LANZ & PRECHT: AUSGABE NEUNZIG

ZDF, Markus Lanz & Richard David Precht ZDF, Markus Lanz & Richard David Precht 5/26/23 - Episode Page - 1h 1m - PDF Transcript

Blanz und Brecht.

Schönen guten Morgen Richard.

Guten Morgen Markus.

Wo erreiche ich dich?

Ich hüte die Kiminate.

Und du denkst nach.

Ach ja, was bleibt dann so anderes übrig?

Nicht zu tun hat, denkt man auch viel nach.

Aber ich meine, du musst dich jetzt ins harte Leben werfen.

Ich ja nur selten.

Ich habe gehört, du hast eine ziemlich harte Woche in den Knochen.

Ja, wirklich.

Also mal der Woche war ein bisschen anders.

Irgendwie viel passiert.

Also das, was mir am meisten hängen geblieben ist in zwei Sachen

und die hängen auch tatsächlich miteinander zusammen.

Ich hatte Jonas Kratzenberg in der Sendung,

der ein interessantes Buch geschrieben hat,

über seine Zeit als deutscher Soldat in der Ukraine.

Das ist eine krasse Geschichte.

Das ist ein junger Mann, ich glaube 22 ist Jonas.

Und der packt seine Koffer in Aachen

und stellt sich vor seine Eltern und die sagen,

Junge, wo willst du hin?

Und der sagt, die fahren jetzt in die Ukraine.

Zum Kämpfen.

Und seine Eltern haben was gesagt?

Seine Eltern sind fassungslos.

Sie sind ein Vaterpolizist.

Total patifistischer Haushalt, wie er mir gesagt hat.

Und meinte, nichts ist weiter weg von denen als Krieg.

Aber er hat dann auch sehr ehrlich, wie ich fand, beschrieben,

eine gewisse Faszination fürs Militärische.

Und hat dann beschrieben,

wie er dann einfach in sich in dieses Auto setzt und losfährt.

Und sich dann dort meldet in der Ukraine.

Ja, wo meldet man sich dann?

Ja, genau.

Man geht, hat sich da bei so einer Behörde gemeldet

und hat dann alle möglichen Dokumente mitgebracht.

Also du gehst zu einer Art Kreiswehrersatzamt?

Das heißt wahrscheinlich anders.

Also irgendwie so ein Kriegsrekrutierung, Spüro oder so.

Und da meldest du dich und sagst, ich bin der und der.

Ich wollte mal da nicht sofort erstmal für ein Spion gehalten.

Nein, weil es tatsächlich, das habe ich Ihnen auch gefragt,

woher die Leute alle kommen.

Da hat in einer, mit einer Gruppe gekämpft von Leuten,

die wirklich aus der ganzen Welt kommen.

Viele Israeles, Kanadien, Australien, Amerikaner,

die die Medien vorher schon vernetzen.

Nein, nein, nein.

Und ihr hattet da kennengelernt.

Ja, für Leute wie Sie, da haben wir hier so eine Art Fremden-Ligion.

Ja, so musst du mir das vorstellen.

Oder wie ist das im spanischen internationalen Brigaden?

Ja, richtig.

Und dann habe ich ihn gefragt, wie das läuft.

Und der sagte ja, da schreibt dann einfach irgendwo,

das Ausweis genügt.

Und dann gibt es 500 Euro, versprochen zumindest,

die dann aber selten wirklich fließen.

Weil es offensichtlich, das schreibt er auch sehr ehrlich

in der ukrainischen Armee, in diesen Strukturen,

nach wie vor sehr viel Korruption gibt.

Und wenn du dann sozusagen wirklich zum Front-Einsatz kommst,

dann kriegst du nochmal 3.000 obendrauf.

Und auch die haben aber dann viele von denen nicht wirklich gesehen.

Das sind Belarusen, viele, die da dabei sind,

für die das sehr, sehr viel Geld ist,

also die wirklich zum Geldverdienen dahingehend.

Ja, ja.

Dann gibt es also wirklich Menschen von überall her.

Ja, bei Jan es gibt Russen.

Russen, die teils in der Ukraine leben,

teils aber auch aus Russland rübergekommen sind,

um jetzt in der Ukraine, an der Seite der Ukraine zu kämpfen.

Es gibt also sozusagen auch die anderen Russen,

die sehr wohl erkennen, was da gerade passiert

und was das für ein ungerechter grauenvoller Krieg ist

und was für eine miese Nummer.

Und die dann zum Teil auch so Partisanen-Dinge dann machen,

was ja vielleicht mitgekriegt,

geht einfach dann rein in die Dörfer

und hat man dort sich dann auf russischem Territorium...

Über extrem schlecht bewachte Grenzen offensichtlich.

Ja, genau, genau.

Und der hat mir berichtet, die haben dann diese Gruppe zurückgeschlagen,

zwei von denen sind gestorben, zehn wurden verletzt

und die, die es geschafft haben, diese Partisanen,

haben dann von den Russen so einen Schützenpanzer geklaut

und sind mit dem wieder zurück über die Grenze.

Das ist der totale Wahnsinn.

Irre, das klingt so völlig unrealistisch, oder?

Es klingt unrealistisch, aber was mich bewegt hat tatsächlich...

Das klingt jetzt so nach...

Da sind so ein paar heißblötige Jungs zu viel Testosteron

und zu viel Videospiele gespielt in der Kindheit

und jetzt wollen wir es mal in echt machen.

So könnte man das so einfach abtun, aber so ist es nicht.

Sondern da ist schon eine große Ernsthaftigkeit dahinter

und ich glaube ihm das auch.

Er sagt, ich bin Soldat, er war Berufssoldat, Panzergrenadier

und so wie ein Pilot fliegen will

und ein Arzt irgendwann operieren will,

so wollen wir halt irgendwann auch unserem Beruf nachgehen.

Aber das ist neu, ne?

Also ich meine so, so dass Etters der Bundeswehr früher war ja,

hoffentlich kommt bloß kein Krieg.

Richtig.

Und wenn dann sich sofort ergeben.

Also diese Witze, die man über die Bundeswehr ja früher gemacht hat,

das ist ja einfach nur, da war irgendwie 3 Tage Widerstand zu leisten,

bis die Amerikaner da sind.

Also diese Haltung zu sagen, ich habe das gelernt,

jetzt will ich das auch mal zeigen, was ich kann.

Das hat es ja früher aber auch nicht gegeben.

Ja, es ist ohnehin...

Also dann ging man wirklich zur Fremdenlegion.

Also wer den Zweiten Weltkrieg großartig gefunden hat

und das Soldatentum geschätzt hat, vorsichtig ausgedrückt,

der konnte zur Fremdenlegion gehen

und da gab es ja reichhaltige Einsatzmöglichkeiten,

Indochina, Algerien und so.

Genau.

Ja, er hat auch sehr, sehr klar darüber reflektiert.

Er sagt, ich habe noch nie so viel Unehrlichkeit erlebt

und Lüge wie in diesem Krieg.

Und ich nehme an, das hat aber damit zu tun,

dass es in jedem Krieg schlicht und ergreifend so ist.

Ich erinnere mich am Flughafen in Kishinau,

haben eine Kollegin französische Reporterin

im Flugzeug getroffen,

die gerade von der Front kam, Bachmut,

und die immer wieder dort in der Ostukraine war,

in den letzten Jahren und auch jetzt in diesem Krieg

und die auch sagt, er wird auf allen Seiten gelogen,

dass sich die Balken biegen.

Man kann sich das nicht vorstellen.

Und Jonas berichtete dann auch,

also einer der Ersten, der ein Butcher war,

der das gesehen, da krieg ich jetzt noch Gänsehaut.

Also er hat die Leichen auf der Straße gesehen.

Und es war so brutal,

da wurden einfach Menschen auf dem Weg zum Einkaufen,

die wurden einfach Kopfschuss, einfach hingerichtet,

wenn sie das Pech hatten, gerade so russischen Panzern,

die Arme zu fahren.

Und da wurden systematisch, er meinte, in Japan war das etwas anders,

ist ja nicht weit weg,

aber ein Butcher war erkennbar, was das Vorgehen war.

Das Vorgehen war wirklich, Zivilisten greifen,

dass sie malen Terrorverbreiten

und größtmögliche Angst auszulösen

und den Widerstandsgeist räuchen.

Genau, das hat er so berichtet

und das ging ihm erkennbar unter die Haut.

Er hat aber auch von ukrainischen Kriegsverbrechen berichtet,

sagte, da gab es eine Situation,

da hatten sie fünf russische Kriegsgefangene,

sie da irgendwo aus dem Graben rausgezogen,

die haben sich dann ergeben

und plötzlich wurden drei von denen,

komischerweise drei.

Das ist keiner so genau, die wurden einfach rausgezogen

und dann gingen drei ukrainische Soldaten

mit denen in so ein Wald verschwanden in diesem Wald

und plötzlich hört man drei Schüsse

und dann kommen die ohne die drei Russen wieder zurück.

