LANZ & PRECHT: AUSGABE EINUNDACHTZIG

ZDF, Markus Lanz & Richard David Precht ZDF, Markus Lanz & Richard David Precht 3/24/23 - Episode Page - 1h 1m - PDF Transcript

Blanz und Brecht.

Schönen guten Morgen, Richard.

Guten Morgen, Markus.

Wo erreich ich dich? Wo steckst du gerade was?

Immer gleich ein Ort, aber ausnahmsweise mal, weil ich bin zur Zeit relativ viel unterwegs.

Und machst was?

Du machst aber ohne Gespräche gerade.

Ja, ja, Podiumsdiskussionen.

Okay, das ist gut.

Ja, verschiedene Foren an der Uni und so weiter.

Viele Gespräche.

Das heißt, ihr tauscht Argumente aus.

Auf der Bühne, ihr streitet euch.

Ihr kriegt euch richtig in die Wolle?

Oder wie läuft das ab?

Wir gucken heute mal ein bisschen über diese Debattenkultur sprechen.

Über dieses Phänomen, dass alle sofort beleidigt sind.

Man sagt einen Satz und tritt schon jemandem wieder auf die Füße.

Ohne es aber zu wollen.

Das heißt, die Intention ist eigentlich nebensächlich,

spielt keine Geige, sondern irgendjemand schreit sofort auf

und sagt, ich bin jetzt beleidigt.

Das andere ist so, dass man miteinander redet und auch streitet

und dass man vielleicht jemanden sogar gut finden kann,

aber trotzdem die Meinung nicht teilt.

Dass man das Argument versteht und sagt, was auf, ich capiere dich,

aber ich teile diese Meinung nicht.

Aber nur in dem Moment, wo du sagst, ich verstehe dein Argument,

dich kann ich nachvollziehen, bist du schon wieder auf der falschen Spur.

Ja, diese Gespräche, die haben viele Facetten.

Du hast ja ganz viele davon schon genannt.

Also, wenn es mit dem Beleidigt sein fällt mir auch auf.

Natürlich kann ich gar nicht daran erinnern, in früheren Diskussionen

oder Debatten auseinandersetzen, auch im Fernsehen,

oder so, dass da jemals jemand beleidigt war.

Und wenn er das war, hat er das nicht gezeigt,

weil das unsouverän war, beleidigt zu sein.

Heute, egal was man sagt, es gibt Millionen von Menschen,

die unglaublich versessen darauf sind, beleidigt zu sein.

Und man kann ihnen das aber nicht sagen,

weil wenn man sie dafür kritisiert, sind sie schon wieder beleidigt.

Die eleganteste Art, ein Gespräch abzuwirken, ist beleidigt zu sein.

Und doch alles weitere ebenfalls beleidigt zu reagieren.

Ja, ich werde interessanterweise, werde ich das so oft gefragt.

Kannst du gar nicht vorstellen, wie häufig diese Frage kommt,

auch nach Sendungen, wo es mal ein bisschen höher hergeht oder so,

dass Leute mich dann fragen und sagen, wie war das hinterher?

War sie beleidigt? War er beleidigt?

Habt ihr noch miteinander geredet?

Oder gab es dann richtig Stress und so weiter?

Und die Überraschung ist dann immer sehr, sehr groß, wenn ich sage,

nee, wir haben hinterher noch sehr nett zusammengesessen

und eine ganze Weile noch geplaudert über dieses und jenes und alles Mögliche.

Und da merkst du genau diese Attitude her, die da sagt,

nee, aber der muss doch beleidigt gewesen sein,

das kann der sich doch nicht bieten lassen.

Denn selbst wenn er beleidigt war und selbst wenn es ihn genervt hat,

dann macht es doch den Profi aus, dass er sagt,

okay, ich gehe aber souverän damit um.

Aber das ist nicht mehr so richtig drin?

Nein, das haben wir nicht mehr,

weil es ist einfach ein unglaublich gesellschaftlich akzeptierter Zustand beleidigt zu sein.

Und das war es früher nicht gewesen.

Und deswegen spielt das so eine große Rolle.

Man hat denn das angefangen, Richard, was willst du sagen?

Mir kommt das ziemlich neu vor.

Also ich würde schon sagen, das ist was, was nicht älter ist als ein Jahrzehnt.

Und ich habe das Gefühl, dass es sich auch in den letzten Jahren

noch mal von Jahr zu Jahr verstärkt hat.

Und womit hat das zu tun? Was denkst du?

Das hat etwas damit zu tun, dass es akzeptiert ist, dass man beleidigt ist.

Also dass man ein Anrecht darauf hat, beleidigt zu sein.

Weil man sich vielleicht falsch auf sein Geschlecht angesprochen fühlt

oder dass man ohne das Gefühl hat, einer Minderheit anzugehören,

die despektierlich behandelt worden ist und so weiter.

Die Debatten und die Diskurse, die sind ja richtig, dass wir die führen.

Es ist ja richtig, dass wir heute anders über Minderheiten reden

und viele Minderheiten zumindestens, als wir das früher gemacht haben.

