LANZ & PRECHT: AUSGABE VIERUNDACHTZIG

ZDF, Markus Lanz & Richard David Precht ZDF, Markus Lanz & Richard David Precht 4/14/23 - Episode Page - 57m - PDF Transcript

Schön, guten Morgen Richard. Guten Morgen Markus. Wo erreiche ich dich? An altbewerter Stelle. Aber ich

wunder mich. Du bist zurück in Hamburg. Ich bin zurück. Du warst auf Fernreise. Ja, ich war wirklich

viel unterwegs in den letzten Wochen und deswegen habe ich oft an dich gedacht und dachte, jetzt

einmal für einen kurzen Moment bei Richard in der Keminate. Das heißt, das klingt so, als wären

die Reisen nicht nur entspannend gewesen? Nein, es war wahnsinnig interessant, aber es war nicht

ruhig und entspannt. Mit Ruhe und Entspannung hatte das nicht viel zu tun. Ich habe nur mitgekriegt,

dass du im Reich der Gaga-Usen warst. Du sprichst es korrekt aus. Da wusste ich vorher nicht, dass es

Gaga-Usen gibt. Ich hätte die irgendwie so eher so in den Bereich von Michael Ende einsortiert,

in den urenklichen Richten oder so. Ich auch. Die Gaga-Usen als die, die einem die Zeit stehlen

oder irgendwie sowas. Aber es gibt wirklich Gaga-Usen. Es gibt Gaga-Usen und du sprichst es auch

richtig aus. Es gibt Gaga-Usen und nicht Gaga-Usen, ja, wie man so lesen würde. Wir waren in

Moldau oder in Moldavien unterwegs. Das war wahnsinnig faszinierend. Allein die Anreise

dahin zu kommen und Gaga-Usien, wie es offiziell heißt, ist so eine kleine autonome Provinz mitten

in Moldau. Moldau ist ja auch eine Hinde, ein sehr kleines Land, zweieinhalb Millionen Einwohner.

Das ist so halb so groß wie Bayern. Ja, genau. Also Bayern könnte sozusagen zwei Staaten aus sich

machen. Doppelmoldau. Doppelmoldau, genau. Das ist Bayern. Zwei Staatenlösung für Bayern. Ja,

schön. Also die Franken und die Bayern. So, genau. Und Söder wird dann aber beides übernehmen.

Natürlich. Weil er ja Franke ist und in München ja auch schon am Start ist. Also er wird das beides

machen. Ich finde zwei Reiche sind das Mindeste, was man wie Söder regieren sollte. Das finde ich auch.

Das finde ich auch. Nee, und wir wollten dahin. Ich war dort mit Silke Gondolf unterwegs,

mit der ich auch die Amerika-Filme und den Russland-Filmen gemacht habe und England-Filmen

und so weiter. Und Silke ist ja, ich schätze die so als Autorin, weil die einfach immer so einen

ganz anderen Blick nochmal so auf die Dinge hat. Und wir haben uns vor einiger Zeit schon verabredet,

um uns Moldau mal genauer anzuschauen. Wusste eigentlich nicht viel über Moldau, aber ich

wollte da immer mal hin. Das ärmste Land Europas. Und das spürst du, wenn du da anreist. Allein die

Anreise, wir sind über Warschau und dann von Warschau nach Kishinau geflogen. Das ist die Hauptstadt

von Moldawien. Und dann landest du auf diesem sehr kleinen Flughafen. Du fliegst da ewig lang,

fliegst über so, ja, so hügelige Landschaft. Dann kriegst du so ein Gefühl dafür, je weiter es

dann nach Osten geht, was eigentlich so mit dieser Kornkammer Europas gemeint war. Du siehst dann

diese endlosen Felder, alles sehr landwirtschaftlich geprägt. Irgendwie auch unheimlich schön. Es ist

wie eine Zeitreise, wie zurück in die 70er, 80er Jahre. Und dann landest du auf diesem kleinen

Flughafen auch spektakulär, weil wir flogen an und Wetter, bester Sonnenschein, alles wunderbar.

Und kurz bevor wir landen, startet der Pilot durch. Keiner weiß, warum. Es wurde aber auch nie

erklärt, wurde auch nie gesagt, was da genau passiert ist. Wir treten einfach noch mal so

einen schönen Ziertel um Kishinau und irgendwann meldete sich der Pilot und sagte, Daddy's no

problem, we are about to land in the few minutes. Dachte okay, wunderbar. Ich bin einmal so leicht

panisch. Wir landeten dann auch, waren weit und breit, keine anderen Flugzeuge zu sehen. Und dann

erlebst du halt das, was du immer erlebst, wenn du in Länder kommst, wo die Dinge dann sehr

einfach sind, wo viele arme Leute sind. Du kommst dann raus und dann stehen ja diese ganzen Männer

und gucken dich an mit ihren großen Augen und hoffen, dass sie dir die nächste Taxifahrt verkaufen

können. Da weißt du dann schon immer, okay, das erlebst du so, wenn du in Ländern des Südens

irgendwo auch in Afrika zum Beispiel unterwegs bist. Da weißt du, Menschen brauchen Jobs und hoffen

darauf, dass die nächste Taxifahrt ihre ist. Und dann fährst du da rein in diese Stadt Kishinau.

Da gibt es ein paar moderne westliche Hotels und war auch überrascht davon, wie belebt das alles

so ist. Aber etwas fällt dir auf. Und jetzt habe ich erst im Laufe der Reise wirklich verstanden.

Die Städte sind leise. Das ist ruhig. Das ist wenig Verkehr. Genau, es ist wenig Verkehr. Es sind

vergleichsweise wenig Menschen unterwegs. Und du merkst dann irgendwann, das ist demografischer

Faktor. Das ist Demografie. Die bluten aus. Du bist dann auf dem Markt unterwegs und dann

triffst du sehr viele alte Leute, sehr viele Rentner, die dort auf dem Markt einkaufen. Gemüsegarten

Europas habe ich gerade gesagt. Wunderschön, was es da alles so gibt. Alles, was die Natur so hergibt.

Dann fängst du mal an, mit den Leuten zu sprechen in dieser Markthalle. Und dann fallen

dir zwei Dinge auf. Das erste ist, die Leute reisen teilweise von weit her an und versuchen irgendwie

ihre kleine K-Gerente ein bisschen aufzubessern. Rentner leben von 100 Euro im Monat. Und kommen

dann vom Land weit her, was sie selber irgendwie so anbauen und versuchen, das dort irgendwie ein

bisschen unter die Leute zu bringen. Das andere ist. Die sind die Preise, damit man diese 100 Euro

in ein Verhältnis setzen kann. Was die Preise genau angeht, natürlich sind die niedriger. Aber die

Inflation ist gigantisch. Die haben im Moment so kämpfen mit 30, 32, 33 Prozent Inflation.

Wo kommt das her? Also, das Wirtschaft geht so schlecht und so zu viel Geld gedruckt. Wirtschaft

und und der abgedrehte Gassahne aus Russland. Die haben ihre gesamtes Gas aus Russland gekriegt.

Richtig, richtig. Und die machen den richtig Druck. Da wird einfach Gas, Energie, wird als

Waffe angesetzt. Da musste dann die Regierung auch eingreifen, da die EU mitgeholfen, da

mehr Amerikaner mitgeholfen. Das kommt dann aus dem Westen jetzt mittlerweile. Auch die Stromversorgung,

die wurde schon zum Teil ähnlich wie in der Ukraine, auch vor dem Krieg bereits umgestellt.

Die haben das irgendwie kommen sehen. Es ist total interessant. Du raufst dir die Netze. Du kannst ja

die Energie nicht, nur mit LKWs dahintransportieren, Pro-Pandasflaschen. Ja, ist richtig. Aber

es gibt zum Beispiel einen Hafen im Süden von Moldavien, der mittlerweile die Funktion im

Wesentlichen des Hafens von Odessa. Odessa liegt ja, wenn du dort unterwegs bist, liegt keine 150

Kilometer entfernt. Da waren wir auch. Und der Hafen von Odessa, da kommst du nicht mehr rein.

