Sternstunde Philosophie: Corine Pelluchon – Hoffnung angesichts der Klimakrise?

Schweizer Radio und Fernsehen (SRF) Schweizer Radio und Fernsehen (SRF) 9/2/23 - 59m - PDF Transcript

Herzlich willkommen! Ja, die Zukunft der Menschheit sieht leider nicht sehr rosig aus. Die Klimakrise

nimmt ihren Lauf. Laut wissenschaftlichen Studien werden ohne drastische Maßnahmen bald

ganze Erdteile kaum noch bewohnbar sein. Wie schaffen wir es dennoch, hoffnungsvoll in

die Zukunft zu blicken und eine gemeinsame Vision einer besseren nachhaltigen Welt zu

entwickeln? Dürfen wir also hoffen trotz Klimakrise? Das ist mein Thema heute. Mein Gast ist die

französische Philosophin Corinne Belichaud, die so eben ein Buch geschrieben hat zum Thema,

das Mitte September erscheint mit dem Titel Die Durchquerung des Unmöglichen Hoffnung

in Zeiten der Klimakatastrophe. Herzlich willkommen, Frau Belichaud. Ja, auf der ersten

Seite dieses Buches schreiben Sie Hoffnung sei das Gegenteil von Optimismus. Wie meinen Sie das?

Ja, glücklicherweise haben wir im französischen zwei Begriffe für Hoffnung. Espoir und Esperance. Mit

Esperance, also etwa Zuversicht, verbinden wir keine persönliche Erwartung. Sie geht an

her mit einem Trotzdem. Sie ist das Gegenteil von Optimismus. Eine Haltung, die einen Glauben lässt,

man habe die Lösung für alle Probleme, was ein wenig einer Maske der Verleugnung gleich kommt.

Zuversicht setzt dagegen voraus, dass ich Schwierigkeiten und auch meine Fehlbarkeit

erkenne. Da hätte Titel Die Durchquerung des Unmöglichen. Es geht darum, aus dem Negativen

herauszukommen, wenn auch nicht sofort und spektakulär in der Art eines Soldaten, der in den Krieg zieht.

Man macht sich keine falschen Illusionen, sondern man schaut den Dingen ins Gesicht,

in den Abkunden, akzeptiert das auch das Schlechte. Das gehört dazu, zu hoffen.

Zur Zuversicht gehört die Möglichkeit des Verlusts, was paradox erscheint. Natürlich

handelt es sich bei all den individuellen oder kollektiven Ängsten, dem Verlust des Hoffnungshorizons

der Verzweiflung, um negative Emotionen. Persönliche Ängste oder auch der Klimawandel geben uns das

Gefühl, blockiert zu sein, keine Zukunft zu haben, nicht atmen zu können. Wir empfinden Scham,

Ohnmacht, Wut. All das sind sehr starke, negative Gefühle, die sehr unglücklich machen und uns

hemmen. Man fühlt sich wie im Gefängnis. Ich versuche, dass Paradoxe an der aktuellen

Situation herauszuarbeiten. Sie zwingt uns vieles in Frage zu stellen und verbietet uns jede

Verleugnung. Wir müssen lernen, diese negativen Emotionen zu durchqueren, sie zu ertragen und

unseren Habitus der Allmacht abzulegen. Im Buch zitiere ich den Dichter Charles Piguet,

der die Zuversicht als kleines Mädchen sieht, das uns auf ganz unspektakuläre Weise Energie gibt.

So versuche ich zu zeigen, wie Zuversicht entstehen kann oder was ihr entgegensteht.

Über das werden wir noch sprechen, aber sie haben diese negativen Gefühle angesprochen,

manche sprechen auch von Klimaangst, von Depressionen sogar, von Trauer angesichts des

Verlustes der Natur. Sind das Gefühle, die sie persönlich auch kennen? Das Buch wendet sich

an ein breites Publikum an Junge und nicht mehr ganz so junge Menschen, die das Gefühl haben,

keine Zukunft zu haben. Aus persönlichen Gründen, weil sie keine Arbeit haben oder angesichts all der

Krisen und unserer unzureichenden Antworten darauf. Das muss einen Wütend machen. Wir fürchten es

nicht, schaffen zu können. Es kommt einer Durchquerung des Unmöglichen gleich. Das Buch sagt

nicht, morgen geht es uns besser. Wir sind ja bestens gerüstet. Solche Optimismus wäre eine

Beleidigung in der heutigen Situation. Ich stütze mich auch auf meine persönliche Erfahrung.

Aus meiner Vergangenheit kenne ich Phasen der Depression und auch der Angst. Ich wende mich an

die Menschen, um vor der Gefahr einer Depression zu warnen, bei der sich Trauer und Leid in

Destruktivität, Selbsthass und einen Hass auf das Leben umkehren. Ich möchte aber auch zeigen,

dass Angst, die mit negativen Emotionen wie Verlust und dem Gefühl eingesperrt zu sein verbunden

ist, oft dem Wunsch entspringt, dass die Menschheit endlich handelt. Sie entspringt der Liebe zum

Leben. Aus meiner Erfahrung weiß ich, dass es kein Patentrezept gibt. Wenn man aber, und das ist

Paradox, all die Illusionen und falschen Denkmuster loslässt, die uns in einer bestimmten Erwartungshaltung

ständig um uns selbst kreisen lassen und dem unbekannten, unerwarteten Platz macht, entsteht

Hoffnung. In gewisser Weise ist das sehr paradox. Wenn man bereit ist, hinzuschauen und die Gefahren

auszuhalten, auch politisch, gibt uns die Blockade die Chance auf eine Auslegeordnung darüber,

was man ändern sollte und woran man festhalten will.

Das Buch hat ein poetisches Element. Es zeigt, wie man atmen und seine Beziehung zum Leben spüren kann,

auch wenn man am ersticken ist.

Ja, aber was hat Ihnen, wenn ich fragen darf, persönlich geholfen und Hoffnung gegeben in diesen

schwierigen Zeiten? Sie haben Angst erwähnt, Depression erwähnt, sie haben längere Phasen

auch erlebt, seit dem Tod ihres Bruders, ganz früh, immer wieder. Was hat Ihnen Hoffnung

gegeben in diesen schwierigen Durchlandseiten?

Es wäre schwierig, das zu sagen. Im Buch spreche ich nicht über mein Leben. Ich erwähne

lediglich in ein paar Zeilen im Vorwort, dass ich auch aus eigener Erfahrung spreche.

Als ich jünger war, fehlte es mir an Zuversicht. Ich beginne das Buch mit der Feststellung,

dass es uns heute nicht an Ideologie mangelt, davon gibt es genug, sondern an Zuversicht.

Zuversicht ist keine persönliche hoffnungsvolle Erwartung und auch nicht Optimismus oder

die Verneinung von Schwierigkeiten, sondern das Überwinden des Gefühls, keine Zukunft,

keinen Hoffnungshorizont zu haben.

Es ist eine Energie, die man sicherlich nicht mit einem Buch erzeugen kann. Man kann Utopien

entwickeln, die transformierend sein können und den Spielraum für Lösungen erweitern.

