Dann hieß es ja, wir wussten alle,

dass die Katharina S. es mit den Fristen nicht so ganz genau nimmt.

Aber was sollte man denn machen?

Über deinem Text steht die Überschrift

vergesslich im Kartenhaus.

Denn das ist das ja ein bisschen, was sie da errichtet.

Sie errichtet so ein Kartenhaus aus Akten.

Und dieses Kartenhaus droht quasi jeden Moment zusammen zu stürzen.

Für mich ist aber die große Frage,

warum hat dieses Kartenhaus überhaupt so lange gehalten?

Das habe ich mich auch gefragt,

während des Prozesses und auch heute noch manchmal.

Das haben sich natürlich auch alle in diesem Prozess gefragt.

Weil es ja doch vor allem auch eine sehr lange Zeit gewesen ist,

die ihr Kartenhaus relativ stabil gehalten hat.

Wie lange war das ungefähr? Worüber reden wir?

Vier Jahre.

Vier Jahre.

Das ist, finde ich, nicht wenig.

Vor allem vier Jahre, wenn man bedenkt,

dass es jetzt, finde ich, das beste Beispiel dafür,

dass es verwunderlich ist,

als dieses Kartenhaus so lange gehalten hat.

Und zwar ist ihr zuständiger Geschäftsstellenmitarbeiter

von den Strafsachen

vor Gericht erschienen mit einer ausgedruckten Wordliste.

Und auf dieser Wordliste standen etwa ein Dutzend Urteil,

also ein Dutzend Aktenzeichen,

und dahinter stand kein Urteil unbestimmtes Rechtsmittel.

Kein Urteil Berufung.

Was heißt das?

Dieser Geschäftsstellenmitarbeiter hat eine Liste geführt.

Über viele Monate.

Und auf dieser Liste hat er sich aufgeschrieben gehabt.

Welche Urteile alle von ihr fehlen.

Und die Fristen für die Absetzungen von diesem Urteil,

die lagen bis zu ein Jahr zurück.

Also sie hat ein Prozess durchgeführt

und hat dann kein Urteil geschrieben.

Sie hat nicht nur kein Urteil geschrieben,

sondern als die Rechtsmittel dann eingetrudelt sind.

Also Rechtsmittel heißt Berufung oder Revision.

Richtig.

Als dann eine Berufung oder Revision eingetrudelt ist.

Und in einem konkreten Fall ist es dem Anwalt des von ihr angeklagten

auch aufgefallen,

dass hier ziemlich lange kein Urteil abgesetzt wurde.

Und dann hat er ein Schreiben verfasst, in dem er gesagt hat,

das ist ein absoluter Revisionsgrund, diese Frist zu überschreiten.

Und das ist es auch,

nämlich ein elementarer Verstoß gegen Verfahrenskunstsätze.

Und deswegen muss dieses Urteil jetzt aufgehoben werden

und daraufhin hat sie das Urteil verfasst,

mutmaßlich das Urteil verfasst

und eine Zustellungsverfügung zu diesem Urteil gelegt.

Eine Zustellungsverfügung bedeutet,

es wird verfügt, dass das Urteil zugestellt werden soll.

Und diese Zustellungsverfügung, wie auch das Urteil,

waren dann plötzlich auf den richtigen Tag datiert.

Nämlich auf genau oder mehr oder weniger genau,

fünf Wochen nach dem Urteil.

Und wie hat sie erklärt,

dass das Urteil ein Jahr gelegen hat?

Dass es eben nicht fünf Wochen waren, sondern zwölf Monate.

In dem konkreten Fall hatte es sich, glaube ich,

um zwei, drei Monate gehandelt, wo es schon drüber war.

Also das war jetzt nicht das Jahr, aber zumindest beträchtlich.

Und ihre Erklärung, die war in dem Fall

und auch in allen anderen Fällen, sie kann es sich nicht erklären.

Sie hat immer, in einem Fall,

wirklich eine dienstliche Stellungnahme verfasst.

Und die Stellungnahme musste, wo dieses Urteil gelandet ist,

wo das auf Wanderschaft hingegangen ist für mehrere Wochen.

Und sie hat immer wieder ganz stolch

und laut deren Aussagen, der Zeuginnen und Zeugen,

auch immer wahnsinnig freundlich

und wahnsinnig entspannt immer gesagt,

das weiß ich auch nicht, da muss ich jetzt mal nachgucken.

Und welches Urteil hat sich denn da gehandelt?

Das gucke ich nach, das mache ich gleich.

Sie sagt, dass jedes Mal, und das war oft,

als sie die Katharina S. auf diese Urteil angesprochen hat,

jedes Mal hatte sie danach das feste Gefühl,

ja, die kümmert sich drum, die hat das im Griff,

morgen habe ich das in der Hand. Hatte sie aber halt meistens nicht.

Jetzt muss dieses Kartenhaus ja an irgendeinem Tag

mal angefangen haben zu wackeln.

Du hast schon diesen zuständigen Sachbearbeiter genannt,

der ja eine Liste führt, aber offenbar ja die Versäumnisse deckt, oder?

Richtig, dieser zuständige Geschäftsstellenmitarbeiter

hat sehr, sehr, sehr lange den Kopf hingehalten,

kann man eigentlich sagen, also er hat es nicht nur geheim gehalten,

er musste ja auch die ganzen Ärgernisse abkriegen,

die so aufkommen, wenn Verfahren über so lange Zeit verschleppt werden.

Kommt der Anwalt von aus und fragt, was ist hier los,

was ist hier Sache, warum funktioniert das nicht, warum liegt das nicht vor?

Wir rufen natürlich nicht beim Richter an,

sondern in der Geschäftsstelle, in Mosander.

Die Geschäftsstellenmitarbeiter, der ja genau weiß,

dieses Urteil fehlt seit Wochen, seit Monaten.

Und dann rufen Staatsanwälte an und Staatsanwältinnen,

dann rufen Anwälte und Anwältinnen an

und werden immer wütender und immer böser und fragen,

ja wo ist denn das Zeug, das kann doch nicht sein.