Der ist ja von den Russen irgendwann bombardiert worden und da findet im Grunde nichts mehr statt.

Und ist jetzt alles ausgewichen auf diesem einen Hafen in Moldavien, also an dem Punkt profitiert

Moldavien dann auch, wenn du so willst, von diesem Krieg. Und du siehst Tag und Nacht diese gigantischen

LKW-Kolonnen, die eben in die Ukraine rein und wieder rausfahren. Die ganze Straße ist an

der einzige LKW-Kolonne und dann kriegst du mal ein Gefühl dafür, was es bedeutet, wenn man so

einen Krieg anzettelt, wenn man einfach hingeht und eingeübte Prozesse verkehrt. Klar, es war ja

jetzt die Tage, kam ja die Nachricht, die Ukraine hat einen Einbruch beim Bruttoinlandsprodukt um

30 Prozent. Richtig. Also ein knappes Drittel. Ja, ein knappes Drittel. Und das muss man sich ja nun mal

Spaßeshaber vorstellen. Also reich als Land wie Deutschland hätte ein Wirtschafts-Einbruch von

einem Drittel. Und dann überlegen, was das für so ein armes Land wie die Ukraine bedeutet. Richtig.

Richtig. Und auch für ein Land wie Moldavien zum Beispiel bedeutet, wenn du plötzlich explodierende

Energiepreise hast und auf die Art und Weise wird dann eben Politik gemacht. Und was eben,

das wollte ich gerade noch erzählen, du bist auf diesem Markt und es war irgendwie schön, das war

wie so eine Zeitreisungsrede, damit so alten Bäuerinnen, die von weit her angereist kommen. Ich gab eine

Szene, da habe ich eine alte Frau, die war vielleicht, glaubt, 82, 83, ich habe die dann fotografiert und

mit einem Gespräch fing sie plötzlich an zu weinen. Und ich habe sie dann gefragt, warum sie weint. Und

das war so, es hat mich wirklich angefasst, weil sie war von dieser Aufmerksamkeit irgendwie

überwältigt. Ja, es hat sie berührt, dass da Leute sind. Dass du dich für sie interessiert hast. Ja,

dass sie westliche Fernsehen wissen. Ja, es ging ja gar nicht ums Fernsehen. Das Fernsehen war

ihr egal. Aber einfach die Frage zu stellen, wie geht es dir eigentlich? Was ist eigentlich dein

Leben? Erzähl doch mal deine Geschichte. Und ich erlebe das oft. Gerade in so gebeutelten Ländern,

wenn du mit Menschen ins Gespräch kommst, die wirklich am unteren Ende der Gesellschaft irgendwie

durchkommen müssen. Die sind es nicht mehr gewohnt, dass man sich für sie großartig interessiert. Und

wenn du mit denen plötzlich sprichst, dann löst das manchmal bei denen was aus. Das war nicht das

erste Mal, dass ich das erlebt habe. Das hat mich wirklich gepackt. Und das zweite, was interessant

ist, über diesem Markt liegt so eine, wie soll ich dir das beschreiben, so eine Melancholie, so eine

Traurigkeit. Und ich habe das irgendwie versucht zu greifen und dachte, woher kommt das? Was ist das

Thema? Bist du dann merkst, diese Traurigkeit hat einen ganz konkreten Grund. Egal welche Frau,

die dort steht, in der Regel sind es Frauen. Du fragst, sagst, hast du Kinder? Ja, ich habe Kinder,

zwei oder drei. Wo sind diese Kinder? Die Antwort wird immer sein in Frankreich, in Deutschland,

in England, in Portugal, in Italien. Viele in Italien, weil rumänisch und italienisch sind

sich vergleichsweise ähnlich, so ähnliche Sprachen. Genau, ich konnte zum Teil auch ein

bisschen verstehen, was da so gesprochen wurde, gibt Wörter, die exakt identisch sind im italienischen.

Das heißt, da gibt es diesen Abschiedsschmerz. Diese Kinder sind alle weg. Die suchen ihr Glück

auf Baustellen in Westeuropa, in der Gastronomie in Westeuropa. So ähnlich sein wie Ende der

60er Anfang der 70er Jahre im italienischen Süden. Ja, exakt. Wo die ganzen Gastarbeiter damals

alle weg waren und die Kinder alle weg waren. Genau. Und die Gesellschaft nur die Armen und

vor allem die Alten, die zurückbleiben. Und wann da so das Gefühl einer starbenden Kultur hat.

Richtig. Und genau das ist auch das Gefühl. Und es war für mich wahnsinnig interessant,

das mal von der anderen Seite nochmal so bewusst wahrzunehmen. Wir diskutieren ja ganz viel über

die Frage Migration. Was machen wir bloß mit all den Menschen, die irgendwie in dieses Land,

in dieses Deutschland drängen. Aber das mal von der anderen Seite zu sehen, nochmal zu gucken,

was macht das eigentlich mit denen? Das war hochinteressant. Und du triffst also niemanden,

nicht einen, einen Vater, einen Mutter, die nicht diesen Abschiedsschmerz hat. Wann siehst du

deinen Sohn wieder? Wann siehst du deine Tochter wieder? Wie geht's denn eigentlich? Und so weiter.

Das war sehr interessant. Ich habe einen, einen jungen Mann, der kam, zwei so Teenies liefen deinen

Kischinau dann im Zentrum, kamen so auf uns zu und sahen, dass ich fotografiert habe. Und das war

so ein nassforscher, junger Typ. Und, und ich suchte so das Gespräch mit mir und sagte,

Make a picture. Und die sagte, okay, ich mache ein Foto von dir. Er wünschte sich, dass ich ein

Foto von dir mache. Und dann hat das sich so ein Pose gestellt. Ja, hat ein Tattoo gezeigt und

so weiter, so ein halbstarker, also so ein Lümmel, den man gerne mag. Und dann sagt ich zu dem,

während ich fotografiert habe, erzähl mal, was machst du? Ja, er geht zur Schule und so und

lebst du hier. Deine Eltern und so, wo sind die? Stellt er sich raus? Seine Mutter arbeitet als

Putzfrau in Griechenland. Sein Vater arbeitet als Bauarbeiter in Nordirland. Das heißt er ist

allein, ganz allein. Und war da mit seiner Freundin unterwegs und so weiter. Das heißt auch der,

also wer fängt den auf? Wer zeigt dem sozusagen den Weg? Das war sehr interessant und ich musste

oft an, weißt, wir haben über den ja häufiger gesprochen, Ivan Krasev, den vulgarischen

Politologen sprechen, den wir beide sehr schätzen. Du hast ihn ja schon getroffen. Genau. Ist

eine tolle Sendung, empfehle ich noch mal sehr. Dein Gespräch mit Ivan Krasev ist ein eins mit

Sternchen und der spricht ja auch ganz viel über diese demografische Katastrophe, die

da in Osteuropa gerade stattfindet. Richtig. Bulgarien, ein Land, das mal kurz davor war,

zehn Millionen Land zu sein. Mittlerweile reden wir über fünf. Ja. Es geht alles immer weiter runter

und Moldau. Es gilt für Bulgarien, für Rumänien, es gilt für Moldawien, es gilt für Russland, es

gilt für die Ukraine. Richtig. Alles über alternde Gesellschaften, die ihren Menschen keine

Zukunft anzubieten haben und wo eben die hungrigen das Land verlassen. Richtig. Und

es ist auch, wenn du junge Leute dort sprichst, also die Frage, ob du irgendwann dein Glück

im sogenannten Westen suchst, die stellt sich überhaupt nicht. Das ist selbstverständlich,

baust du gar nicht Fragen. Ist völlig klar, hier keine Zukunft, wir gehen irgendwann

weg und du merkst das und das fand ich so, so beeindruckend. Also diese Melancholie oder

die Stille, diese Städte, die wir so kennen, diese lauten, vollen, diese vibrieren Städte,

die manchmal auch so anstrengend sind, weil du nur im Stau stehst und weil sich gegenseitig

auf den Füßen rumstehen und weil der Fall von all auf den Keks gehen, das gibt es dort nicht,

du hast den Platz. Das ist ja den Verkehr der 60er Jahre. Ja, genau, ja, so ist es ja. Gibt es Werbung?