Und alle haben es gesehen, alle haben es mitgekriegt

und alle haben verstanden, was da passiert ist

und dann erzählt man sich wenig später,

naja, da werden wir jetzt eine Untersuchung machen und so weiter,

aber er sagt der Glaube daran,

dass es da jemals eine ernsthafte Aufarbeitung dieser Dinge geben wird,

der fehlt einem total.

Ja, in 100 Jahren, wenn es ein philosophischer Krieg ist.

Und die zwei bleiben leben,

damit sie das mitkriegen und ihren Kameraden erzählen können, oder?

Damit sie wissen, was ihnen passiert.

Das könnte sein.

Also auch die Abschreckungsdimension.

Ja, er berichtet auch darüber, weißt du,

das ist halt das Ding,

da sind halt alle Gesetze der Menschlichkeit einfach aufgehoben.

Genau, das ist Krieg.

Das ist Krieg und das können sich Menschen,

die wahrscheinlich nicht drin sind,

wahnsinnig schwer vorstellen.

Richtig.

Er hat ja damals erzählt von dieser Dokumentation

Weißerhaben über den Chechenienkrieg.

Und ich habe ja Gott sei Dank solche Dinge nie erlebt,

aber in diesem Dokumentarfilm kam das alles so nahe,

diese unglaubliche Verrohung zu der ganz normale Menschen,

fähig sind in Kriegssituationen.

Genau.

Und die Dinge mit einem machen, die man sich bei sich selbst

in seinen schlimmsten Albträumen nicht vorstellen kann.

Ja, das ist der Punkt.

Und das ist jeden Tag, ne?

Also das ereignet sich ja jeden Tag dort.

Ja, es war auch so.

Ich habe ihn dann natürlich irgendwann an einem Punkt,

es war ein wirklich intensives Gespräch

und ich habe mich da einfach so reinfallen lassen.

Und ich habe ihn dann irgendwann gefragt,

ob er den selber auch Leute umgebracht hat.

Und er sagte, darüber rede ich nicht.

Und darüber rede ich noch nicht mal

mit meinen ehemaligen Kameraden aus der Bundeswehr,

darüber rede ich nur mit denen, die dabei waren.

Auch übrigens typisch.

Ganz typisch, das war ja nach dem zweiten Weltkrieg so.

Genau.

Ja, also wenn die Männer aus dem Krieg zurück kamen,

die ihren Frauen nicht erzählt haben, was sie gemacht haben.

Richtig.

Und es gab auch häufig so,

dass wenn bestimmte Kreueltaten begangen worden sind,

dass man Gelübde abgegeben hat, nicht darüber zu sprechen,

außer eben in diesem inneren Kreis.

Was dich dann nochmal mehr zusammenschweißt?

Einer der Gründe für die Beliebtheit von Veteranen treffen.

Um sich dort auszutauschen.

Um quasi auch wechselseitig psychotherapeutisch austauschen zu können,

über die man nicht redet.

Ich glaube, sofort.

Ja, ich glaube, das Entsetzen sozusagen über das,

wozu man selber fähig ist,

ich glaube, das kommt dann irgendwann.

Und ich denke dann auch immer,

dann ist der Weg auch in die Depression nicht weit.

Und ich frage mich immer wieder nach,

wie da einfach ein normales Leben gelingen soll.

Wenn du das gesehen hast,

wenn du dich, das ist ja,

also Gewalt in einem unvorstellbaren Ausmaß,

wenn du dort beschreibst das in Teilen auch,

wenn du dann Menschen siehst,

die einfach nicht mehr wie Menschen aussehen.

Auch interessant übrigens,

also wir haben ja beide öfter schon darüber gesprochen,

dass dieser Krieg so gestrich wirkt.

Ja, so ganz konventionell.

Aber tatsächlich hatte eine Dimension,

über die nach meinem Dafürhalten dann zu wenig geredet wird,

die ist wirklich 21. Jahrhundert.

Das ist ganz, ganz modern.

Drohnen.

Drohnen spielen eine ganz, ganz, ganz entscheidende Rolle

in diesem Krieg.

Und die Propaganda funktioniert anders als in früheren Krieg.

Das sowieso?

Ja, weil die Propaganda ist ja global.

Richtig.

Also früher war das ja so,

im Zweiten Weltkrieg hat man den Deutschen ihre Geschichten erzählt.

Also Niederlagen waren Frontbegradigungen und so ein Quatsch.

Und wenn man was anderes wissen wollte,

dann musste man unter Lebensgefahr den englischen Sender hören.

Aber sonst waren diese Informationen ja nicht verfügbar.

Und jetzt wird ja von beiden Seiten der Informationskrieg global geführt.

Richtig.

Und das ist natürlich auch was völlig anderes.

Und jeder kann mit seinem Handy Bilder aufnehmen

und in sozialen Netzwerke fluten und so.

Das ist auch neu.

Ja, die Drohnen vor allen Dingen, was man immer vergisst.

Also ich wusste das nicht.

In China gibt es gerade einen riesigen Absatz für Drohnen.

Das sind so ganz simple Drohnen,

die angeblich in der Lage sind, Geschenke irgendwo abzuwerfen.

Aber natürlich werden die benutzt und missbraucht,

um Granaten abzuwerfen.

Und all diese Drohnen haben Kameras.

Und mit diesen Drohnen wird sehr genau geguckt, wo sind die gerade?

Wo haben sich die Wagner-Söldner zum Beispiel,

wo haben die sich eingegraben?

Und dann fliegt der genau darüber.

Und er selbst ist auch von einer solchen Drohne erwischt worden.

Schwer verletzt worden, hatte Splitter im Auge,

hatte dann irgendwann eine schwere Operation,

weil er innere Blutungen,

hat bis heute ganz viele Granatsplitter im Kopf.

Wo die Ärzte sagen, besser, wenn wir das nicht anfassen,

solange du damit leben kannst, lass es einfach so, wie es ist.

Aber das hat ja alles in seinem Körper.

Und diese Drohne hat ihn einfach von oben erwischt.

Und ich sagte, wie kann das sein?

Das kriegt die doch mit, da meinte er, nein, die fliegen so hoch.

Er hat in der ganzen Zeit, war ein Jahr dort,

hat er eine einzige Drohne jemals zu Gesicht bekommen.

Und dann haben die versucht, mit Kalashnikovs diese Drohne,

die direkt über ihn stand, ganz ruhig, vom Himmel zu holen.

Er sagte, keine Chance.

Wir haben die nicht gekriegt, weil sie dann so klein ist

und dann doch auch so wendig.

Wir haben die nicht vom Himmel geholt bekommen.

Aber die Drohne wird dann genau über diesen schützten Gräben platziert

und dann schmeißen die das Ding runter.

Und es gibt unzählige Aufnahmen.

Und das sieht wirklich aus wie so ein ekelhaftes Videospiel.

Du siehst, wie die unten durch diese Gräben kriechen.

Dann kommt diese Granate, die Explosion,

einfach genau auf die Leute drauf

und dann zerfetzt es diesen Typ in diesem Gräben.

Und es bleibt nichts mehr von dir übrig.

Das ist so brutal.

Und der meinte, die fliegen in 3, 4, 5.000 Metern Höhe.

Keine Chance, die zu kriegen, kannst du auch nicht raufschießen.

Das Einzige, was hilft, ist Flak.

Der deutsche G-Part, der kann das.

Deswegen ist der so gefragt in der Ukraine,

weil du damit am ehesten Drohne vom Himmel holen kannst.

Ja, aber wenn man nicht überlegt,

dass du die Drohne an jeder Ecke überall einsetzen kannst.

Und so viel G-Partpanzer gibt es gar nicht.

Den kannst du ja nur gezielt oder wenig schnell einsetzen.

Genau.

Und eben so was wie Patriot zum Beispiel,

kannst du dann das viel zu teuer.

Natürlich könntest du damit so ein Ding vom Himmel holen,

aber es gibt so unendlich viel der Drohne.

So viel Munition hast du gar nicht.

Und deswegen, das ist eine ganz andere Dimension

und spielt offensichtlich in diesem Krieg

eine noch viel größere Rolle, als ich dachte.

Wenn es darum geht sozusagen, Angst und Schrecken zu verbreiten.

Sag mal, hat denn dein Gast, der ist dann wegen der vielen Kriegsverletzungen zurück?

Genau.

Man hat er für sich einen Fazit daraus gezogen?

Ja, ich habe ihn gefragt zum Schluss, ob er das,

ob sich das gelohnt hat.

Und er sagte, ja, er würde es sofort nochmal machen.

Also, er ist wirklich davon überzeugt,

dass dort in der Ukraine nicht nur die Freiheit der Ukraine verteidigt wird,

sondern auch alle Säure.

Sondern das Fessenschen, meine ich.

Genau, genau.

Ich habe, und da gibt es jetzt sozusagen die Verbindung,

ein paar Tage davor Boris Schumacki kennengelernt.

Das ist ein schriftsteller, russischer Schriftsteller,

ein toller Schreiber, der in Berlin lebt seit relativ langer Zeit

und der hinterher, als wir uns noch darüber ausgetauscht haben,

fast geweint hat, als er sagte,

weißt du die Vorstellung, dass ich nie wieder mein Land sehen werde,

dass ich nie wieder in meine Heimat zurückkehren kann,

das macht mich fix und fertig.

