LANZ & PRECHT: AUSGABE FÜNFUNDNEUNZIG

ZDF, Markus Lanz & Richard David Precht ZDF, Markus Lanz & Richard David Precht 6/30/23 - Episode Page - 1h 1m - PDF Transcript

Blanz und Brecht.

Schönen guten Morgen Richard.

Guten Morgen Markus.

Wo erreiche ich dich?

In der Kaminate.

Versunken zwischen Büchern.

Auch im optischen Sinne.

Klein und krümelig gegenüber den Büchern werden.

Nix, nix du auf dem Boden?

Ich knier auf.

Ich knier auf der Yogamatte.

Damit es nicht so hart ist.

Doch, doch, doch.

Ich knier auf der Yogamatte.

Die ich selber ja nie benutze.

Ich bin ja gar kein Yogi.

Aber damit es nicht so hart ist ein Knie.

Und ok, jetzt kurze Frage.

Warum sitzt du nicht?

Ich wüsste nicht.

Wo?

Also das ist ja ein Raum,

in dem es keine Sitzgelegenheit gibt.

Weil alles voll geschallt ist.

Wie viele Bücher hast du?

Ich weiß es nicht.

Ich gehöre nicht zu den Menschen.

Ein Quatsch, deutlich weniger.

Es liegt ja auch daran,

dass ich aus Platzgründen immer in großen Stilbücher ausmiste.

Was also echt schwierig ist.

Im Grunde genommen kann man ja sagen,

das ist die Wirtschaftsbibliothek.

Und so die ganzen Sachen,

die in den letzten 15 Jahren oder so geschrieben sind.

Und eigentlich könnte man 3 Viertel davon aussortieren.

Bücher über die Finanzkrise und solche Sachen.

Teilweise jetzt so von bekannten Verfassern,

nur Standardsachen und so.

Da fragt man sich immer, guckst du da jemals wieder rein,

ist das nicht alles verhältetes Wissen?

Würdest du nicht, wenn jetzt irgendeine Neuigkeit

an den Finanzmarken passiert,

dass man Rezepten von 2008 oder 2010 rausholen kann?

Und eigentlich könnte man natürlich wahnsinnig viel wegtun,

weil wir leben ja in einer Zeit der Gegenwartsschrumpfung.

Das ist so eines meiner Lieblingsbegriffe.

Er stammt von Hermann Lübe.

Ja, er ist ein großer deutscher Philosoph.

Und von dem stammt, der ist jetzt ein ganz alter Mann,

falls er noch lebt.

Ich meine, er lebt noch deutlich über 90.

Und von dem stammt der Begriff Gegenwartsschrumpfung.

Das ist die Halbwertszeit von Wissen,

dass die immer kürzer wird.

Also früher gab es bestimmte Standards,

Dinge in den Naturwissenschaften

oder worauf man sich in der Theologie gerade geeinigt hatte,

die sollte dann Jahrzehnte oder Jahrhunderte halten.

Und heute ist es eigentlich so,

dass die Weisheiten von heute,

die sind schon in zwei, drei Jahren der kälteste Kaffee der Welt.

Das ist interessant.

Und auch in den Naturwissenschaften zum Teil.

Ja, also man wird ja ständig bedroht damit,

dass das eigene Wissen stirbt.

Ja, und da die Gegenwart quasi in der etwas gültig ist,

wird immer kürzer.

Ja, irre.

Ich muss gerade an Jürgen Schmidhuber denken,

der in dieser Woche bei uns war, den du auch kennst.

Das soll ich lieb grüßen über dir.

Hat mich wahnsinnig fasziniert.

Ich weiß nicht, wie es dir ging, KI-Pionier.

Also die Tatsache, dass wir heute mit unserem Telefon

kommunizieren können, dass du sagen kannst,

hey Google, zeig mir mal den Weg zum Hauptbahnhof oder so.

Das geht auf Grundlagenforschung von Herrn Schmidhuber

und seinen Studenten an der TU in München

Anfang der 90er-Jahre zurück.

Und der sagt das auch.

Und ich habe ihn zum Schluss gefragt,

ob er davon ausgeht, dass es noch zu seinen Lebzeiten

ein künstliches Wesen geben wird,

das intelligenter sein wird als er selbst.

Und er sagte, ich gehe davon aus,

wenn ich statistisch so alt werde,

wie es im Moment die Statistiken eben hergeben,

war die wirklich bemerkenswert.

Ich stelle sich ein bisschen die Frage,

in was intelligenter, also wahrscheinlich nicht allround intelligenter.

Ich glaube, das schwebt ihm so vor.

Ja.

Und er sagt irgendwie, also das war so der Gedanke,

der ihn irgendwie schüttelt

und der dann aber auch gleichzeitig fasziniert

und pakt, er sagt, es liegt doch etwas Erhabenes

in dem Gedanken,

dass es irgendwann evolutionär

eine höhere Entwicklungsform gibt als uns Menschen.

Das heißt, dass wir noch lange nicht

das Ende der Evolution sind.

Und ich bin mir nicht sicher, ob das so erhaben ist

oder ob das ja beängstigend ist.

Man müsste für ihn ein neues Wort erfinden.

Weil es gibt ja, das sind ja die allermeisten Ethiker.

Sie sind Anthropozentristen.

Das heißt also, wir sollen den Klimawandel verhindern,

für die Zukunft der Menschheit.

Die ganze Moral- und Ethik ist darauf ausgerichtet,

dass die Menschen noch möglichst lange auf diesem Planeten leben können

und so der Menschemittelpunkt.

Dann gibt es eine bestimmte Spezies,

das sind Biozentriker.

Die denken nicht von Menschen aus,

sondern die denken von der Erde.

Wir möchten, dass die ganzen Tiere und Pflanzen überleben

und so, und die wünschen sich eigentlich,

dass der Mensch bald möglich verschwindet.

Weil der macht ja einfach nur alles kaputt.

Und er führt zu einem unglaublichen Aussterben

und so.

Wir also dem Planeten mehr lieben als den Menschen.

James Lovelock ist der berühmteste Vertreter

dieser Richtung, dieser englische Aroundwissenschaftler.

Der damals diese Geierhypothese,

die war so in den 80ern, 90ern total geblieben.

Geier hat nichts mit Homosexuell zu tun,

sondern mit Geier die Erdgöttin.

Ja, ja, die Erdgöttin.

Alles ist besieelt.

Und auch die Kreidefelsen haben ein Leben.

Ja, und dass die Torfmore leben und so weiter und so weiter.

Genau.

Aber Schmitthuber wäre eine dritte Kategorie.

Das ist ein Technozentriker.

Ja, das stimmt.

Das heißt, das Faszinierendste für ihn,

Menschen findet er nicht besonders faszinierend.

Die Erde interessiert ihn eigentlich auch nicht.

Er träumt ja immer vom großen Aufbruch in die Sterne,

in die unendlichen Weiten.

Die Erde ist eigentlich viel zu klein und krümelig.

Sondern eigentlich liegt die Faszination daran,

dass die Technik, die der Mensch erfindet,

über ihn hinaus wächst

und dann eigenständig das Werk des Menschen,

Eroberung von allem fortsetzt.

Und das fasziniert ihn so wie den Biozentriker,

die Ozeane und die Wale

und den Anthropozentriker,

der diese schwierige Liebe zur spezies Mensch pflegt

und alles möchte, damit sie bloß erhalten bleibt.

Genau.

Ich finde ein Gespräch mit Jürgen Schmidt-Huber

auf eine herrliche Art erfrischend,

weil es so ganz anders ist als das,

was häufig bei uns so passiert.

Ich finde, man kann ja zu Recht ganz vieles anmerken.

Man kann Angst haben vor dieser künstlichen Intelligenz.

Man kann sagen, das bedroht uns.

Man kann sagen, das ist auch schwierig für die Demokratie,

weil plötzlich Meinungsmanipulation in einem Ausmaß möglich ist,

wie es noch nie in der Geschichte der Menschheit der Fall war.

Wenn man ihn aber wiederum hört,

dann kriegt man noch mal einen ganz anderen Blick darauf.

Für ihn ist das einfach nur eine Fülle an Möglichkeiten.

Und er sagt so was wie Chat GPT.

Das ist gerade mal der Anfang.

Das ist alles hinter einer Scheibe, hinter einem Monitor.

Aber dann geht es darum, das zu übertragen, 3D.

Was kann ein Kind, was passiert dem Kopf,

damit ein Kind laufen kann,

damit das Fußball spielen kann und so weiter.

Das hat er in der Sendung auch ein bisschen demonstriert.

Das ist absolut zentrationell.

Aber Richard, Gegenwartschrumpfung.

Die Idee, alte Gewissheiten gelten nicht mehr,

funktioniert nicht mehr.

Das ist doch die perfekte Brücke zu dem Thema,

das ich mit dir reden wollte.

Der Aufstieg der AfD.

Da kommt dieser AfD-Kandidat in Thüringen, Landrat Robert Sesselmann,

der mit 52,8% den Kreis Sonneberg gewinnt.