Und er ist irgendwann so verzweifelt gewesen,

dass er zu einem Richter mit dieser Liste oder mit seinem Anliegen gegangen ist,

der sehr gut befreundet war mit der Frau S.

Und ist ihm gekommen und hat gesagt, ich weiß nicht mehr weiter.

Die hatten sich schon längst innerhalb der Geschäftsstelle miteinander abgesprochen

und wussten schon, dass das ein Problem ist und auch ein großes Problem ist.

Es hatte zwischenzeitlich auch die Direktoren des Amtsgerichtsbescheid gewusst.

Aber in dem Fallen, das ist auch einer von mehreren Fällen,

hat ein Schicksalsschlag, der Frau S. in die Hände gespielt,

und zwar ist diese Direktoren dann verstorben an einer Krankheit

und konnte damit das nicht weiterverfolgen.

Sie hat aber davon gewusst, war dann nun aber verstorben

und der Geschäftsstellenmitarbeiter stand immer noch da mit seiner Wordliste

und ging dann zu diesem befreundeten Richter und hat ihm gesagt, Hilfe,

ich weiß nicht mehr weiter.

Der ruft daraufhin offenbar seine Freundin an, die Richterin und sagt,

pass auf, jetzt wird's ernst.

Sie sind ja auf den Fersen, das was du machst, kannst du nicht weitermachen,

du musst das jetzt reparieren.

Er hat sie zunächst einfach mal drauf angesprochen,

hat gesagt, hey, Katharina, wie schaut's aus?

Es gibt da so paar Urteile, die fehlen, was ist denn da los?

Und sie, so wie immer, hat souverän reagiert, freundlich reagiert,

ruhig reagiert, meinte, oh, welche Urteile denn?

Da muss ich mal schauen, ich kümmere mich darum

und ist dann wieder rausgegangen und kam dann nach 15 Minuten wieder zurück

mit einer anderen Akte und meinte, du, ich hab da grad eine fachliche Frage,

können wir da kurz drüber diskutieren?

Also Ablenkung.

Richtig, und er war völlig von den Socken, hat er dann vor Gerich gesagt,

weil ihm ja durchaus bewusst war, dass das eine große Sache ist

und er hat das gar nicht nachvollziehen können,

dass das bei ihr gar nicht angekommen ist

und diesen Eindruck hatten ja alle.

Ein bisschen kommt mir dieses Verhalten der Richterin so vor wie die Postboten,

die ihre Briefe nicht zustellen, sondern in den Müll kippen

oder in die Landschaft kippen.

Oder in den Keller stecken.

Oder irgendwo sammeln in Schränken, um sie nicht zustellen zu müssen.

Oder ein bisschen kommt es mir auch vor wie bei Haxen.

Wie bei Haxen.

Wir hatten ja auch diesen großen Schwindler da schon im Podcast,

der die Hamburger Gesellschaft geprelt hat.

Der auch immer, wenn ihm wieder einer auf die Spur gekommen ist,

wieder gesagt hat, ja, ja, es kommt gleich.

Der immer neue Ausreden erfunden hat,

warum das Geld, das er den seinen Gläubiger in Versprochen hat,

jetzt nicht kommen kann.

Und sich damit Woche um Woche erkauft hat sozusagen.

Mich erinnert es ehrlich, ich stand noch ein bisschen an den Reluzius.

Also diesen Journalisten, der Geschichten gar nicht recherchiert hat,

sondern als sich ausgedacht hat, der groß durch die Presse gegangen ist

und alle getäuscht hat, seine Leser, seine Kollegen

und auch die eigene Dokumentation.

Und der auch immer, wenn man ihn gefragt hat,

sich dann wieder was ausgedacht hat,

weshalb es doch so ist, wie er es gesagt hat.

So stapelt man Lüge auf Lüge.

Ja, Lüge auf Lüge.

Und das nimmt dann irgendwann uneilmäßliche Formen an.

Bei Katharina S. stapelt sich Akte auf Akte.

Wo stapeln die sich dann?

Die stapeln sich einerseits bei ihr im Büro,

auch an ganz unüblichen Stellen.

Es gab, dazu kommen wir gleich.

Ich werde nämlich auch gleich deine Frage beantworten,

wann das ganze Kartenhaus dann angefangen hat, zusammenzufallen.

Aber so viel kann schon mal gesagt werden,

die Akten haben sich nicht nur an den Stellen befunden,

an denen sich Akten so befinden,

sondern die waren eben auch in einem Karton in ihrem Keller.

Die waren im Garderobenschrank in ihrem Büro.

Die waren auf dem Fensterbrett in ihrem Büro.

Also das kann ich denke ich sagen,

ohne selbst in diesem Raum gewesen zu sein,

auch ohne selbst in ihrer Wohnung gewesen zu sein.

Ich habe aber Fotos gesehen von der Durchsuchung,

dass Ordentlichkeit jetzt nicht eine Charaktereigenschaft

der Katharina S. war.

Was an sich ja nicht schlimm ist,

ist auch nicht eine Charaktereigenschaft von mir.

Aber in ihrem Fall hat es eben solche Ausmaße angenommen,

dass als die Direktoren des Amtsgerichts

mit ihrer Stellvertreterin dann eines Tages ihr Büro betreten hat,

sie schon schockiert gewesen ist,

über den Anblick, der sich hier geboten hat.

Wir haben es hier mit jemandem zu tun,

der seine Arbeit schlecht macht.

Also mal milde ausgedrückt.

Jetzt gibt es natürlich Leute,

wenn die ihre Arbeit schlecht machen,

es ist nicht so schlimm.

Wenn der Taxifahrer sich ständig verferrt,

das ist nicht so schlimm.

Wenn eine Reinigungskraft oder eine Schriftstellerin

ihren schlechten Job machen,

dann ist das jetzt auch nicht so schlimm.