Also ist die Stadt bunt von Werbung? Ja, das gibt es schon, so große Beklametafeln. Ja,

ja, genau, ja, das gibt es da alles, ja, ja, das gibt es alles. In der Ukraine, wir sind da

nach Rübergereis, nach Odessa, in der Ukraine, das ist so das erste Zeichen, das dir klarmacht,

das ist ein Land im Krieg. Diese großen Werbetafeln, da sind nur noch militärische Motive drauf,

wo man sich bedankt bei den Soldaten und so weiter. Das ist Beklemmet das zu sehen,

diese Checkpoints und so weiter, wenn du dann über diese Grenze rüber kommst. Und dann auch

interessant, ich hatte, wir haben gesehen, da wird unglaublich kontrolliert, du stehst stundenlang

an diesem Grenzübergang in Moldavien, Ukraine. Und ich habe dann immer gesagt, warum machen

die das? Warum nehmen die jedes einzelne Auto auseinander, auch aus der Ukraine heraus,

jedes einzelne Auto wird genau unter die Lupe genommen und so weiter. Dieser Tage mit jemandem

aus der Berliner Politik gesprochen und sagte, sag mal, kann es sein, dass hier Waffen im großen

Stil geschmuggelt werden? Und er sagte, das ist das Thema gerade überhaupt auf politischer Ebene.

Wie unterhalten wir uns darüber, wie wir den Waffenschmuggel aus der Ukraine heraus in den

Griff kriegen können. Das heißt, ein Teil, sicherlich kleiner Teil, aber ein Teil der Waffen, die der

Westen gerade in die Ukraine liefert, wird direktstand der Pede wieder herausgeschmuggelt.

Das war übrigens von einem anderen Thema. Also es gab immer wieder Meldungen gleich zu Beginn der

Waffenlieferung. Das ist ja eben kein Land, das man jetzt mit Deutschland vergleichen kann,

sondern die Ukraine ist eben ein ausgesprochen korruptes Land, das auch völlig auf diesen

Korruptionsindices ja genauso übel abgeschlagen unten liegt die Russland. Und das ist in der Tat

natürlich ein riesiges Problem. Ja, so, wirst du überlegst, ne? Also die Waffen, wir liefern

da Waffen hin und ein Teil davon? Ja, also das geht mit Deopard-Panzern sicher nicht. Aber mit

Munition geht das zum Beispiel. So, es geht mit Munition und Handfeuerwaffen und so was. Ja,

ganz genau. Und ja, und dann da so reinzukommen und mitzukriegen, was es wirklich bedeutet,

im Krieg zu sein. Allein, wenn du die mal klar machst, es gab Flüge, direkt Flüge von Berlin

nach Odessa. Ich glaube, 1,30 oder 1,45 knapp zwei Stunden, dann machst du in Odessa. Heute,

von Hamburg aus, auch von Berlin aus, nicht unter, ich würde mal sagen, 14, 15 Stunden zu erreichen.

Keine Chance. Es gibt keinen Direktflug mehr. Und allein, was das bedeutet, sozusagen dieses

Drosseln von Geschwindigkeit im Bezug auf Handelswege, Handeltreiben und so weiter. Was das mit der

Wirtschaftskraft eines Landes macht, bestehende etablierte Lieferketten, zerstört, die Logistik

zerstört. Also es geht, bei dem, was da gerade passiert, es ist mir da nochmal so ein, was eine

Kriegswirtschaft wirklich dauerhaft bedeutet. Also es gibt ja diesen poetischen Satz von Goethe,

Krieg, Handel und Piraterie. Drei Einig sind sie nicht zu trennen. Richtig. Also es ist ja, ein Krieg

macht ja ganz viel. Ein Kriegschaft, neue Schwarzmärkte, wie hierfür Waffen. Ein Krieg hat

die dubiosesten Kriegsgewindler und Trittbrettfahrer. Ein Krieg zieht die übelste Form von

Geschäftemachern an. Ein Krieg nagt an der Moral eines Volkes. Wenn die Sorge von der Front irgendwann

zurückkommen und jeder dann irgendwann jemanden kennt, der einen Sohn verloren hat dort und, und,

und. Ich meine, wie die Situation aussieht im Augenblick gekommen, ja die Nachrichten,

dass die Ukraine dasselbe macht wie die Russen. Also, dass sie vor allem Kriminelle einziehen.

Oder, dass sie ganz normale Bürger wegen relativ kleiner Vergehen zu Kriminellen stempeln,

um sie dann zur Armee schicken zu können. Das zeigt ja, in welchem Zustand. Also nicht nur,

dass natürlich die Nerven blank liegen, das ist ja auch völlig klar nach anderthalb Jahren Krieg.

Dass einem die Leute ausgehen. Aber was wiederum wird aus einem Land, wenn die Polizei und das

Militär zu solchen Mitteln greifen muss, um so die Soldaten zu rekrutieren? Die gleichen Prozesse

werden wir mit Sicherheit genauso in Russland haben. Also das zerstört ja ganz, ganz viel. Also

viel Vertrauen und öffentliche Ordnung, die über lange Zeit gewachsen sind und in diesen Ländern

sowieso nicht sind. Die werden ja völlig erodiert in solchen Kriegsteilen. Das ist der Punkt. Das ist

der Punkt. Weil du das gerade sagst, Richard, Vertrauen gibt noch eine zweite Sache. Wenn du

in Kishina auf diesem Markt, von dem ich dir gerade erzählt habe, ja, wenn du dort unterwegs bist,

auch als deutsches Kamerateam, bist du zunächst mal sehr herzlich willkommen, aber du wirst

misstrauisch beäugt von allen. Denkst du mal, wieso? Wieso sind die Leute so misstrauisch?

Fehlendes Vertrauen, russische Propaganda, das systematische Infiltrieren, die Zersetzung dieser

Gesellschaft. Erzähl mal genau mal, wie das funktioniert. Ja, ich erzähle es dir. Also du

hast auf diesem Markt zum Beispiel, du gehst dann dahin und dann merkst du plötzlich, du bist

da nicht allein. Und ich meine jetzt nicht die Marktfrauen, die da stehen, sondern du merkst

plötzlich, du wirst von links von einem Typen mit dem Handy gefilmt, dann tauchte da plötzlich

rechts jemand auf, dann filmst du zurück, dann merkt er, die haben wir jetzt gesehen, dann verschwindet

er wieder so in der Menge, dann plötzlich tauchte er wieder auf. Und dann denkst du, okay, was ist

das für einer? Dann fragst du den Mann, der da hilft, der irgendein verantwortlicher ist und sagt,

ja, wir passen ein bisschen auf euch auf. Das ist natürlich der Geheimdienst. Das ist der Geheimdienst.

Okay. Und der Geheimdienst arbeitet jetzt eng mit den Russen zusammen oder nicht? Man weiß nie so

genau, wer diese Leute sind. Man weiß es nie so genau. Aber Fakt ist, du machst dort keinen Schritt

unbeobachtet. Und das Interessante ist, ich habe dann ein paar mal gesagt, was wir darüber reden

jetzt hier, ist das FSB, ist das russischer Geheimdienst. FSB sagt dort kein Mensch. Die sagen

alle KGB. Die sagen immer noch KGB. Absolut. Niemand redet vom FSB, alle reden vom KGB. Das sitzt

so tief drin. Das kannst du dir nicht vorstellen. Und auch da verstehst du mal wieder, was es

bedeutet, was es mit deiner Gesellschaft macht, wenn man sich gegenseitig einfach nicht vertrauen

kann, wenn keiner dem anderen über den Weg traut. Und das habe ich auch in der Ukraine gemerkt. Auch

da, du denkst ja, du kommst dahin als Reporterteam und willst eigentlich mal erklären, was in der

Ukraine passiert. Bist du plötzlich merkst, die sind alle hellwach. Egal wo du bist, egal wo du

eine Kamera rausholst, an der Ampel einmal raus fotografiert, dann kannst du die Uhr stellen,

wie lange es dauert, bis der Typ neben dir im Auto die Scheibe runter macht und sagt, wer seid ihr?