Und das habe ich so gut verstanden.

Ich kann mich da nicht blicken lassen bei dem, was ich schreibe.

Der schreibt viel über diese strukturelle russische Gewalt

und sagt, es gibt eben zwei Spuren, wenn man dieser Gewalt,

die wirklich in dieser russischen Gesellschaft eine riesige Rolle spielt.

Wenn man die verstehen will, dann gibt es zwei Spuren,

die eine führt direkt rein in die Familien.

Alle 40 bis 60 Minuten wird eine russische Frau zu Tode geprügelt

oder erschlagen, erschossen, was auch immer.

Grauenvoll, alle 40 bis 60 Minuten stirbt in Russland eine Frau.

Ein gewaltsames Todes.

Ein gewaltsames Todes und es ist auch nicht mehr strafbar.

Ich glaube, seit 2017 hat Putin das geändert,

also wenn sie nicht ins Krankenhaus musste

und ist häusliche Gewalt eigentlich okay.

Es ist eins von zwei europäischen Ländern,

wo das noch sozusagen gesellschaftlich okay ist.

Die andere Spur führt in diese russischen Gefängnisse.

Jeder dritte russische Mann war im Gefängnis oder ist im Gefängnis.

Und dort geht es auch um Gewalt, es geht um Erniedrigung,

es geht um die Frage, bist du Opfer oder bist du kein Opfer?

Klar.

Menschen werden systematisch erniedrigt

und was der erzählte, dass diese sexuelle Entwürdigung

Männer ganz gezielt zu vergewaltigen, ist Teil dieser Entwürdigung.

Und der sagt daraus resultiert auch diese russische Homophobie.

Weil durch diese Vergewaltigungen im Gefängnis

wird Gewalt sozusagen im Kopf mit etwas verbunden,

was maximal entwürdigend und demütigend ist.

Und deswegen auch diese Homophobie, also Sex mit Männern.

Aber sag mal, wir haben hier uns ja mal über Jens Söhring unterhalten,

der in amerikanischen Hochsicherheitsgefängnissen saß.

Und der hat ja genau die gleichen Dinge.

Und du hast ja in den USA auch immer bei Kalifornien und New York aus,

aber ansonsten auch eine Homophobegesellschaft.

Und du hast ja auch eine Gesellschaft mit einer großen,

unterschwelligen Gewalt.

Die haben sicherlich nicht diese hohen Verprügelungszahlen,

aber eben Waffenbesitz und ähnliche andere,

die Waffenfetischismus, Rechtsradikalismus und so weiter.

Warum glaubst du, ist gerade in diesen großen imperialen Ländern,

warum ist das so stark?

Das ist eine interessante Frage,

da hatte ich nie richtig drüber nachgedacht.

Also es ist interessant, dass es Kulturen gibt,

wo man sagt, da ist das sicher anders.

Und da denkt man als erstes an Dänemark oder Schweden.

Ja, das glaubt man, also werden mit Sicherheit

sehr, sehr viel weniger Frauen verprügelt und vergewaltigt.

Und da gibt es sehr wenig Waffenbesitz

und da geht es auch in Gefängnissen wahrscheinlich.

Ich war da nicht, aber deutlich anders,

so als in dem russischen Gefängnis

oder in einem amerikanischen Hochsicherheitstrakt.

Woran liegt das, dass manche Länder so gewalttätig sind

und andere so wenig?

Also ich glaube prinzipiell, zum Beispiel Deutschland,

wir haben ja unsere eigene unvorstellbare Gewalterfahrung gemacht.

Und ich glaube, daraus haben wir was gelernt.

Das ist schon mein Gefühl, aber...

Weil wir verloren haben.

Weil wir verloren haben.

Wenn wir gefordert hätten, dann hätten wir

einen riesen Kult aus unserer Gewaltbereitschaft gemacht.

Vielleicht.

Das sagt auch Schumatski.

Der Zweite Weltkrieg, dieses Gewinnen im Zweiten Weltkrieg,

deswegen ist es schon ein guter Punkt,

spielt in Russland eine gigantische Rolle

und Putin hat das unglaublich wiederbelebt.

Es gibt Museen, die dem Hooligen,

der große vaterländische Krieg,

der 9. Mai, der dann da zelebriert wird und so weiter.

Erst mal ist das ja verständlich.

Wenn man sagt, auf dem Gebiet der damaligen Sowjetunion

während der Zeit des Zweiten Weltkrieges

28 Millionen Menschen ums Leben gekommen.

Das heißt also, mehr als jeder zweite Kriegstote

im Zweiten Weltkrieg war auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion.

Das ist deswegen...

Heldendenkmailer gibt,

dass es deswegen Museen gibt,

dass das alles eine riesige Rolle spielt.

Das kann ich alles verstehen.

Die Frage ist ja, mit was verbindet sich das?

Verbindet sich das mit Nationalismus und Aggressivität?

Oder verbindet sich das, was es auch machen könnte

mit Gedenken, mit Pazifismus, mit Einhalten,

mit dem Beschwören, der schreckend ist,

Schreckendes Krieg ist?

Das könnte es ja alles auch.

Aber das Problem ist immer, wenn man gewinnt,

dann wird es immer eher die erste Seite.

Dann ist man stolz auf sich.

Egal, wie gruselig das war, wie viele Menschen man verloren hat,

was wir Schandtaten auf allen Seiten begangen waren.

Gezwungen zum Nachdenken ist man ja nur, wenn man verliert.

Das stimmt.

Das ist der Moment, der in Deutschland hat.

Ja, das ist wahr.

Aber es gibt tatsächlich, ich meine,

deswegen sagte ich gerade Blattlands,

Timothy Snyder, der in Jailer Geschichtsprofessor war,

oder ist, gibt dieses Buch,

du hast das bestimmt gelesen,

über diesen Streifen in Osteuropa sozusagen,

vom Baltikum über Polen, Belarus,

bis runter zur Krim.

Das ist der Schauplatz

im 20. Jahrhundert dieser unvorstellbaren Gewalt.

Mal kamen die Deutschen, mal die Russen,

und beide brachten immer Tod und Elend

in einem Ausmaß,

das haben wir hier sozusagen in diesem Land

auf die Art und Weise ja nie erlebt.

Das ist richtig.

Obwohl wir den Zweiten Weltkrieg verbrochen haben.

Richtig, ja, genau.

Das stimmt.

Also sagen wir mal, diese zivilgesellschaftlichen Verheerungen,

was wir natürlich erlebt haben bei uns,

war den Holocaust.

Wir haben die Verhandlungen abgebrannt,

wie Juden auf offener Straße verprügelt oder umgebracht wurden.

Also das schon,

aber sie haben den Bürgerkrieg der Deutschen untereinander

beeinflusst durch Siegermächte,

oder dass Siegermächte kamen.

Ich meine, gab es natürlich auch Vergewaltigungen

und so nach dem Zweiten Weltkrieg,

aber eben eine ganz andere Nummer im direkten Vergleich

zu dem, was in diesem Blattlands passiert ist.

Und Boris Schumatski sagt eben,

dass das krasse ist.

Er meinte, das fand ich so interessant,

haben wir auch schon mal drüber gesprochen.

Meinte, was es ist, nicht Putin,

der da reingeht und Menschen bei lebendigem Leib

die Köpfe abschneidet.

Das macht nicht Putin selbst.

Das machen ganz einfache Russen.

Und er sagt, diese Gewalt ist wirklich strukturell.

Man muss das einmal verstehen.

Und ich habe das auch in Moldawien erlebt.

Deswegen gibt es da genau diese Aufmerksamkeit

und auch diese Angst, auch im Baltikum und bei den Polen,

die wissen, mit wem sie es da zu tun haben.

Und er sagt, selbst wenn du in Russland,

wenn du gegen Gewalt bist,

und es gibt ganz viele nette, sympathische, freundliche Russen,

ich kenne auch einige von denen,

und er kennt natürlich ganz, ganz viele.

Er sagt, das sind ganz nette Menschen.

Aber wenn du versuchst, dich dieser Gewalt zu entziehen,

du kannst es nicht,

weil der Gewalt kommt irgendwann auf dich zu

oder kommt hinter dir her.

Du kannst dich dem nicht entziehen,

weil die ganze Gesellschaft mit Gewalt durchtrenkt ist.

Und er sagt, das Entscheidende ist natürlich immer der Kopf ganz oben.

Und dann gibt es Codes, dann gibt es Sprachen.

Er sagt, es gibt eben die Böse zu sein.

Ist im Russischen etwas Gutes.

Böse zu sein ist gut.

Aber nicht für jeden.

Nein, aber das wird den Kindern schon in der Schule so beigebracht.

Ja, sagt er.

Ich kann nur Boris Schumatski zitieren.

Also es gibt es vielleicht auch.

Aber jetzt erzeugst du so ein bisschen den Eindruck,

die russische Gesellschaft wäre Mordor.

Als wenn da ein Kult des Bösen zelebriert wurde.