Meine Lebenszeit mit einem schlechten Roman

ist dann schon ein harter Preis, muss ich sagen.

Na gut.

Wenn man es so misst,

wenn man so beschäftigt ist wie du,

dann mag das so sein.

Aber im Allgemeinen ist es nicht so schlimm.

Schlimm ist es aber,

wenn zum Beispiel Piloten einen schlechten Job machen

oder Polizisten einen schlechten Job machen

und Ausweise in den Falschen erschießen

oder wenn eben Richter einen schlechten Job machen

und Schicksale, die an ihren Entscheidungen,

ich meine sie war Familienrichterin,

da geht es um Sorgerechtsstreitigkeiten,

da geht es um elementare Familienprobleme,

da geht es um unglaubliches Leid

und um unglaubliche Wut

und sie hat Strafsachen,

da geht es um Freiheitsentzug.

Da muss jemand sitzen,

weil die Frau mit ihrem Urteil nicht rüber kommt.

Das sind natürlich wirklich bittere, bittere Geschichten.

Da hat es auch in den Strafsachen

einen konkreten Fall gegeben,

wo genau das passiert ist, was du gesagt hast.

Und zwar saß da ein Mann in Untersuchungshaft monatelang

und Frau S. hat keinen Urteil abgesetzt

und hat keinen Urteil abgesetzt.

Es gab Anfragen und immer bösere Anfragen

und erst nach Monaten hat sie dann das Urteil abgesetzt

und eben zurückdattiert,

als hätte sie es rechtzeitig abgesetzt.

Was für sie bestimmt,

oder auch für die Menschen am Amtsgericht,

die damit fast gewesen sind,

natürlich eine Akte ist, die man rumlegt

und die dann mal dort liegt und mal da.

Und diesen Mann, der da im Gefängnis gesessen ist,

ist das natürlich, wie du gesagt hast,

das katastrophal.

Der hat die Bank des Strafs schon abgesetzt,

als das Urteil fertig war.

Fast, genau.

Und es gibt den jungen Vater,

der vor Gericht um den Umgang mit seiner Tochter streitet.

Ganz genau.

Das ist ein Vater, mit dem ich sprechen durfte.

Der, einer der Leidtragenden gewesen ist,

oder höchstwahrscheinlich einer der Leidtragenden gewesen ist,

der Arbeitsweise von Katharina S.

Der war hochgradig zerstritten

mit der Mutter seines Kindes.

Und hat ihm zugedessen die Frau es kennengelernt,

weil das Ganze nämlich vor Gericht gegangen ist.

Und zunächst einmal ist das auch ohne Probleme verlaufen.

Er hat mir sogar erzählt,

dass sie einen kompetenten Eindruck auf ihn gemacht hat.

Eine zupackende Richterin.

Das haben auch viele gesagt.

Eine kompetente, engagierte, taffe Richterin.

Klar haben ihm mal Entscheidungen von ihr nicht gefallen,

aber alles in allem war er recht zufrieden.

Er hat dann aber schon irgendwann gemerkt,

dass Sachen länger dauern.

Und dann hat es dann irgendwann einen letzten Verhandlungstag gegeben,

an dem festgesetzt wurde,

dass jetzt ein psychologisches Gutachten erstellt werden soll.

Und für so ein Gutachten braucht es eine Verfügung

von einem Richter oder einer Richterin,

in dem Fall von Katharina S.

Und diese Verfügung kam nicht und kam nicht über Monate.

Und am Ende ist es, glaube ich,

bestimmt ein Jahr gewesen,

dass dieser Mann,

um das Umgangsrecht mit seiner Tochter gekämpft hat

und nichts gekommen ist.

Er hat angerufen, selbst angerufen beim Amtsgericht

hat über seine Anwältendruck aufbauen lassen.

Und es gibt ja ja schon einige Möglichkeiten,

um Druck aufzubauen in so einer Situation, an einem Gericht.

Es gibt dann Sachstands-Mitteilungsanfragen.

Also das bedeutet letztendlich,

eine Anfrage, was ist los?

Ganz genau.

Und es hat alles nichts gebracht.

Und irgendwann war dieser Vater so frustriert und so verausgabt,

hat sich so die Zähne ausgebissen an diesem Kartenhaus

von der Frau S.,

dass er seine Tochter zu Adoption freigegeben wollte.

Wie kann das sein,

dass jemand seinen Kind zu Adoption freigibt,

für das er gar keinen Sorge recht hat?

Das verstehe ich jetzt nicht.

Also wie Ermir das beschrieben hat, ging das hin und her.

Aber wieder hat es einen Beschluss gegeben,

okay, er kriegt jetzt das Umgangsrecht für einen so und so langen Zeitraum.

Heißt, er durfte sie dann mal in so einem Kinderschutzzentrum sehen,

er durfte sie mal vom Kindergarten abholen.

Und das hat dann immer ein, zwei Mal geklappt.

Und dann, das ist jetzt natürlich seine Aussage,

hat die Kindsmutter nicht mehr mitgemacht,

hat gesagt, will sie nicht mehr.

Und dann ging das Ganze wieder zurück vor Gericht.

Und im Zuge dessen ist es dann irgendwann zum Stillstand gekommen.

Also er hat einfach aufgegeben,

um seine Vaterschaft, die Anerkennung seiner Vaterschaft

und den Umgang zu streiten.

Genau, also die Vaterschaft war anerkannt.

Aber das Problem war genau die Frage des Umgangs mit der Tochter.

Und er hat das aufgegeben.

Genau, also er hatte, als wir telefoniert haben,

war der Prozess ja gerade noch am Laufen.

Da hat er auch zu mir gesagt, er versucht es jetzt nochmal.

Er weiß natürlich nicht, wie es jetzt ausgehen wird,

aber er will es jetzt nochmal versuchen.

Weil jetzt hat natürlich die Vermutung schon sehr, sehr nahe liegt.

Er wusste es nicht genau.

Aber die Vermutung liegt natürlich nahe,

weil er einer von diesen verschwundenen Akten gewesen ist.