Und alles dreht plötzlich durch.

Ein Landrat von 294 Landkreisen in Deutschland.

Ein einziger.

Der zweikleinste Landkreis in Deutschland.

Ich glaube, etwas weniger als 60.000 Menschen.

Ja, 57.000 Menschen, glaube ich.

Und alles dreht durch.

Und was machst du?

Ich drehe nicht durch.

Ich wundere mich darüber erst so spät.

Ich hätte meinem Unbewussten gedacht,

dass die AfD schon längst Landräte stellt.

Ja?

Ja, bei den kleinen Landkreisen, gerade in Thüringen.

Und bei den Werten, die die AfD übermalen.

Und das Recht bei Umfragen bekommt,

ist das jetzt keine große Sensation oder Überraschung.

Dann eben auch doch.

Weil viele das Gefühl haben, das ist so ein Dammbruch,

so ein Tabu-Bruch.

Und die Frage, die ich mit dir mal diskutieren wollte,

ist, ist das erste Frage?

Die zweite Frage nach dem Umgang mit der AfD.

Dritte Frage, die Reaktion der anderen Parteien.

Hast du das Gefühl, dass wir angemessen auf diese politische Kraft,

die es nun mal ist, reagieren?

Also, wenn wir angemessen darauf reagieren würden,

dann würde sie nicht stark und stärker werden.

Also, wenn wir taktisch klug wären

und wenn wir alles dafür tun würden, um zu verhindern,

dass die AfD diesen Aufstieg hat,

dann hätte man offensichtlich alles anders machen müssen,

als man es bisher gemacht hat.

Denn bisher spielt alles der AfD in die Karten.

Und wenn sie über Umfragen jetzt 20 Prozent kriegt,

dann, glaube ich, immer kriegt sie noch deutlich bessere Wahlergebnisse.

Weil nach wie vor relativ viele Leute, die die AfD wählen,

das in Umfragen nicht so gern bekannt geben.

Das hat ja was Anrufiges häufig.

Und wenn man dann angerufen wird von so Meinungsforschungsinstitut,

dann ist das häufig so, dass aus gerade AfD-Wähler

dann nicht so sendungsbewusst herausposaunen, was sie wählen.

Ich glaube also, dass das Potenzial der AfD noch deutlich höher sein könnte,

als nur diese ominösen 20 Prozent.

Was glaubst du? Was wird da passieren?

Ich spreche mit Leuten, die mir sagen, das ist der Anfang.

Das geht gerade erst richtig los.

Ja, das glaube ich auch.

Das glaube ich auch.

Solange die Partei sich nicht in irgendeiner Form

von Regierungsverantwortung selbst entzaubert,

glaube ich, dass die Anzahl der Unzufriedenen

mit den etablierten Parteien, die ja die AfD

in einem sehr geschickten Schachzug Altparteien nennt,

dass das so weitergehen wird.

Weil sie profitiert ja von allem.

Also ob sich die Regierung über die Heizung zangt,

Migrationsgesetze,

eigentlich kann fast gar nichts passieren, Corona.

Ja, letztlich auch wahrscheinlich Ukrainekrieg.

Also aber in jedem Thema fängt die AfD diejenigen ab,

die nicht eins zu eins d'accord mit dem Regierungsnarrativ sind.

Und ich hatte ja schon mal so vor ein paar Wochen gesagt,

die politische Topografie, die ist nicht einfach nur

in rechts und links sortiert.

Da gibt es noch ein bisschen, was davon übrig geblieben ist,

sondern vor allen Dingen in angepasst und nicht angepasst.

Also angepasst ist das, was die Mitte ist oder sein soll,

ob es nur eine behauptete oder wirklich quantitative Mitte ist,

was sich auch in den Leitmedien so widerspiegelt findet.

Und diejenigen, die sagen, ich sehe das aber ganz anders.

Und die Leute, die das irgendwie ganz anders sehen,

das ist vielleicht mutmaßlich ein Drittel der Bevölkerung

und das ist das Wachstumspotenzial der AfD.

Die sagen, das gibt bestimmte Positionen, die sind unterrepräsentiert,

die kommen nicht vor, unsere Sorgen kommen nicht vor.

Und die AfD greift das alles ab.

Das ist ja ein Kesselbundes.

Ich hatte unlängst mal gesagt, es steht aus Teilen,

die eigentlich gar nicht zusammenpassen.

Richtig.

Aber als diejenigen sagen, wir sind anders als die anderen,

funktioniert das Spiel ziemlich gut.

Das ist irre, ich meine, ich war mit Alexander Gauland

vor Jahren mal darüber gesprochen.

Von Alexander Gauland gibt es einen wirklich guten Satz.

Und ich glaube, der war sogar noch in der CDU.

Und der Satz lautet, Rése et Timon ist kein Programm.

Aber offenbar ist Rése et Timon ein Programm.

So lange man in der Opposition ist.

Genau.

Spätestens wenn man in Verantwortung kommt, ist das ziemlich schwierig.

Jetzt mache ich mir, ehrlich gesagt, um den Landkreis Sonneberg

nicht so die Riesensorgen.

Ich muss hier überlegen, wofür ist ein Landrat überhaupt zuständig?

Was fällt überhaupt in dessen Kompetenz?

Was könnte der schlimmstenfalls in Sonneberg überhaupt irgendwie anrichten?

Und ich meine, der Landrat ist zuständig für Schulen, Straßen,

Schwimmbäder und öffentlichen Nahverkehr.

So hat das dann so seine Hauptsorge.

Ja.

Was kann man machen?

Rechtsextremistische Schwimmbäder, in denen Migranten keinen Zugang haben

oder die Schulen als Innenhaus-Wesselschule unbenennen oder so.

Ich meine, die Thüringer AfD ist neben der Sächsischen die rechteste.

Ja, und da spielen Figuren wie Stefan Brandner und Björn Hocken eine starke Rolle.

Aber selbst wenn ich deren bester Kumpel bin und ich bin Landrat,

also was kann da schlimmstmöglich passieren?

Das würde mich mal interessieren.

Was glaubst du?

Ja, ich sehe das exakt so wie du.

Mein Thema ist eher ein anderes, Richard.

Ich meine, der Mann hat plakatiert unter anderem Verbrenner retten.

Den Verbrenner retten.

Das wäre halt bestenfalls zuständig für die freiwillige Feuerwehr.

Ja, eben.

Also du kannst den Verbrenner gar nicht retten.

Das wird ganz woanders entschieden.

Das wird noch nicht mal wirklich in Berlin entschieden.

Könnte wahrscheinlich auf europäischer Ebene.

Und in Wahrheit sogar in China.

Da wo die AfD gar nichts zu Hause ist, nämlich irgendwo im bösen Ausland.

Das heißt, wenn jemand den Sonneberg plakatiert,

Verbrenner retten, ist das eigentlich Realsatiere.

Ja, ich weiß das gar nicht.

Also es gibt ja eine Stadt Sonneberg.

Und Landkreis hätte die Stadt jetzt sozusagen die Möglichkeit zu sagen,

wir bauen auf unserem Stadtgebiet oder in unserem Landkreis

keine Elektroaufladestationen für Autos.

Könnte man sowas machen.

Ich meine, ich will nicht sagen, dass da mit der Verbrenner gerettet ist.

Das meine ich.

Es wäre ja auch schön, wie so ein kleines, geiles Dorf.

Irgendwann gibt es nur noch batteriebetriebene Elektroautos

bis auf Sonneberg.

Die können ein paar bestimmte Dinge.

Natürlich kann er die entscheiden.

Zum Beispiel Migrationspolitik.

Die Frage, ob es zum Beispiel Geld oder Sachleistungen gibt,

die kann er, glaube ich, tatsächlich entscheiden.

Da kann er sagen, das machen wir so oder so.

Und das ist natürlich dann schon so ein Trägerpunkt.

Aber wenn du plakatierst, Verbrenner retten,

ist das in Wahrheit, ehrlich gesagt, komplett Leute veräppeln.

Weil das kannst du dir gerne wünschen, Verbrenner zu retten.

Aber du entscheidest das nicht schlicht und ergreifend und so zu tun.

Als würde sich das mit dir ändern, ist natürlich ein Witz.

Das funktioniert nicht.

Aber nochmal, was passiert da gerade?

Ich meine, wenn man sich das mal anschaut,

vor einigen Tagen mir mal angesehen,

wie es in Thüringen und Sachsen so prinzipiell aussieht,

mit Blick auf Landtagswahlen.

Wenn das so weitergeht, kann ja eine Situation eintreten,

dass der Osten, da sagen wir, quasi unregierbar wird.

Also unregierbar, weil alle anderen Parteien sagen,

wir koalieren nicht mit der AfD.

Und es ist dann keine Mehrheit gegen die AfD mehr gewesen.

Richtig. Ich dekliniere dir mal das Beispiel, ja, Thüringen.

Also ohne AfD oder Linke geht den Thüringen eigentlich nichts.