So wie Kant davon spricht, dass es keinen Krieg geben dürfe, wohlwissend, dass die

Sanfroma Wunsch ist. Er öffnet der Menschheit damit aber einen hoffnungshorizont Institutionen

aufzubauen, die Frieden schaffen können.

Ich wollte erst einmal beschreiben, dass Verzweiflung ein Zerrbild ist, das nur das

negative Zeit. Und da legen, wie man es schafft, aus dieser Dialektik herauszukommen, in der

man verleitet ist, alles negativ zu sehen.

Für Eltern mit Kindern, die an solchen Ängsten leiden, habe ich die Botschaft, dass deren

Ängste berechtigt sind. Sie haben keine psychische Erkrankung, die einem Psychate erfordert.

Die aktuelle Situation zwingt uns, der Realität ins Auge zu sehen und unsere eigene Verletzlichkeit

und die unserer Zivilisation zu erkennen und ganze Bereiche unserer Erziehung in Frage

zu stellen.

Ein psychischer Zusammenbruch ist eine normale Reaktion auf die heutige Situation. Es ist

das Gegenteil von Verleugnung. Oft geht man diesen Weg aber nicht bis zum Ende. Man

sucht Wunderlösungen oder hält sich an Gurus, die uns eine heilsbringende Ideologie anpreisen

oder man endet bei der Tyrannei des Guten.

Wenn man den Weg mit einer gewissen Demut durchsteht, erkennt man wertvolle Ansätze. Zuversicht

ist denn auch die Fähigkeit im heutigen Chaos und trotz aller möglichen Rückschritte

die einfachen zarten Vorboten der Veränderung zu sehen.

Dass man schon anzeichen, leichte Anzeichen sieht für das, was sie eine Utopie, eine Vision

nennen, ein Horizont wieder, aber man muss durch die Verzweiflung hindurchgehen, sie

sagen auch ...

Wenn möglich.

Die Verzweiflung ist überwundene Verzweiflung. Aber sind wir aus Gesellschaft schon soweit,

haben wir sozusagen den Fakten schon ins Auge gesehen und losgelassen und schon uns zugestanden,

dass das meiste nicht mehr zu retten ist?

Da wird es kompliziert. Viele Menschen, viele Politikerinnen und Politiker tun sich schwer,

ihren Herrschaftsdrang anderen und sich selbst gegenüber aufzugeben. Im ständigen Bemühen

um Kontrolle blenden sie ihre eigene Verletzlichkeit aus und verkrampfen sich auf sich selbst oder

eine Ideologie. Das ist eine starre Art, die Dinge zu sehen.

Es ist einfacher darüber zu schreiben, als es zu erklären. In der Philosophie dekliniert

man die Themen durch. Hier geht es um eine Haltung, die nicht spektakulär ist. Deshalb

ist das Bild von Charles Piggy, einem Dichter, der sehr jung gestorben ist, sehr gelungen.

Er vergleicht die Zuversicht mit einem kleinen, bescheidenen Mädchen, dass seine beiden großen

Schwestern hinter sich herzieht. Die Nächstenliebe verkörpert in einer Mutter und den Glauben

verkörpert in einer treuen Ehefrau. Zuversicht ist eine göttliche Tugend. Es geht mir um

diese Energie, die so unpräteziös daherkommt. Demgegenüber steht die Vorstellung einer

Lösung durch eine Ideologie, die alles verändert, aber eine Tyranneidesguten darstellt, in der

die Welt in reiner und unreine eingeteilt wird. Genau darum geht es. Zuversicht ist

letztlich die Öffnung für das Unerwartete, das vielleicht eintreffen kann. Man kann sie

unterdrücken, indem man sich dagegen stemmt und sich an Projektionen klammert. Ich erläutere diesen

Gedanken auch mit einer Geschichte, die ein Psychiater über einen seiner Patienten erzählt,

der sich umbringen wollte. Er geht in den Wald und zieht ein Wiesel und sagt sich,

du hast noch nie ein Wiesel gesehen, lass dir Zeit. So hat sich etwas in ihm verschoben.

All das negative um uns herum kann zu Verdrängung und Verleugnung führen,

zu sinnlosem Konsum, oder uns in unserer Hilflosigkeit in die Arme von Ideologien drängen,

die uns glauben lassen, wir seien mächtig. Wir delegieren unser Handeln an charismatische

Führer. Das ist der Nährboden für Populismus und Polarisierung. Ich versuche zu zeigen,

dass wir lernen müssen, es zuzulassen, von unseren vorgefassenen Ideen abzuweichen.

So öffnen wir uns für das Unerwartete. Sie sagen sogar noch mehr, sie sagen, es braucht einen Schock.

Sie haben natürlich von dieser Schwäche gesprochen, die wir auch akzeptieren müssen. Wir

sind verbundene Naturwesen, wir sind verletzlich, wir müssen nicht alles beherrschen, weg von diesem

Herrschaftsdrang. Aber sie schreiben im Buch, es braucht so etwas wie einen Schock. Was wäre das?

Wie könnte das auch sein? Es gibt ja schon reichlich die Shocks. Mit dem Ausbruch eines neuen

Krieges in Europa etwa. Die große Frage aber ist, wie man von Bewusstsein ins Handeln kommt. Von

der Theorie zur Praxis. Jeder weiß um die globale Erwärmung und das Leiden der Tiere. Wir wissen,

dass wir unseren Lebensstil ändern müssen. Unsere Regierenden lassen sich immer noch Zeit

antworten zu geben, die den Herausforderungen gerecht werden. Man muss die Dinge zu sich

nehmen. Über ein Bewusstwerden, das nicht nur intellektuell ist. Über diese Art der Selbsttransformation,

die auch andere Interessen als unsere berücksichtigt, habe ich bereits in meiner Ethik der Wertschätzung

geschrieben. Es ist bisher wenig passiert. Wenn wir eine reifere Gesellschaft und reifere Menschen

wollen, braucht es sicherlich Regeln und Vorschriften. Vor allem aber braucht es Menschen, die sich eine

andere Art des Zusammenlebens wünschen und sich mit ihrer Endlichkeit und ihrer Verletzlichkeit versöhnen,

was natürlich schwierig ist. Dabei werden uns große Erschütterungen und Leid nicht erspart bleiben.

Wie aber geht man mit diesem Leiden um? In diesem Text, der ein wenig literarisch daherkommt, versuche ich zu zeigen,

was man tun kann. Ich spreche über die Gefahren, aber auch über den Wechsel von der dunklen Nacht zum

ersten zarten Licht, das alles verändert. Ich möchte jetzt noch ein bisschen von diesem Buch weg,

weil Sie haben ganz viele andere große, dicke, schöne Bücher geschrieben. Etwas, das auffällt,

ist der Körper, dass der immer ganz wichtig ist bei Ihnen, auch die Ernährung zum Beispiel. Wir

müssen mal über dieses Menschenbild sprechen, dass Sie haben und wo Sie denken, das brauchen wir. Wir

brauchen einen Wandel wie eine geistige Revolution, ein neues Menschen- und Naturverständnis. Und Sie

sagen, die Trennung zwischen Kultur und Natur, zwischen Mensch und Tier, alle diese Trennung,

die müssen wir eigentlich aufheben oder aufweichen, einheben. Können Sie das erläutern?