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Es gibt ein Gutachten, das in diesem Prozess eine Rolle spielt.

Nämlich ein Gutachten von Nikolas Grünherz,

der hat sich Katharina S. genau angesehen.

Sehr genau, er hat sich die angesehen,

hat mehrere Stunden Exploration mit ihr durchgeführt,

also viele, viele Stunden mit ihr geredet,

ist ganz an den Anfang ihres Lebens gegangen,

zur Geburt tatsächlich.

Also es hat damit angefangen,

wenn ein Abend schon um den Hals geboren wurde,

und das irgendwie eine komplizierte Geburt gewesen ist,

so tief ist er da eingestiegen,

weil er natürlich mit der riesengroßen Frage betraut war,

wie konnte das passieren,

weil sie nämlich bei der Beantwortung dieser Frage

keine große Hilfe gewesen ist,

weil sie eben auch vor Gericht,

deswegen kann ich mir gut vorstellen,

wie sie gegenüber den Menschen,

die versucht haben, an sie ranzukommen, gewesen ist,

weil sie eben auch vor Gericht gesagt hat,

dass sie an die Taten,

also sie hat die Zurückdatierungen

und das zu später absetzen,

hat sie zugegeben, die Urkundenfälschung

und das ominöse Mal,

bei dem sie aufgeflogen ist, zu dem ich gleich komme,

das hat sie nicht zugegeben

und hat eben gesagt, dieser Vorgang ist völlig weg.

Sie kann sich an nichts erinnern.

Es ist wie eine Mauer vor der sie steht

und sie kommt da nicht mehr ran.

Sie ist auch schon vor Prozessbeginn in Therapie gegangen,

war zum Zeitpunkt des Prozesses schon über ein Jahr in Therapie,

meinte sie arbeitet da ganz stark dran,

aber hat gesagt,

sie hat keine Chance an diese Vorgänge zu kommen

und deswegen war natürlich das,

was der Dr. Grünherz gesagt hat,

in diesem Prozess so wahnsinnig wichtig.

Ja, aber es hat ihr ja auch das Gericht nicht geglaubt,

diese ganze, ich habe es vergessen.

Ganz richtig. Orgie.

Hat man ihr nicht geglaubt,

weil das muss man natürlich schon auch sagen,

das kann ich auch nachvollziehen,

weil es natürlich schon auffällig ist, sage ich mal,

dass sie oft genau die zwei Anklagepunkte,

wo es eng wird, wo es richtig eng wird,

dass sie sich genau an die nicht mehr erinnern kann

und alle anderen sich darauf eingelassen hat.

Das hat das Gericht natürlich, finde ich,

völlig zu Recht beanstandet,

dass das irgendwie nicht gerade gut für ihre Glaubwürdigkeit ist.

Hat Nikolaus Grünherz denn jetzt all'ne Erklärung gefunden?

Eine sichere Erklärung hat er nicht gefunden.

Er hat ein paar Hypothesen aufgestellt,

was reingespielt haben könnte.

Das Erste, das haben wir ja vorhin schon angesprochen,

ist hier Thema Prokrastination.

Die hat er ihr nämlich diagnostiziert,

eine Arbeitsstörung im Sinne einer Prokrastination.

Er ist aber natürlich auch ein bisschen tiefenpsychologischer reingegangen,

hat sich ihr Leben angeschaut,

hat da nach Ursachen gesucht

und da ist ihm erst mal aufgefallen,

dass zwei Sachen in den Zautraum gefallen sind,

in dem sie angefangen hat.

Ihre Arbeitsweise zu verändern, sag ich mal.

Und zwar war das einmal der Tod des Lebensgefährten ihrer Mutter,

der zehn, 15 Jahre mit ihrer Mutter zusammen gewesen ist

und dann sehr plötzlich verstorben ist.

Und ihre Mutter hat das anscheinend völlig den Boden unter den Füßen weggerissen

und sie war dann plötzlich damit betraut,

blödgesagt das Leben von ihrer Mutter zu schmeißen.

Und sie hatte eh schon immer eine schwierige Beziehung zu ihrer Mutter gehabt,

aber gleichzeitig sehr eng, aber auch schwierig.

Das kennen glaube ich viele.

Also was Meda jetzt hat noch im Kopf geblieben,

ist, dass noch während ihres Studiums

sie ein Belohnungssystem mit ihrer Mutter hatte.

Also wo sie für gute Noten ein Taschenbuch geschenkt bekommen hat.

Das fand ich schon sehr ungewöhnlich.

Sie hat sich von ihrer Mutter nicht gelöst.

Wohnt sie jetzt mit ihrer Mutter zusammen?

Das immerhin nicht.

Sie hat ihre eigene Wohnung gehabt,

aber ist anscheinend sehr, sehr oft noch nach Dienstschluss.

Man arbeitet viel.

Und dann ist sie eben nach Dienstschluss noch zu ihrer Mutter gegangen,

hat oft für sie eingekauft

und musste sich dann eben oft noch anhören,

dass ihre Mutter sagt, warum hast du denn so schlechte Laune?

Warum hatte sie so schlechte Laune,

weil sie den ganzen Tag gearbeitet hat

und sich eben jetzt noch weiter kümmern musste.

Und der zweite Punkt?

Der zweite Punkt ist,

dass zur selben Zeit, als diese Auffälligkeiten angefangen haben,

sie zur Richterin auf Lebenszeit ernannt wurde.

Jetzt kann ich die Füße hochlegen.

Die Probezeit ist vorbei.

Ganz genau, so ein bisschen.

Die Probezeit ist vorbei, jetzt kann ich die Füße hochlegen.

Und jetzt kann mir erst mal nichts mehr passieren.

Und das ist ja auch bis zu einem großen Teil.

Als Richter muss man sich ja wirklich extrem große Fehler leisten,

dass man überhaupt mal strafrechtlich angeklagt wird.

Also ein riesengroßen Teil von so richterlichen Fehlern fallen a.