Da wäre ich jetzt immer sehr, sehr vorsichtig.

Kein Kult des Bösen,

aber tatsächlich eine Bereitschaft zur Gewalt,

die dann immer wieder, wie soll man sagen,

in der Grundschule sagt das schon, wird das zelebriert.

Und Böse zu sein bedeutet, du bist dann nicht Opfer.

Und der Code ist zum Beispiel,

sagt, wenn man jemandem wie Putin sagt,

wir wollen jetzt Frieden schließen.

Wir wollen es doch vertragen.

Lass uns irgendwo ein paar Fehnchen hinstecken auf einer Landkarte

und dann sagen wir bis hierhin jetzt Euers und dann unsers.

Das bedeutet für den okay, sie sind schwach

und jetzt erst recht.

Das ist die Übersetzung von,

lass uns doch bitte jetzt mal über Frieden sprechen.

Das versteht ja vollkommen anders,

als wir es verstehen.

Das fand ich so interessant.

Aber würden wir in der aus der militärischen Logik heraus,

das nicht genauso sehen?

Also du brauchst diese ganze Celebration des Bösen ja nicht,

um zu sagen, wer als Erster ankommt

und sagt, wollen wir nicht mal Frieden machen.

Der hat Angst, dass er den Krieg verliert.

Also dafür brauchst du jetzt gar nicht das Böse.

Sondern du denkst sofort,

wenn die Stimme stelle sich mal vor,

was ist das für ein Angebot aus russischer Seite nach dem Motto?

Na ja, wir können über alles reden,

auch dass wir darüber wieder rausgehen.

Ich meine, alles zu topischer Quatsch.

Aber das würden wir auch sofort als Signal der Schwäche interpretieren.

Ja, aber die Frage ist dann, was man daraus folgt.

Er sagt eben, es gibt im Russischen ein Wort Böse.

Und er sagt, bei uns ist es besser,

Böse zu sein, weil das Böse ist auf Russisch oft gut.

Ein böser Wachhund ist ein guter Wachhund.

Und er sagt, unsere Lehrer haben sogar von einer gesunden Brustheit

zum Beispiel beim Sport gesprochen.

So eine gewisse Brustheit,

weil dann kann man am Ende erfolgreich sein.

Und er nennt es gewaltrussisch.

Er sagt, dieser Sprache spricht Pute in den Perfektion.

Er hat auch andere Quatsch, das fand ich so interessant.

Er sagte, die maximale Demütigung im Gefängnis ist,

Männer, die Opfer sind, die verprügelt werden, die vergewaltigt werden.

Denn wird dann häufig der Platz neben der Latrine zuzugewiesen.

Der soll sich aufs Klo verziehen,

weil das ist der Ort, an den er hingehört.

Er sagt, erinnerst du dich,

als Putin damals im Jahr 2000, Chechenien,

weil du das vorhin erwähnt hast,

hat er doch gesagt, wir werden diese Leute jagen

und wir werden sie auch auf dem Scheißhaus treffen.

Erinnerst du dich daran?

Nee, er erinnert mich nicht.

Das ist ein ganz bekannter Satz von ihm.

Und das war damals sozusagen die ultimative Kriegserklärung.

Für mich, ich hab das damals so gehört,

das war einfach Vulgeärsprache.

Aber er sagt, im Russischen hat jeder verstanden, was er meint.

Das war der Code für, da gehören diese Typen hin.

Das sind diese Opfer und die werden wir uns jetzt holen.

Das bedeutet, der viel mehr ist einfach nur zu sagen,

da holen wir jetzt Leute von der Toilette runter.

Das fand ich sehr interessant.

Und das versteht man nur, wenn man mit jemandem redet,

der dort aufgewachsen ist und der das genau versteht.

Man hat mich extrem beeindruckt, dieses Gespräch.

Richard, deswegen,

und jetzt komme ich zum dritten Punkt,

der mich in dieser Woche irgendwie gepackt hat.

Ich hatte Lars Klingbald zu Gast in der Sendung.

Ja, in der gleichen Sendung.

Nee, das war eine andere Sendung.

Und Lars Klingbald, SPD-Chef, der den Laden,

wie ich finde, sehr gut zusammenhält.

Ich meine, wer hätte das gedacht,

dass wir mal hier sitzen und über die SPD sagen,

das jetzt läuft gerade bei denen.

Keiner erzählt miese Geschichten über den anderen.

Keine Intrigen, zumindest keine, die man groß mitkriegt.

Sondern es ist erstaunlich still.

Ist richtig, genau.

Der Laden hat echt gut im Griff.

Und ich komme deswegen drauf, weil ich finde,

es gab ja jetzt gerade das Jubiläum 160 Jahre SPD.

Und dachte so auch in diesem Gespräch mit Schumatski,

wie gut es ist, dass es genau so eine Partei wie die SPD gibt,

dass es diese Leute gab, Leute wie Otto Wels zum Beispiel,

die 1933 gegen dieses Ermächtigungsgesetz von Hitler gestimmt haben,

die sich sozusagen gegen diese aufziehende Gewalt ausgesprochen haben

und der das Messer scharf erkannt hat, 33, was da auf Deutschland zukommt.

Und der damals diesen berühmten Satz sagte,

Freiheit und Leben kann man uns nehmen, die Ehre aber nicht.

Das ist sozusagen der andere Teil,

der eigentlich gut zu dem passt, was wir gerade besprochen haben.

Es ist so entscheidend, dass an der richtigen Stelle

Menschen aufstehen und sagen, pass auf, wir sehen, was ihr davor habt,

um mit uns nicht.

Wir machen das nicht mit.

Und ich finde, die SPD hat da große Verdienste.

Also die Verdienste der SPD sind völlig unbestritten.

Sie ist die mit riesem Abstand erfolgreichste deutsche Partei.

Sie hat zwar nicht den erfolgreichsten Bundeskanzler gestellt,

das war wahrscheinlich Ardenauer und Kohl,

aber sie hat erfolgreich bei Ardenauer und Kohl

die langen Regierungszeiten und zum anderen,

dass sie ihre Agenda in einem beeindruckenden Maße umgesetzt haben,

also bei Ardenauer die Westintegration der Bundesrepublik

und bei Kohl die Europäische Union.

Gigantische Projekte, das zweite noch größer als das erste,

das eben nur in diesen langen Regierungszeiten

nur mit Kanzlern möglich war, die nicht nur den Zug gezogen haben,

sondern den ganzen Bahnhof.

Deswegen waren sie sicherlich die erfolgreichsten Kanzler.

Aber wenn man sich die Frage stellt, wer hat die Bundesrepublik Deutschland

am meisten geprägt?

Wer hat sie zudem gemacht, was sie heute ist

und spielt die SPD sicherlich eine deutlich größere Rolle als die CDU?

Und wenn wir noch eher anfangen und nicht nur sagen Bundesrepublik,

sondern überhaupt Deutschland,

dass der Wert eines Arbeiters erkannt wurde,

dass man erkannte, dass es aus zwei Gründen sehr gut ist,

Arbeitern höhere Löhne zu zahlen als das, was sie zum Überleben brauchen,

einmal aus humanen Gründen und zweitens aus wirtschaftlichen Gründen,

weil dann können sie auch die Produkte kaufen, die sie herstellen.

Ja, das spielt eine sehr große Rolle.

Also so überzeugt man die Fabrik, wir sind da noch etwas eher.

Aber es ist so wichtig.

Und auch Freizeit, um überhaupt einkaufen gehen zu können ist,

nicht unwichtig.

Und die Modernisierungsbewegungen.

Alle Modernisierungsbewegungen, die also von Kaiserreich,

aus der Welt Kaiser Wilhelms, am Ende über die Welt Adenauers,

zur heutigen Welt geführt haben.

Also wie geht man heute in unserer Gesellschaft mit Kindern um?

Und wir haben nicht das Böse als erziehungsideal irgendwo drin her,

wir sind das weitgehend jedenfalls los.

Wie ist die Rolle der Frau in unserer Gesellschaft?

Wie gehen wir mit Minderheiten in der Gesellschaft um?

Da muss man sagen, durch den ganzen Weg hindurch,

die Modernisierung auch 68 zumindestens,

also nicht nur bekämpft zu haben, sondern auch die positiven Impulse.

Das ist egal, ob jemand lange Haare trägt oder kurze Haare trägt

oder Mini-Rock oder andere Klamotten.

Also diese ganze Liberalisierung der Gesellschaft

ist ja immer von der SPD vorangetrieben worden

und meistens gegen den Widerstand der CDU.

Also man kann schon sagen, dass die SPD fast alles erreicht hat,

was sie sich vorgenommen hat.

Und ich würde sogar sagen, alles erreicht hat,

was sie sich wirklich vorgenommen hat.

Das spielte nämlich in der SPD immer eine große Rolle.

Das, was man sagt, was man sich wirklich vorgenommen hat,

waren in dieser Partei nie ganz das Gleiche.

Und weil sie sich so zu Tode gesiegt hat,

kam sie dann in diese schwierige Situation,

als sie in kurzer Zeit ganz viele Parteivorsitzende verschlüssten hat.