Tatsächlich ist der Dualismus von Natur und Kultur, Mensch und Tier, Vernunft und Gefühl

der Kern des Problems. Und er wird heute auch angeprangert. Ökologie beschränkt sich nicht nur

auf den Kampf gegen die globale Erwärmung. Sie hat diese anthropologische, spirituelle

Dimension, von der Sie sprachen. Sie verlangt, dass wir unsere Beziehung zur Natur anders denken.

Wir sind kein Reich in einem Reich, wie es das Wort Umwelt suggeriert, als ob wir von etwas

Fremdem umgeben werden, sondern leben im gegenseitiger Abhängigkeit von anderen Lebewesen und von den

Elementen, der Luft, dem Wasser. Ich und da bin ich nicht allein, versuche seit mehr als 15 Jahren

eine Existenzphilosophie zu entwickeln, die einer ökologischen und tierfreundlichen Ethik den Weg

bahnen kann, ausgehend von der Kondizie humana. Insofern sie nicht nur mit dem Intellekt und der

Freiheit, sondern auch mit dem Körper verbunden ist. Was aber ist diese Körperlichkeit? Sie erschöpft

sich nicht darin, einen Körper zu haben und sterblich zu sein. Es ist die Idee des Sichfügens,

einer Verletzlichkeit angesichts des Sterbens, der Schlaflosigkeit, der Schmerzen, des psychischen

Leidens. Dinge, über die ich keine Kontrolle habe. Dazu kommt noch als andere Dimension die Ernährung,

die Einverleibung. Alles wovon ich lebe, Essen, Luft, Wasser, unterstreicht, dass meine Existenz

nicht nur eine Projektion ist. Sie ist nicht nur verbunden mit Freiheit, sondern auch mit Genuss

und der Abhängigkeit von Lebensmitteln. Sie hat eine Materialität. Will man die Verletzlichkeit und

die Materialität der Existenz ernst nehmen? Dann stehen der Schutz der Biosphäre als Voraussetzung für

meine Existenz, die Zugehörigkeit zu anderen Lebewesen und die Berücksichtigung der Bedürfnisse

der anderen und von uns selbst, im Mittelpunkt der Ethik und der Politik, die dann kein Spiel unter

uns Menschen mehr ist. Die Körperlichkeit wirft ein Licht auf ein Mensch sein, das mit Empfänglichkeit,

Hinnahme und Genuss verbunden ist. Daraus leite ich bestimmte normative Konsequenzen ab,

um einen neuen Gesellschaftsvertrag zu denken, der sich nicht nur mit der Sicherheit zwischen uns

und der Aushandlung unserer Freiheiten befasst, noch mit dem Abbau von Ungleichheiten, die im

klassischen Gesellschaftsvertrag bereits sehr wichtig sind, sondern der die Ökologie und die

Gerechtigkeit anderen Lebewesen gegenüber ins Zentrum stellt. Genau, das heißt, wir leben in

mitten, wir sind ein Stück Natur in mitten von Natur. Wir leben in einem großen Ganzen, wir

sind verbunden, wir sind abhängig, wir essen Tiere, Pflanzen, wir bestehen letztlich. Aus all dem,

das schreiben Sie in diesem Buch, wovon wir leben. Was sagt denn jetzt, jetzt essen ja immer noch viel,

Sie selbst sind Veganerin, Sie essen keine tierlichen Produkte schon länger, jetzt essen ja immer noch

viele von uns Tiere aus Mastentierhaltung, Fleisch, Käse, Milch und so weiter. Was sagt das über

uns aus, dass wir mit dieser Art von Ernährung? Der Verzehr von Fleisch ist offensichtlich ein

ethisches Problem. Ethik ist keine rein intellektuelle Disziplin auf Grundlage von Prinzipien und

Methoden. Sie nähert sich aus unserer Existenz. Leben ist immer Leben von und Leben mit. Ich

esse und habe dadurch einen Einfluss auf diejenigen, die die Nahrungsmittel produzieren und auf das,

was ich esse oder eben nicht esse. So ist Ethik der Platz, den ich anderen Menschen und

Lebewesen einräume. Nahrung ist Einverleibung, also nicht etwas, was ich einfach so benutze,

sondern etwas, worauf mein Leben gründet. Ich spreche von Nahrung und meine damit nicht nur

Ressourcen, sondern alles, worvon wir leben. Wir sehen, dass die Ernährung weitestgehende

soziale Auswirkungen hat. Nebst einer ethischen Dimension hat sie auch eine wirtschaftliche Dimension.

Sie wirkt sich auf die Ressourcenverteilung und, man denke an die Sojaproduktion, auf Dinge wie die

Abholzung in bestimmten Ländern aus. Der Fleischverzehr bringt große Kosten für Wasser und Umwelt,

Tiere und ihre Lebensbedingungen. Eine Bevölkerung von fast 8 Milliarden Menschen,

die Fleisch essen, erfordert eine Massentierhaltung mit den bekannten Folgen für die Tiere.

Ernährung hat aber auch eine sehr intime Dimension der Lust und der Erinnerung,

wie bei Prust und Sanhamadlain. Auch die Emanzipation kann in unserer Ernährungsweise

verortet werden, was sich bei vielen jungen Leuten oder auch bei mir zeigt. Über unser Essen

bezeugen wir, wer wir sind. Wir verbinden dies mit unseren Überzeugungen und legen davon Zeugnis ab.

Das ist meiner Meinung nach sehr wichtig. Es eröffnet einen Hoffnungshorizont und bedeutet,

dass die Zukunft nicht starrer ist. Auch wenn diese kleinen Zeichen an sich nicht ausreichen,

sagen sie damit doch, ich akzeptiere diese Welt so nicht. Ich akzeptiere nicht,

dass das Blut von Tieren auf diese Weise vergossen wird. Das beweise ich jeden Tag durch

mein Leben und meinen Körper, ohne jede tyrannische Anmassung. Aber es ist trotzdem wichtig.

Sie haben nach ein Manifest für die Tiere geschrieben, wo Sie konkrete Vorschläge machen.

Ich habe mich gefragt, wenn wir nur ein Lebewesen in Mitten von anderen Lebewesen sind,

kann man dann auch sagen, dass der Wert eines Menschenleben höher ist als der Wert eines

Tieres. Wie grenzen Sie sich da ab oder was ist Ihre? Für mich und ich denke auch für die

Öffentlichkeit ist das eine grundlegende Frage. Ich sehe den Menschen als einzigartig. Wir haben

Wünsche, in denen sich unsere Vorstellungen spiegeln. Wir verorten uns in der Geschichte.