Erst mal komplett sowieso unter die richterliche Unabhängigkeit

und b. geht das dann vielleicht ins Disziplinarrecht rein.

Sehr gut beobachtet, das stimmt natürlich.

Das haben wir hier auch immer wieder zum Thema gehabt,

dass man Richtern nicht ans Leder kann.

Also jeder andere muss für seine Fehler gerade stehen,

oder bei Richtern.

Deswegen ist das hier auch eine Ausnahme,

dass irgendwann mal doch der Arm des Gesetzes

auch bei Frau S. durchs Fenster kam.

Über welchen Fehler stolpert Katharina S. denn wohl?

Genau, jetzt kommen wir endlich zu diesem schicksalhaften Tag,

habe ich ihn genannt in meiner Geschichte,

an dem das Kartenhaus der Katharina S. beginnt zusammenzufallen.

Und da ist das ein Tag im Februar 2020.

Und da ist der besagte Geschäftsstellenmitarbeiter,

der die Liste besitzt und so weiter.

Gerade dabei, Routinearbeiten durchzuführen in seiner Geschäftsstelle,

geht da so durch die Fächer durch.

Es gibt da Fächer für Familienrecht, für Strafrecht,

für Zivilrecht, für Jugendrecht.

Und entdeckt plötzlich im Fach für Jugendsachen eine Strafakte.

Und es ist eine von Katharina S. Strafakten.

Und es ist eine von Katharina S. Strafakten,

wo das Urteil schon mehrere Monate aussteht.

Und das liegt da jetzt in diesem Fach für Jugendsachen.

Und das Datum, das die Zustellungsverfügung enthält,

ist richtig, also ist fünf Wochen nach Absetzung.

Fristgerecht.

Ist fristgerecht, das ist das richtige Wort.

Aber gelandet im Fach ist es natürlich alles andere als fristgerecht.

Und zwar nochmal ein Monat später.

Und da bekommt es dieser Geschäftsstellenmitarbeiter

mit der Angst zu tun.

Er fragt sich, wie kommt das in das falsche Fach rein?

Er fragt sich, wie kommt das in das falsche Fach rein?

Und er bekommt Angst, dass ihm das in die Schuhe geschoben wird.

Weil das ist ja klar.

Wenn sie sagt, also ich habe das rechtzeitig abgesetzt,

aber dieses Urteil taucht ein Monat später plötzlich

bei ihm in den Fächern auf,

dann liegt natürlich erstmal die Vermutung nahe,

dass er diese Akte verschüsselt hat.

Man muss dazu sagen, du hast ja schon berichtet,

wie oft das passiert mit den Fristüberschreitungen und so,

dass natürlich alle Beschwerden erstmal bei der Dienststelle ankommen,

ihm ist schon mit einer Dienstaufsichtsbeschwerde gedroht worden.

Ganz richtig.

Er ist wirklich der Sündenbock gewesen für die Fehler der Katharina S.,

der Watschenmann, genau.

Und das war in seinem Fall besonders tragisch,

weil er eben selbst mit psychischen Problemen zu kämpfen hatte

und das auch vor Gericht erzählt hatte

und deswegen schon in der Vergangenheit öfters Probleme

bei der Arbeit gehabt hatte.

Weil es ist ja klar, psychische Probleme schlagen sich auch nieder

auf die Art und Weise, wie man arbeitet.

Und er hatte das aber ja eigentlich in den Griff bekommen.

Und dann steht er da vor diesem Fach mit den Jugendsachen

und es sieht so aus, als hätte er zu gut Deutsch richtig verkackt.

Und dann hat er es mit der Angst zu tun bekommen

und dann ist er zur Verwaltung gegangen, das Amtsgericht.

Also diesmal nicht zum befreundeten Richter

und so unter uns, was ist denn da los, sondern jetzt richtig.

Genau, dann ist er zur Verwaltung gegangen,

zunächst einmal zur Stellvertreterin,

weil die neue Direktoren, die gab es ja zu dem Zeitpunkt

noch gar nicht so lange, weil die ja gerade erst

ihre verstorbene Vorgängerin abgelöst hatte,

ging dann zuerst zur Stellvertreterin, die ging dann zur Direktoren

und die haben dann den Präsidenten des Landgerichtshagen informiert.

Und der wiederum hat dann eine außerordentliche Geschäftsprüfung angeordnet.

Also es hieß, es sollen jetzt mal alle Akten oder alle Akten,

wo vermutet wird, dass irgendwas nicht stimmt,

die sollen jetzt alle erstmal gesammelt werden,

weil, da war man sich zu dem Zeitpunkt schon einig, hier stimmte was nicht.

Ja, und dann, dann ist die Direktorin doch reingegangen

in ihr Arbeitszimmer, in das Arbeitszimmer der Katharina ist

und hat da eigenmächtig durchsucht, oder?

Also sie ist zweimal in das Zimmer der Katharina ist gegangen,

einmal an jenem Tag im Februar.

Da hatte sie sich aber davor mit dem Präsident des Landgerichts

aber abgesprochen gehabt, dass sie das tun würde.

Und danach ist auch erst mal nicht so wahnsinnig Schlimmes passiert.

Es war natürlich dann am Amtsgericht öffentlich,

mehr oder weniger, dass hier was nicht stimmt.

Es gab viel Flurfunk, es hat sich aber nur einer persönlich

bei der Frau Eis gemeldet, die an jenem Tag im Urlaub gewesen ist

und das war ihr befreundeter Richterkollege

und der hat sie dann angerufen, hat gesagt, hör mal zu,

dir ist die Sache so richtig um die Ohren geflogen.

Das Ganze ist hochgegangen und er hatte ja Wochen vorher schon

mit ihr geredet gehabt und ihr gesagt, setz dich in Wochenende hin

und mach diese Urteile.

Das ist nämlich nur eine Sache von dem Wochenende

und sie hatte es nicht gemacht.

Und dann rief er sie an und meinte, jetzt ist die Scheiße am Dampfen.