Also Kurt Beck und Platzek und Öntelfering

und Andrea Nahles und so weiter,

weil sie dann eigentlich nicht mehr wusste, wofür man sie noch braucht.

Das ist richtig.

Noch mal zurück, Richard, zu dem Geist, den das so atmen.

Wir haben gerade über Otto Wels gesprochen,

diese berühmte Rede gegen das Ermächtigungsgesetz.

Das andere Ende sozusagen von dem,

das wir gerade gesprochen haben,

dieses Böse, das sich da plötzlich bahn gebrochen hat.

Ich lese dir das mal kurz vor.

Was der damals in dieser Rede gegen dieses Ermächtigungsgesetz gesagt hat,

das war die Sitzung, in der Hitler dieses Gesetz durchgesetzt hat.

Also quasi das Ende der Demokratie.

Genau, da wurden Sozialdemokraten längst von Nazis verfolgt, bedroht, verhaftet.

Während dieser Rede standen SA-Männer im Saal

und Welsch stellt sich dahin und sagt das trotzdem.

Und sagt, wir sind wehrlos, aber nicht ehrlos.

Die Gegner wollen uns an die Ehre darin, ist kein Zweifel.

Aber dass dieser Versuch der Ehrabschneidung einmal auf die Urheber selbst zurückfallen wird,

weil es nicht unsere Ehre ist, die bei dieser Welttragödie zugrunde geht,

das ist unser Glaube bis zum letzten Atemzug.

Freiheit und Leben kann man uns nehmen, die Ehre aber nicht.

Wenn du das liest, 33, sagt er das, benutzt das Wort Welttragödie,

da geht es einem doch kalten Rücken runter.

Der hat klar gesehen.

Den Zweiten Weltkrieg gesehen.

Oder vielleicht auch den Holocaust vorweg genommen.

Und dann Julius Leber, der auch berühmter SPD-Mann,

der 45 in Plötzensee hingerichtet worden ist,

war einer der beteiligten Amatentaten, 20. Juli, von Stauffenberg.

Wird aber schon am 5. Juli von der Gestapo verhaftet,

weil sie diese Verschwörung irgendwie mitkriegen,

gibt es ein Schauprozess und der wird dann 45 hingerichtet.

Und der sagt dann, auch da Gänsehaut,

für eine so gute und gerechte Sache

ist der Einsatz des eigenen Lebens der angemessene Preis.

Das ist Wahnsinn.

Zwei beeindruckende Beispiele von sozialdemokratischem Heldentum.

Ja.

Wobei man auch sagen muss,

dass es natürlich auch in dieser Zeit viele Sozialdemokraten hat,

wie das natürlich immer so ist,

die sich relativ schnell angepasst haben

und mit der alten Sache nichts mehr zu tun haben wollten.

Aber es ist natürlich sehr wichtig,

auch für die Identität einer Partei,

dass es uns, wenn es sehr wenige gewesen sind,

die aber so aufrecht mit dem Wissen,

dass sie sich dabei um ihr Leben bringen,

ihre Prinzipien verteidigt haben.

Ich finde das großartig, ehrlich gesagt.

Ich denke oft über diese Zeit nach

und frage mich oft, auf welcher Seite hätte ich selbst gestanden.

Ich bin mir nicht sicher, ob ich den Unit aufgebracht hätte.

Ich glaube, da sollte keiner, ohne es bei diesen zu haben,

von sich selber glauben, dass er ein Held wäre.

Richtig.

Das darf man nur im Nachhinein von sich sagen.

Das darf man sich in seinen Fantasien nicht mal antizipieren.

Meistens Menschen sind sehr viel schwächer,

als sie von sich selbst glauben.

Das ist wahr.

Gibt Kurt Schumacher, auch so ein großer SPD-Name.

Die Geschichte der SPD ist sehr schön.

Einigst so an so ganz berühmten Sätzen auch erzählen.

Von Kurt Schumacher gibt es einen großartigen Satz.

Wenn wir irgendetwas beim Nationalsozialismus anerkennen,

dann ist es die Tatsache,

dass ihm zum ersten Mal in der Politik

die restlose Mobilisierung menschlicher Dummheit gelungen ist.

Das ist schön.

Der erste Vorsitzende in der BRD.

Genau.

Dann der berühmte Gegenspieler von Artenauer später.

Von Anfang an der berühmte Gegenspieler.

Erich Ollenhauer, der den meisten gar nicht mehr in Erinnerung ist,

außer dass die SPD-Parteizentrale ursprünglich nach ihm benannt war in Bonn.

Erich Ollenhauer Haus.

Heute ist Willi Brandthaus, ne?

Ja, also das Willi Brandthaus ist ja heute in Berlin.

In Bonn war es das Erich Ollenhauer Haus.

Ansonsten werden sich nur Leute über 70 noch irgendwie

an Erich Ollenhauer erinnern.

Du hast dich ja, Richard, mit der SPD, glaube ich,

auch sehr intensiv auseinandergesetzt, ne?

Und eigentlich beginnt das ja bei Ferdinand Lasalle.

Der Vater der Sozialdemokratie.

Ja, ein Abenteuer.

Ein Abenteuer.

Ja, also ich weiß nicht, ob sein Leben mal verfilmt ist.

Er ist ja, glaube ich, beim Duell ums Leben gekommen.

Ja, das ist irre.

Meine Frau, ne?

Ja, er war so ein bisschen Playboy, bisschen Hazardöer,

bisschen Abenteuer und so weiter.

Also eigentlich nichts, was typisch für das ist, was wir uns heute,

wenn man guckt, wenn man denkt Sozialdemokratie,

dann fällt einem ein Müntefering.

Wener.

Schumacher. Also solche Leute branden sowieso, ja.

Selbst Schmidt würde mir nicht einfallen,

weil ich irgendwie immer nicht sicher bin,

ob der wirklich in der SPD war.

Aber das ist so das, was man damit verbindet.

Und eigentlich waren die Anfänge schon etwas operettenhafter.

Aber eigentlich gibt es ja auch zwei Anfänge.

Weil, weil es gibt einen zweiten Anfang,

um Willem Liebknecht und August Bebel herum.

So, und die hatten erst mal mit den anderen gar nichts zu tun,

und die haben sich wechseln seitlich auch als stärkste Konkurrenz wahrgenommen.

Und der Grund ist der.

Bebel und Liebknecht waren die Vertreter der Arbeiterschaft,

also des Proletariates, was es damals ja noch gab.

Ja, wir reden über die 1860er Jahre.

Ja, da war die wirtschaftliche Situation ein ganz klein bisschen besser,

also 1830 oder 1840, als die Menschen noch wie die Fliegen in den Fabriken starben.

Aber man kann sie sich kaum brutal genug vorstellen, Ausbeutung und so weiter.

Wie viele Stunden haben da Menschen gearbeitet?

Ja, also in den schlimmsten Zeiten 80 Stunden in der Woche.

80?

80, und in der Zeit, über die wir jetzt reden,

also sicherlich häufig genug noch über 60.

Wahnsinn.

Das heißt sieben Tage die Woche.

Ja, und da waren sozusagen Vertreter der Arbeiterschaft.

Und das war Lasal nicht.

Lasal war der Vertreter der kleinen Handwerkerschaft.

Das ist eine andere Gruppe.

Und deswegen war es so wichtig, dass sich diese beiden,

die jetzt die gleichen Forderungen hatten, mehr Lohn, Mitbestimmung,

freie Wahl, Wahlrecht für alle.

Es gab ja kein allgemeines Wahlrecht.

Genau.

Nur die Reichen durften wählen.

Und dass sie sich, obwohl sie sich untereinander überhaupt nicht leiden konnten,

1875 auf dem Grunde ein Gotava-Parteitag versammelt haben,

beschlossen haben.

Und da ist dann die SPD, wie wir sie heute kennen, gegründet worden.

Aber diese beiden Interessensgruppen, die durchziehen,

wie eine roter faden die Geschichte der SPD.

Ich muss jetzt an Schröder und Lafontaine denken.

Ja, genau.

Schröder ist die Lasal-Seite.

Ja, ja, ja.

Und Lafontaine ist die Bibel-Seite.

Ja, okay.

Und diese Auseinandersetzungen, dann könntest du in jeder Zeit,

würdest du wie bei Schröder, Lafontaine,

gegen Überstellung finden.

Ja, du wirst immer diese wenigen Prominenten,

richtig linke Sozialdemokraten finden.

Oder erinnere dich an Leute wie Ottmar Schreiner

oder Virodolf Dressler, die das linke oder er hat Äppler.

Zum Beispiel.

Es gab also immer welche,

die dieses wirklich linke in der SPD vertreten haben,

die aber nie mehrheitsfähig waren.

Also das linke ist immer weniger geworden.

Ja, Mütze nicht wäre vielleicht sozusagen noch derjenige,

der in dieser Tradition steht.

Kevin Kühnert.

Der Kurt Nachwuchs steht bereit.

Ja, der Nachwuchs ist immer links.

Ja, Schröder hat auch mal ganz links angefangen.