Gab es im April eine Befragung, da war die AfD bei 28%.

Also irgendwo da sind die immer noch.

Weit vor der Linken, irgendwo 20, 22%.

CDU auch um die 20, SPD, 11.

Grüne weit abgeschlagen, 6, FDP, 5 und so weiter.

Das heißt, nicht mal ein Viererbündnis

aus CDU, SPD, Grünen und FDP hätte eine Mehrheit.

Dass wenn die CDU weiter sagt, weder mit der Linkspartei

noch mit der AfD, dann könnte genau diese Situation eintreten.

Ich glaube, dass man beim Zweifelsfall

mit Bodo Ramelow koalieren würde,

weil Ramelow ist ungefähr so links wie Kretschmann-Grün.

Also der fällt jetzt nicht dadurch auf,

dass er aus der NATO austreten will

oder dass er riesige Verstaatlichungsprogramme durchführen will,

Wohneigentum, in Genossenschaftswesen übernimmt und so weiter.

Also ich nehme an, im Zweifelsfall würden die CDU

mit der Linkspartei koalieren.

Und das würde der AfD wieder bedeuten.

Die sitzen alle Altparteien in einem einzigen Boot.

Wir gegen die.

Und eine solche Koalition würde Ihnen unglaublich nützen.

Würde Ihnen nützen, weil Sie könnten wieder sagen,

guck mal, wie Sie Euch belogen haben.

Sie haben noch immer gesagt, auf gar keinen Fall mit der Linkspartei

und zack, um das puren Macht der Halswillen,

machen Sie es doch.

In Sachsen lag zuletzt im Februar,

bezieh' mich jetzt auf eine Umfrage aus dem Februar,

CDU und AfD mit ungefähr 30 Prozent gleich auf.

Grüne bei zehn, SPD auch ungefähr bei zehn,

Linke auch ungefähr bei zehn.

Die FDP war damals mit vier Prozent gar nicht im Landtag.

Das heißt, für die bisherige Koalition von CDU,

SPD und Grünen, jetzt gerade noch gereicht.

Aber Problem eins, zwischen Schwarz, Rot und Grün,

gibt's ständig Ärger,

weil da auch so ein neuer Kulturkampf plötzlich ausgebrochen ist,

Friedrich Merz sagt, die Grünen sind auf gar keinen Fall mehr

irgendwie einer gottgegebener Koalitionspartner.

Das heißt, man will sich da irgendwie von verabschieden.

Und Problem zwei, selbst wenn die FDP doch noch über die fünf Prozent kommt,

reicht es nicht für Schwarz, Rot, Gelb allein.

Und wenn die AfD da noch mal zulegt,

bräuchte man quasi schon ein Viererbündnis zum Regieren.

Das klingt jetzt alles ein bisschen kompliziert und ist viel,

aber wenn du es dir mal auf so einem Diagramm anschaust,

dann merkst du plötzlich, da kann eine Situation eintreten,

in der du nicht mehr richtig gut Politik machen kannst.

Und davon hat am Ende keiner mehr was.

Das ist richtig.

Und dann ist die Frage, wohin führt sozusagen diese Ausschließeritis

und daraus resultiert die Frage, wie umgehen mit der AfD.

Und da habe ich jetzt eine konkrete Frage an dich, Richard.

Was ich immer beobachte ist, die Reflexe sind immer harte Kante.

Wir müssen uns abgrenzen.

Immer dieser moralische Fuhrer, der sofort durchkommt.

Wie findest du den?

Also, man kann das von zwei Seiten betrachten.

Eigentlich das jetzt Abwerge.

Wenn man sagt, eine Partei, die von der einige Führungspolitiker

und ein nicht unerheblicher Teil der Wähler,

den Nationalsozialismus relativ gut findet oder fand

oder zumindest harmlos und sich innerlich davon nicht verabschiedet hat,

eine solche Partei, wenn die in der Bundesrepublik Deutschland

in eine Regierungsbeteiligung kommt, dann ist das ein riesiges Problem.

So diesen Gedanken kann ich erst mal nachvollziehen.

So, wie hat sich Gerhard Baum unlängst auch geäußert.

Es kann doch nicht sein, dass so viele Jahre nach dem Holocaust

und dem Zweiten Weltkrieg und so weiter,

Leute, die die Nazi-Vorbrechen leugnen, beschönigen

oder klammheimlich sogar gut finden,

dass solche Leute in die Regierungsverantwortung kommen.

Jetzt muss man einen Dings dazu sagen.

Zumindest hat sie ja auch schon mal in Parlamenten gegeben.

Die NPD war, glaube ich, in vier Länderparlamenten in den 60er-Jahren.

Also, das Gespenst war nie tot.

Es kommt jetzt aber irgendwo wieder.

Und diese Haltung ist erstmal von moralischen Perspektiven nachvollziehbar.

Auf der anderen Seite muss ich sagen,

wenn ich die AfD weiterhin so konsequent ausgrenze

und wenn ich sage, die sind nichts tragbar

und mit denen will ich überhaupt nichts zu tun haben

und dieses Ausgrenzen findet dann statt,

dass alle anderen Parteien sich einig sind gegen diese eine Partei,

dann hat das so mit demokratischen Schwierigeln auch nicht mehr so viel zu tun.

Ihr seid zwar gewählt und ihr habt ja hier 20% oder 30%,

aber diesen Wähler-Wille nehmen wir nicht ernst.

Wir schließen euch grundsätzlich von allem aus.

Ist auch ein Problem.

Und dann muss man in der Abwägung dieser beiden Fragen sich doch die Frage stellen,

was würde die AfD am stärksten entzaubern,

dass man radikal nichts mit ihr zu tun haben will

und sie weiterhin als Sammelbecken der Unzufriedenen immer stärker und stärker wird

oder dass sie irgendwo in eine Verantwortung gerät,

jetzt nicht auf Bundesebene, aber irgendwo anders in Verantwortung gerät

und dann so eine schöne Karriere hinlegen kann,

wie die Freiheitlichen in Österreich mit Heider und so ein Strache.

Also sehen, dass es sich auch um zum Teil unfähige Politiker handelt,

dass viele dieser Politiker korrupt sind,

dass sie mit praktischen Fragen überfordert sind und, und, und.

Denn alles das würde sich erweisen,

wenn die AfD tatsächlich in diese Verantwortung käme.

Das heißt, die Partei funktioniert ja nur als Protest- und Oppositionspartei.

Die würde ja als Regierungspartei gar nicht funktionieren.

Die Frage des Umgangs, Richard.

Ich habe das Thema selber ständig.

Also die Frage, lädt man AfD-Politiker in eine Sendung ein?

Ich musste ehrlich sagen, ich verstehe nicht, warum man das immer wieder erklären muss.

Man muss?

Selbstverständlich, man muss.

Ich weiß nicht, ob du das mitgekriegt hast.

Wir hatten den klimapolitischen Sprecher,

ein Kortrel bei uns in der Sendung vor einiger Zeit,

haben wir auch, glaube ich, drüber gesprochen.

Und ich fand es total interessant,

einfach mal zu hören, welche klimapolitischen Ansichten die AfD hat.

Da war tatsächlich nicht so richtig viel.

Energiepolitisch, klimapolitisch.

Das war, ich fand, ein sehr interessanter Austausch.

Ich habe wirklich viel gelernt.

Und Herr Kortrel hat das auch sehr sportlich alles genommen.

Hat sich auch hinterher nicht in irgendeiner Weise unfair verhalten.

Oder hat dann sozusagen wieder die böse Geschichte erzählt,

da kommt also das öffentlich-rechtliche Fernsehen

und legt mich rein oder aufs Kreuz und stellt mich bloß.

Und dann sagte ganz offen, ich war an einem ein oder anderen Punkt

nicht so richtig gut vorbereitet.

Da fand ich einen sehr sportlichen guten Austausch.

Und ich finde, so muss es auch sein.

Und was ich feststelle ist, und da ist eher mein Thema,

ich erlebe, dass so viele Leute mittlerweile so ein bisschen unsicher werden.

Ich erlebe Leute aus der sogenannten bürgerlichen Mitte, die sagen,

naja, es läuft vieles wirklich gut.

Und dann kommt noch diese ganze Geschichte mit der Heizung

und wir kriegen die Migration nicht in Griff und so weiter.

Vielleicht sind die doch nicht so schlimm.

Vielleicht kann man die doch mal wählen.

Und dann denke ich immer, dann ist es doch unser Job,

diese Leute einzuladen, mit ihnen hart zu diskutieren

und zu sagen, was sind eure Konzepte?

Also du musst überlegen, was bedeutet die Migration?

Was ist euer Konzept im Klima?

Was ist euer Thema bei der Energie?

Wie haltet ihr es mit Russland?

Zum Beispiel Sonneberg, sehr interessant.

Sonneberg, der Landkreis, über den wir gerade sprechen.

57.000 Einwohner, die suchen händeringend

und schreiben sie auf ihrer Homepage Fachkräfte.