Das sind alles Fortschritte, aber die führen eben auf der anderen Seite,

eben auch zu erhöhten Sensibilitäten.

Und dieses Beleidigtsein ist ein Ausdruck unserer Hochsensibilitätskultur.

Ja, aber die Frage ist immer, wo führt uns das hin?

Ich habe neulich mitgekriegt, du bist dafür kritisiert worden,

dass du das Denken, die Art und Weise, sich mit Argumenten zu beschäftigen

von Karl Lauterbach lobst, ohne aber dessen Meinung zu teilen.

Ja, also ich habe ja hier im Podcast ganz ausdrücklich gesagt,

ich halte Karl Lauterbach, den ich persönlich kenne,

für einen enteigeren, intelligenten und gebildeten Menschen.

So, und das würde ich auch jederzeit wiederholen.

Jeder aber, der sich so ein bisschen damit beschäftigt hat,

was ich so im Laufe der Zeit über Corona gesagt habe und über Corona denke,

weiß, dass ich sehr häufig mit Karl Lauterbach nicht einer Meinung bin.

Und das sind zwei Dinge, die passen in meinem Kopf gut zusammen.

Ich stelle mir mal vor, ich würde nur die Leute für intelligent und enteiger halten,

die genau meiner Meinung sind.

Das wäre ja absolut merkwürdig.

Umgekehrt all die Leute für besonders tolle Halte,

also besonders schlimm Halte, die nicht meine Meinung teilen.

Und das stimmt eben nicht.

Also die Frage, ob ich vor jemandem Respekt habe

und ob ich den für moralische Ordnung halte, ist unabhängig.

Ob man der Frage, ob er seine Meinung mit mir übereinstimmt oder nicht.

Und wenn ich jetzt so viele Gespräche habe wie in letzter Zeit,

da frage ich mich natürlich auch manchmal selber.

Also warum macht man das?

Warum unterhält man sich jetzt mit dem?

Warum macht man das zu diesem Thema?

Und das Interessante ist immer, wenn ich das Gespräch so ein bisschen langweilig finde,

dann ist es mir wichtig, Recht zu behalten.

Aber wenn ich den Gesprächspartner so richtig interessant finde,

dann ist eigentlich mein Hauptinteresse an dem Gespräch, was dazu zu lernen.

Und da ist es ausgesprochen günstig, sich mit Menschen zu unterhalten,

die eben nicht in allem schon immer die genau gleiche Meinung haben.

Weil das das langweiligste überhaupt.

Ja, total.

Also ich meine, das kann man auch im Selbstgespräch machen.

Man kann sich ein paar Bier kippen und kann unausgesetzt mit sich selbst einverstanden sein.

Da braucht man nicht jemand anderes.

Das ganze Thema, diese sogenannten Wahrheitsfragen

so rund um Themen wie Identität, Corona, Klima, Migration,

da gibt es ja irgendwie sogar keine Zwischentöne mehr.

Es ist immer nur grau und es gibt nur Wahrheit oder Lüge.

Und dann wird das so aufgeladen, dass wir eigentlich auch über Kompromisse

gar nicht mehr reden können.

Und ich würde sagen, das ist so ein neuer Kulturkampf, der da stattfindet.

Das hat Wolfgang Merkel auch vor einiger Zeit so gesagt.

Diese Moralisierung des Diskurses, das ist total gefährlich.

Da hat eine interessante These, die ich gerade fragte, wann das angefangen hat.

Er sagt, das hat ganz viel mit Merkel zu tun, mit 16 Jahren Merkel.

Und sagt, da waren sozusagen bestimmte Debatten ausdrücklich einfach nicht mehr erwünscht, politischer Streit.

Und dann meldete sich Wolfgang Bossbach zu Wort, den wir beide auch kennen, sehr interessant.

Der sagte, wir haben früher an der CDU unfassbar diskutiert.

Endlos, endlos haben wir diskutiert.

Aber es ist dann zum Beispiel plötzlich um die AfD ging.

Da war dann irgendwie klar, pass auf, liebe Leute, hat keinen Zweck.

Da reden wir jetzt nicht mehr drüber, weil im Zweifel wählen die Leute lieber das Original.

Also lass uns die Themen erst gar nicht anfassen.

Dann kommen wir gar nicht mehr an die Verlegenheit, überhaupt über diese seltsame AfD zu sprechen.

Das heißt, die Frage, dass man einfach nur mal darüber nachdenkt, warum die AfD auch von Leuten gewählt wird,

die nicht aus dem rechtsextremen Milieu stammen.

Ja, sodass man unterscheidet sozusagen zwischen den Funktionären der AfD.

Genau, und den Motiven, warum sie gewählt.

Genau, und ihren Wählern.

Das ist ja der große Unterschied.

Und das finde ich einen interessanten Punkt.

Und das sagte auch Bossbach, in die andere Richtung war das komischerweise kein Problem.

Also da hat ja auch Merkel nie ein Thema, wenn es darum ging, sozusagen in die grüne Richtung Themen zu übernehmen,

sich zur Klimakanzlerin zu stilisieren und so weiter.