Es ist übrigens unser Glück, dass die Tiere sich nicht an all die Massaker erinnern,

die wir an ihren Vorfahren verübt haben. Wir sind von Historicität geprägt. All das macht uns

einzigartig. Wir sind wesengegenüberverantwortlich, deren Gesichter wir nicht sehen oder die noch nicht

geboren sind. Tiere tragen keine Verantwortung. Das ist nur einer der Unterschiede. Damit meine

ich nicht, dass der Humanismus mit der Tierfrage oder der Ökologie lebt oder stirbt, aber diese

Fragen erneuern den Humanismus. Ungeachtet seiner Spezifizität lässt sich der Mensch nicht

außerhalb der Natur denken. Nur wenn wir unseren Blick auf uns selbst und auf unsere

Freiheit ändern und uns für eine Freiheit einsetzen, die unsere Verantwortung anderen

Lebewesen und der Natur gegenüber mitdenkt, können wir die Natur schützen. Dieser Humanismus

ist ein Humanismus der Andersartigkeit und der Vielfalt. Die anderen lebenden Formen die Welt,

schrieb Maurice Merleau-Pontier, der Tiere als andere Existenzen sieht und nicht als nützliche

Dinge. Auch sie kennen Ungewissheit. Die Dinge fallen ihnen nicht einfach zu. Ihr Verhalten,

auch wenn wir es nicht immer verstehen, hat Bedeutung. Realität und Menschsein lässt sich

also durchaus unterschiedlich erschließen. Sie sagten dieses Manifest für die Tiere,

politisiere die Tierfrage. Nun, sie ist an sich wichtig, hat aber eine Beziehungs- und eine

strategische Dimension. Sie wirft ein Schlaglicht auf das, was aus uns geworden ist und auf ein

Wachstumsmodell, das auf der unbegrenzten Ausbeutung der Natur und anderer Lebewesen beruht. Bis hin

zu der Tatsache, dass wir die Art und Weise, wie wir Tiere halten und töten, aus Scham verbergen

müssen. Es ist sehr schwer der Realität des Tierleids ins Auge zu sehen. Es macht einen

fast verrückt. Wie soll man damit umgehen? Ich habe versucht, auf demokratischer Weise

rechtliche und politische Instrumente zu finden, die es ermöglichen, in einer Demokratie, die

auf unterschiedlichen Interessen und Vorstellungen beruht, die Verbesserung des Zustands der Tiere

möglichst radikal in Angriff zu nehmen und gleichzeitig den socioökonomischen Kontext zu

berücksichtigen. Ich möchte in dieser Frage vorankommen, weil es um einen Hoffnungshorizont

und um den moralischen Fortschritt geht. Gleichzeitig gibt es enorme Blockalen.

Genau, und es ist etwas, das viele von uns mit einem geschlechten Gewissen tun. Und die ist

diese Entfremdung da. Wir konsumieren diese tierischen Produkte und wir wissen nicht genau,

noch fast niemand von uns hat ein Tier selbst getötet und ihm die Augen geschaut und sie haben

uns angesprochen, dieses Gesicht auch. Und das ist etwas sehr Wichtiges auch für Sie in der

Tradition. Sie sind Philosophie-Professorin in Paris, Gustav Eiffel, Universität. Sie haben

die Phänomenologie erwähnt, das ist eine philosophische Richtung. Die Merlopontier haben

Sie erwähnt, für den den Körper sehr wichtig ist, die Phänomene, das Aufspüren. Und eine wichtige

Figur, ein Vordenker von Ihnen, ist Emmanuel Levinas, ein litauisch-französischer Philosoph. Und

für den war das Gesicht, das Antlet, sehr entscheidend. Er sagt, das ist die Wurzel der

Moral und auch unserer Verantwortlichkeit. Und das geht wahrscheinlich auch für Tiere. Was er damit

genau meint, das hören wir mal selbst kurz zu. L'autre homme, qui de prime abord, fait partie

de l'ensemble, qui sont toutes m'est donné, comme les autres objets, comme l'ensemble du monde,

comme le spectacle du monde. Und l'autre homme perce en quelque manière, cet ensemble,

précisément pas son apparition comme visage, qui n'est pas simplement une forme plastique,

mais qui est aussitôt un engagement pour moi, un appel à moi, un ordre, un ordre pour moi,

de me trouver, je dirais, au service de ce visage. Et c'est ça que j'appelle, cette

manière de commander du visage, c'est ça que j'appelle, la parole des dieux dans le visage.

Also, der appel, der Befait, das Gebot sieht man im anderen, im Gesicht, da ist die Moral zu Hause.

Für Levinas ist das Antlitz nicht das physische Gesicht, die Nase der Mund. Es ist der Andere,

der nicht ein Exemplar seiner Gattung Mensch ist. Es ist seine Andersartigkeit, die man nie ganz

umfasst. Er ist immer mehr als das, was ich von ihm sehe und weiß. Er ist nicht wie ein Tisch,

dessen Definition ich im Wörterbuch nachschlagen kann. Sie macht dieses Rätsel der Andere,

oder? Ja, genau. Man begreift ihn nie ganz und deshalb ist der Andere transzendent. Er ist

fenomenologisch erkennbar, ich kann ihn begegnen, aber sein innerer Reichtum, seine Bedeutung,

übersteigen seine Phänomenalität, sein Gesicht. Darin liegt ein Paradox. Ich sehe ihn,

das ist eine Erfahrung. Sie unterstreicht aber gleichzeitig die Grenzen meiner Fähigkeit zu

erkennen, zu erfassen, zu beherrschen. Das führt mich in eine ethische Dimension.

Die Ethik hat nichts mit geben und nehmen, mit verstehen, wissen, Subjekt und Objekt zu tun.

Das führt zu einer Erschütterung. Ich bin nicht alleine, sondern es gibt einen Anderen, der

mir entgeht. Er ist da mit seinem Gesicht, dass ich ihn nicht erfassen kann und das streicht die

Tatsache, dass er meine Fähigkeiten übersteigt. Damit wird Mord oder Gewalt, der Versuch, den Anderen

zum Schweigen zu bringen, zu einer großen Übertretung, da ich mir Macht über etwas verschaffe,

dass meine Möglichkeiten übersteigt. Es ist schwierig, im Angesicht eines Anderen zu stehen,

der mich so von meinem Podest stößt, weil ich begreife, dass ich nicht allein auf der Welt bin.

Natürlich schreibt Levinas den Anderen Tieren kein Gesicht zu. Wie ich sage,

der sind Mensch und Tier unterschiedlich. Tiere übernehmen keine Verantwortung für uns,

aber sie sind zumindest Objekte unserer Verantwortlichkeit. Davon ausgehend fragte ich mich,

was unser Gebrauch von Anderen Lebewesen über uns aussagt. Welches Licht es auf uns wirft?

Inwieweit das, was geschieht, sich in unserem Gesicht widerspiegelt und zeigt, wer wir sind?

Das gilt natürlich auch für die Tiere. Wir haben hier ein Bild mitgebracht, zum Beispiel von einem

Schwein, eingesperrt hinter Gittern. Und man kann ihm in die Augen schauen. Viele kennen dieses

Erlebnis erst so vielleicht bei Menschen offen, wo man spürt. Es tippt da jemanden hinter seinen

Ohren. Ein Wesen, das lebt und leben will, eine Subjektivität hat. Sein Leben in der ersten

Person lebt, keine Maschine oder Sache ist und daher meinem Recht über es zu verfügen

grenzensetzt. Das ist die eigentliche Definition von Ethik und von Gerechtigkeit. Man sieht also,

dass die Phänomenologie, was wir erfahren, wie wir anderen Menschen begegnen, was wir essen,

wo wir wohnen, welchen Platz wir einnehmen, ein Licht auf unsere Kondition humana wirft.