Was macht die hier? Und sagt, bist du ein Polizist? Nein, ich bin einfach nur ein Mensch auf dem Weg

zu Arbeit. Aber die sind wachsam, die passen auf. Weil sie Angst haben, du könntest irgendein russischer

Agent sein, irgendeiner, der sozusagen das nächste Ziel ausspioniert. Das ist der Punkt. Gut, auch das

ist natürlich bei einem Land im Krieg ganz gesteigert. Aber das habe ich da das erste Mal

wirklich verstanden. Du bist in Wohnblocks irgendwo unterwegs, du kommst Leute raus,

wird sofort misstrauisch beäugt, die Leute gucken, wer sind die, was machen die da,

spionieren die Ziele aus, dann triffst du eine junge Frau vor einem dieser Wohnblocks, die

dir dann erzählt, vor acht, neun Monaten ist hier eine russische Rakete eingeschlagen. Sie

war mit ihrem kleinen Kind da drin, ihr Mann war gerade nicht da. Und das ganze Geschehen ist acht,

neun, vielleicht auch zehn Monate her. Und sie fängt an, von dieser Nacht zu erzählen und sie

fängt sofort an zu weinen. Das sitzt so tief auch da, vertrauen, sozusagen. Das ist auch in zehn Jahren noch da.

Also die Gewissheit, dass du nachts, dass du in Ruhe einschlafen kannst und am nächsten Morgen

wieder unversehrt aufwachst. Wenn diese Gewissheit weg ist, dann macht das was mit so einer Gesellschaft.

Und wir haben es erlebt, wir waren da und der letzte Angriff auf Odessa war relativ lange her.

Zwei Tage nach unserer Abreise haben sie dann wieder angegriffen mit Drohnen und mit Raketen. Die ganze

Zeit dieser Luftalarm, die Leute hören gar nicht mehr richtig hin, aber alle passen auf, alle sind

ständig irgendwie dabei, gucken was passiert, was läuft hier eigentlich. Dieses Zersetzen der

Gesellschaft läuft vor allen Dingen medial und dann ganz konkret mit Leuten, die dafür bezahlt

werden, von russischer Seite Unruhe zu stiften. Und es war beeindruckend, wenn du mit Leuten redest,

in Kishinau, in Molda auf der Straße, dann sagen die dir, ja, dieser Krieg ist schlimm, aber die

russische Propaganda ist in Wahrheit noch viel schlimmer. Und wir sind dieser russischen Propaganda

seit Jahrzehnten ausgesetzt. Aber erzähl doch mal, dass die russische Propaganda läuft doch

jetzt nicht über das Staatsfernsehen. Doch, die läuft im Fernsehen. Erklär mir mal, die Regierung ist

doch provestlich, möchte Mitglied der EU werden. Genau. Die senden doch jetzt keine russische Propaganda

im Fernsehen, oder? Das ist mittlerweile verboten. Maja Sandu heißt die Moldavische Präsidentin,

ist eine sehr integre Frau. Aber das Ganze wird gesteuert mittlerweile zum Teil im Internet und

so weiter, Radiosender, Fernsehsender. Gibt es einen Oligarchen, Ilan Shor heißt der. Das kennt

sozusagen jeder Mensch. Der große Oppositions-Mac. So, ganz genau. Eine ganz obskure Figur. Ganz

obskure Figur, der ist mittlerweile nach Israel geflohen und steuert von da aus sein Medienimperium.

Der hat, glaube ich, drei Moldavische Banken um eine Milliarde Euro betrogen. Und hat trotzdem

seine Fernsehprogramme da. Genau. Also so ein Typ wie Berlusconi. Aber der ist immer noch im Land

geblieben, weil er in der Lage war, die italienische Justiz so zu manipulieren, dass es funktioniert hat

für ihn. Ja. Also der hat drei Banken in den Ruin getrieben und das Land in den Rand. Und das

Land in den Rand. Und nach wie vor Fernsehsender, die ganz normal von der Moldavischen Bevölkerung

kostenlos empfangen werden. Die werden geguckt und die Leute werden von morgens bis abends mit

russischer Propaganda berieselt, wenn du so willst. Und dann gibt es am Wochenende, wir haben das

auch gesehen, gibt es dann so Demonstrationen. Und dann wird dann... Ich will das noch genauer

verstehen. Es gibt ein provestliches Fernsehen und ein pro-russisches Fernsehen. Ja, also dieses

russische Propagandafernsehen sozusagen, das lange Zeit wirklich auf allen Kalänen lief das. Das hat

man mittlerweile eingedämmt und das machen die jetzt im Internet einfach so weiter. Ach so,

das ist verboten worden. Genau, das ist verboten worden. Aber die... Ich sag mal so, haben wir

schon häufiger drüber gesprochen. Im 21. Jahrhundert ist es praktisch nicht mehr möglich, Medien

wirklich zu zensieren. Also wenn Leute Desinformation und das Volk bringen wollen, großartige

Möglichkeiten. Es war noch nie so wunderbar wie heute. Autokraten haben was das angeht,

wirklich leichtes Spiel. Ja, so große Sieger der Digitalisierung. Einer der großen Sieger,

nicht der einzige Arbeit. Genau, das ist der feuchte Traum von Diktatoren und Autokraten,

der da gerade wahr wird. So ist es. Und du hast dann zusätzlich immer diese Demonstrationen am

Wochenende. Da werden dann Leute dafür bezahlt. Die wissen zum Teil noch nicht mal, wogegen sie

da eigentlich gerade protestieren und demonstrieren. Die kriegen dann 20 Euro, 40 Euro, 50 Euro,

sprechen teilweise auch russisch. Wie groß sind diese Demos? Unterschiedlich. Also die haben es

immerhin geschafft, wirklich Großdemos auf die Beine zu stellen, mit Zehntausenden von Menschen

gegen Rentenreformen und so weiter und so fort, gegen die böse Inflation, gegen die böse NATO,

gegen diesen bösen Westen, gegen die bösen Amerikaner vor allen Dingen. Zu der Amerikaner

sind dort echt eine... Es ist ein Reizwort, wenn du Amerika sagst. Aber nicht für alle,

sondern jetzt sozusagen für den einen Teil der Bevölkerung. Für den einen Teil, ganz genau.

Und die machen regelmäßig am Wochenende Rabatz, regelmäßig. Versuchen wir das mal. Also ich

will das mal verstehen, warum die jetzt was gegen Amerika haben. Man muss ja ehrlich sagen,

Moldavien oder Moldau waren uns ja bis vor einigen Jahren völlig egal. Das einzige,

was ich mich erinnern kann, ist, dass die Nationalmannschaft mal da war. Daher kenne ich

überhaupt nur den Namen der Hauptstadt. Also ich wüsste nicht, was Kishinau ist, wenn da nicht

Deutschland mal vorgeschätzt, 10, 15 Jahren Qualifikationsspiele ausgetragen. Deswegen gibt's

ja wahrscheinlich auch ein modernes Hotel in der Stadt. Nein, aber ansonsten machen

uns das ja völlig egal. Jetzt ist dieses Land wahnsinnig wichtig geworden, weil es um die Frage

geht, wird das weiter in irgendwie zur russischen Einflussphäre gehören oder wird es in Zukunft

Teil der westlichen Einflussphäre sein? Und wenn ich dich richtig verstanden habe,

das ist das Land in dieser Frage zutiefst gespalten. Genau, das ist der Kampf, um den es gerade geht.