Das war komischerweise keine Frage.

Da galt dann plötzlich dieses Argument, dann wählen die Leute lieber das Original, galt da plötzlich nicht mehr.

Und das ist eine interessante Beobachtung, finde ich.

Also es war sicherlich richtig, dass die Merkelzeit die Zeit der großen gesellschaftlichen Harmonisierung war.

Und die CDU eine Partei sein wollte, die alles in Leitform integriert.

Die also gerade nicht mit irgendwelchen Positionen aus der Deckung kommen wollte,

wo man Menschen mit Verschrecken oder verärgern kann oder heftige Gegenwehr für bekommt.

Sondern es war ein geleitendes Mitschwingen mit dem Zeitgeist.

Und es ist ja richtig, wenn das das gesellschaftliche Klima ist,

indem man ja was Positives abgewinnen kann, kann sagen Deutschland ein friedliches, glückliches Land,

keine heftigen Debatten und so.

Dann hat man aber gesehen, wie das so oft ist, wenn viel harmonisiert wird,

dass sich unterschwellig eine Menge anstaut.

Und dass sich das dann irgendwann eben bahnen bricht und es immer nur eine Frage der Zeit ist,

wann sich das entsprechend artikuliert.

Und es ist auch schon richtig, Parteien lieben ja Streitkultur nicht.

Ich erinnere, das war schon früher so, obwohl man mehr gestritten hat,

waren die Parteien immer darauf bedacht, Leute zu haben,

die versuchen, jeglichen Streit innerhalb der Partei zu vermeiden.

Also Herbert Wiener hatte den Beinnahmen der Zuchtmeister der SPD.

Muss ich mal überlegen, ich meine das abgesehen davon,

dass dieses altmodische Begriff der wunderbar zu einer Person wie Wiener passt,

heute nicht mehr in die Zeit passt.

Es ging darum, dass ja allen linken Idealisten die Flausen austreiben sollte.

Das war damit gemeint, damit die Partei pragmatisch bleiben kann.

Und im Grunde genommen gibt es das Wort Zuchtmeister nicht mehr,

aber jeder ist inzwischen Zuchtmeister seiner selbst geworden.

Man wagt sich nicht so weit aus der Deckung,

weil natürlich die Medien darauf lauern,

jeden kleinen Dissens in einer Regierungskoalition,

in einer Partei usw. zu einem riesen Debakel aufzublassen.

Das war zwar früher auch so, das hat der Spiegel gemacht, seit es ihn gibt,

aber das haben die Parteien früher lockerer weggesteckt.

Heute ist es immer wichtig,

dass man einen guten und geschlossenen und einigen Eindruck macht.

Das Lieblingswort von Angela Merkel war ja immer gemeinsam.

Heute ist es das Lieblingswort von Annalena Baerbock.

Es gibt keinen einzigen Beitrag, in dem die vier oder fünf Mal gemeinsam vorkommt.

Man möchte also bei alledem immer sagen,

dass man mit den anderen und in der Mitte,

also man vermeidet alles, was irgendwie zu sehr nach Kante aussehen.

Und das provoziert die mit den Kanten.

Die fühlen sich da nicht mehr repräsentiert.

Das ist der Punkt.

Und es gibt noch so eine Angst, das ist auch interessant,

der berüchtigte Applaus von der falschen Seite.

Einiger Zeit hatten wir Christian Dürr, den FDP-Fraktionschef im Bundestag

bei uns in der Sendung, der sich kritisch über Migration geäußert hat.

Das muss man vorausschicken.

Christian Dürr ist jemand, der absolut nicht im Verdacht steht,

irgendein rassistisches Ressentiment zu pflegen.

Gar nicht.

Ganz im Gegenteil.

Christian Dürr ist einer, der, weiß ich aus anderen Gesprächen,

schon zu seiner Zeit im Landtag in Hannover immer sehr darum bemüht war,

zu verstehen, 2015, 2016, diese Jahre der großen Migration zu verstehen,

wie geht es den Leuten, wo kommen die her,

was ist ihre Motivation, speziell nach Deutschland zu kommen.

Und der berichtete davon, dass er, u.a. mit einem Asylbewerber aus Afrika

darüber gesprochen hat, was seine Motivation sei ausgerechnet,

in dieses kalte Land zu kommen, in dem diese Sprache gesprochen wird,

die für jemanden, der nicht von hier ist, sehr schwer zu erlernen ist usw.

Und der sagte zu ihm, naja, also das hat ganz offen,

naja, in der ganzen Naivität, sagte einfach, naja, also bei uns zu Hause

erzählen die Leute, dass Deutschland das einzige Land ist,

in dem man dafür bezahlt wird, nicht zu arbeiten.

So, das erzählt er so.

Das ist anektotisch.

Und er sagte, wir haben da offensichtlich ein Problem mit dem Image,

dass wir nach draußen verkörpern usw.

Und wir müssen daran arbeiten, dass das anders wird.