Das heißt, wählst du den AfD-Landrat,

brauchst aber ganz dringend Zuwanderung,

weil deine Firmen reihenweise Pleite gehen

und den Umfragen sagen in Sonneberg,

die größte Bedrohung für unseren Wohlstand ist Fachkräftemangel.

Das ist doch verrückt.

Und das muss man doch machen.

Ja, aber es funktioniert so, wenn der AfD-Landrat

Leute aus anderen Kulturkreisen nach Sonneberg holt,

weil er woanders keine Arbeitskräfte kriegt.

Gegendem gibt es keine Opposition.

Von wem soll die kommen?

Das heißt, nur der kann das machen.

Das habe ich ja auch schon mal gesagt.

Das wäre doch ironisch, oder?

In der Politik ist das immer so ironisch.

Aber genauso ironisch läuft das.

Die SPD hat all die Dinge gemacht

in der Regierungsverantwortung, in der Geschichte der Bundesrepublik,

die gegen sie als Opposition nicht durchsetzbar gewesen werden.

Die Berufsverbote, die Agenda 2010,

den NATO-Doppelbeschluss usw.

Man muss eigentlich immer antizyklisch wählen.

Und ich glaube, dass nur ein AfD-Landrat

eine Migrationspolitik für Sonneberg machen kann.

Bei jeder andere Landrat würde von der AfD-Opposition

für das Gleiche zerfetzt.

Genau, das ist richtig.

Schon allein im Medien demokratisch musst du die AfD einladen.

Also eine Partei, die im Augenblick

etwa 20% des Volkswillens repräsentiert.

Die kann nicht vom öffentlich-rechtlichen Fernsehen

wie Luft behandelt werden und sagen, die kommen bei uns nicht vor.

Ja, finde ich auch.

Es gibt die Pflicht, dass die vertreten werden.

Und dass man natürlich kann man sie dann auseinandernehmen

und so weiter, alles klar.

Aber du kannst nicht so tun, als wären die irgendwie nicht da.

Dann repräsentierst du ja schon mal dieses 20% der Bevölkerung nicht mehr.

Und das kann der öffentlich-rechtliche Rundfunk nicht machen.

Das Zweite ist auch diese moralische Überlegenheit.

Mit Nazis diskutiere ich nicht.

Was auch immer so ein bisschen mitklingt,

wie auch die Leute, die mit denen sympathisieren,

die sie wählen, sind alles Rechtsradikale.

Ich würde mich da eine Meinung interessieren, Richard.

Gerade auch in Ostdeutschland gibt es bei vielen Leuten

mittlerweile eine echte Wut darüber,

dass sie ständig kollektiv zu Rechtsradikalen erklärt werden.

Ja.

Also die sind ja schon zu allem erklärt worden.

Also am Anfang sind sie, also ich habe diese Geschichte,

sehr lebhaft vor Augen.

Also die Arroganz des Westens gegenüber den Menschen in Ostdeutschland.

Das ist eine Fehlleistung sondergleichen gewesen.

Wir kamen uns als Sieger umso toller vor.

Je mehr wir alle Leute im Osten,

wir haben deren Biografien zusammengestrichen.

Wir haben gesagt, ihr habt doch 40 Jahre einem Unrechtsstaat geliehen.

Das haben wir auch Leuten erzählt, die erst 18 waren.

Die also noch keine 40 Jahre Zeit dazu hatten.

Wir haben uns nie die Frage gestellt,

was hätte denn der ganz normale Mensch bei uns,

der den gemacht, wenn wir alle Widerstandskämpfer gewesen,

hätten wir dieses System gestürzt, schon vom ersten Tag an.

Also was für ein verqueres, heroisches Selbstbild haben wir.

Die meisten Menschen in jeder Gesellschaft sind Mitläufer.

Und das ist hier in der Gesellschaft nicht anders,

als es in der Gesellschaft der DDR war.

Dann haben in der DDR vor allem die Leute nachher

Riesenkarrieren gemacht, die nicht als Widerstandskämpfer aufgefallen sind.

Angela Merkel, Joachim Gauck.

Ich meine, das sozusagen auch noch der Widerstand,

der tatsächlich gegeben hat.

Und auch der Mut, dass der auch gar nicht nachher groß belohnt war.

Richtig.

Dass wir dann auch die gesamte Wirtschaft in der DDR

so komplett für unfähig erklärt hätten,

als hätten ausnahmslos Idioten dort gearbeitet.

Als wären sie also alle politische Idioten gewesen,

wirtschaftliche Idioten gewesen, die von morgens bis abends

nichts anderes zu tun gehabt haben, als ihre Nachbarn zu bespitzen.

Das war das Bild, was wir da transponiert haben.

Das ist der, der für die Indianer Reservate im Osten zuständig ist.

Also haben wir selber einen Indianer genommen.

Der ist jetzt für diese Reservate zuständig.

Oder Native American Reservate.

Vorsichtiger auszudrücken.

So was kann man nicht machen.

Also dann hätte man gleichzeitig ein Westbeauftragten machen müssen.

Also der Ostbeauftragte soll ja irgendwie in irgendeiner Form

die Belange des Ostens in den Westen tragen.

Aber es wäre doch schön, die Belange des Westens auf die gleiche Art

in den Osten zu tragen.

Die sind anders.

Der Koschmann, kennst du, ne?

Ich habe es leider nicht gelesen, aber das ist ein Bestseller

und ich freue mich darüber, dass er den Buch teilnimmt.

Vorurteile, genau.

Der Osten, eine westdeutsche Erfindung,

ist ein großartiges Buch, in dem er genau darüber schreibt.

Er sagt, ich wollte eigentlich,

ich kann es der üblichen Bücher darüber schreiben,

weil es eigentlich nicht der Osten sein Thema ist,

sondern das Entscheidend der Westen.

Er sagt, es geht eben um diesen eklatanten Mangel an der Repräsentation,

auch an Kenntnis der Geschichte und so weiter.

Und um die Art und Weise, wie wir damit umgehen,

auch wenn man sich Anteil an Führungsebenen anschaut

und so weiter, abseits der Politik, 2-4%.

Der Osten ist nach wie vor nicht wirklich repräsentiert.

Also ich kann mich in meinem eigenen Metier

eine westdeutsche Erfindung der Osten...

Ja, das stimmt.

Und ich kann mich wunderbar daran erinnern, so aus meinem Horizont.

Ich war Mitte 20, als die Mauer fiel.

Und wenn ich mir angucke, wie damals die Professoren

von meiner und von vielen anderen Universitäten

dann an die Universitäten in den Osten gegangen sind,

Kommissionen gegründet haben

und darüber befunden haben,

welcher Professor jetzt im Amt bleiben darf und welcher nicht.

Das durften die nicht selber machen,

was ja auch naheliegend gewesen wäre,

zu sagen, da war immer so ein 1.000-prozentiger

und der war hier ein ganz schlimmer und halber Stalinist und so weiter.

Nein, das haben Leute aus dem Westen gemacht,

die da nichts wussten und nichts kannten.

Die haben sich dann zu Richtern aufgeschwungen,

was haben sie gemacht, möglichst viele Leute,

die im Osten, im akademischen Betrieb waren, entlassen

und ihre eigenen Assistenten dort installiert.

Also das ist eine Haltung gewesen,

wie das Kolonialreiche machen.

Man hat ein anderes Gebiet erobert

und jetzt setzt man seine eigenen Leute da rein.

Und das, was hier an den Unis gelaufen ist,

ist natürlich auch bei vielen Firmen so gelaufen.

Und ich meine, diese merkwürdige Gefühlsbad,

dass die Menschen im Osten gehabt haben.

Also jetzt haben sie die Möglichkeit,

zu mehr Wohlstand zu kommen,

jetzt haben sie die Möglichkeit,

freier überpolitische Dinge reden zu können und so weiter.

Und jetzt werden sie aber von Anfang an

als Bürger zweiter Klasse integriert.

Und ich glaube, dass dieses Gefühl,

auch so lange nach der Wiedervereinigung,

immer noch sehr, sehr tief sitzt.

Also dieses Thema Ost-West ist ja nicht weg.

Also damals hätte man doch gedacht,

nach der Wiedervereinigung 90,

in 30 Jahren reden wir darüber nicht mehr.

Wir reden über diese Dinge noch ziemlich stark nach 30 Jahren.

Ja, absolut.

Und ich hätte das auch so nicht für möglich gehalten.

Oschmann weist auf etwas sehr Interessantes hin

und sagt in dem Zusammenhang auch,

alles, was ich da sage, ist nichts Neues.

Das ist alles über Jahre schon gesagt worden.

Das ist viel besser, auch schon dokumentiert

und recherchiert worden.

Aber ich sage es trotzdem noch mal.

Im Osten sind die Gehälter im Schnitt 22,5 Prozent geringer

als im besten.

Das ist so eine Zahl, die man kennt.

Was mir nicht bewusst war, war in der Auto- und IT-Branche.

Und darüber reden wir ja gerade.