Unser Menschsein ist sehr reich. Existieren bedeutet nicht nur, Projekte zu haben,

sondern Platz einzunehmen, die Erde zu bewohnen, mit anderen Menschen und Lebewesen zusammenzuleben,

zu essen. All das beinhaltet, anderen Menschen und Nichtmenschen Platz zu lassen oder nicht.

Es sagt, ob man bereit ist, sie für eine Scheibe Gänse lieber Pastete leiden zu lassen.

Die Phänomenologie impliziert die Strukturen unserer Existenz. Es geht nicht um Werte. Das Problem

der Moral besteht, wie im Chancen von Léofférée darin, dass sie immer die Moral der anderen ist.

Sie ist subjektiv und nimmt doch für sich in Anspruch Recht zu haben. Viele Bereiche unserer

Existenz sind sozial und kulturell bestimmt, aber es gibt trotz all dem nur einen Planeten.

Wir alle werden geboren, wir alle sterben, wir sind alle hungrig und durstig. Aus der

Beschreibung unserer existenziellen Bedingungen ergeben sich auch Strukturen einer Existenz,

die dem ökologischen Denken etwas bieten können.

Das ist interessant. Sie sagen, dass wir alle lebendigen, alle Lebewesen einbeziehen,

dass wir abhängig sind von ihnen, dass wir ein Miteinander brauchen und nicht dieses

Herrschaftschema. Die Wurzel davon liegt auch zum Teil in der Aufklärung. Sie sagen in einem

ihrer Bücher, wir brauchen eine neue Aufklärung. Was ist denn kurz gesagt falsch gewesen an der

alten Aufklärung, die wir kennen? Es stellt sich zuerst einmal die Frage, ob wir nach Auschwitz

Hiroshima dem Verbrechen der Kolonialisierung und angesichts unserer Schwierigkeiten die Technologien

zu beherrschen und der Umweltzerstörung überhaupt noch von der Aufklärung selbst eine

neuen Aufklärung sprechen sollten. Viele Umweltschützer sehen in der Aufklärung die

Wurzel all unserer Probleme. Das sehe ich nicht so. Bestimmte Dinge gilt es zu bewahren. Allerdings

in einer Aufklärung, die aus der Asche der alten Aufklärung entsteht, mit ihren kolonialen Verbrechen,

dem hegemonialen Gehabe insbesondere des Westens, der sich hinter allgemeinen Prinzipien versteckt,

um einen Lebensstil durchzusetzen. Auch der Dualismus, Natur, Kultur, den man in der Aufklärung

findet, muss ernsthaft hinterfragt werden. Sie sprachen von der Notwendigkeit einer neuen

Aufklärung. Nun, die Aufklärung ist eng verbunden mit einem Projekt der Emanzipation. Individuelle

und kollektive Aufklärung ist eine Haltung, bei der die Zukunft nicht festgeschrieben ist. Sie ist

keine Doktrin, sondern die Art und Weise, wie Menschen zu jeder Zeit und auf jedem Kontinent

ihre Gegenwart betrachten, um Gefahren und Herausforderungen zu erkennen. Zu bewahren gilt

es Ideen wie Autonomie und Freiheit, den Aufbau einer Gesellschaft nach dem Prinzip der Gleichheit

und nicht basierend auf einer essenzialistischen, hierarchischen Ordnung, welche die Versklavung

eines Teils der Menschheit rechtfertigen würde. Aber natürlich muss man vieles überarbeiten,

was heute verstaubt daherkommt und schlecht in die heutige Zeit passt. Autonomie und Freiheit

müssen im Lichte unserer gegenseitigen Abhängigkeit, unserer Verletzlichkeit gedacht werden.

Ich habe versucht zu zeigen, dass eine neue Aufklärung nicht die Anwendung vergangener

Prinzipien auf die gegenwärtige Situation ist, sondern einen Sprung erfordert, ausgelöst

durch diesen Schock der Einsicht in die Destruktivität des Menschen und der Verantwortung

gegenüber der mörderischen Vergangenheit des Westens.

Der Schlüssel zur neuen Aufklärung liegt in einer Überwindung des Dualismus von Natur

und Kultur, eine Aussöhnung von Vernunft und Gefühl. So wird die Ökologie zu einer emanzipatorischen

Kraft. Es geht nicht nur um den Kampf gegen den Klimawandel, sondern wirklich um eine

andere Art, den Menschen in seiner Beziehung zu anderen zu denken. Es geht um die Andersartigkeit,

die Materialität unserer Existenz.

Das ist interessant, ja. Das ist auch Ökologie, ein Teil der Emanzipation ist, weil dieses

vermeintlich andere, das wir Natur nennen, das sind wir selbst. Wir sind Teil davon, wir

sind abhängig davon. Und Sie sagen, aus einer weiblichen Perspektive ist das Einleuchten,

dass der Körper zentral ist. Sie schreiben zum Beispiel, dass die Wechseljahre, das Klimakterium,

ist für sie auch eine Metapher für den Klimawandel, für all diese Metamorphosen, die wir aus

Gesellschaft durchlaufen müssten, wenn wir das überstehen wollen. Also diese neue Aufklärung

ist, wenn ich sie richtig verstehe, auch irgendwie eine weibliche Aufklärung.

Bei dieser Metapher gefällt mir zunächst einmal der dynamische deutsche Begriff Wechseljahre.

Ich wollte damit eine Prise Humor in das Buch, die durch Querung des Unmöglichen einsteuern.

Dass er mit negativen Dingen, mit Depressionen beginnt, betonen wollte ich die emanzipatorische,

aber auch die freudige Dimension des Reifens und der Metamorphose, die einen Akzeptanz

lehrt. In den Wechseljahren erhitzt sich so einiges, wie beim Klima, aber man muss

akzeptieren, dass einige Dinge zu Ende sind. Das kann aber auch eine Chance sein, wenn man

sich von Denkschemas löst, die einen Glauben machen, dass eine Frau ab 30 oder 40 in den

Welt gehört oder kein interessantes Leben mehr hat.

Es war also eine Art Feminismus, der sich nicht gegen Männer richtet, sondern auf der etwas

anderen Erfahrung von Zeit beruht, die Frauen durch ihre Körperlichkeit haben.

Die neue Aufklärung ist ein kleines Kapitel dieses Buches. Mein Anspruch ist aber ein universalistischer.

Ich versuche mit dem phänomenologischen Ansatz, der Beschreibung der Konditie Humana,

intellektuelle Werkzeuge mit einer universalisierbaren Dimension herauszuarbeiten, die somit auch zu

Werkzeugen anderer Kulturen werden können. Kontextbezogen und wertfrei, was sehr wichtig ist.

Die Aufklärung ist aber auch ein politisches Projekt, eine intellektuelle Struktur. Es ist

eine Haltung, die Gegenwart zu hinterfragen und durch das Erkennen von Gefahren und

Herausforderungen die Vorstellung einer Energie zu erhalten. Durch kritische Reflexion kann

man das Wert neu ausrichten. Trotz aller Dramen und aller Tragik ist nicht alles verloren.