Und vor allen Dingen war sein Plädoyer, wie kriegen wir die Leute

stattdessen integriert und rein in unser Wertesystem

und rein in den Arbeitsmarkt, wo wir sie so dringend brauchen.

Man kann direkt das Totschlagargument, ich meine Ulrike Herrmann war es,

die sagte, ja, das geht ja gar nicht, das ist AfD-Sprech.

Und wenn ich sozusagen an dem Punkt nicht weitergemacht hätte

mit der Diskussion, weil ich war schon darauf gefasst,

dass dieses Totschlagargument kommt, dann wäre es an dem Punkt zu Ende gewesen.

Und wir hätten diese, das wurde dann eine sehr gute Sendung

über das Thema Migration und Integration und unser Asylsystem.

Wenn ich das zugelassen hätte, dann wäre es an dem Punkt wieder passiert gewesen,

wäre es vorbei gewesen. Kommst du mit dieser Keule und es ist vorbei.

Ja, also wir regulieren Debatten durch Buttons.

Also wir kleben irgendwo was drauf und da brauchen wir uns damit nicht

weiter auseinanderzusetzen und dann hat das einen Keinsmal bekommen.

Richtig.

Und damit reduzieren wir das über was wir reden können

und wie wir über etwas reden können, irgendwann bis zur absoluten Unkenntlichkeit.

Richtig.

Also dann ist es wirklich nur noch so, so ein kleiner Graubereich

in der Mitte über den überhaupt geredet werden kann

und dann auch in immer ausgelehrteren Worten.

Und das hat natürlich mit Streitkultur und Debatten

und alle dem, was einer deliberativen Demokratie gut zu Gesicht steht,

nichts mehr zu tun.

Das ist die Gefahr, die dahinter natürlich steckt.

Ja, ist es nicht sogar so, Richard, dass man auch,

das zum Beispiel auch so ein Ding, dieser Rigorismus,

der dahinter steckt, ja, dieses ganz harte, sofort ahnten,

wenn irgendjemand etwas Falsches sagt.

Ich erinnere mich, sehr bezeichnend, direkt das neue Jahr,

erste Sendung Friedrich Merz bei uns in der Sendung

und er sagt Pashas.

Und es war sehr interessant dann zu sehen, was da passiert ist.

Es war sofort, oh, er hat Pashas gesagt.

Das heißt, wochenlang und ehrlich gesagt bis heute,

monatelang dreht sich der Diskurs die ganze Zeit,

er hat Pashas gesagt.

Achtung, Friedrich Merz hat Pashas gesagt.

Genau, jetzt muss man einfach sagen,

Pasha ist jetzt die ultimative Beleidigung, die er einfallen kann.

Ja, genau, ich wollte auch was anderes hinaus.

Ich wollte eigentlich sagen,

wir flüchten uns dann immer sozusagen in die Semantik,

in das einzelne Wort, das nehmen uns dann raus.

Ja, und was machen wir damit?

Wir machen ja mehr als das.

Wir tallen den Begriff und unterstellen dem Urheber,

dass er ein schlechter Mensch ist.

Weil nur ein schlechter Mensch würde einen solchen Begriff

in so einer Situation verwenden.

Also das ist sozusagen, wir glauben dann,

das ist die Spitze vom Eisberg, die man sieht.

Und dahinter schlummert ein Rassist

und jemand, der AfD Gedanken gut hat und so weiter.

Wir bauen also ein riesiges unterirdisches Eisgebirge auf.

Ja, das ist so.

An diesem einen kleinen Symptom, da kann man erkennen,

wie jemand wirklich denkt.

Das heißt also, wir gehen sofort hin,

die Küchen- und Hobbypsychologie, das mit jeder Medien

und sehr vieler Menschen, jeder Psychologie sieht jeden

und überlegt sich ganz genau, warum der das wohl gesagt hat.

Und unterstellen am Ende,

dass jemand nicht irgendwo eine andere Ansicht hat,

eine andere Haltung oder eine andere Nührungsverkauf hat,

sondern wir unterstellen, dass jemand böse ist.

Diese enorme Personalisierung in diesen Debatten,

dass wir sagen, wenn der nicht meiner Meinung ist

oder wenn der solche Worte benutzt,

dann hat er sich verraten, dass er zu den Schlechten gehört

und nicht zu den Guten.

Ja, der Punkt, den ich gerade noch mal machen wollte ist,

also es hilft der Debatte überhaupt gar nicht.

Ich finde, man kann völlig zurecht kritisieren,

dieses Wort in dem Zusammenhang und auch so pauschal und so weiter.

Aber statt über das Phänomen dahinter zu sprechen

und das ist übrigens Teil dieses neuen Kulturkampfes,

den ich auch wirklich in der Sendung so erlebe

und vor allen Dingen interessanterweise hinter den Kulissen.

Wir reden dann nicht mehr über das Phänomen dahinter.

Wir reden nicht mehr über das, was Lehrerinnen, Lehrer sagen,

was ihr Leben im Unterricht, worüber sie sich beklagen,

was wirklich ihre Themen sind.