Ich meine, Sachsen hat eine ziemlich gut gehende Wirtschaft

und gerade im Bereich Automobil

in Magdeburg auch Intel, IT usw. 40 Prozent geringerer Lohn.

Textilbranche sogar 69 Prozent.

Und Oschmann sagt gleichzeitig fordert der Westen,

dass sich der Osten jetzt endlich mal normalisieren soll.

Jetzt werdet endlich mal normal.

Hat er natürlich einen Punkt.

Ist sehr zugespitzt, aber hat am Punkt.

Und ich habe vor ein paar Wochen mit Sarah Pago mal gesprochen.

Das ist eine brillante Frau von Fink Tank in Berlin,

Politikwissenschafterin, Russland-Expertin eigentlich

und kommt aus Mecklenburg-Vorpommern.

Und die hat mal so ein paar Dinge in einen Kontext gestellt.

Und das fand ich hochinteressant.

Die sagte, Russland spielt dabei eine große Rolle.

Und auch das ist etwas, was wir nicht verstanden haben,

wenn wir über den Osten sprechen.

Sie sagt, Russland ist Teil der ostdeutschen Identität.

Das ist erst mal so ein Satz.

Aber wenn du dann mal reingehst, dann erklärt sie dir das mal historisch.

Und das ist spannend.

Sie sagt, vor dem Zweiten Weltkrieg war ja Deutschland quasi weltpolitisch

weder dem Westen noch dem Osten groß zugeordnet.

Da waren wir quasi so dazwischen.

Wir fühlten uns als die größten überhaupt.

Also wir waren dazwischen, wir waren was völlig eigenes.

Richtig.

Und wir hatten Vorurteile gegen beides.

Richtig.

Gegen den Osten wie gegen den Westen.

Genau.

Also Amerika hatte kein gutes Image.

Genau.

Und dann sagt sie es total interessant, mit der Teilung des Landes.

Also nach dem Zweiten Weltkrieg dann.

Also im besetzten Nachkriegsdeutschland hat sich die deutsche Bevölkerung,

das kann man sich total gut vorstellen, erst fremdbestimmt gefühlt.

Da ist dann so ein Anti-Americanismus entstanden.

Genau das, was du gerade beschreibst.

Und sie sagt, es ist kein grundsätzlich ostdeutsches Phänomen ursprünglich gewesen.

Aber dann kommt im Westen dieser steigende Lebensstandard.

Und dann verschwindet sozusagen dieser Anti-Americanismus in der Bundesrepublik immer mehr.

Weil man merkt auch, okay, die Amis sind gekommen, die haben das übernommen,

die Marktwirtschaft, der Kapitalismus.

Also die Besatzer von ehemals werden immer mehr als Befreier quasi übernimmt.

Und die Jugend übernimmt komplett die amerikanische Kultur.

Genau.

Die amerikanische Musik.

Genau.

Also die angloamerikanische Musik, die Mode.

Also mit Jeans und Beatles und Stones und was was ich fasse und so weiter.

Beginnt die West-Integration richtig.

Richtig.

Und sie sagt in der DDR, ganz anders.

Sie sagt, zu Unzufriedenheit mit dem eigenen Regime,

kommt dann auch noch die Abneigung gegenüber diesem fremden Westen.

Das hat sich über die Jahre immer weiter manifestiert,

aufgebaut in Form von Misstrauen in Politik, Institutionen, Medien.

Und das hat Folgen bis heute.

Und sie sagt, dieser Ukraine kriegt zum Beispiel, der wird jetzt von den Ostdeutschen

genau aus dieser Geschichte heraus.

Deswegen ist das so spannend.

In Wahrheit als Konflikt nicht zwischen Putin und Ukraine wahrgenommen,

sondern zwischen Ost und West.

Und das ist der Grund, warum man sich heraushalten möchte.

Das hat damit zu tun, dass es diese Identifikation mit dem Westen

aus diesen historischen Gründen nicht gibt.

Man fühlt sich weder zu dem einen noch zu dem anderen richtig hingezogen.

Man kann das auch anders ausdrücken.

Also du hast das indirekt gesagt.

In der DDR ist das alte Deutschland lebendig geblieben.

Also die Bundesrepublik hat eine enorme kulturelle Transformation durchgemacht.

Richtig.

Man kann das auch von diesem Deutschland, das mit dem Osten und mit dem Westen

nichts zu tun haben will, das auch Krieg geführt hat.

Zwei Weltkriege gegen den Osten und den Westen.

Also beide Feindbilder waren Frankreich als der große Erbfeind auf der einen Seite.

Russland als der Lebensraum in dem slavische Hordenleben,

den man für die Deutschen erobern will.

Also Deutschland war umgeben von Völkern, auf die man herunter geguckt hat

und gegen die man massiv etwas hatte.

Und vieles von dem, was das alte Deutschland so kulturell ausgemacht hat,

ich meine jetzt gar nicht diese aggressive Seite,

ist in der DDR erhalten geblieben.

Erhalten geblieben ist, wenn ich so, wir haben ja schon über Brandenburg gesprochen,

wenn du auch nur ein kleines Stück aus Berlin rausfährst,

dann hast du plötzlich das Gefühl auch in einer anderen Zeit zu leben.

Also wie die Gastronomie aussieht, wie Leute da miteinander reden.

Also diese Freundlichkeit, die du in den Touristenzentren in Berlin hast,

die ist da nicht mehr in der gleichen Art und Weise,

sondern ist das eher wieder so wie es, wo ich aufgewachsen bin

im bergischen Land in den 60er, 70er Jahren war.

Du hast irgendwie so Stück für Stück das Gefühl,

du reist immer tiefer in die deutsche Vergangenheit.

Und das hat nicht nur etwas Negatives.

Das ist nicht einfach belastet mit dritten Reich oder so,

sondern da hast du das Gefühl, hier ist Deutschland noch am deutschsten.

Also sie hat sich sehr viel nicht verändert.

Hier ist noch sehr viel, so wie es im Kaiserreich war,

im dritten Reich in der DDR war

und jetzt in der Bundesrepublik in der Vereinten ist.

So ein bisschen das Gefühl ist natürlich nicht überall die Zeit stehen geblieben.

Das erste, was die auffällt, sind diese Glitzerdächer.

Über in jedem brandenburgischen, mecklenburgischen Dorf ist,

mit welchen Subventionen oder so, immer das Daffeneu gedeckt.

Also so plastikartig leuchtende Legodecher.

Aber es gibt viele andere Dinge, wo du auch wenn man mit den Menschen redet

und so ein bisschen das Gefühl hat, man reist eigentlich zurück in die Vergangenheit.

Während die Bundesrepublik eine Transformation gemacht hat,

von Deutschland zu Westen.

Also Westen heißt ja eigentlich angloamerikanisch, nicht so sehr französisch,

vielleicht noch ein bisschen italienisch, lebensweise,

draußen sitzen abends und Pizza essen und so.

Aber eigentlich ist die ganz große Prägung gewesen,

die angloamerikanische, dass man das deutsche da gar nicht mehr rausfiltern könnte.

Die müsstest du wie so ein Goldsucher mit einem Sieb.

Müsste so lange machen, bis du ein paar kleine deutsche Klümpchen noch findest.

Und das ist im Osten ganz anders geblieben.

Und dann der Stolz nach der Vereinigung, das, was es für den Osten bedeutet,

ist, wir sind wieder wehr.

Wir sind jetzt nicht mehr dieses Kleine, sondern wir sind wieder Teil des großen Deutschland.

Vielleicht haben auch viele erwartet, dass es wieder ein großes Deutschland mit Betonung auf Deutschland wird.

Und ich glaube, dass das sehr stark in den Köpfen vieler Menschen sind,

die das in keiner Partei wiederfinden, sondern nur in der AfD.

Also für mich gibt es sozusagen ein oder zwei zentrale Begriffe,

über die man da, glaube ich, mal nachdenken muss.

Und mir ist das auch klar geworden, ich war beim letzten Sommer

mehrfach in Bulgarien unterwegs.

Wir haben jetzt auch gerade in Moldau gedreht,

haben ja schon drüber gesprochen,

dass diese Landschaften, das Kulturelle, die Gastronomie,

der demografische Faktor, also viele Leute abgewandert ist,

auch in Thüringen, eine riesige Thüringen hat einen Wahnsinns Adalas erlebt nach der Wiedervereinigung.

Da sind Millionen Menschen einfach weg, die sind nicht mehr da.

Über Bulgarien haben wir in dem Zusammenhang schon mal gesprochen.

Die waren kurz davor 9 Millionen, so werden sie jetzt irgendwann im Bereich von 5.

Das heißt, da verändern sich Dinge, da verändern sich Gesellschaften,

da bleiben sozusagen Menschen zurück, für die es sich nicht mehr lohnt,

irgendwo in Deutschland oder in Amerika ein neues Leben anzufangen und so weiter,

weil sie vielleicht an einem ganz anderen Punkt ihres Leben stehen und so weiter,

weil sie Familie haben, weil sie nicht mehr so beweglich sind.