Hier gilt dieser Satz mal von zutiefst gespalten. Richtig. Und die Russen machen da ihre Propaganda

gegen die Amerikaner und auf der anderen Seite versucht die EU und auch die USA immer mit größerem

Fuß oder einen Bein in die Tür da zu kriegen. Genau. Das ist ja so. Ich meine, auf dem NATO-Gipfel

in Madrid 2022 hat man beschlossen, Muldau militärisch zu unterstützen. Richtig. Das ist

insofern keine Kleinigkeit, als dass das Land verfassungsmäßig zur Neutralität vorpflichtet

ist. Was übrigens auch keine schlechte Idee ist. Also wenn man auf der einen Seite das imperialistische

Russland hat, dass sich immer weiter vom Westen in die Enge getrieben fühlt und auf der anderen

Seite eben das Interesse der USA, die Russen auch tatsächlich in die Enge zu treiben und man selber

ist davon betroffen, dass das Beste, was einem passieren kann, wäre eine Neutralität. Aber aus

diesem Status ist das Land raus. Richtig. Auf der einen Seite versuchen die Russen es in ihren

Machtbereich zu ziehen mit der ganzen Propaganda, von der du erzählt hast. Richtig. Alle ziehen uns

her und da dran. Und auf der anderen Seite haben die Europäer, die haben eine so herrliche Institution,

die nennt sich europäische Friedensfacilität. Friedensfacilität. Wer sich diesen Namen

ausgedacht hat, dabei geht es um militärische Unterstützung von Nicht-Natummitgliedern. Mit

europäischem Geld und mit europäischen Waffen im Zweifelsfall auch. Und man hat dann an Moldawien

sogenannte ein nicht-tödliches Hilfspaket. Nicht-tödliches Hilfspaket. Das sind ja zynische

Formulierungen. Total. Ja, geliefert. Das heißt, wir haben inzwischen militärischen Fuß in der

Tür, die USA und die Europäer auch. Und damit wird dieses Land zum Zangapfel. Richtig. Und meine ganz

üble Befürchtung besteht darin, dass dann irgendwann das gleiche Schicksal kommt wie in der

Ukraine, nur dass der Krieg hier kürzer dauert, weil das Land unwirklich klein ist. Ich glaube,

die haben 6.000 Soldaten, also die sind als Militärmachen. Ja, die sind also nur eigentlich

eingenommen. Aber dieses nicht-tödliche Hilfspaket an Waffen beinhaltet ja wahrscheinlich Satelliten,

Aufklärung und alle möglichen anderen Dinge im Interesse des Westens. Richtig. Und wenn wir

das weiter betreiben, dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Russen irgendwann nicht nur Propaganda

machen, sondern tatsächlich da einmarschieren, weil das ein Krieg ist, der leicht zu gewinnen ist,

der wird ja immer größer. Also man bräuchte doch dringend eine Art Moldawien-Gipfel oder

Moldaw-Gipfel, dass sich die beiden da irgendwie stärker zurückhalten. Sonst ist das doch die

Ankündigung einer totalen Katastrophe. Europäische Friedensfassilität, das ist dann ähnlich

schon ein Begriff wie physische Infrastruktur, mag ich auch. Ja, ist auch hübsch. Wenn die EU

eigentlich sagen will, wir bauen jetzt Grenzzäune. Genau, verstarken die physische Infrastruktur.

Weil das böse Wort Zaun nehmen wir natürlich nicht in den Mund, selbstverständlich nicht.

Ja, und nicht tödliches Hilfspaket ist auch hübsch. Das ist auch nicht schlecht, ja. Ja,

das ist alles unfassbar zynisch. Und zwar von beiden Seiten, das finde ich auch. Ich glaube,

allerdings, Richard, das ist mir dort nämlich schon klar geworden, wir haben einen riesigen Fehler

gemacht. Damit meine ich wir als der Westen, wir auch als Deutschland, wir haben einen riesigen

Fehler gemacht, indem wir uns so sehr auf die Russen konzentriert haben und einfach dem Rest

von Europa nicht zugehört haben. Ich sage dem Beispiel, egal wen du in Moldawien fragst, die

machen sich absolut keine Illusion darüber, mit wem sie es dazu tun haben. Über die Gewalttätigkeit,

die Bereitschaft zu ultimativen Gewalt der Russen, über die Frage, was die eigentlich vorhaben,

über die Frage, ob die möglicherweise die Idee im Kopf haben, Moldawien morgen zum Frühstück

einfach mal wegzunehmen, mitzunehmen, sich einzuverleiben, da machen sie sich überhaupt

keine Illusion darüber. Und das hat zu tun mit 1992 Transnistrien. Transnistrien ist ein, wenn du

so willst, ein russisches Apparatistengebiet in Moldaw, ungefähr so groß wie Brandenburg. Der

lebt ungefähr eine halbe Million Menschen in diesem Landstrich, das ist wirklich wie so ein langer

Streifen und der grenzt direkt an die Ukraine. So, wird dieser Möchtegernstaat, wird nur anerkannt

von Ländern wie Südossäzien und Abrasien, die ihrerseits auch das Problem haben, dass sie

von keinem anerkannt werden, aber die erkennen sich untereinander. Anerkannt. Also ich erinnere mich,

dass Scheref Tiraspol, Scheref ist irgendwie so ein Unternehmen, dem irgendwie das ganze Land

gehört. Der Scheref ist, also der Scheref-Konzern, wir haben auch bei den in diesen Supermärkten

eingekauft. Es ist ein merkwürdiger, gemischt, gemischt Wagenkonzern. Also ich glaube, die machen

alle Supermärkte, Waffen, dogma, import, export, jegliche Art, genau und die haben mal mit viel

Geld ihren Fußballverein aufgehörig. Scheref Tiraspol und haben damit sogar, real Madrid,

genau gegen real Madrid gewonnen. Davon erzählen die auch alle, wenn du irgendjemand danach fragst,

ist die größte Helden-Tat in der Geschichte von Transnärien, einmal real Madrid zum Teufel

geschickt zu haben. Und der zuständige Oligarch, um es jetzt mal freundlich auszudrücken, ist

Victor Guzan, heißt der. Der betreibt alles. Also wie du sagst, import, export, Tankstellen,

Supermärkte, Hotels, eine eigene Destillerie, dann dieser Fußballverein, Kavia, Brandy,

Textilien, alles exportiert und kontrolliert und gehandelt, ist ein Mafia-Staat. Und ehrlich

gesagt auch ein großer Teil davon, da kommt wieder unsere berühmte Scheinheiligkeit ins Spiel,

nach Deutschland natürlich auch. Weil die können günstig produzieren, warum? Weil Russland ihnen

kostenlos Energie gibt. Die liefern kostenlos. Und wir benutzen Transnistrien als Werkbank, also unsere

Filme. Als Werkbank, aber vor allen Dingen, da wird unfassbar geschmuggelt, Textilien, da wird Waffen,

alles kommt da günstig rein. Ja, einfach so zollfreie Ware, import, export, alle Art und so

weiter. Eine Spur für zum Beispiel nach Wiesbaden. Da gibt es einen Mann namens Andreas Reich, der

mit Kartiner TV zu tun hat. Das ist so ein Vordenker, so ein Macher eines Medienunternehmens. Und der

hat unter anderem er und seine Frau, die kommen ursprünglich aus Transnistrien, der hat beste

Kontakte offensichtlich zu Viktor Guzan, das ist der Oligarcho, den wir gerade sprechen. Dort nur

bekannt unter dem Namen Sheriff. Also du musst nur Sheriff sagen und dann ist alles klar. Die Supermärkte

heißen so, wir haben da auch eingekauft, dann kriegst du dieses Plastikgeld dort. Und Sheriff ist

jetzt nicht ein altes transnistisches Wort, sondern das meint wirklich diesen Western Sheriff. Ja,

genau, genau. Da gibt es die Karl-Liebknecht-Straße. Interessant ist auch, wenn du Leute fragst. Die gibt es auch

in Berlin. Ich sag nur, das ist wie eingefrorene Sowjetunion. Ja, man sagt ja oft über Transnistien

so eine Art Jurassic Park des Stalinismus, also mindestens ästhetisch. Ja, also mittlerweile

ein paar moderner Autos. Also wie du es ja gerne beschrieben hast, ist ja eigentlich ein Wildweststart,

ne, mit irgendeinem Oligarchen als Crackpot da. Also ein Arschloch Deluxe, das sich das Land unter