Und die sagen, wir haben natürlich ein Problem mit Jungs,

die zum Teil ein hochproblematisches Frauenbild beispielsweise haben,

die auch ein Problem damit haben, etwas von mir anzunehmen,

einfach nur deswegen, weil ich eine Frau bin,

weil ich eine Lehrerin bin und das Interessante ist.

Und da merkst du, dass wir dann so einem gefährlichen Punkt sind.

Noch mal, man kann das Pauschale kritisieren

und es ist auch in dieser Pauschalität auch überhaupt nicht zutreffend.

Aber ich erlebe, dass hinter den Kulissen der Sendung

dann auch plötzlich Vertreter von sehr weit links,

die ganze liberale Fraktion, links-liberal, ja,

die sagen die dann, naja, also, der März dieses Pachers,

ich weiß nicht so richtig gut, aber da hat er natürlich schon einen kleinen Punkt.

Und dann denke ich immer, und warum ist es nicht möglich,

so was einfach dann offen und laut auch mal in einer Sendung zu sagen

und darüber zu diskutieren.

Und du würdest dich wundern, wer sich alles so in diese Richtung äußert.

Man wundert sich wirklich, aber die eigene Blase

und sozusagen die eigene Verordnung, die eigene Ideologie letzten Endes,

lässt es nicht zu, dann auch einfach mal zu attestieren,

okay, möglicherweise gibt es da etwas, ohne das Wort Pachers zu benutzen,

gibt es da aber etwas, über das wir als Gesellschaft dringend mal sprechen müssten

und zwar übrigens auch im Sinne dieser Kinder, die es betrifft,

weil wir tun den ja auch keinen Gefallen.

Ja, auch im Sinne dessen, dass wir die Themen eben gerade nicht

den Leuten, die ultimativ rechte Gesinnungen haben, überlassen dürfen.

Also, wenn das Thema in der Gesellschaft relativ wenig angegangen wird,

führt es dazu, dass nur bestimmte Leute die dieses Thema äußern können

und das sind dann häufig diejenigen, die dann tatsächlich starke Vorurteile haben

oder am Ende noch rassistische Ideologien und so weiter.

Das heißt, man kann diese Themen doch nicht einfach denjenigen überlassen,

die sich trauen, das auszusprechen.

Ja, sondern man wüssten eine Kultur schaffen,

indem man ganz normal und klar und sachlich seine Meinung zu diesen Fragen

und diesen komplizierten Fragen, also sind schwierige Fragen,

sind wichtige Fragen für unsere Gesellschaft, artikulieren muss.

Ohne Button.

Ja, richtig, genau, ohne diesen Rassismus oder AfD oder was auch immer.

Ich könnte das gleiche natürlich sagen und das weißt du,

die ganze Ukraine Diskussion, wo es Button gab,

auf den Putin Versteherstand und was, was, ich, was, alles,

haben wir das gleiche auch wieder gehabt.

Also eine differenzierte Betrachtungsweise einer komplizierten und schwierigen Frage,

der man sich dann häufig entledigt, indem man irgendwo ein Button draufklebt,

dann ist das Thema eilädigt.

Also dieser Umgang mit Buttons, und jetzt können wir noch 5, 6 andere Beispiele machen.

Also wenn man bestimmte Maßnahmen innerhalb der Corona-Politik für falsch gehalten hat,

dass man dann plötzlich Querdenker-Button aufgeklebt kriegt, da hatten wir es auch wieder.

Wir müssen sehr vorsichtig sein mit diesen Etikettierungen,

weil wir zerstören damit unseren Debattenraum.

Wie gehst du denn damit um, Richard?

Ich habe neulich Anna Schneider von der Welt gelesen,

die genau darüber nachgedacht hat über diesen Applaus von der falschen Seite,

um Angst sozusagen von Leuten Applaus zu kriegen,

die zum Beispiel am äußersten rechten Rand unterwegs sind,

oder vielleicht auch am äußersten linken Rand unterwegs sind, ja, was auch immer.

Und sie schrieb einen interessanten Satz und sagte, ist mir wurscht, ist mir egal,

die Svienerin nicht wer etwas sagt, zählt, sondern was er sagt,

und sagt dann weiter, es gibt nicht so was wie eine Kontaktschuld,

und es gibt auch genauso wenig eine Gedanken- oder Kollektivschuld.

Das fand ich interessant.

Das ist absolut gut und präzise ausgedrückt,

und man muss auch sagen, wenn ich mir bei jeder Äußerung, die ich mache,

immer von Anfang an die Schere im Kopf habe,

irgendjemand von rechts oder irgendjemand von links, könnte darüber jubilieren,

dann komme ich am Ende überhaupt nicht mehr zu irgendwelchen eindeutigen Aussagen.

Also das kann ich nicht machen.

Also ich stimme da völlig zu.

Aber es findet statt, Richard.

Ja, das findet statt und das findet in einem viel zu großen Ausmaß statt.