Sie ist ein politisches Projekt, eine Form der Demokratie, die aber der Transformation

bedarf und sich nicht auf gegebene Institutionen noch nicht einmal auf die Idee eines Volkes

stützen kann. Diese Idee einer demokratischen Lebensform geht davon aus, dass das Gemein wohl nicht

a priori feststeht, sondern immer ausgehandelt werden muss. Anstelle von abstrakten Schemas

und Ideologien braucht es Experimente in der Landwirtschaft, der Erziehung und der Pflege,

welche Möglichkeiten ausloten, die Bewirtschaftung der Felder und die Viehzucht anders zu organisieren

als mit diesem Kriegsdenken.

Die Umkehrung von Fortschritt in Rückschritt, von Rationalität in Irrationalität, die sich

so klar manifestiert hat, ist im Rationalismus eine Aufklärung begründet, die diese körperliche

Dimension vergessen hat. Sie hat sich mit einem Herrschaftsdenken verbunden, das sich auf drei

Ebenen zeigt. Eine Herrschaft über andere, eine Herrschaft über die Natur außerhalb von

uns selbst und eine Herrschaft über unsere eigene Natur. Alles hat sich in Krieg verwandelt.

Die Landwirtschaft, die Viehzucht, die Beziehung zur Natur, zum Lebendigen, die Politik, die

Arbeit unter Konkurrenz. Diese Denkmuster lassen sich natürlich nicht einfach so abschaffen.

Sie sind so tief in unserer Vorstellung verankert, dass selbst diejenigen, die die Herrschaft

anprangen, sie fortsetzen.

Es braucht einen ziemlich radikalen Wandel, voruten Sie, also diese Transformation,

die ist gesellschaftlich, die ist mental von unserem Mindset her, von der Einstellung,

um dieses Herrschaftsschema zu ersetzen gegenüber dem, was sie Wertschätzung nennen.

Interessant fand ich im Buch, wo Sie schreiben, die Landwirtschaft, die Archikultur ist ganz,

ganz zentral. Das ist wie die Bauern, Bäuerinnen sind die neuen Pioniere dieser neuen Aufklärung.

Warum ist das so?

Die alte Aufklärung, aber auch Marx, waren stark auf die Städte ausgerichtet.

Fortschritt gescheinter Stadt, für und durch die Menschen der Stadt.

Die Landwirtschaft ist oft das Problem und die Lösung.

Wir sehen oft nur das Problem.

Ähnliches gilt übrigens auch für die Energiewende, für die sich heute jeder interessiert.

Aber die Ernährungsumstellung, unsere Wohnformen und unsere Art, das Land zu bewirtschaften,

werden oft vergessen.

Einige wenige haben sich von einem produktivistischen Schema emanzipiert,

um eine ökosystemorientierte Landwirtschaft, etwa in Form der Permakultur zu betreiben.

Diese Pioniere der Aufklärung im Zeichen des Lebendigen sind erste Signale für eine Emanzipation,

die auf lokaler Ebene beginnt und tugendhafte Arten der Produktion,

die in der Landwirtschaft verwendet werden.

Davon profitieren die Beziehung zur Natur, zu den Tieren, aber auch das Miteinander.

Das ist alles nicht spektakulär und bleibt oft unerwähnt.

Ich habe versucht zu zeigen, dass die Landwirtschaft im Mittelpunkt der Nation

und die Menschen, die in der Landwirtschaft verwendet werden,

was wichtig ist.

Denn die Beihilfen der gemeinsamen Agrarpolitik, der EU,

fließen fast ausschließlich in die intensive Viehzucht

und die konventionelle Landwirtschaft.

Um das etwas konkreter noch zu machen, Sie haben das Stichwort erwähnt, Permakultur.

Das wäre jetzt eine Form gegen diese industrielle Landwirtschaft,

gegen die Monokulturen, wo man versucht Vielfalt anzubauen,

auch die natürlichen Kreisläufe zu nutzen.

Und dass man das ein bisschen besser versteht,

schauen wir uns kurz einen Film dazu an.

Permakultur gilt als Gegenmodell zur industriellen Landwirtschaft.

Das Prinzip Vielfalt statt Monokultur.

Die in den 70er Jahren entwickelte Anbaumethode

soll die Kreisläufe der Natur nachahmen.

Mit einem ausgeklügelten System werden die unterschiedlichsten Gewächsen

nebeneinander angepflanzt.

Haselnussbäume und Bärensträucher, Kräuter und Zierblumen.

Laut einer aktuellen Studie in 45 Permakulturbetrieben

werden im Schnitt pro Farm 42 Pflanzenarten vereint.

Diese Vielfalt ist der Schlüssel.

Sie macht Pflanzen robuster und weniger anfällig für Schädlinge.

Zugleich entstehen fruchtbare Böden.

Monokulturen dagegen sorgen für ausgelaukte Nährstoffarmeböden.

Durch abgestorbenes Pflanzenmaterial bildet sich Humus.

Und der ist als gigantischer Speicher von CO2 auch gut für das Klima.

Doch bislang hat sich Permakultur nur in den kleineren Gärten bewährt.

Und der Anbau verlangt viel Handarbeit.

So scheint es mehr etwas für Liebhaber und Kleingärtner zu sein.

Nicht vergleichbar mit der konventionellen Landwirtschaft,

bei der große Maschinen, Pestizide und riesige Felder für maximalen Ertragsorgen.

Ist das der einzige Weg, um die wachsende Weltbevölkerung zu ernähren?

Befürworter sind überzeugt.

Auch mit Permakultur lässt sich Obst und Gemüse in großen Mengen produzieren.

Denn die Anbaumethode hat zwei große Vorteile.

Erstens, der Humus sorgt auf dauerverhöhere Erträge.

Und die Anordnung im System macht Pflanzen widerstandsfähiger.

Zweitens, der Anbau ist auch auf kleinsten Flächen möglich, sogar mitten in der Stadt.

So entsteht ein Zuwachs an landwirtschaftlicher Nutzfläche.

Gute Gründe, die Permakultur zu einer vielversprechenden Alternative zu machen.

Ja, Frau Bédichon, ist das dieses Konzept der Permakultur etwas, das Ihnen Hoffnung macht?

Kann man das breitflächig einsetzen? Wäre das eine Form der Lösung?

Es ist auf jeden Fall eine sehr schöne Perspektive.

Aber es gibt nicht nur die Permakultur.

Ich sehe es als ein Zeichen der Hoffnung.

Lassen Sie uns zum Schluss noch ein bisschen existenziell reden, existenziell philosophisch.

Weil Sie sagen, es braucht natürlich diese Stellschrauben in der Politik, die man drehen muss.

Aber es muss auch in unserem Kopf ganz vieles passieren.

Wir müssen unsere Sterblichkeit akzeptieren.

Wir brauchen einen anderen Umgang mit dem Tod, mit Grenzen.

Und wenn wir das nicht schaffen, nützt alles andere nichts.

Das ist richtig.