Also das gehört zu jedem Sozialdemokraten dazu,

dass er als User auffällt, weil er so links ist.

Und als Kanzler auffällt,

weil er kein Sozialdemokrat mehr ist.

Also das ist eigentlich der klassische Weg,

sozusagen die Evolution eines Sozialdemokraten.

Ich mein, Scholz auch, ne?

Scholz war ja auch mal sehr, sehr links unterwegs.

Ja, der war glaube ich sogar links von der SPD.

Ja, ja.

Der war ja auch mal in so einer K-Gruppe oder sowas.

Ich meine ja.

Auf jeden Fall ja.

Genauso wie Kretschmann, der ja auch bei den Maoisten war.

Oder Ulla Schmidt, die ehemalige Gesundheitsministerin.

Also auch nach Maoistischem Partei.

Und Anche Vollmer und so.

Ulla Schmidt auch.

Ja, ja, genau.

Die war glaube ich im KBW

oder so Kommunistischer Bund Westdeutschland.

Interessant.

Der Fuchs, der langjährige Chef der Weltschriftung von den Grünen.

Der war auch Maoist gewesen.

Interessant.

Sehr interessant.

Heute ein großer Befürworter von Waffenlieferungen in Ukraine.

Absolut.

Absolut.

Also das Einzige, was gleichgeblieben ist,

in den Ansichten von Rudolf Fuchs,

ist die Rigurosität.

Ja, und die Abqualifizierung derjenigen,

die die Welt anders sehen als er.

Ansonsten hat er seine Meinung komplett immer ausgetauscht.

Aber es ist ein interessanter Mann, ne?

Na ja, das ist natürlich sowas,

weil es ist nicht repräsentativ für heutige Politik,

wo man sagt,

heute muss in allererster Linie

geschmeidig und anpassungsfähig sein

und immer auf die Wähler Mehrheit schielen.

Total.

Da gehört er natürlich gar nicht zu.

Weil du das gerade sagst, Richard,

Lassalle, haben wir gerade darüber gesprochen.

Quasi der Vater der Sozialdemokratie,

dann wirklich ironisch

bei diesem anachronistischen Ritual.

Ja, wir schießen gegenseitig auf uns,

weil wir beide um die gleiche Frau Buhlen

ums Leben kommt,

was irgendwie nicht so richtig passt.

Aber es gibt einen total guten Satz von dem

und ich finde, der passt so in die Zeit.

Alle große politische Aktion besteht,

pass auf, im Aussprechen dessen, was ist

und sie beginnt damit.

Und alle politische Kleingeisterrei

besteht in dem Verschweigen

und Bementeln dessen, was ist.

Und dann denkst du an das,

was wir auch heute politisch häufig erleben.

Da ist so Menge dran.

Schielen auf Umfragen, gucken,

was kann man den Leuten zumuten,

nämlich genau nichts.

Ja, sagen was ist,

müsste bedeuten,

dass wir aufgrund der ökologischen Katastrophe

auf die wir zutreiben

und der Welt, die wir unseren Kindern

und Enkelkindern vor die Füße kippen,

viel, viel, viel zu wenig machen

und nicht, wie man das aus der Presse glauben könnte,

im Hinblick auf Habexbemühungen und so weiter zu viel.

Ob wir da immer das Richtige machen,

dann lass uns meine Sendung drüber machen.

Da habe ich eine Menge Kritik dran.

Aber die Tatsache, dass wir diesen Notzustand erkennen

und wissen, dass wir keine Zeit mehr haben,

dafür führt kein Weg dran vorbei.

Und mich stört dann einfach,

wenn die Kritiker von Gesetzen,

die vielleicht Schwachstellen haben

oder Umweltstrategien und Nachhaltigkeitsstrategien,

die vielleicht auch anders sein könnten,

das alles eingeräumt.

Kritik habe ich auch.

Aber dann nicht erkennen,

wie unglaublich brutal ernst die Lage ist.

Sondern immer noch denken,

man könnte jedes erdenkliche Privilegium

erhalten und so weiter.

Also das ist das, was für mich unverständlich ist

und zum Thema sagen, was ist.

Wieso sind die Sozialdemokraten da jetzt nicht dabei,

die Grünen zu umarmen

und zu sagen, es geht um unser aller Zukunft?

Genau, das habe ich ganz klingbar gefragt.

Warum gucken die zu,

während sich da diejenigen,

die es versuchen, sich eine blutige Nase holen

und halten sich so dezent im Hintergrund,

damit sie von dem Ärger nichts abkriegen?

Ja, man guckt zum Spielfeld dran zu

und wie sich alles auf Habex stürzt.

Richtig.

Das ist interessant.

Wir beklagen auch wir beide.

Ich würde mich da nicht ausnehmen.

Ich beklage mich total häufig über Politiker,

die den Leuten nichts zumuten.

Aber wenn es dann passiert,

dann gnaden dem Gott.

Dann geht es sofort los

und dann wird das ganz große Fass aufgemacht.

Das erlebt gerade Robert Habex.

Echt hart, was da passiert.

Ich musste so an dich denken,

weil du hast vor einiger Zeit in einem Gespräch hier,

und wir haben so eine Mentalität,

der Staat als Dienstleister

und wir so als Kunden im Servicecenter,

die ankommen und sagen,

jetzt bitte Staat, ich zahl dir Steuernitz,

lief er mal bitte.

Bernd Ulrich von der Zeit

hat einen ähnlichen Gedanken dieser Tage geschrieben,

den ich super finde.

Irgendwie schreibt er,

ist in Deutschland der Gedanke abhandengekommen,

dass Politik nicht nur darin besteht,

denn Willen des Volkes in Umfragen zu erahnen

und dann gleich

einer Servicekraft umzusetzen.

Das finde ich sehr, sehr schön.

Das ist genau der Punkt.

Das ist absolut der Punkt.

Aber das ist natürlich die Art,

und das weiß man als Politiker,

wie man am längsten dran bleibt

und am leichtesten hoch kommt.

Das ist das Belohnungssystem.

Das Belohnungssystem ist nicht,

dass man am Ende in 50 Jahren sagen wird,

gut, was der damals alles gemacht und versucht hat,

sondern das Belohnungssystem

wieder war.

Das bedeutet,

halbwegs gut in den Medien angesehen werden,

spielt dabei schon mal

eine ziemlich große Rolle

und ansonsten auch nicht zu machen,

womit man irgendwo ernsthaft aneckt.

Das kann man ja in Friedenszeiten machen.

Ich meine, mit Friedenszeiten

jetzt nicht den Krieg in der Ukraine.

Ich meine, in Zeiten von Ruhe und Stabilität,

wo man so wie Schröder

sagt immer mit ruhiger Hand regieren

oder Merkels Raute,

wobei man im Nachhinein sagen muss,

das war völlig falsch.

Raute und ruhige Hand.

Denn die ökologische Katastrophe

erzeichnete sich damals schon genauso gut wie heute.

Und mit jedem Jahr,

wo wir nichts tun oder wenig tun,

wird das, was in Zukunft zu tun ist,

teurer, teurer und teurer.

Und zwar teurer in jeglicher Hinsicht,

finanziell teurer,

für das die Maßnahmen anbelangt

und moralisch teurer im Hinblick auf das,

was man dann möglicherweise machen muss,

in der Corona-Zeit.

Ja, ich bin da, wie soll man sagen,

es ist eine so gigantische Herausforderung.

Ich hab auch in dieser Woche,

es war wirklich eine irre Woche,

mit Bodigblattief darüber gesprochen,

der sagte, es stimmt nicht.

Also in Deutschland natürlich haben wir viel gemacht.

Wir haben den CO2-Hausstoß um 40% gesenkt.

Also da passiert viel.

Aber gleichzeitig...

In der Corona-Zeit?

Nee, insgesamt seit 1990.

Aber in derselben Zeit

ist ja global gesehen um 60% gestiegen.

Das ist ja sowieso ein Thema.

Lass uns mal darüber reden,

wieso wir eigentlich

in diesem ganzen Nachhaltigkeitsthema,

was die gesamte Menschheit anbelangt,

noch so sehr in nationalen,

manchmal sogar regionalen

oder bundeslandspezifisch,

muss dann denken.

Also warum es uns bis heute nicht gelingt,

eine globale Zusammenarbeit zu machen,

die davon ausgeht, wenn es darum geht,

alternative Energie zu erzeugen,

das ist in der Welt der meiste Wind.

Wo kann man das meiste mit Wasserkraft machen?

Wo scheint am längsten

und am meisten die Sonne um Wohnkeiner?

Also es muss ja eigentlich

viel stärker in diese Dimension gehen.

Und es ist entsetzlich zu sehen,

wie wenig wir da vorankommen

und wie kleinteilig wir das machen

und uns immer darauf berufen zu sagen,

wir müssen in Deutschland halt eine Vorbildfunktion haben.

Das ist doch quatsch.

Wenn wir das hinkriegen sollten,

was wir uns vorgenommen haben,

wird sich Somalia

daran kein Vorbild nehmen können.

Weil sie sich das gar nicht leisten können.

Das ist für den gleichen Weg,

das ist doch Unsinn.