Jeder, was ich sage, die Dialektik dieses Prozesses besteht darin,

dass die Leute sich nicht mehr so richtig trauen zu sagen, was sie denken,

dass dieses Gedachte aber nicht weg ist, sondern quasi in den gesellschaftlichen Untergrund wandert,

und dass es dann im Zweifelsfall sich zu den Rändern bewegt.

Das heißt, wir tun uns damit unter liberaldemokratischem Gesichtspunkt,

unter dem Gesichtspunkt einer beratsschlagenden Öffentlichkeit,

zu einer Demokratie dazu gehört,

zu einer Gesellschaft, die den wohlmeinen Streit braucht,

tun wir uns keinen Gefallen mit diesen Buttons,

sondern das Ganze verkehrt sich dann ins Gegenteil.

Du selber, Richard, hast du Angst davor?

Also bist du dafür angegangen und sagst, ja, ja, das ist jetzt AfD-Sprech, was die da gerade sagen?

Oder das sind Gedanken, die eigentlich so allgemein gesellschaftlich geächtet beispielsweise?

Jetzt mit AfD-Sprech wüsste ich nicht so konkret,

aber ich weiß, als ich damals gesagt habe, man soll keinen Druck auf Eltern ausüben,

ihre Kinder zu impfen, dass ich dann ins Querdenkerlager einsortiert wurde.

Und ich weiß gar nicht, in einem Atemzug wahrscheinlich auch mit der AfD oder so benannt worden bin.

Also das kann durchaus vorkommen.

Und das übrigens in etablierten Leitmedien, die für sich in Anspruch nehmen, Qualitätsjournalisten zu sein.

Also man ist nicht gefeiert davor, dass eben das passiert.

Ist dir das schon passiert?

Ja, denke an Carla Rochel von der letzten Generation, die bei uns saß.

Wir hatten ein sehr intensives gutes Gespräch, da war ich dann plötzlich sozusagen ein Klimaleugner.

Sie ging dann plötzlich in diese Ecke und das fand ich damals sehr, sehr seltsam.

Wir haben einfach nur Argumente ausgetauscht, wir haben ja hier schon mal drüber gesprochen.

Wer übrigens in dem Zusammenhang interessant ist, ich weiß nicht, wie du sie erlebst, Sarah Wagenknecht.

Ich bin mir mit Sarah Wagenknecht gerade in letzter Zeit so gut wie nie einig, einfach nie.

Und trotzdem spüre ich bei ihr immer eine große Wertschätzung.

Und die habe ich übrigens auch ihr gegenüber.

Ich habe eine große Wertschätzung für Sie, was sozusagen Ihre Person angeht.

Ich habe eine Wertschätzung durchaus für Sie, wenn es darum geht, sich zu bestimmten Themen zu positionieren

und dann auch das Argument zu kennen und zu sagen, da stehe ich jetzt aber und da weiche ich auch keinen Zentimeter davon ab.

Und das könnt ihr auch alle doof finden.

Aber ich bin trotzdem bei dieser Haltung.

Noch mal, das muss man alles nicht teilen und ich teile nichts von alledem, was in letzter Zeit vor uns gegeben ist.

Nein, aber wenn ich jetzt sage, Sarah Wagenknecht ist ein mutiger, geradliniger und höflicher Mensch.

Das besagt das nicht, dass ich in einen Fragen in die übereinstimme.

Sondern einfach Sachen, worauf ich sagen möchte, dass alles das meine ich ungeachtet der Frage, wo ich Übereinstimmungen habe und wo ich keine habe.

Ich muss ja dann sind wir wieder bei dem, was wir vorhin gesagt haben, nicht jemand als Person deswegen verurteilen, weil er in wichtigen Fragen anderer Meinung ist.

Das ist richtig.

Kennst du Ilko Sascha Kowalschuk?

Historiker, vielleicht dachte, vielleicht hast du ihn schon mal getroffen.

Ich kenne den auch nicht.

Es ist 55 Jahre alt, so zwischen uns beiden quasi geboren in der damaligen DDR.

Gehörte der Kommission 30 Jahre Friedliche Revolution und Deutsche Einheit an.

Und die bauen da gerade so ein Zentrum auf, sozusagen, um die Rolle der DDR irgendwie auch besser zu verstehen und aufzuarbeiten.

Und der hat neulich ein interessantes Interview gegeben und vielleicht ist das der Kern, also sich ernsthaft mit den Themen erstmal auseinanderzusetzen.

Statt immer nur so pauschal zu sagen, also diese Ostdeutschen, die sind alle so, in denen ist die Demokratie irgendwie so spekt.

Und dann wählen sie alle die AfD und die haben irgendwie gar nichts verstanden und undankbar sind sie oben rein und so weiter.

Es wird ein sehr interessantes Interview gegeben und sagt ja, ein Fehler nach 89 war, man dachte, Demokratie ist wirklich selbsterklärend.

Und das hat da eben nicht funktioniert.

Und der weist dann auf etwas hin und ich dachte, ach guck mal, vielleicht ist da der Schlüssel für einen besseren Diskurs, für ein besseres gegenseitiges Verständnis.