Okay, am letzten.

Richtig.

Jetzt ist kurz vor zwölf und sie meinte, jetzt dürft ihr mal raten,

wie sie reagiert hat.

Hoch.

Ja, da muss ich mal schauen.

Ganz genau, meinte, hoch.

Da werde ich jetzt mal nachschauen.

Da habe ich morgen sicher eine Mailbox-Nachricht auf meinem Handy

von der stellvertretenden Direktorin.

Die wird sicher sagen, dass hier was nicht stimmt.

Ach ja, blöd gelaufen.

Es muss ja eine unglaubliche Verdrängungsleistung sein.

Hat denn der Psychiater dazu auch was gesagt?

Also, er hat zu dieser Verdrängungsgeschichte gesagt,

erstmal natürlich, der menschliche Geist, sage ich mal,

ist sehr, sehr, sehr gut darin, Sachen zu verdrängen.

Wenn es für die Aufrichterhaltung von dem Selbstbild,

der Fassade nötig ist, genau.

Und was in ihrem Fall, glaube ich, eine große Rolle gespielt hat,

was auch der Gutachter angemerkt hat, ist die Scham.

Wir haben damals, als ich mir noch Hospitanz gemacht habe

und diesen Prozess begleitet habe,

hat ihr bei Zeit Verbrechen bei dem aktuellen Magazin

ein Interview abgedruckt mit einem Wirtschaftsprüfer,

einem Wirtschaftspsychologen, Benjamin Schorn, hieß der.

Und der hatte gesagt, es gibt kaum ein intensiveres

und bedrohlicheres Gefühl als die Scham.

Und das ist mir diesen ganzen Prozess

sehr im Kopf rumgegeistert, weil man, glaube ich,

über diese Ecke am ersten an die Wurzel des Übels kommt.

Das hatte nämlich auch dieser psychiatrische Gutachter angemerkt,

als der Vorsitzende Richter meinte,

aber sie hatte doch so viele Freunde an diesem Amtsgericht.

Jeder hat sie doch gemacht, müsste nicht eigentlich das der Ort sein,

wo man sagen kann, Leute, mir ist da was aus dem Ruder gelaufen,

es wird mir zu viel.

Und hätte sie das gemacht, wäre es auch niemals so weit gekommen,

weil, wie wir schon vorhin gesagt haben,

als Richter kann man sich viele Fehler erlauben,

ohne dass etwas passiert.

Dann kann man immer sagen, Augenblicks versagen,

oder dann lässt man so ein Rechtsmittel halt zu.

Aber in ihrem Fall, wie eben auch der psychiatrische Gutachter

gesagt hat, war das Klima an diesem Amtsgericht eben so freundlich

und so eng, dass sie es eben genau deswegen nicht geschafft hat,

etwas zu sagen, weil sie eben dieses Bild,

dieser taffen, anpackenden, tollen Richterin nicht kaputt machen wollte

und eben alles getan hat, um dieses Bild aufrechtzuerhalten.

Ja, wir hatten hier auch schon Folgen,

da haben Leute andere umgebracht, um ihr Selbstbild zu erhalten.

Das kürzeste psychiatrische Gutachten über Katharina S.

hat ihr befreundeter Richterkollege ab.

Und zwar nachdem er nach diesem Telefongespräch den Hörer aufgelegt hat,

geht er zu seiner Frau und sagt, jetzt ist es wirklich amtlich, die hat eine Macke.

Das hat er gesagt.

Und da waren sich zu diesem Zeitpunkt dann, glaube ich,

auch schon sehr viele Menschen an diesem Amtsgericht einig,

dass hier was überhaupt nicht stimmt.

Es wurde ihr auch dann schon nahegelegt, sich einen Therapeuten

oder eine Therapeuten zu suchen.

Und jetzt kommen wir auch zu dem Thema,

wieso der Corona-Lockdown eine Rolle gespielt hat.

Und zwar waren wir ja bei dem Auffinden dieser Akte im Fach für Jugendsachen

im Februar 2020 und was im März 2020 passiert,

daran erinnern wir uns, glaube ich, alle schmerzlich oder nicht schmerzlich,

dann war Lockdown.

Und dann war auch an diesem Gericht erst mal Lockdown,

heißt alles aufs Minimum runtergefahren,

wurde Distanzierung praktiziert.

Die Leute hatten andere Sorgen.

Und die Frau S. war dann auch irgendwann krankgeschrieben.

Und dann gab es im Sommer, im darauffolgenden Sommer 2020,

eben noch eine zweite Zäsur, die nochmal um einiges heftiger gewesen ist,

weil die Dimensionen ihrer Vergehen dann erst so richtig

ans Licht gekommen sind.

Und zwar kommen wir dann zu dem zweiten Mal,

als die Direktoren des Amtsgerichts das Büro von Frau S. betritt.

Das tut sie erst mal aus einem relativ unauffälligen Grund.

Es läuft ein Disziplinarverfahren.

Es gab die außerordentlichen Geschäftsprüfungen.

Und es ist natürlich immer noch die Frage, wo sind die ganzen Akten?

Es ist natürlich wahnsinnig schwer, da irgendwie einen Überblick zu behalten,

wo die sind, weil es passiert ja öfters mal,

dass Akten verloren gehen sogar oder für eine Zeit lang nicht auffindbar sind.

Und wenn man das jetzt hat versucht, auf einmal alles zusammenzufassen,

das ist natürlich ein riesiger bürokratischer Aufwand.

Und dann war der Auslöser erst mal nur,

dass ein Geschäftsstellenmitarbeiter zu Direktorin meinte,

dass im Büro von der Frau S. noch Dienstpost liegt.

Und dann haben sie sich gedacht,

wir sollen ja unbedingt alle Akten dem Landgericht oder den Prüferinnen und Prüfern zuführen.

Deswegen müssen wir da jetzt reingehen und diese Akten holen,

weil die Verfahren müssen ja auch weiter bearbeitet werden.