Wir brauchen eine globale Umweltstrategie.

Aber gut, darüber lasst uns eine eigene Sendung machen.

Ja, finde ich.

Aber ich hatte jetzt abschließend

SPD,

also die 160 Jahre,

ich hatte das Gefühl,

Klingbal ist stolz,

sehr stolz darauf,

der Vorsitzender genau dieser Partei zu sein,

auch der Partei von Willy Brandt und so weiter.

Würdest du sagen,

dass die großen,

die entscheidenden Impulse zum Schluss gefragt,

tatsächlich sehr,

sehr häufig mit der Sozialdemokratie

in Deutschland verbunden sind?

Es würde ich eindeutig sagen.

Also ich denke,

dass wir der Sozialdemokratie

die Mittelstandsgesellschaft verdanken.

Diese berühmte,

nivellierte Mittelstandsgesellschaft,

die das in den 60er-Jahren genannt hat.

Also,

ähnlich wie die Skandinavischen Länder oder wie die Niederlande,

eine Gesellschaft,

in der die breiteste Bevölkerungsschicht

wirklich die Mittelschicht ist.

Das ist etwas, was England zum Beispiel nie gelungen ist.

Und das Interessante ist,

was man sich fragen kann,

warum war die Sozialdemokratie in Deutschland so erfolgreich

und die Labour Party in England

so wenig erfolgreich?

Das ist eine sehr spannende Frage.

Und eines der Geheimnisse liegt darin,

dass wir die Wirtschaftsorganisationen haben.

Ein DGB.

Und dass die ganzen Einzelgewerkschaften

in groß Gewerkschaften,

wenige Großgewerkschaften unterteilt sind.

Und nicht in lauter Einzel- und Kleingewerkschaften,

wie das eben sehr, sehr typisch die ganze Zeit

für England gewesen ist.

Zum Beispiel einer der Gründe, die mir gut gemacht hat.

Und diese soziale Aufstiegsmöglichkeiten,

die die Sozialdemokratie

erkämpft und eröffnet hat,

gegen erbitterten Widerstand der CDU.

Also,

dass man sich gesagt hat,

auch katholische Mädchen vom Lande,

so hieß das damals,

sollten die Möglichkeit haben, Abitur zu machen.

Dass man Arbeiterkind an die Chance gibt,

sozialen Aufstieg hinzukriegen.

Dass man, wenn man diese Geschichte erzählt,

es ist eine wahnsinnig tolle,

weitgehend sozialdemokratische Erfolgsgeschichte.

Nicht nur, aber weitgehend

sozialdemokratische Geschichte.

Aber man muss dazu sagen,

diese Geschichte läuft seit den 90er Jahren wieder rückwärts.

Das ist das Versäumnis

der Sozialdemokratie.

Sie hat das Level,

auf das wir Mitte der 80er Jahre waren,

wir in Europa führen, was Bildungstransparenz anbelangt.

Also, die Möglichkeit kam,

aus kleinen Schichten tolle Bildungsabschlüsse

zu machen und die Beruf zu ergriffen.

Ich war darauf immer neidisch.

Das läuft aber seit langer Zeit zurück.

Und wir haben seitdem auch Abfolgen

sozialdemokratischer Kanzler gehabt.

Wir haben die Schröderzeit gehabt.

Da ist es eher schlimmer geworden.

Und es wird auch jetzt nicht besser.

Es wird sicher nicht auf ihren Erfolgen von gestern ausruhen.

Sondern sie muss sich fragen,

wo ist eigentlich ihre sozialdemokratische Agenda

von ihr meist geblieben?

Und zum Schluss gefragt.

Richard, ist Willi Brandt

für dich der größte

sozialdemokratische Kanzler?

Oder ist es jemand anderes?

Helmut Schmidt, wo bist du da?

Ich tue mich da schwer.

Ich glaube, in seiner historischen Bedeutung

die Brandt damals hatte.

Was die Aushöhung mit dem Osten anbelangt.

Das war der berühmte Kniefall,

den ein Warschau gemacht hat.

Dieser Satz,

wir wollen gute Nachbarn sein.

Wir wollen mehr Demokratie wagen.

Alles das, was sich damit

dem Namen Brandt verbindet,

ist, wenn man es in historischen Dimensionen betrachtet.

War sicher der wichtigste

bedeutendste deutsche Bundeskanzler.

So würde ich sogar sagen, überhaupt.

Obwohl ich die Lebensleistungen

von Kohl und Ardenauer vorher als erfolgreicher,

als größere längere

Ära bezeichnet habe.

Wenn es um die Person geht,

will die Brandt,

und ich habe viele Dokumentationen

über Brandt gesehen,

habe ich kein so positives Urteil,

wie das allgemeine Image

von Brandt ist.

Das allgemeine Image von Brandt

ist sozusagen der des durch

und durch moralischen Menschen.

Hier stehe ich und kann nicht anders und so weiter.

Und ich meine,

wenn man sich so das Leben von Brandt anguckt,

auch er war

kein gradliniger

Moralist.

Als Regierender Bürgermeister in Berlin

sehr viel mit den Amerikanern,

auch mit den Geheimdiensten zusammengearbeitet

und so weiter.

Er hatte eine ganz andere Rolle,

als die Rolle, die er als Bundeskanzler hatte,

als er die Aussöhnung mit dem Osten gemacht hat.

Also auch er war sehr chameleonhaft.

Er war ein begabter Instinkt-Politiker.

Er war sehr chameleonhaft in seiner Art.

Aber er war auch sehr, sehr gut daran,

sich den jeweiligen Situationen immer wieder neu anzugassen.

Aber ist das schlimm?

Ich sage nicht schlimm,

aber das entspricht nicht dem Bild, was man von ihr hat.

Das Bild von Brandt

ist das eines absoluten Gesinnungstheters.

Und das, glaube ich,

wird dieser Person für die Brandt

nicht genau gerecht.

Und deswegen unterscheide ich die historische Bedeutung

und rein intellektuell

war Brandt jetzt nicht

so wahnsinnig beeindruckend.

Rein intellektuell

ist Schmidt deutlich beeindruckend.

Also wenn man jetzt guckt,

Analyse,

seine geostrategischen Überlegungen,

dann auch so

diese Kunst,

jegliche Form von Pathos

als lächerlich und unnötig

und so darzustellen,

sicherlich auch gegen Brandt gelichtet.

Ja, ich finde,

ich finde auf dieses Ernüchternde,

dass da drin steht,

wenn alle anfangen und wollen ganz hoch in die Luft hüpfen,

so einmal in Ruhe an der Zähre,

dass alle erst mal wieder unten sind

und sagen, wir können auch gleich unten bleiben.

Also es ist ein gutes Gegengift.

Ich würde sagen, man muss so sein.

Mikotin ein gutes Gegengift, ja.

Warum nicht?

Nein, aber ich finde so als Gesamtkunstwerk,

finde ich, Schmidt noch ein bisschen

beeindruckend.

Ich weiß nicht, wie geht es dir?

Schmidt geht mir genauso.

Man muss auch,

sogar in den letzten Jahren,

in der ich nicht so viele Dinge gesagt habe,

muss man sagen, vielleicht hat das auch was mit

Mikotin missbraucht zu tun.

Ich weiß es nicht.

Aber es war ein wahnsinnig beeindruckender Typ

und im Grunde passte halt so gut in die Zeit.

Aber wir sind ja so eine hochmoralische Zeit

dieser Moralismus,

den wir so wirklich wie so eine Monstrance

vor uns hertragen

und da war halt Schmidt so unglaublich

wohltuend anders.

Und wer sind wir,

dass wir ständig anderen zu erklären haben,

das ist mir

per se erstmal sehr sympathisch,

weil es nicht so anmaßend ist.

Aber gleichzeitig finde ich wiederum,

also Brand, so dieser Instinkt

zu sagen in Warschau,

ich gehe da jetzt auf die Knie,

einfach unter dem Eindruck dessen,

was da passiert.

Ich wirklich reinzustürze in diese Situation,

auch seine persönliche Geschichte,

die Flucht nach Norwegen und so weiter.

All diese Dinge, Friedensnobelpreis

und auch zu wissen,

das ist der Kniefall im Warschau Agetto.

Das war nicht die Zeit, wo das alle ganz großartig

fanden.

Heute gucken wir da drauf und sagen,

wow, kriegst du Gänsehaut

und du dieses Bild ziehst, da muss keiner was sagen.

Aber damals waren fast 50% der Deutschen

die Hälfte, sagt ja,

komm, ist ja gut jetzt, aber wollen wir nicht übertreiben.

So schlimm war das doch alles nicht.

Nein, also wir überlegst,

der Zeitgeist der 70er Jahre,

ich war dann zu dem Zeitpunkt,

als Brandkanzler war, so 8, 19 Jahre alt.

Ich habe das mitgekriegt,

also in den klassischen normalen CDU-Haushalt,

der etwas ganz anderes war,

als CDU-Wähler heute,

der Vaterlandsverräter

und

wurde als Kommunist beschimpft

und dadurch,

dass die Gesellschaft liberalisiert hat,

also gleichgesetzt als Pornograph

und wegen seiner Frauengeschichten,

als unsittliche Figur dargestellt.