Er sagte, wenn man an die Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern denkt, es gibt in Deutschland, ich wusste das nicht, keinen einzigen Lehrstuhl für die Geschichte des Kommunismus.

Auch die DDR-Geschichte wird an den Unis quasi ja fast skandalös vernachlässigt, wie er sagt.

Kommt doch glaube ich in der Schule nicht vor.

Genau und deswegen können sich angehende Lehrkräfte, also mit der Geschichte des Kommunismus im Grunde bei weitem nicht so befassen, wie es bei der NS-Geschichte richtigerweise selbstverständlich ist.

Und deshalb kann man dann auch in der Konsequenz an den Schulen nicht profund über Kommunismus und die DDR reden oder sagt und daher kommt dann auch zum Teil dieses seltsamen Verklärte, was es da so gibt, diese DDR-Romantik,

weil es eben vorne am Lehrerpult sozusagen keinen gibt, der mal wirklich kompetent darüber reden kann.

Das fand ich einen total interessanten Gedanken zum Thema Debattenkultur.

Das ist ein interessanter Gedanke, mir fällt natürlich zu dem Ost-West-Thema noch ein zweiter Gedanke ein und ich will sehr hoffen, dass ein solches Zentrum das ebenfalls thematisiert,

weil es auch so gut wie gar nicht thematisiert wird, aber mit Sicherheit eine große Rolle spielt für wichtige Mentalitäten, Befindlichkeiten und Überzeugung im Osten Deutschlands.

Und das hängt damit zusammen, dass nach 1989 und 1990 die Vessis den Aussies erklärt haben, wer sie sind.

Nämlich rückständig gegenüber den Vessis, die Verlierer in dieser ganzen Auseinandersetzung, wahrscheinlich alle mehr oder weniger bei der Stasi gewesen, alles Mitläufer oder überzeugte Idioten usw.

Das heißt, der Westen hat über den Osten die komplette Deutschungshoheit übernommen.

Die Ostpolitiker, die große Karriere gemacht haben, wie Merkel und Gauk, haben sich genau in dieses Westnarrativ reingesetzt.

Sie haben also keine Osterfahrung mitgebracht, außer zu sagen, wir wissen, was Unfreiheit ist.

Die aber nicht gesagt haben, wir wissen aber auch, warum die Leute sich so und so verhalten haben und so verhalten sich Menschen unter denen und den Umständen.

Und dass wir ein differenziertes Bild entworfen haben, wie das wirkliche Leben in der DDR aus der Froschperspektive jedes Einzelnen zum Beispiel ausgesehen.

Stattdessen wurden sie damit konfrontiert, jetzt könnt ihr mal das, was ihr die letzten 40 Jahre gemacht habt, alle abhaken und können mal wieder neu anfangen, weil bisher war alles falsch.

Ich meine, wenn man so mit Menschen umgeht, dann darf man sich nicht wundern, dass da eine enorme innere Distanz aufgebaut wird.

Und auch eine sehr große Skepsis gegenüber Erzählungen, die einem übergestülpt werden. Und das müsste man auch viel stärker thematisieren.

Es ist total interessant in diesem Gespräch, macht Kovalchuk genau das auch zum Thema und sagt, es war der Westen, der dieses Nachdenken über die DDR und alles, was dieser Staat war, verhindert hat.

Und sagt, total interessant, diese ganzen Schlussstrichforderungen, jetzt muss man Schlussstrich sein, jetzt fangen wir mal ganz von vorne an und wir wissen aber, wie es geht, die kamen aus dem Westen.

Und interessanterweise, auch das war mir so nicht klar, wobei ich hätte es eigentlich besser wissen müssen, weil ich die Reaktionen häufig erlebe,

weißt du, woher die härtesten Reaktionen kommen, wenn ich sozusagen versuche, ein kritisches Gespräch über die Linkspartei und vor allen Dingen über ihr Arbeit zu führen, SED, PDS und dann Linkspartei.

Die härtesten Reaktionen kommen nicht, wie möglicherweise zu erwarten wäre, aus dem Westen, dem sogenannten, sondern die kommen aus dem Osten.

Und von niemandem wurde genau diese Kontinuität, also einfach übergangslos von der SED in die PDS und jetzt sind wir einfach die Linkspartei.

Und was eigentlich so unser richtiges Erbe ist, darüber reden wir jetzt gar nicht mal so großartig, von niemandem wird das so scharf kritisiert wie von den Ostern, sagt Kovalchuk wortwörtlich.

Und das finde ich halt interessant, weil wir da offensichtlich eine riesige Chance haben, liegen lassen, auch wenn es um die Frage geht, Diskurs und wie nehmen wir einander eigentlich war.

Die hatten durchaus ein großes Interesse, das aufzuarbeiten und sie haben es irgendwie bis heute, aber ich habe manchmal das Gefühl, auch wir als Medien, wir werden dem gar nicht so wirklich gerecht.