Nagel gerissen hat. Ja, Hammer und Sichel auf den Flaggen und so weiter. Die Raspol ist ja die Hauptstadt,

der Warmböad drin, und wurden dann auch, das fand ich interessant, wir kamen da rein und hatten

eine Reservierung in einem Restaurant. Und wir wurden bereits empfangen. Also die wussten,

dass wir kommen. Die wussten auch genau, wie wir sind. Das war spektakulär. Dachte, wow, der

weiß ja wirklich ganz genau Bescheid. Das waren die Leute, die dich vorher in Moldawien da auf dem

Markt. Ja, ja, ja. Das war so einer dieser Typen, der sagt, ich mache mir dein Angebot. Also du

hast ihn persönlich kennengelernt. Ja, ja, der saß, der hatte uns schon erwartet. Man hatte auch

so diesen Charme, den man so braucht, den man sich schwerenziehen kann. Sehr nett und wir mussten

danach aufpassen. Wir sind da als Touristen rein, wir haben da nicht gefilmt. Wir sind als

Touristen rein, weil du offizielles Kamerateam da auch gar nicht mehr reinkommst. Da riskierst du

auch, dass du festgehalten wirst und so weiter. Und allein dieser Grenzübergang, der hat es

wirklich in sich. Und dann diese Bröckel, den Plattenbauten und dann hast du natürlich den

Lenin vor dem Parlament, hast du eine eigene Flagge, dann gibst du den obersten Sowjet noch da,

sozusagen. Dann auf einem der Häuserblocks da gibt es dann so ein großes Bild von Juri Gagarin,

ja der erste Menschen, all hält der Sowjetunion und so weiter. Das wird alles in Ehren gehalten.

Sehr, wird sehr in Ehren gehalten. Also man muss ja sagen, der ganze Ostblock sah mal so aus,

und vorerst ist er der größte Teil, 90 Prozent davon irgendwie abgerissen. Genau. Manche sogar

100 Prozent. Richtig. Aber da ist das alles noch da. Also es ist ein Art Freilichtmuseum. Wenn man so will,

es ist ein... Historisches Freilichtmuseum. Ja, es ist so eingefrorene Sowjetunion und du spürst

halt so diese ganze Atmosphäre da, wie das so, ja, du weißt nicht genau, kommen wir wieder raus,

kommen wir wieder rein, wie läuft das eigentlich? So, und da sind halt dann seit 92, 92 habe die

Sowjetunion oder hat Russland Moldau angegriffen und hat sich diesen, diesen Landstrich sozusagen

einverleibt. Das ist einer dieser berühmten eingefrorenen Konflikte. Ich meine, du hast

Transnistrien schon aufgehört und darüber nachgedacht und so weiter. Du kennst ja sogar

Gagausien, ja, kann dich bis dahin nicht. Das sollten wir mal aufklären, das sind die türkisch

stämmigen Bewohner Moldaus im Süden. Richtig, genau. Ich sag dir gleich was dazu. Nur Transnistrien,

sehr interessant. Für mich war Transnistrien immer, ich wusste, da gibt es so ein eingefrorenen

Konflikt, das ist alles schwierig da und so weiter, aber irgendwie kommt ein Großteil auch der Energie

für Moldavin, kam ursprünglich daher. Die haben auch sehr viel Schwerindustrie da und so weiter. Also

das war, war durchaus strategisch gut überlegt, sich genau diesen Landstrich einzuverleiben. Und

dieses Transnistrien war für mich immer etwas, naja gut, das kennt man so auch von der Zeitungslektüre.

Im kollektiven Bewusstsein der Moldavia ist Transnistrien absolut präsent. Dieses 92 ist

für die, der Punkt, seitdem wissen die ganz genau, mit wem sie es zu tun haben. Und wie gefährlich

die sind und wozu die wirklich bereit sind. Und da habe ich verstanden, woher auch der Frust der

Osteuropäa mit uns teilweise kommt, weil wir den nicht zugehört haben. Wir wollten das nicht wissen.

Hätte ich auch nichts machen können damals. Zwei Nutzen gegen Jälzien hätten wir sowieso

nichts gemacht. Aber allein es zu ignorieren und einfach die ganze Zeit so zu tun, als wäre das

schon ganz okay. Und solange wir mit den Russen ein bisschen Handel treiben, ist alles in Ordnung. Die

wussten es besser. Aber wir haben ihn nicht zugehört. Ja, aber Moldavien ist doch erst kurz vorher

unabhängig geworden. Das Land gab es ja nicht vorher. Die Sowjetunion zerfällt und einerseits

sogar der gute Onkel Gorbatschow und auf der anderen Seite Jälzien versuchen, an der einen oder

anderen Stelle, an dem meisten hat man es ja nicht getan, diesen Verfall aufzuhalten oder

Zerrfall aufzuhalten. Das hat man damals unter diesem Gesichtspunkt gesehen. Mal gucken, was am

Ende übrig bleibt. Also es war ja in der damaligen Situation Anfang der 90er Jahre nicht klar, ob

diese sich jetzt für unabhängig erklärenden Sowjetrepubliken, ob die jetzt dauerhaft unabhängig

bleiben wollten würden oder was nachher als Kern Russland zurückgeholt wird und was nicht. Also es

wäre völlig undenkbar gewesen, dass der Westen damals 1992 ein Riesenfass aufgemacht hätte wegen

Moldavien. Das hat uns zum damaligen Zeitpunkt überhaupt noch nicht interessiert, weil der Westen

grenzte ja noch gar nicht an Moldavien. Da dazwischen waren ja alles Länder wie eben Rumänien und

Bulgarien und so weiter, die alle ja überhaupt noch weder zur NATO gehörten noch zur EU. Das war

ja ganz weit weg aus der damaligen Perspektive. Und man hätte auch gar nichts machen können.

Also insofern kann man nicht sagen, wir haben die damals im Stich gelassen, sondern die waren

damals völlig außerhalb. Das war die erdabgewandte Seite des Mondes damals für uns. Ich habe auch

nicht gesagt, im Stich gelassen, ich meine nur, wir haben ihn nicht zugehört. Und tatsächlich ist

das, glaube ich, einer der großen Fehler andererseits und deswegen fand ich es halt so so interessant,

wenn du diese Welt eintauchst und plötzlich merkst, niemand redet vom FSB, sondern es ist

alles immer noch KGB, alles. Es ist immer KGB. Die Sehnsucht nach der guten alten Sowjetunion,

die Sehnsucht nach der guten alten Zeit, die so geil nicht war. Die überhaupt nicht gut war.

Genau, es war früher nicht alles besser, es war einfach nur früher. Das war einfach anders schlechter.

Es herrschte mehr Law and Order als heute. Es war auch eine andere soziale Absicherung da wie

heute. Und auf der anderen Seite war die Bewegungsfreiheit noch viel eingeschränkter als

sie heute ist. Wobei, es ist immer die Frage. Früher hat der Staat quasi die Entfaltungsmöglichkeiten

der Menschen eingedämmt und jetzt sind es solche Leute wie der Freund, der dich da mit Wodka

bewürdet hat. Also man ist im Grunde genommen vom Regen in die Jauche gekommen. Es ist richtig ja, wobei der

Kabyer war wirklich, Kabyer ist da ein großes Thema, habe ich gemerkt. Du hast dich kaufen lassen,

nicht kaufen lassen, wir haben da bezahlt. Wir haben da ganz normal gegessen, das war auch sehr nett.