Und wenn man sich überlegt,

was für Kampagnen das damals waren,

also es gab,

dass der keine Mordanschläge

überstehen musste.

Es gab so einen Hass auf für die Brand

in der damaligen Zeit.

Und der hat diese Politik,

für die er nun wirklich genau die Hälfte

der Bevölkerung hinter sich hatte,

aber genau die Hälfte dagegen

und auch die Hälfte der Presse gegen sich hatte.

Das trotzdem zu wagen

und zu machen,

was sich im Nachhinein als sehr weise

und sehr richtig

und so herausgestellt hat.

Das war beeindruckend.

Und dann kann man sich natürlich wirklich die Frage stellen

bei aller Kritik, die ich vorhin an Brand hatte.

Welcher Politiker würde das heute tun?

Ja, und da würde ich sagen,

sehe ich jetzt im Augenblick keinen sozialdemokratischen Kanzler,

den ich auch nur entfernt so einschätzen würde.

Sondern da würde ich sagen,

das ist jetzt gerade mal genau das Gegenteil von dem.

Das ist eben tatsächlich

immer Politik

nach Kassenlage zu machen.

Und was mich mich am allermeisten stört

und das ist natürlich jetzt keine Kritik

an der Sozialdemokratie alleine.

Das ist der Verlust

der langfristigen Perspektive.

Also die Politik über die wir da geredet haben

damals die Politik Brands.

Das war ja nicht eine Politik nach Kassenlage

oder für den Moment,

sondern das war genau wie die Westintegration

Adenauers vorher,

mal die Aushöhung mit den Osten

einer auf Langfristigkeit angelegtes Projekt.

Die tiefe Überzeugung, dass das notwendig ist.

Die tiefe Überzeugung, dass das notwendig ist,

und es ging nicht nur

um die historische Versöhnung,

sondern es ging damals auch schon

um das russische Gas.

Und es ging damals auch schon

über die gewaltigen Absatzmärkte

in der Sowjetunion

für die ganzen Leistungen

der deutschen Ingenieurskunst,

angefangen mit Landwirtschaftsmaschinen

und so weiter.

Denn in dem Gefolge der Ostdelegation damals,

da waren Leute wie Otto Wolff

von Amerongen und so weiter,

jetzt nicht gegen die deutsche Wirtschaft gemacht,

sondern es gab sogar ein

starkes, verlangen wesentlicher Teil

der deutschen Wirtschaft,

auch hier von Tüssen und Krupp und so weiter,

an dieser Öffnung nach Osten.

Klar, die Chance auf neue Märkte.

Da gehört beides zusammen.

Da kann man also Idealismus und Pragmatismus

gar nicht trennen.

Und deswegen war so

unter Wohlstandsgesichtspunkten,

weil diese Politik damals richtig und wertvoll.

Und die Frage mich heute mit welcher,

das ist mir die Frage, weil du kennst den ja gut,

mit welcher politischen Agenda

auf Langfristigkeit ausgerichtet

ist Olaf Scholz, Bundeskanzler,

geworden.

Was ist sein großes Projekt, was er in den

nächsten 12, 13 Jahren

seiner großen Ära realisieren möchte?

Also,

ich muss den Menschen widersprechen,

ich kenne den gar nicht gut,

aber es gibt.

Du hast den hier im Podcast mal als moralische

Instanz bezeichnet.

Ich halte den für absolut integer.

Olaf Scholz ist kein

korrupter Match, null.

Null.

Und das ist erstmal was Gutes.

Wenn man das über einen Kanzler,

wenn man das sozusagen über den Kanzler

dieses Landes so sagen kann, das kann man

in anderen Ländern so nicht sagen.

Du hast nur nach Amerika zu gucken,

guckst Donald Trump an und anderen

Italien, ich bitte dich.

Das ist erstmal eine riesige Qualität.

Und dann gibt es,

du spürst hinter den Kulissen sozusagen

diese Idee.

Da geht es auch um die

Rivalität gegen Robert Habeck.

Den Wirtschaftsministerium sozusagen

da die

Kompetenz wegzunehmen.

Sich wirklich aktiv um

Wirtschaft zu kümmern, die merken,

dass da gerade was auf die schiefe Bahn geraten ist.

Es geht jetzt wirklich um den Wirtschaftsstandort

Deutschland.

Das heißt, der deutsche Wohlstand ist in Gefahr.

Das haben die auch sehr klar jetzt analysiert

und sich verstanden.

Das redet auch keiner mehr klein.

Und es gibt von Olaf Scholz,

ich weiß nicht, ob die Geschichte stimmt,

aber es hat mir mal jemand erzählt.

Er sagte, er hätte Scholz als Bürgermeister

hier in Hamburg kennengelernt.

Und Scholz hätte ihm die rhetorische

Frage gestellt,

was er den glaubte,

dass die wichtigsten Aufgaben

eines Bürgermeisters in Hamburg sein.

Dann sagte, wissen Sie, die wichtigste Aufgabe

im Leben eines Hamburger Bürgermeisters

ist Jobs.

Zweitens Jobs.

Und drittens Jobs.

Und das ist der Punkt.

Und ich glaube, das ist das,

was er vorhat.

Und wenn er das schafft,

ich glaube, diese Aufgabe,

das haben wir noch gar nicht richtig begriffen,

wie groß das ist.

Natürlich, was jetzt auf uns zukommt,

im Zuge der Karriereholution.

Da ist das nicht ganz einfach.

Wenn er das hinkriegt,

ist das nicht richtig gemacht.

Aber ich habe nicht gehört,

dass er das jetzt als großes Regierungsprogramm ausgegeben hat.

Mein Verdacht ist,

es eher von den großen Indien,

um von der Person Scholz wegzukommen.

Auch bei Merkel gab es das ja nicht.

Merkel ist die erste deutsche Kanzlerin,

genau,

die mit einem konservativen Programm

angetreten ist, nämlich erhalten,

was wir haben.

Es ist ein ganz großer Unterschied

zu all dem, was vorher da war.

Wir haben es schon mal länger darüber unterhalten.

Schröder wollte ein eigenständigeres Europa,

gerade was Militärisches

und Außenpolitik anbelangt.

Das war seine große Agenda.

Das wird häufig vergessen,

weil man mit ihm erster Linie die Harzreform verwendet hat.

Da bist du übrigens bei Lars Klingbeil,

das hat er auch so gemacht.

Er wollte im Grunde genommen das,

was auch Macron will.

Das war die Idee, die Schröder Sache.

Raus aus dem Windschatten der USA

und eine Stärke

orientierte Politik.

Das war seine große Agenda.

Da ist er nicht dahin gekommen,

wo er hin wollte.

Und das ist unter Merkel da, wo die Ansätze dazu waren,

tendenziell auch er wieder rückgängig gemacht worden.

Aber man kann sagen,

er hatte zumindestens eine solche Agenda.

Man könnte auch ...

Wir haben über Adenauer gesprochen,

wir haben über Brand gesprochen.

Schmidt konnte seine solche Agenda nicht haben,

weil er eine völlig krisengebeutelte Kanzlerschaft hatte,

die reinfällt

in eine weltweite Rezession.

Merkel übrigens auch, ne?

Ja, aber Merkel hatte aber

Krise, Krise, Krise, aber gleichzeitig

15 Jahre positive Wohlstandsentwicklung

und Konjunktur.

Das ist noch mal ein großer Unterschied.

Also sicher sehr viele Krisen,

aber im Fall von Schmidt ging es tatsächlich um die Frage,

ob der bislang errungende Wohlstand

überhaupt zu halten sein würde.

Und ich glaube, um die Frage geht es wieder, Richard.

Ich glaube, dass es auch um die Frage geht,

aber ich würde mir natürlich trotzdem

das Teil geschwiegen.

Das ist sozusagen das Element,

das Elementlasal in mir.

Also das Verrückte.

Jemanden wünschen mit einer langfristigen Agenda

für eine Welt,

in der sich so viele Koordinaten verschoben haben,

dass man einen sehr,

sehr guten Kompass braucht,

um durch die nächsten Jahrzehnte zu kommen

und da brauchen wir mehr langfristig denkende Politik.

In diesem Sinne, Richard.

Vielen Dank. Hat Spaß gemacht.

Bis nächste Woche.

Und bis zum nächsten Mal.

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In dieser Folge sprechen Markus Lanz und Richard David Precht über die stolze Geschichte der Sozialdemokratie. Keine andere Partei hat dieses Land seit ihrer Gründung vor 160 Jahren so geprägt wie die SPD. Unvergessen zum Beispiel die Rede von Otto Wels zum „Ermächtigungsgesetz“: „Freiheit und Leben kann man uns nehmen - die Ehre nicht!". Doch wie viel Mehr-Demokratie-Wagen steckt heute noch in der SPD? Heißt politisches Handeln heute, niemanden mehr wehtun zu wollen? Diesen Fragen und einem Blick in die Ukraine gehen Lanz und Precht in dieser Woche nach.