All das macht etwas.

Aber die Frage ist immer, sind die Leute anti?

Sind sie sozusagen von Grund auf gegen den Westen?

Da sind sie und das ist immer mein Gefühl skeptisch.

Hier hat immer das Gefühl, wenn du 40 Jahre so lebst,

wenn du diese Distanz versuchst zu halten, wie wir sie gerade besprochen haben,

mehr zu den Amerikanern, aber auch zu den Russen.

Auch darauf weist Sarah Pagung hin, es ist ein völliger Irrglaube zu denken,

dass das in Ostdeutschland alle totale Russenfenster totaler Quatsch.

Hochambivalent ist verhältlich.

Genau, hochambivalent.

Es gibt sozusagen die ältere Generation von Menschen wie Matthias Platzek

und anderen, die sagen, wir müssen uns mit ihnen irgendwie verständigen,

aber provozier sie nicht, weil die sind gefährlich.

Eine jüngere Generation wie Manuela Schwesig oder Michael Kretschmer oder andere,

die haben die gefährlichen Russen nicht erlebt.

Die haben den betrunkenen Jälzien gesehen.

Die haben gesehen, da torkelt sozusagen buchstäblich eine Weltmacht

im Rollfeld von A nach B und haben dem Grunde gar nicht ernst genommen.

Und für die war das dann sozusagen eher eine Frage der Wirtschaftsbeziehungen.

Das heißt, da sind auf ganz vielen Ebenen ganz viele verschiedene Dinge.

Aber es gab zumindest ein echtes Interesse.

Also ob man die Russen mochte oder nicht, man war ja zwangsläufig mit ihnen konfrontiert.

Man hatte russisch in der Schule.

Die russische Kultur spielte im Alltag der DDR eben eine Rolle.

Es gab Begriffe, die man übernommen hat aus dem Osten, aus Russland.

Und das war jetzt kein irrsinnig fremder Kulturkreis aus der Sicht der DDR-Bürger.

Und das ist irgendwie so geblieben.

Und die Deutungshoheit über die Russen, die ist komplett an den Westen übergegangen.

Also die Leute im Osten werden dann nicht nach ihrer Meinung oder ihren Erfahrungen gefragt.

Wenn du 40 Jahre in etwas gelebt hast, falls es eben die 40 Jahre waren,

manchmal war es ja auch kürzer, aber 40 Jahre in etwas gelebt,

dann ist das ein Teil deiner Identität.

Und man völlig egal, wie kritisch du gegenüber den Russen gewesen bist

und welche Probleme du mit der Parteiführung gabst und so weiter,

du lässt dir das, wer du bist und was du bist, nicht von außen erklären.

Das weißt du und das können die anderen gar nicht so, wie du das weißt wissen.

Und diese, wie nennt sich das, wenn man keinen Schmuck von Native Americans mehr tragen darf,

kulturelle Aneignung.

Genau, exakt.

Und das darfst du auch nicht tragen.

Ja, ja, genau.

Hier könnte man von kultureller Übergriffigkeit sprechen.

Also wir haben den Osten erklärt.

So, jetzt könnten böse Zungen sagen, das macht ihr beiden ja auch schon wieder.

Wir beide jetzt, ja.

Ja, zwei Leute, die nicht im Osten geworfen sind, versuchen den Osten zu verstehen.

Wen soll ich sonst anrufen?

Wir könnten doch vielleicht mal ein Videopodcast zu dem Thema machen,

mit jemandem, der im Osten soziale Erfindung ist.

Ja, mit Sarah Parkung würde ich darüber gerne mal sprechen.

Vielleicht kriegen wir das mal auf die Reihe.

Aber wir haben es schon mal gesprochen über Ilko Kobalczuk, Berliner Historiker.

Sehr interessanter Mann, der mit die glücklichsten Dinge gesagt hat,

finde ich, in letzter Zeit, wenn es genau um dieses Thema ging,

der sagt, dass dieses Bild sozusagen, dass die Ostdeutschen von den Russen haben,

das ist viel uneindeutiger als wir uns das gelegentlich so erzählen.

Es ist wahnsinnig ambivalent.

Russland als Feind, sagt er, und gleichzeitig Russland als Vorbild.

Und dieser Zwiespalt hat sich halt auch durch die komplette DDR gezogen.

Auf der einen Seite hunderttausende Vergewaltigungen durch sowjetische Soldaten,

nach dem Einmarsch in der Ostzone, aber dann auch die Begeisterung für russische Kultur.

Die Furcht vor der russischen Armee.

Und auf der anderen Seite das Mitleid sozusagen mit dieser sowjetischen Bevölkerung,

die in der Masse viel ärmer war als es der durchstückliche DDR-Bürger war.

Richtig, das ist total interessant.

Die DDR war das im Vergleich wirtschaftlich prosperierendster Land des sogenannten Ostblocks.

Richtig, genau.

Und er sagt, interessant ist, also diese Ambivalenz,

die hört quasi auf, so Anfang der Nullerjahre fängt das so an.

So eine merkwürdige, komische Einmütigkeit in der Bewertung dieser deutsch-russischen Beziehungen.

Er sagt, das war zu spüren, das erste Mal 2.9.

Als Putin damals in Dresden, du erinnerst dich vielleicht Semper-Opernball,

hat er so ein Dankesorden bekommen.

Tillig, der CDU-Ministerpräsident, hat damals die Laudatio gehalten.

2009 muss man sich mal auf die Zunge zergehen lassen.

Da war Georgien schon passiert.

Und da war auch schon Grossen in Schutt und Asche gelegt worden von demselben Typen,

der da ein Dankesorden bekommen hat.

Und das war, ab da kippte das so, da wurde das plötzlich so merkwürdig irgendwie verklärt.

Und es gab dann auch so, so beschreibt dann auch so T-Shirts zum Beispiel,

wo dann in kürilisch bestimmte Dinge draufstanden, zum Beispiel der Satz,

wenn du das lesen kannst, bist du kein dummer Wessi.

Da fing dann plötzlich so eine Verbrüderung mit...

Aber wahrscheinlich von jüngeren, ja?

Genau, genau.

Die, die alle wissen.

Die aus der eigenen, ihren eigenen Kult gemacht haben

und Spaß an der Provokation hatten.

Genau, genau.

Kommen wir auf zur AfD zurück.

Ja.

Also, wenn wir das jetzt so zusammenfassen, könnte man ja die These wagen,

dass Deutschland nicht, Deutschland im deutschistmöglichen Sinne geworden ist,

sondern das ist ein Teil des Westens geworden ist.

Ist etwas, was vielen Menschen im Osten bis heute fremd ist.

Und dass sie sich vielleicht wünschen, es gäbe ein autonomeres Deutschland,

also ein außenpolitisch autonomeres Deutschland,

ein Deutschland, das in allererster Niederaufdeutsche Interessen guckt

und jetzt sozusagen nicht die Westbindung in den Mittelpunkt stellt,

wie das im Augenblick ja ganz statt der Fall ist,

könnte auch eine der Quellen sein, aus denen sich die AfD schmeißt,

dass man sagt, wir verkaufen uns an die Amerikaner,

wir verzichten auf dieses günstige russische Gas.

Wir sind doch bekloppt, dass wir das jetzt irgendwie machen und so.

Also, das ist jetzt, ich meine, es hat von ja viele Quellen an.

Eine andere Quelle ist in der Corona-Zeit natürlich gewesen,

als man den anderen unterstellt hat.

Sie wollten den starken Obrigkeitsstaat.

Wo ist gerechnet die AfD?

Die Nazis in ihren Reihen hat die von nix anderem träumen,

als von einem brutalen Obrigkeitsstaat.

Also, das ist natürlich voller Paradoxien, die ganze Geschichte.

Ja, genau.

Aber solange ich dieses Schema Konformismus,

Nonkonformismus für Wichtiger erachte, als rechts oder links,

sondern sage, dass zentrale ist, bin ich angepasst,

plappere ich das nach, was alle sagen,

dass die Medien verbreiten und so weiter.

Oder bin ich ein Freigeist,

der sich da von denen kein Bären aufbinden lässt,

der selbstständig denkt, der eigenständig ist

und der sich nicht vereinnahmen lässt.

Und die beiden Zutaten,

dieser Nationalismus auf der einen Seite

und das Parliolibertera auf der anderen Seite,

die haben beide Rekrutieren, die einen nicht unerheblichen Pool

und denen die einen fühlen sich in einem Einlager wohler

und die anderen fühlen sich in einem anderen Lager wohler.

Aber eine Partei, die regieren würde,

könnte diesen Widerspruch nicht aushalten.

Also die müsste, wenn sie tatsächlich Entscheidungen,

z.B. in der Pandemie treffen muss,

ja, wo der eine Flügel den möglichst starken Staat will,

der eine rigorose Gesundheitspolitik macht

und der andere Flügel der Partei, den man jetzt nicht Flügel nennen soll,

also der andere Teil der Partei, sagt, der staathaltig raus,

meine Gesundheit ist meine Sache,

das würde in einer Praxis Ihnen nichts funktionieren.