In der Vergangenheit legte ich viel Gewicht auf das Selbstwertgefühl

und die Freude an Veränderungen, im Lebensstil, in der Ernährung,

nicht nur aus einer ethikten Sollenz heraus.

Das Thema der Verletzlichkeit war mir wichtig.

Im Buch, an dem ich gerade schreibe, spielt unsere Beziehung zum Tod eine entscheidende Rolle.

Der Tod ist schwierig, wie man bei Kierkegaard oder Ernst Becker nachlesen kann.

Der Umgang damit ist geprägt von Verleugnung.

Die Religionen haben diese Todesangst gelindert,

indem sie den Menschen den Glauben an ein Leben jenseits des Todes schenken.

In unserer Gesellschaft funktioniert das nicht mehr.

Der Schrecken des Todes und seine Verleugnung bringt die Menschen dazu, zu konsumieren.

Sich paradoxerweise in der Gegenwart einzuschließen oder sich zu sagen,

es ist erschreckend, wie machtlos ich bin.

Es ist besser, mich einem charismatischen Führer anzuschließen,

dessen Allmacht es mir ermöglicht, mich durch ihn als ein jemand zu fühlen.

All diese Berichte über das Klima oder die Gesundheitskrise

müssten den Menschen eigentlich die Augen geöffnet haben.

Das Gegenteil ist der Fall.

Schlechte Nachrichten reaktivieren unsere Todesangst

und die Abwehrstrategien, die wir dagegen verwenden.

So verstärkt wird es,

dass die Menschen, die in dieser Situation sind,

die wir dagegen verwenden.

So verstärkt sich die Polarisierung.

Man fühlt sich durch den Widerstand oder den exzessiven Konsum lebendig

und entgeht dem Gefühl der Ohnmacht.

Ich wende mich heute in meiner Arbeit stärker den zentralen Themen des Existenzialismus zu,

dem Absurden, der fehlenden Daseinsberechtigung, der existenziellen Verlassenheit,

der Notwendigkeit, sich selbst zu finden, allein und ohne Entschuldigung, wie Sartre sagt,

überhaupt eine Rechtfertigung und einen Sinn für sein Existenz zu finden.

Man muss sich selbst eine Justifikation an seine Existenz und einen Sinn an seine Existenz finden.

Das Absurde rettet uns aus der Verzweiflung.

Es erhöht unser Dasein, es bohrt und drängt, uns unserer Verantwortung bewusst zu werden,

allein und ohne Entschuldigung und die Konsequenzen unserer Handlungen zu tragen.

Die aktuellen wirtschaftlichen und sociopolitischen Krisen, wobei das Wort zu schwach gewählt ist,

die grundsätzliche Infragestellung durch die Möglichkeit unseres Scheiterns, des denkbaren Zusammenbruchs.

All das zwingt uns dazu, uns mit unserer Verlassenheit und der Ungewissheit auseinanderzusetzen.

Nichts lässt sich im Voraus planen.

Man sollte sich deshalb vor Menschen hüten, die Patentrezepte haben und wissen, was die Zukunft bringt.

Der Existenzialismus ist eine Ressource, auch in Bezug auf unser Verhältnis und unseren Umgang mit dem Tod.

Worin liegt sein Sinn?

Er bedeutet nicht nur das Ende meiner Existenz, sondern macht auch mein Lebenswerk zunichte.

Mein Tun und mein Werk werden vergessen gehen.

Dieses Gefühl der Wertlosigkeit ist ohne den Glauben an eine Belohnung durch das Paradies sehr schwer zu akzeptieren.

Wie soll man damit umgehen?

Ich denke nicht dadurch, dass man das Gefühl betäubt.

Ich sehe es nicht als meine Aufgabe, dafür den Rahmen zu schaffen.

Die großen Staatsmythen oder die Ökologie als großes Narrativ drohen die Menschen weiter zu entfremden.

Nein, ich rate dazu, sich ihm zu stellen, im Wissen um die Zerbrechlichkeit des Lebens.

Je älter man wird, desto bewusster ist einem wie wenig Zeit einem verbleibt.

Die Illusion der Allmacht, das Prästige und das Geld, die damit einhergehen, verpuffen.

Was bleibt, ist die Kostbarkeit des Lebens, des menschlichen Austauschs, Dinge, die man sich mit Geld nicht kaufen kann.

Das ist die Richtung, die man einschlagen muss.

Wie kann ich zu einer weniger schlechten Welt beitragen?

Wie kann ich in einer weniger schlechten Welt beitragen?

Hier wird der Existenzialismus zu einer Ressource.

Das ist umso wichtiger, als man heute die Tendenz hat, alles zu vermischen.

Menschen, Tiere und Mikroben, als wäre alles gleich.

Man lehnt also Freiheit und Humanismus ab, die Quellen der Einzigartigkeit und Kreativität.

Dabei ist es der Mensch, der ein anderes Wachstumsmodell einführen kann.

Der Existenzialismus wurde zu Recht beschuldigt.

Unsere geteilte Abhängigkeit und unsere Beziehung zur Natur, nicht ausreichend betont zu haben.

Lévinas ist in gewisser Weise mit Kierkegaard einer der Väter der Existenzphilosophie.

Wir müssen dieses Erbe neu ausfüllen mit seinem Engagement für die Freiheit

und neu betrachten, was der Tod mit dem Leben macht.

Die Schwierigkeit, unser Ende zu akzeptieren, kann einen neuen Daseinssinn eröffnen.

Man muss denn, wenn man sich in einer gewissen Welt beitragen will,

dann einen neuen Daseinssinn eröffnen.

Man muss den schlechten Nachrichten und dem Verlust ins Auge sehen.

Das wird helfen, die Irrwege der Tyrannie des Guten, der Ideologien oder das Weiter so zu vermeiden.

Das klingt alles sehr gut, was Sie sagen, aber auch sehr schwierig umzusetzen.

Die eigenen, den eigenen Tod zu akzeptieren, loslassen zu können.

Wir haben mit der Hoffnung angefangen, dieses Gespräch,

und Sie sagen, wir brauchen wieder einen Hoffnungshorizont.

Sie schreiben im Buch sogar vom Transzendenz.

Wir brauchen wieder einen Sinn für Transzendenz, für etwas, das über uns hinausgeht,

wofür wir einen Beitrag leisten können, eine Welt, die nach uns weitergeht,

zu der wir unser bestes beitragen.

Sie möchten das aber nicht religiös verstehen, wenn ich Sie richtig verstehe.

Welche Form von Transzendenz an welchen Formen denken Sie da?

Es gibt zwei Arten, Transzendenz zu denken.

Eine Transassendenz, bei der man sich zudem erhebt, was übernatürlich ist, Gott,

oder eine Transdissendenz, die nicht auf einen Gott ausgerichtet ist,

sondern bei der man in die Tiefe denkt,

absteigt in die Erkenntnis seiner selbst als fleischliches, verletzliches, sterbliches Wesen.

Durch diese Vertiefung wächst das Bewusstsein einer Welt an zu gehören,

die älter und größer ist als man selbst.

Eine Welt, die uns bei unserer Geburt aufgenommen hat

und die hoffentlich unseren individuellen Tod überdauern wird.