Womit bezahlt man in Transnistien? Die haben eigenes Geld, die haben so Spielgeld. Wir haben auch

das auf, ich muss die nähere Geschichte erzählen. Ich wollte unbedingt ein bisschen Geld aus Transistrien

mitnehmen zur Erinnerung, weil du weißt ja nie genau, wie lange gibt es das noch. Die Münzen

sind auch nicht aus Metall, sondern wirklich Plastik. Und dann gibt es so Papiergeld. Und Lukas,

der mitgereist ist, Lukas ist immer zuständig für dubiose Aktionen und hat dann dieses Geld

organisiert, wechseln lassen und so weiter. Und steckte das dann in mein Pass, einfach ums

aufzubewahren. Und als wir ein paar Wochen später das zweite Mal in Kishinau eingereist sind,

in Moldau eingereist sind, kommen wir an diese Passkontrolle und ich reichte diesen Pass rüber,

der Dame, die da sitzt und merkte plötzlich, es gibt irgendein Problem. Und wenig später ging

wir raus und dann öffnet sich die Tür aus einem Büro, seiten Flügel, kommt ein Mann,

der provozierend langsam auf uns zugeht und sagt, hello. Und dachte, okay, gleich gibt es ja

ein riesen Problem. Und ich merkte schon, okay, der hat das gelernt, der hat es drauf und der will

uns jetzt Angst machen. Und er sagte, oh, what's this? Wie ist die Passboard? Und ich sagte,

wieso? Es ist ein normaler deutscher Pass, wo ist das Thema? Und er so, oh, what is this? Wie

der Passboard? Und sagte dann, was ist das mit diesem Passboard? Und er sagt, ja, keine Ahnung,

wir wollen hier einreisen, wir arbeiten hier, wir haben eine Drehgenehmigung, es ist doch alles

in bester Ordnung, bis ich rausstellte. Er hatte das transnistrische Geld in diesem Pass entdeckt

und hat selbstverständlich das als Bestechungsversuch gewertet. Und wollte sozusagen sagen, Freunde,

also hier wird nicht bestochen, damit das klar ist. Nimmt dieses Geld ballers auf den Boden und

gibt uns den Pass zurück und sagt, er macht das nie, nie wieder, versucht nie wieder mit Geld in

einem Pass nach Moldavien einzureisen. Das war sensationell. Ich dachte, wir kriegen Ärger,

weil wir in Transnistrien waren. Das war es aber nicht. Es war nur die Tatsache, dass ein paar

Scheine in diesem Pass waren. Er hat es aber nicht angenommen. Er hat es nicht angenommen. Nein,

es war ihm ganz wichtig klar zu machen, was für ein aufrechter Grenzbeamter er ist. Aber es war

interessant, da merkst du halt immer wieder, wie schön es ist, in einem Land wie Deutschland zu

leben. Ich erlebe deutsche Autoritäten, Polizeibeamte, Grenzbeamte. Ich erlebe die immer als

Menschen, die, wie soll man sagen, die sind Demokraten, die sind im Dienste des Bürgers unterwegs.

Den wird gesagt, dass sie freundlich sein soll. Ja, richtig. Ich weiß nicht, seit wann das so

ist, vielleicht seit 20 Jahren, weil in einer Kindheit und Jugend war das noch ein bisschen

anders. Aber der Staat macht eine Charmeoffensive mit seinen Beamten. Das gibt es in sehr wenigen

Ländern der Welt. In England gibt es das, finde ich. Stimmt, da war der Bobby schon immer freundlich.

Dein Freund und Helfer, richtig. Okay, so weit will ich jetzt vielleicht nicht gehen. Charmeoffensive,

aber ich ahne, was du meinst. Ja, Richard, in jedem Fall interessant. Ich musste noch eine Sache

erzählen. Das eine ist, die Bereitschaft dieser ukrainischen Soldaten ihr Land zu verteidigen. Wir

hatten Gelegenheit, mit schwerkriegsverletzten Soldaten zu sprechen in einer, und das war eine

wirklich skurrile, seltsame, merkwürdige Situation, noch nie so eine Situation erlebt. Wir waren in

einer Schönheitsklinik, die machen Schönheitschirurgie und da werden aber nicht nur Frauen behandelt,

die dort sehr zahlreich nach wie vor hinkommen, also da finden Schönheitsoperationen am laufenden

Band statt. Mit einem Krieg, das ist kein Widerspruch. Mit einem Krieg, man ist ohnehin überrascht,

was mit einem Krieg alles ganz normal weitergeht, weil wir Menschen offensichtlich so sind und ich

glaube, das ist eine, wie soll man sagen, das ist auch eine Stärke, das ist auch etwas, was uns

ausmacht, dass wir unglaublich in der Lage sind, uns anzupassen an Situationen. Und das siehst du

daran, dass das Leben einfach weitergeht. Und so eben auch in dieser Schönheitsklinik und du hast

dann die völlig absurde Situation, da gab es so eine Eingangshalle, wir zeigen das auch in der

Reportage, die wir dann am 18. Mai senden werden, eine Eingangshalle, da laufen rechts diese Frauen

genau und links sitzen schwerverletzte Kriegsveteranen. Männer, die gerade von der Front kommen,

Männer, ich habe mit einem gesprochen, die ganze Nase weggesprengt, der hatte bis kurz vor dem Krieg

in Moskau auf Baustellen gearbeitet und sagte, das geht jetzt nicht mehr, ich kann nie wieder mit

Russen zusammenarbeiten. Dem haben sie dort in dieser Klinik für plastische Chirurgie einfach eine

neue Nase modelliert. Ein anderer hatte seinen kompletten Unterkiefer einfach weg. Das ist der

Ursprung der Schönheitschirurgie. Ich weiß. Der Ursprung der Schönheitschirurgie ist ja nicht

Menschen aufzupimpen und zu tun, sondern Kriegsverseerte und Kriegsverletzte wieder herzustellen.

Richtig, deswegen ist auch die plastische Chirurgie ja mal ihren Anfang gekommen.

Richtig, der viel bessere Begriff dafür. Aber diese Situation war halt so bizarr. Ich habe

eine Szene im Kopf, das konnten wir nicht drehen, wir liefen da einen Flur entlang, dann öffnet sich

rechts eine Tür, kommt eine Frau raus, komplett bandagiert, als kämen sie gerade von der Front,

die kam aber gerade vom OP-Tisch und hat sich einfach ihr Gesicht nach straffen lassen und links

kam einer Russ, der kam gerade von der Front und war operiert worden und hatte auch ein komplett

bandagiertes Gesicht und da treffen sich plötzlich diese zwei bandagierten Gesichter auf diesem

Flur. Tolle Filmbilder geworden. Ja und du siehst, da ist dieser eine Mann, der an der Front kämpft,

letzten Endes damit die Frau, die da rechts rauskommt, ihr Leben eigentlich im Wesentlichen

so weiterleben kann, wie gehabt. Naja gut, also ich meine Schönheitschirurgie gibt es auch in

Diktaturen und zwar nicht zu knapp. Das Land mit den meisten Schönheitschirurgien auf der Welt,

chirurgischen Eingriffen, weißt du welches das ist? Warte, das ist mir Iran. Iran, genau. Ja und

Russland dürfte auch ziemlich weit ruhig gehen. Also ich glaube, das ist, aber ich verstehe schon,

also dieser Kontrast zwischen dem Schönen im Leben und dem Schöner werden wollen und dem anderen,

wo es ums Überleben geht. Richtig. Ja, also einmal ums Schöner leben und dem anderen ums

Überleben und das so direkt aufeinander. Also das kann ich mir vorstellen, das ist sicher sehr,

sehr gänselhaft. Ja, weil das eine ist so existenziell und das andere ist so unfassbar

trivial, ne? Richtig. Das eine ist überlebensnotwendig und das andere ist völlig egal. Ja, genau, das ist

wie Napoleon sagt, vom Erhabenen zum Lächerlichen, es ist nur ein kleiner Schritt. Ja, genau so. Das ist

genauso vom Pathetischen zum Lächerlichen und vom Existenziellen zum Überflüssigen. Richtig,

richtig. Also Richard, abschließend gesagt, mein Gedanke dazu, ich, also viel gelernt,

bin sehr froh darüber, dass es die Möglichkeit gab, das jetzt mal zu bereisen und dann auch

Fernsehzuschauern zu zeigen und ich war einmal mehr überrascht und beeindruckt davon, wie

unvorstellbar vielfältig dieses Europa ist. Ja, also ein Land wie Moldavien, am Rande Europas,

wir kennen das alle gar nicht, es ist gerade mal mit zwei Flugstunden, drei, vier Flugstunden,

je nachdem, wie du reist, kommst du dahin, von Wien aus, anderthalb Stunden bist du da und du

wachst auf sozusagen in einer völlig anderen Welt und hast dann plötzlich so ihre Konstrukte wie