Ja, also, das ist ja auch so,

also Thema Migrationspolitik, das ist interessant,

da sind wir wieder bei Sonneberg.

Der Neulandrat jetzt, der AfD-Landrat in Sonneberg,

der kann über Migration oder auch Asylbewerber,

kann ja sagen, was er will, die werden ihm zugewiesen.

Das hat er nicht in der Hand.

Aber wie die Quartiere aussehen, das hat er nicht.

Das ja, und ob er so Leistungen oder Geldleistungen bezahlt,

ja, zum Beispiel, aber prinzipiell kriegt er eine Ansage aus Berlin,

die da lautet, morgen kommen so und so viele Menschen zu dir.

So läuft das überall in Deutschland

und daraus speist sich ja auch zum Teil auch bei Landräten.

Wir reden häufig in der Sendung mit Landräten,

das ist total interessant.

Tanja Schweiger zum Beispiel aus Regensburg,

mit der wir vor einiger Zeit ein sehr interessantes Gespräch darüber geführt,

das ist die Landrätin von den freien Wählern,

die in Regensburg zum Beispiel dieses Schiff in ihrer Not irgendwann angemietet hat,

weil sie einfach keinen Platz mehr hatte.

Und die sagt, schau mal, wir sind einfach hoffnungslos überfordert.

Weil selbst wenn ich es hinkriege,

erstmal ein Bett und ein Dach über dem Kopf zu organisieren,

dann kommen ja danach unzählige andere Fragen.

Nämlich, wo gehen die Kinder dieser Menschen hin?

Auf welche Kita?

Von welchen Erziehern werden sie erzogen?

Von welchen Lehrern werden sie später unterrichtet?

Wo gibt es die Wohnungen für all diese Menschen und so weiter?

Wir schaffen es ja auch nicht, die 400.000 Wohnungen zu bauen,

die wir uns gegenseitig versprochen haben,

weil wir dann ja wieder die Facharbeiter dafür gar nicht haben und so weiter.

Das heißt, da hängt eine riesige Kette dran.

Und was die Leute dann vor Ort erleben,

in Mecklenburg gab es die Geschichte dieses kleinen Dorfes,

glaube ich, 500 Leute leben

und plötzlich kommen vier oder 500 Menschen aus aller Herren Länder

und die werden dann dort kurzzeitig einfach untergebracht,

und das ist ein Roller von teilweise 3, 4, 5 Tagen.

Also wollen wir dann ernsthaft so arrogant sein und sagen,

das müsst ihr aber alles tolerieren, das ist ja wohl selbstverständlich,

weil wir nicht seit die böse Rassisten.

Sorry, es tut mir leid, ich komme da nicht mit.

Das ist etwas, das kann logistisch nicht funktionieren

und das ist keine Frage von Rassismus oder nicht.

Das heißt, du kledrigierst für eine nicht moral getränkte Migrationspolitik,

also wo es nicht die ganze Zeit immer um Gut und Böse oder um Superlative geht,

also entweder Humanist oder Nazi.

So, genau, danke.

Sondern es geht um viel, viel mehr Pragmatismus.

Was können wir leisten?

Und es geht ja auch darum, also wenn du mit Meinungsforschern sprichst zum Beispiel,

das ist schon ein interessanter Punkt und den darf man deswegen auch nicht weglassen,

die sagen, der entscheidende Trigger für die AfD ist nicht Ukrainekrieg,

ist nicht die Inflation, ist nicht das Thema Wirtschaft,

ist nicht das Thema Heizung, sondern der entscheidende Trigger ist

und deswegen, wenn man genau hinguckt, sieht man auch der Aufstieg jetzt,

dieser neuerliche Aufstieg der AfD, die hat schon letzten Sommer begonnen,

das ist genau das Thema Migration eigentlich fast ausschließlich.

Das ist das Thema, um das es geht.

Also was mich natürlich bei der Frage beschäftigt ist,

wir haben ja über Migration schon mehrfach gesprochen,

das allergrößte Problem, was ich in der Migrationspolitik sehe,

ist, dass wir das, worauf wir uns alle einigen können,

egal welcher Partei wir angehören oder wen wir wählen,

dass man die Fluchtursachen bekämpfen muss,

dass das nicht angegangen worden ist.

Das funktioniert auch so kurzfristig nicht, ne?

Naja, das heißt so kurzfristig, Migrationskrise 2015,

seitdem acht Jahre vergangen und seitdem fast nichts passiert.

Also wir machen eine absolut defensive Migrationspolitik,

wir verteidigen unsere Grenzen,

wir versuchen besser abzufangen,

höhere Zäune, bessere Patrouillen, mehr und so weiter.

Ja, wir denken uns herzliche Kriterien an,

wer rein darf und wer nicht aus, wer rein darf

und wer nicht rein darf und so weiter.

Aber damit hält man das Problem ja dauerhaft nicht auf.

Ja, das ist ja ein Versuch mit der Luftpumpe, die Windrichtung zu ändern.

Was man machen müsste, wäre ja natürlich viel, viel mehr in Afrika.

Und jetzt müsste ja die AfD, wenn sie clever wäre,

eine Afrikastrategie vorlegen.

Also mal zu erklären, wie das denn aussehen soll,

dass wir guten Gewissens kaum noch jemand aufnehmen müssen,

außer er kommt jetzt aus dem Bürgerkriegsland,

ganz unmittelbar, aber wir müssen ganz viele Menschen,

die vor dem Hunger tot fliegen, nicht mehr zurückschicken,

weil wir ganz, ganz viel getan haben dafür,

dass Menschen in Afrika heute noch verhungern.

Da kommt eben nichts, aber, aber,

da kommt eben auch nichts von den etablierten Parteien.

Und solange von den etablierten Parteien nicht was Konstruktiveres kommt,

als das, was wir bisher machen, braucht die AfD auch keine Lösung vorzulegen.

Ja, ist richtig. Das ist übrigens letzter Punkt, Richard.

Das ist übrigens das, was mich mittlerweile fast noch mehr frustriert

und zum Teil auch sauer macht, wie zum Beispiel

eine bürgerliche Partei wie die CDU zum Beispiel da aufreagiert.

Mit das jetzt angesehen, dann treten dort Leute wie Claudia Pechstein auf

und tun so, als hätte dieses Land kein anderes Thema als die Frage,

wo es bitte zum nächsten Zigeunerschnitzel geht

und dass es ja so furchtbar ist,

dass wir gar nicht mehr Zigeunerschnitzel sagen dürfen

und tut so, als hätten wir alle gemeinsam

eine schwere Zigeunerschnitzel-Fixierung.

Das ist irre. Was will man denn damit erreichen?

Dümlichste Trittbrettfahrerei.

Du vertreibst Gespenster, die außer ihr keiner sieht in dem Moment?

Ja, kein Mensch leidet darunter.

Das meine ich.

Ob das Ding Zigeunerschnitzel heißt oder nicht.

Übrigens war ich letztens tatsächlich in einer Pommesbude,

wo tatsächlich noch Zigeunerschnitzel stand.

Und auch Zigeunersoße.

Also offensichtlich gibt es da nicht jemand,

der dann den Laden zumacht oder irgendwie sowas.

Offensichtlich ist es sogar noch erlaubt,

es ist vielleicht unschicklich, aber offensichtlich noch erlaubt.

Jetzt im Ernst, das ist die unwichtigste Frage von der Welt.

Ja.

Und damit zu punkten, ist ja nichts anderes als ein billiger Versuch,

ein paar AfD-Wähler zurückzuholen.

Und ich meine, so doof sind die jetzt nicht alle auf ganzer Linie,

dass sie deswegen eine andere Partei als die AfD wählen,

weil die CDU in den Gesang damit einstimmt,

jedenfalls einiges CDU-Leute.

Ich finde das merkwürdig.

Ja, auch dieses ganze Thema.

Ganz ehrlich, wen regen im Alltag? Wen betreffen im Alltag Menschen, die gendern?

Ist das wirklich ein Thema, aber dass man zu Hause spricht,

ist das das Thema, dass die Leute zu Hause wirklich bewegt?

Wenn Menschen sprechen und dabei klingeln,

dann hätten sie Schluck auf.

Das ist deren persönliches Thema.

Sind wir nicht tolerant genug, das einfach mal auszuhalten?

Ja.

Ist es schön? Nein.

Also man könnte daran schoßen, wenn man an der Universität arbeitet,

dann kann es einem schon passieren,

dass man dann irgendwie so angeflaumt und irgendwas wirkt oder so.

Aber ich glaube, die allermeisten Leute, die sich darüber aufregen,

kommen selten mit Leuten zusammen, die ideologisch aufs Gendern waren.

Das meine ich.

Das heißt, es ist auch ein Gespenst, dass sehr weit von ihnen weg ist.

Ja.

Ja.