Das meinte zumindest die Direktorin vor Gericht,

dass sie auch das im Kopf hatte, die Verfahren müssen ja weiter bearbeitet werden.

Und dann betreten sie eben dieses Büro von der Frau S. ein zweites Mal,

ohne sich dieses Mal abgesprochen zu haben mit dem Präsidenten vom Landgericht.

Und finden da einige Schriftstücke, einige Dokumente, sie holt die raus,

gibt die Akten, die sie gefunden hat, ein Geschäftsstellenmitarbeiter,

demselben übrigens, der auch die WordPress gehabt hatte,

gibt das ihm und meinte ja, sortiert das alles ein,

jetzt haben wir hoffentlich alles aus ihrem Büro.

Und dann kommt er irgendwann zu ihr zurück

und sagt, hier stimmt was gewaltig nicht.

Von dieser einen Akte, die du mir gegeben hast,

das war ein Protokoll von der Hauptverhandlung,

da gibt es schon ein Protokoll dazu.

Und das lautet anders.

Und das lautet anders.

Es handelt sich um ein Verfahren aus dem Jahr 2017,

wo es ein Fortsetzungstermin gegeben hat,

zu dem der Angeklagte nicht erschienen ist.

Und das war natürlich sehr schwer im Nachhinein das alles nachzuvollziehen,

weil es so lange zurück lag.

Und ich weiß jetzt selber nicht, wie viele Verfahren

so einen Richter oder einen Richterin oder Staatsanwältinnen

und Staatsanwältinnen pro Tag bearbeiten,

aber es sind schon viele.

Dann ist es schwer, sich vier Jahre später zu erinnern,

was da genau passiert ist.

Was man aber sagen kann, ist,

dass auf dem Protokoll, was in Katharina S. Büro gefunden wurde

und was der allerhöchsten Wahrscheinlichkeit nach das Richtige ist,

demnach ein Urteil ergangen ist.

Aber die Akte, die im Umlauf sich befunden hat,

der Geschäftsstellenmitarbeiter hat und gemerkt hat, hier ist schon eins,

laut dem ist das Verfahren ausgesetzt worden

und es wurde ein Fortsetzungstermin anberaumt,

weil der Angeklagte gar nicht da gewesen ist.

Und man hat dann auch den zuständigen Staatsanwalt befragt,

der mit ihr gemeinsam diesen Prozess gemacht hatte.

Und der meinte sich noch zu Erinnern,

dass sie kurz diskutiert hatten, ob sie jetzt überhaupt verhandeln dürfen,

weil er nicht da ist.

Dann waren sie sich aber einig, ja, wir dürfen verhandeln.

Und jetzt ist die Vermutung, dass sie dann nach dem Prozess

es dann irgendwie doch mit der Angst zu tun bekommen hat

und dachte eben, dass sie zu Unrecht ein Urteil gesprochen ist.

Das ist jetzt natürlich eine völlige Mutmaßung, sie erinnert sich ja an nichts.

Und hat dann vermutlich zwei Seiten von diesem Protokoll ersetzt

mit mutmaßlich gefälschten Seiten,

laut denen das Verfahren eben ausgesetzt worden ist.

Aber das Protokoll führt ja nicht der Richter, der Amtsrichter selbst, oder?

Richtig, deswegen war das auch ein schreckliches Gefusel

damals vor Gericht, das irgendwie nachzuvollziehen,

wer da an welcher Seite ...

Es gibt ja Protokollanten.

Richtig.

Und da muss sie also auch die Schrift gefälscht haben.

Sie hat, und das ist natürlich auch ein interessanter springender Punkt,

an dem ihr Anwalt sehr gerne kratzt,

ist nämlich, dass sie zwar zwei Seiten dieses Protokolls gefälscht hat,

aber sie hat keine Unterschrift von dem Protokollanten draufgesetzt.

Heißt, dass sie die Unterschrift gefälscht hat,

das kann man ihnen nicht vorwerfen.

Der Anwalt sagt nun aber zumindest,

sie wollte ja aber schon mit diesen gefälschten Seiten den Eindruck erwecken,

das sind die richtigen.

Der Anwalt sagt, das hätte sie ja gar nicht wollen können,

weil es hätte ja eh nicht gegolten, es wäre eh nicht richtig gewesen.

Das ist aber wirklich an den Hahn herbeigezogen.

Es gibt eine Begründung für das Verhalten,

die Katharina S. vor Gericht vorträgt,

und da greift sie auf den alten Freut zurück.

Mein Therapeut sagt, mein Überich wollte unbedingt

die Beratung der Gesellschaft entsprechen,

und dagegen hat sich mein Unterbewusstsein gefährd.

Ja, vielleicht stimmt das sogar.

Was sagt denn der Vorsitzende Richter bei der Urteilsverkündung?

Also, das Urteil war, wie ich es beschreiben würde, vernichtend.

Also, ich fand das heftig.

Ich saß in diesem Gerichtssaal drin,

mir ist echt bisschen die Kinnlade runtergefallen,

und ich war auch nicht die Einzige.

Ihr Anwalt der Herr Gieselke hat während der Urteilsverkündung

mehrmals das Gesicht in den Händen vergraben.

Ich habe danach mit ihm gesprochen, der war auch sprachlos von diesem Urteil,

weil sie eben nicht nur zu drei Jahren und zehn Monaten Haft verurteilt wurde.

Wie die Staatsanwaltschaft forderte?

Wie die Staatsanwaltschaft gefordert hat.

Also, der Staatsanwaltschaft wurde vollumfänglich gefolgt.

Nicht nur das, sondern die Kammer, die Richterkammer,

die die Urteilsverkündung hatte, vernichtende Worte für sie gefunden.

Also, man hat ihr die drei Jahre, zehn Monate gegeben,

und dann hat man ihr noch einen Stammdamm beschrieben.

Ein paar doll-liche Worte mitgegeben.

Genau, das ist noch gelinde ausgedrückt.