Transnistrien oder Gagausien, ja, das ja türkisch geprägt ist, auch nur ein paar Leute, aber die,

die ganz stark pro-russisch auch sind und die sagen, früher in der Sowjetunion war alles besser,

unter anderem die Zigaretten, die waren so viel billiger und so weiter, ja, so einfache Dinge,

darum geht es, damit kriegst du die Leute, die Zigaretten waren, in russischen Sowjetzeiten

waren die einfach so viel günstiger und deswegen wollen wir die gute alte Sowjetunion zurück,

das hörst du da auf der Straße und dann Erdogan, der da auch mitmischt, ja, weil das sozusagen seine

Leute sind und so weiter, dann haben wir einen orthodoxen Mönch getroffen dort, spielt auch

eine große Rolle, die orthodoxe Kirche, sehr gläubige Menschen, war uns interessant, der sagte,

wenn bei mir junge Menschen heiraten, dann sage ich Ihnen, eure Aufgabe ist es, mindestens fünf

Kinder zu kriegen, weil sonst sterben wir aus. Aber wenn die alle ins Ausland gehen, weil es keine

Entwicklungsperspektive gibt, was, was glaubst du, ist die, die richtige oder beste Zukunft? Ich

meine, Moldavien lag ganz lange im Schatten der Weltgeschichte und hat dann, es wurde in diesem

Schatten zu einem armen Gemüsegarten. Jetzt passiert, dass das Grelle-Licht der Öffentlichkeit

auf Moldau fällt, weil die Gefahr droht, dass hier ein stellvertreter Krieg wieder zwischen

russischen Machtinteressen und amerikanischen Machtinteressen stattfindet. Was empfiehlst du,

was passieren soll, damit in Moldau sich das Schicksal der Ukraine nicht wiederholt? Was sollte

man tun? Ich glaube, der Weg ist schon eingeschlagen. Die Stimmung, wenn du mit Leuten so sprichst,

Menschen wollen eine Perspektive für sich, Menschen wollen frei sein. Und der Blick wendet

sich ganz automatisch und natürlich unter dem Eindruck dessen, was da gerade jetzt in der

Ukraine passiert ist, nicht Richtung Osten, sondern natürlich Richtung Westen. Aber du hast

gesprochen von diesem, von diesem Oppositions-Oligarchen und dessen Einfluss und das jetzt von

konservativen Leuten, die, und wenn es auch nur um Zigaretten geht, an der alten Sowjet-Union hängen.

Also du hast von einem tief gespaltenem Land gesprochen. Also selbst wenn das Interesse

Richtung Westen geht, gerade der Jugend, also der Jugend, die da bleibt und die nicht weggeht,

weil die andere Option ist ja, du hast ja gesagt, relativ leicht wegzugehen. Da heißt es ja noch

lange nicht, dass sie diese Option bekommen. Sondern die würden, also wenn man sich ruckartig

und schnell nach Westen wendet, wenn man relativ schnell EU-Mitglied würde. Wobei ich mir auch

immer die Frage stelle, wenn wir schon die Ukraine, ein bettelarmes Kriegszersteuertes Land

in die EU aufnehmen wollen und auch noch mit Moldavien als nächste Armenhaus Europas. Und

das bei dem Zustand, in dem sich der Europäische Union derzeit befindet. Ich sowieso Angst habe,

dass wir uns damit heillos übernehmen und dass sich die Stimmung dann innerhalb Europas

absolut gegen die Aufnahme dieser Länder ohnehin drehen wird. Also ob das dazu kommt,

ist ja ohnehin noch mal die Frage. Und wenn das ruckartig und schnell ginge oder gar eine

NATO-Mitgliedschaft oder ähnliches winkt, dann muss man eben damit rechnen, dass die Kriegsgefahr

eben auch enorm steigt. Und hier können wir davon ausgehen, dass Moldavien sich nicht lange

wird wehren können. Also diese eingeschlagene Weg, das wir heimlich, ich hatte vorhin davon gesprochen,

also die Europäer und die Amerikaner, Molda aufrüsten und auf der anderen Seite die Russen

wahrscheinlich Transnistrien aufrüsten. Und ihren Oligarchen dann als Kriegsherr zu Felde führen werden

gegen Moldau oder wie auch immer man sowas am Ende macht. Um das alles zu verhindern, müsste man

sich nicht die UNO da rechtzeitig irgendwie einschalten, müsste es nicht Verträge geben,

die eine langwierige neutralität, militärische Neutralität Moldaviens festschreibt. Also

irgendetwas, damit sich diese Großkatastrophe in der Ukraine hier nicht nochmal wiederholt.

Ja, wahrscheinlich hast du recht. Also ich bin kein Politiker Richard, aber was du dort siehst

und das ist dann schon etwas, was einen auch nachdenklich macht, wie unvorstellbar komplex und

wie unvorstellbar kompliziert Politik mit unterseien kann. Und ich möchte nicht derjenige sein, der dort

die Entscheidungen treffen muss, weil ich glaube, es gibt kein eindeutiges richtig und auch kein

eindeutiges falsch. Ja, also dass das eindeutige richtig wäre, das zu tun, was vom Ende her gedacht

und langfristig gedacht für die Menschen in Moldavien das Beste ist. Richtig. Und nicht,

was den kurzfristigen Interessen anderer dient. Aber ich fürchte, dass die anderen viel stärkere

Mittel haben, ihre Interessen durchzusetzen und dass ich am Ende für die Menschen in Moldavien dann

doch keiner interessiert. Das ist meine große Befürchtung. Ja, dass das eine und der andere

Punkt ist, wie machtvoll diese Werkzeuge der Propaganda mittlerweile sind. Im 21. Jahrhundert.

Also du erlebst das und du denkst, weißt du was, schalt es einfach alles ab. Weil was du siehst,

die Leute werden systematisch wirklich wuschig gemacht. Die verstehen nicht mehr, wo links und

rechts, wo richtig und falsch, wo oben und unten ist. Sie werden einfach nur noch konfuss. Das ist

so furchtbar und ich denke mal irgendwann werden wir auch als Gesellschaft, das ist ja auch ein

Thema, das wir selber ja auch längst haben, wir werden auf diese Dinge, wenn wir irgendwann eine

Antwort geben müssen. Ich weiß noch nicht, welche, aber wir werden eine Lösung finden müssen. So geht

es nicht weiter. Also die Großgefahren, die die Digitalisierung mit sich bringt auf dem

Informationssektor, psychologischer Natur, politischer Natur, gesellschaftlicher Natur,

ich glaube, die werden immer noch alles im Alm, obwohl häufiger Bedrohungs-Szenarien genannt

werden, unterschätzt. Ich glaube, dass diese digitale Gesellschaft einfach eine ganz andere

Gesellschaft ist als die Gesellschaften, die wir vorher kannten. Und wir sind überhaupt noch nicht

trainiert oder gewohnt, weder im Juristischen die richtigen Schritte zu machen, noch in unserem

normalen Verhaltensweisen, die wir tagtäglich machen, darauf angemessen zu reagieren. Die

technische Entwicklung ist einfach viel, viel schneller als die Gesellschaft. Das überfordert

uns als Menschen, das ist der Punkt. Darüber reden wir noch mal ganz ausführlich. Sehr gerne,

Richard. Viel gelernt. Ja, danke dir. Lieber zwei Länder, in denen ich nie war, aber vielleicht

irgendwann mal sein werden. Ja, zusammen. Nach Transbistria. Nicht gern mal mit dir. Also,

alles Liebe dir. Danke dir. Tschüss, Markus. Tschüss.

Eine Produktion von MQ2 und Potsats bei OMR im Auftrag des ZDF.

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In dieser Folge berichtet Markus Lanz von seinen Eindrücken, die er gerade bei einer ZDF-Drehreise in Moldau gemacht hat. Er erzählt, wie beeindruckt er und sein Drehteam von der Vielfalt dieses kleinen Landes am Rande Europas sind. Von einer älteren Frau, die Markus Lanz auf einem Markplatz traf und einer schwierigen Begegnung mit einem Zollbeamten. Precht fragt sich, wie wohl die Perspektive für Moldau und Transnistrien sein könnte und was jetzt geschehen muss, damit sich das Schicksal der Ukraine nicht dort wiederholt.