Auch die Frage nach irgendwelchen komischen Toilettenhäuschen und so weiter.

Da wird dann sozusagen, das ist wie das Krokodil im Stadtteich,

dass jeden Sommer verlässlich irgendwo auftaucht,

aber halt leider noch nie gesehen wurde.

Genau.

Der Kaiman Semi.

Das Ungeheuer von Loch Neuss.

Die Echt.

Sie mögen sich daran erinnern.

Ein 70 Zentimeter langer Brillen Kaiman.

Hast du das gehört?

Ja.

Ich habe gelesen, Loch Ness in Schottland.

In diesem Sommer können es wirklich passieren.

Das trocknet gerade aus.

Das ist völlig irre.

Ach.

Und dann finden wir das Gelett von Nessi.

So.

Es wird weniger.

Ich stand da mal, warst du da mal in Schottland?

Nein.

Es ist wahnsinnig schöne Landschaft.

Da lief da diese, diese, diese More da, diese Hochmoore.

Oh, das ist traumhaft schön.

Und im Herbst, dann schneit es dann auch so ein bisschen.

Oder im Winter auch ganz so das Schnee sein.

Das ist ganz bezaubernd.

Wenn man sich diese arme Kreatur vorstellt.

Die alleine seit Jahrmillionen austraht.

Ja.

Und vom warmen Jura mehr träumt,

aus dem er ursprünglich mal gekommen ist.

Genau.

Aber jetzt in diesem Sommer.

Das liegt da, aber es könnte ja sein,

dass sie dann so in Kälte starre liegt.

Und deswegen Millionen von Jahren alt hat.

So sich im Schlamm eingegraben hat.

Genau.

Maximal.

Und die würde jetzt gefunden.

Energieeffizient.

Genau.

Ja.

Aber das ist natürlich für den Tourismus in Loch Ness schlechter.

Super ist das.

Doch, das heißt super.

Die Chance, dass es jetzt endlich mal sichtbar wird.

Alle kommen und gucken sich,

die letzten fünf Meter Wasser verschlichen.

Und jeder guckt, wo was rausguckt und macht ein Foto.

Genau.

Genau.

Das ist das.

Manchmal frage ich mich, also,

wir empören uns dann noch mal ganz kurzer Gedanke zur AfD.

Und dann regen sich alle auf.

Aber dann frage ich manchmal,

ist das wirklich unsere ernsthafte Auseinandersetzung damit,

dass wir dann Zigeunerstitzen sagen?

Nein.

Das ist alles Mist.

Die ernsthafte Auseinandersetzung besteht darin,

die AfD nach ihren Lösungsvorschlägen zu fragen.

So.

Ich hatte vor einiger Zeit ein Gespräch mit Frauke Petri.

Weil, ja, weil mich die Frau schon interessiert hat,

weil man konnte über sie vieles sagen,

aber mit Sicherheit nicht, dass sie dumm ist.

Und mir ist in den ganzen Fernsehdiskussionen,

in denen sie eingeladen war, immer aufgefallen,

dass man sie immer so mit Nazi-Sprüchen von irgendwelchen Kollegen,

die sie selber nicht gemacht hat,

Parteikollegen und sowas konfrontiert,

dann sie immer in die Defensive getrieben hat.

Und das stand immer unter dem Thema Nazi oder nicht Nazi.

Und was ich nie erfahren habe von Frauke Petri war,

zu wissen, worauf will die AfD eigentlich hinaus?

Wie sieht ein gutes Deutschland aus?

Und da habe ich sie gefragt, ob sie in der Lage wäre,

mir positive Visionen für Deutschland zu nennen,

oder auszumalen.

Unter einer Bedingung, es darf das Wort nicht nicht vorkommen.

Und das konnte sie nicht.

Sie kamen nicht aus dem Nicht raus.

Also wir wollen jedenfalls nicht,

dass in den Schulen gegendert wird.

Wir wollen jedenfalls nicht,

dass immer mehr Ausländer uns hier kulturell überfremden.

Wir wollen jedenfalls nicht und nicht und nicht.

Und ich würde von der AfD so gerne wissen,

dass nicht interessiert mich nicht.

Das kenne ich.

Wie immer man zum Einzelnen nicht steht.

Sondern mich interessiert vielmehr,

wie sieht eine konstruktive Klimapolitik aus der AfD?

Du hattest ja die letzten Zeit den großen Klima-Experten der AfD zu Gast.

Was würde die AfD im Ukraine-Krieg tatsächlich morgen tun,

wenn sie die Regierungsmehrheit hätte?

Also was ganz konkret.

Also dass man eine Vorstellung davon kriegt,

immer sagen soll, wo soll Deutschland hin?

Raus aus der NATO.

Tatsächlich ein eigenständiges Deutschland,

also als eigener Block in dieser Welt.

Wie soll das funktionieren?

Wie sieht eine Renationalisierung der Wirtschaft aus,

wenn man sich überlegt, dass alle Wirtschaftsverträge,

alle ganz wichtigen Grundsätzchen abkommen,

ja alle in Brüssel getroffen worden sind

und europäisch festgelegt, Wettbewerbsrecht und, und, und, und.

Also wie sollte eine De-Europäisierung in der Praxis aussehen?

Würde das nicht unausgesetzten Rechtsbruch zum Beispiel?

Sollten wir noch Öl aus Saudi-Arabien kaufen von, von Muslimen,

die die AfD ja sogar nicht mag, sollten wir das zum Beispiel?

Also mal, ja, genau.

Und einfach, einfach mal, was ich am liebsten noch,

noch mehr hätte, als das Praktische ist, so ein Bild.

Also dass mir jemand von der AfD mal so vorschwärmt,

ja, wie ein Deutschland nach zehn Jahren AfD-Regierung aussieht.

Ich stelle mir vor, das sieht so aus wie früher in der Rahmenreklam.

Meister, du hast dann so blau-weißkarierte Tischdecken

oder rot-weißkarierte, ja, und dann hast du so sonnige blonde Menschen,

die sitzen um bei Sonnenschein im Garten, um so ein Frühstückstisch rum,

wo nur deutsche Produkte draufstehen und irgendwie sowas.

Also ich weiß es nicht.

Also das klingt jetzt vielleicht zynisch, ich meine es gar nicht zynisch.

Ich habe keine Vorstellung davon.

Es gibt ja in der Geschichte der Menschheit kein freiwilliges Zurück.

Wir können das, was da zum Teil in Brandenburg noch erhalten geblieben ist.

Das können wir ja nicht mehr zur Blaupause eines künftigen Deutschlands machen.

Also wie soll in einer globalisierten Welt unter den heutigen Bedingungen

dieses Meer an Deutschland denn praktisch realisierbar sein oder aussehen?

Und das sind Fragen, die mich wirklich interessieren.

Und ich würde mich gar nicht streiten wollen.

Ich würde gerne einfach mal zwei Stunden zuhören.

Ein AfD-Vortrag, in dem das Wort nicht nicht vorkommt.

Um überhaupt mal eine Vorstellung davon zu haben,

was die Vorstellungen dieser Menschen vom Guten sind.

Sicher. Es wird nicht passieren.

Vermutlich wird es nicht passieren.

Nein, nein. Es wird nicht passieren.

Und ich glaube trotzdem, wir dürfen uns einfach diese intellektuelle Faulheit

nicht leisten und uns nicht mit allen, die in den Parlamenten sitzen,

einfach schlichteuntergreifend auseinanderzusetzen.

Und wir sollten nicht so sicher sein, dass wir immer und in allem die Guten sind.

Das nervt mich. Also wir sind die Guten.

Und jetzt kommen diese ganzen Idioten, die alle die AfD wählen.

Und dann müssen wir irgendwann jetzt schon ein Fünftel und irgendwann ein Drittel

der deutschen Bevölkerung für politisch nicht unzurechnungsfähig erklären,

um uns selbst noch weiterhin für die Guten halten zu können.

Und in diese Situation dürfen wir nicht kommen.

Das heißt also mehr darüber nachdenken, welche Probleme wir alle nicht lösen,

aus denen sich die AfD speist.

Ist mindestens so wichtig, wie sich rhetorisch davon abzugernst.

In diesem Sinne, Richard, Spannend. Dank dir sehr.

Ich danke dir.

Hab einen guten Tag und guten Tag.

Du auch, Markus. Tschüss.

Eine Produktion von Mpoch 2 und Potsats bei OMR im Auftrag des ZDF.

Machine-generated transcript that may contain inaccuracies.

Der kleine Landkreis Sonneberg hat gewählt und die politische Debatte nimmt wieder Fahrt auf: Was bedeutet der erste AfD-Landrat in Thüringen? Wie sieht der richtige Umgang mit dieser Partei aus? „Die AfD besteht aus Teilen, die gar nicht zusammenpassen“, findet Richard David Precht.
Markus Lanz und Richard David Precht sprechen in dieser Folge über die AfD, zu viel westlichen Paternalismus und den Bestseller von Dirk Oschmann „Der Osten: eine westdeutsche Erfindung“.