Angefangen hat dieses Urteil, ich habe das hier dabei,

einer der ersten Sätze lautet, was ich ein bisschen absurd fand,

ihre Geburt war problematisch, da ihre Mutter lange in den Wehen lag.

Die Geburt letztlich unter Einsatz einer Saugglocke erfolgte

und hierbei eine Nabelschnur um Schlingung bestand.

Du redest vom Urteil, du hast jetzt gerade aus dem Urteil vorgelesen.

Ich habe aus dem Urteil zitiert,

und das war ja aber jetzt immerhin noch harmlos,

weil es wenig verletzt und war, sage ich mal,

das ist ja auch nur eine Tatsache.

Aber was dann später rausgekommen ist, ist eben die Ansicht dieser Kammer,

und die sind der Ansicht, dass ihre Einlastung, also ihre Aussage,

eine völlige Schutzbehauptung gewesen ist,

die haben ihr kein Wort geglaubt, noch mehr.

Sie sind der Meinung gewesen, dass sie ein fauler Mensch gewesen ist,

vielleicht kann ich das so sagen,

die waren der Meinung, sie soll alles getan haben,

um nach außen hin den Schein der perfekten Richterin zu wahren,

um nach innen ihrer Faulheit fröhnen zu können.

Und da sind dann Begriffe oder da sind Aussagen gefallen,

wie die Geschichte mit ihrem Geschäftsstellenmitarbeiter

und dem Fach für Jugendsachen,

das soll Teil ihrer üblichen Vorgehensweise gewesen sein,

um ihre eigenen Fehler in die Schuhe anderer zu schieben.

Also sie hat die Strafakte bei den Jugendgerichtssachen untergebracht

und hat dann hinterher so getan, als sei es ihr Mitarbeiter gewesen,

der sowieso schon am Rande des Zusammenbruchs stand.

Und sie wollte es ihm in die Schuhe schieben.

Ganz genau.

Und außerdem hat das Gericht gesagt,

dass sie schlicht die Lust an den Verfahren verloren hat,

sobald die anfingen Arbeit zu machen.

Und dass sie eben ihrer Faulheit aufgesessen ist

und dass sich nicht vertragen hat mit ihrem Selbstbild.

Sie haben den Ausnahmekarakter ihrer kriminellen Energie

und Gleichgültigkeit hervorgehoben

und haben ihm gesagt, dass sie in diesem Spannungsfeld

zwischen richterlicher Unabhängigkeit und richterlichen Verpflichtungen,

das ja eigentlich sehr viel Freiraum bietet,

dass sie das eben bewusst mit Absicht und in vollem Bewusstsein

über das, was sie getan hat, verlassen hat.

Und noch schlimmer andere Leute als Sündenböcke vorgeschoben hat.

Sie hatte keinerlei Skrupel, das ist ein Zitat,

ihr Fehlverhalten auf andere abzuwälzen.

Ganz genau.

Also es ist natürlich keine Provinzposse,

weil hinter diesem liebenswerten Schlendrian der Frau ist,

natürlich jetzt zerstörte Schicksale stehen

oder stehen können und wahrscheinlich stehen.

Das stimmt.

Ihr Anwalt, der natürlich in ihrem Sinne spricht, das ist ja klar,

der hat das aber trotzdem ganz besonders bemängelt.

Er hat gesagt, dass ihm bei diesem Urteil jegliches Maß gefehlt hat.

Er hat gesagt, ihm hat da jegliche Menschlichkeit gefehlt,

dass eben kein Verständnis dafür da gewesen ist,

dass ja, wir hier eine Frau haben, die Schlimmes angerichtet hat,

aber auch eine Frau, die vor dem Aus steht, vor dem existenziellen Aus,

weil, das ist vielleicht noch wichtig dazu zu sagen,

wir hatten ja schon gesagt, dass Rechtsbeugung

mit einem bis fünf Jahren Freiheitsstrafe bestraft wird.

Jetzt gibt es auch noch ein deutsches Richtergesetz.

Und das besagt, dass ein Richter automatisch aus dem Dienst ausscheidet,

sobald er mit einer Freiheitsstrafe von ab einem gelastet wird.

Ja, geht auch für Polizisten und andere Beamte.

Vielleicht muss man nochmal betonen, es geht hier um Akten,

um Urteile, für die es manchmal nur wenige Minuten braucht,

um sie noch einmal schriftlich niederzulegen.

Denn Sabine, es geht hier nicht um den großen,

mit vielen Hundert Verhandlungstagen andauernden NSU-Prozesse

und oft um kleine Dinge, die sich leicht hätten erledigen lassen.

Liebe Zuhörerinnen, liebe Zuhörer, mir fällt dazu zum Abschluss nur ein Satz ein,

den mir meine Großmutter immer mitgegeben hat.

Sie ahnen, was kommt, was du heute kannst besorgen.

Das verschiebe nicht auf morgen.

Liebe Leonie, herzlichen Dank für den Sinnfall.

Und jetzt geht Andreas runter und sucht seine Schubladen durch,

wo alte Texte sind von Autoren, die sie ihm zugeschickt haben

und die heute noch auf eine Antwort warten.

Zum Glück bist du kein Richter.

Leonie, schön, dass du da warst.

Dankeschön für die Einladung.

Ciao.

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Die junge Richterin am Amtsgericht gilt als klug und zupackend, sie ist beliebt. Aber in Büro und Keller der Frau stapeln sich jahrelang unbearbeitete Akten. Prozesse verschleppen sich und viele Menschen, die in Sorgerechts- oder Strafsachen dringend auf ein Urteil warten, geraten in höchste Not. Deshalb steht die Richterin irgendwann selbst vor Gericht.

In Folge 141 reden Sabine Rückert und Andreas Sentker mit der ZEIT-Autorin Leonie Daumer über eine Richterin, die ihr Amt missbraucht.

Der Text zur Folge (Leonie Daumer: Vergesslich im Kartenhaus) ist im März 2022 in der ZEIT erschienen.

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