Eine Welt, die aus den gegenwärtigen, zukünftigen und vergangenen Generationen besteht,

aus einem natürlichen, technischen und kulturellen Erbe.

Dieses Bewusstsein einer gemeinsamen Welt an zu gehören,

die eine Transzendenz in der Immerlenz ist, wird zu einer Evidenz,

zu einem inkorporeerten gelebten Wissen, das alles verändert.

Denn wenn ich mir bewusst bin, einer Welt an zu gehören,

die größer ist als ich, die älter ist als ich,

wenn ich die Vorfahren spüre, die in meiner Existenz einfließen,

wenn ich Dankbarkeit für die politischen Kämpfe unserer älteren Generation empfinde,

die uns Dinge wie einen bezahlten Urlaub ermöglicht haben,

wenn ich tiefe Verbundenheit mit anderen Lebewesen spüre,

dann verspüre ich keine Lust, meine Herrschaft über andere auszuüben.

Ich habe von Transzendenz gesprochen als eine Erfahrung,

die ich durch meine Zugehörigkeit zu dieser geteilten Welt mache.

Sie erweitert mein Spektrum, meine Subjektivität.

Dadurch fügen sich Intellekt, Wissen, Präferenzen und Effekte,

die mich zum Handeln bewegen und mein Verhalten ineinander.

Man beobachtet ja ganz allgemein das Bewusstsein und Handeln

oft miteinander in Konflikt stehen.

Wenn man zur Natur als gelebte Realität zurückkehrt,

indem man die Natur nicht als Abstraktion,

sondern als Milieu betrachtet.

Der Begriff Milieu überwindet den Dualismus Natur, Kultur.

Er bezeichnet eine Landschaft in einer bewohnten Natur.

Indem man eine Beziehung zur Natur hat, zu den Tieren,

dann lernt man ein Ich zu sein, das nicht wie ein Reich in einem Reich ist.

Damit stellt sich die moralische Disposition,

sich um die Natur zu kümmern, ganz von selbst, mehr und mehr ein.

Wenn ich Ihnen zuhöre, klingt das für mich so,

als müssten wir unser Verhältnis zu uns selbst, als Menschheit,

als Menschen, aber auch zu der Natur,

sehr fundamental anders verstehen.

Das hat viel auch mit Demut zu tun,

dass wir kleine, unwichtige Wesen sind in der großen Natur.

Und im Deutschen gibt es diesen schönen Zusammenfall.

Demut, in diesem Wort steckt auch das Wort Mut, Mut drin.

Ist das vielleicht ein Schlüssel, um wieder Hoffnung zu finden,

Demut und Mut, das da ein selbes Wort drinsteckt?

Ganz kurz zum Schluss.

Wunderbar, man muss zwischen den Sprachen denken.

Tatsächlich denkt man bei Demut auch Mut mit.

Im französischen Humilität klingt dagegen Hummus an, die Erde.

Demut heißt, den Mut haben, seine Schwäche zu erkennen.

Demut ist schwierig.

Berna von Clairvaux hat sie mit einem bitteren Getränk verglichen.

Ich sehe sie nicht als Tugend,

sondern als eine Methode, die Hindernisse abbaut.

Unseren Stolz zum Beispiel,

wo sich Mut im Licht des Heldentums spiegelt.

Bei Mut denkt man oft an die Haltung eines Tappen von Soldaten.

Das ist das Gegenteil, Mut bedeutet, Schwäche zu akzeptieren.

Hier ist es die Tapferkeit zur Zerbrechlichkeit,

aber eben keine Schwäche.

Ähnliches geschieht bei der Macht.

Mich interessiert Macht, die nicht Herrschaft ist.

Unser Freund Spinoza hat zwischen Protesters und Potentia unterschieden.

Es gibt eine Macht,

die sich von der Politik,

institutionalisierten Macht unterscheidet.

Ich suche eine sanfte Art der Macht,

welche die Bitterkeit der Schwäche kennt.

Die Schwierigkeiten des Trotzdem,

die aber dennoch wieder handlungsfähig wird.

Aber die, die aber dennoch wieder handlungsfähig wird.

Die, die aber dennoch wieder handlungsfähig wird.

Die, die aber dennoch wieder handlungsfähig wird.

Wir haben mit der Zuversicht angesichts der Verzweiflung

über die Klimakatastrophe begonnen.

Ich habe eine Freundin, deren Sohn den ganzen Tag im Bett verbrachte.

Er wollte aufgrund der aktuellen Weltlage nicht mehr aufstehen,

nicht zur Schule gehen, nicht mehr lernen.

Er wollte gar nichts mehr, über Monate.

Er wies alle Manifestationen eines Angstzustands auf.

Das war alles andere als abstrakt.

Die Eltern wollten ihn zu einem Psychiater schicken.

Ich sah ihn eher als einen Kanarienvogel in der Kulamine.

Er hatte ihn gewisserweise ja recht.

Der Junge hat seinen Eltern gut getan,

weil er ihnen gezeigt hat,

dass all der Konsum, das Fliegen und all das nicht so toll sind.

Aber man muss auch wieder herausfinden,

weil dieser Zustand gefährlich ist.

Ich kenne die Gefahren,

weil ich als junger Mensch eine schwere Depression erlebt habe.

Aber wie schafft man es,

die Quelle dieses Gefühls der Hilflosigkeit,

nämlich die Liebe zur Welt, sprudeln zu lassen?

Wie schafft man es, jemandem ein Gefühl der Selbstachtung zu vermitteln,

dass ihm das kleine bisschen Energie gibt, um aufzustehen

und etwas anderes zu tun, als den ganzen Tag lang Zigaretten zu rauchen?

Und diese Energie, vielen herzlichen Dank.

Die wünschen wir allen und auch Ihnen,

um dieses fast Unmögliche durchqueren zu können

und weder eine Funkenhoffnung spüren zu können.

Vielen herzlichen Dank für dieses angeregte Gespräch.

Ich danke Ihnen.

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Die Folgen des Klimawandels und der Naturzerstörung machen vielen Angst. Wie schafft man es, trotz Klimakrise hoffnungsvoll in die Zukunft zu blicken? Und wie könnte eine ökologisch nachhaltige Welt aussehen? Darüber spricht Yves Bossart mit der französischen Philosophin Corine Pelluchon.

Hoffnung ist das Gegenteil von Optimismus, findet die französische Philosophin und Professorin Corine Pelluchon. Wahre Hoffnung entstehe aus Verzweiflung. Nur dann sei ein radikaler Neuanfang möglich, meint Pelluchon, die selbst jahrzehntelang unter Depressionen litt. Angesichts der Klimakrise fordert sie ein neues Verhältnis zur lebendigen Natur, zu Erde, Tier und Mensch: weg von der Herrschaft, hin zu mehr Wertschätzung.

Der Mensch sei ein Stück Natur, inmitten von Natur, und als solcher abhängig und verletzlich. Diese Demut helfe der Menschheit, sich neu zu erfinden. Wie eine solche ökologische Revolution aussehen könnte, warum es dafür eine neue Aufklärung braucht und was das alles mit Tod und Transzendenz zu tun hat, darüber spricht die bekennende Veganerin mit Yves Bossart.