Und der sagt eben auch, dass zum Beispiel thematisiert werden muss, dass es eben nicht die Ostdeutschen waren, die 89 die Revolution gemacht haben, sondern er sagt, Revolutionen machen Minderheiten.

Und auch in der DDR standen die meisten halt hinter der Gardine, haben abgewartet, was passiert und haben sich dann auf die Seite der Sieger geschlagen.

So sagt er es.

Ja, aber das ist völlig richtig eine Beobachtung nach zu jeder Revolution.

Genau, und er sagt, es muss aber thematisiert werden, weil wenn wir dann natürlich hinterher sozusagen alle zu Widerstandskämpfern machen, dann entsteht so ein innerer Widerstand, weil die Leute sagen, erwarte mal, aber das ist ja gar nicht meine Geschichte.

Das ist ja gar nicht meine Biografie.

Und die werden sozusagen an dem Punkt auch entwertet und fühlen sich auch nicht wirklich verstanden.

Ja, und jetzt kommt noch als Borte dazu, dass die allermutigsten, ja, das waren die, die als Erste zu den Wusten gegangen sind.

Das waren die, die wirklich was riskiert haben, denn solange es wenige waren, konnte man die einkassieren und das war überhaupt nicht lustig, wenn man da in den Knast gekommen ist.

Ab einem bestimmten Punkt, wenn also einmal auf dem Alexanderplatz 100.000 und mehr drauf sind, dann gehört nur noch halb so viel Mut dazu zu gehen.

Und jetzt macht man als Ostdeutscher die interessante Beobachtung, dass von den wirklich mutigen der ersten Stunde aus keinem was geworden ist.

Sondern dass die, die nachher Karriere machen, wie Manfred Stolpe, wie Gauk, wie Merkel, das waren die, die erst mal ziemlich lange hinterm Vorhang gestanden haben und sich erst dann rausgetraut haben,

als klar war, in welche Richtung sich das Ganze entwickelt.

Und ich glaube, das ist nicht zu unterschätzen, was das macht.

Wenn also nicht diejenigen, die zu Recht gefeiert werden für ihre Gut, diejenigen sind je nachher davon profitieren, sondern eigentlich die, die gar nicht so mutig gewesen sind,

nachher als Aushängeschilder für den guten Osten stehen.

Also da ist vieles.

Also man müsste diese da wirklich mal eine differenzierte Betrachtung machen.

Und ich denke einfach, dass wir viel zu wenig verstehen, dass es sich aus Sicht des Ostens einfach alles anders anfühlt als aus der Sicht des Westens.

Das ist der Punkt.

Und deswegen meinte ich gerade, wenn es ja, wir könnten jetzt irgendwie die ganze Folge über das ganze Gespräch, über darüber diskutieren,

wie schlimm das alles ist und wie diese Lagerbildung stattfindet und dass man nicht mehr miteinander redet.

Aber ich finde, der viel interessanter ist eigentlich mal zu überlegen, was könnten die Lösungen sein.

Und ich finde, was er da vorschlägt, zu sagen, lass uns doch wirklich systematisch auch Lehrstühle für DDR-Geschichte beispielsweise aufbauen.

Lass uns systematisch damit beschäftigen.

Das ist natürlich ein sehr konstruktiver guter Vorschlag, weil er einfach mal sozusagen eine Brücke baut in Richtung gegenseitiges Verständnis.

Ich finde das spannend, dass das jetzt so lange nach der Wiedervereinigung erst diskutiert wird.

Also ich bin in letzter Zeit viel in Berlin gewesen.

Und da wir Proben gehabt haben in den Maastalgebäude hinter dem Schloss, bin ich also Tag für Tag an diesem Schloss vorbeigegangen, was da gebaut ist.

Und wo früher der Palasterepublik stand.

Dieses Schloss ist ja von außen wunderschön.

Genau.

Von innen ist es traurig. Es sieht also eigentlich aus wie eine U-Bahn-Station.

Also es hat überhaupt keinen Reiz und keinen Schwarm.

Fast nur Ausstellungen drin, die eigentlich interessieren oder die hochproblematisch sind, so wie die Völker-Kunde-Ausstellungen, die sich in erster Linie mit sich selbst beschäftigen muss.

Funktioniert als Forum überhaupt nicht.

Es ist jetzt nicht der Platz, wo am Wochenende alle Leute hinströmen wie früher in dem Palasterepublik, weil es dafür die Kinderangebote gab und für die Jugendlichen und so weiter und so weiter.

Also genau diesen Forumscharakter erfüllt das nicht.

Ohne dass wir jetzt im Palasterepublik hinterher trauern.

Naja, ich trauere ihn schon hinterher.

Nicht in der Funktion, die er in der DDR allein gab.

Er hatte ja zwei Funktionen.

In erster Linie war er tatsächlich in Ort, wo man als Berliner Jugend hinging, weil da Konzerte stattfanden oder weil man da quasi keine diesige Volkshochschule alles machen konnte.

Und wenn man so was abreißt und anstelle dann, also es war in DDR-Zeiten einerseits ein Propagandabau, dafür übrigens ein harmloser.

Also da gibt es ja ganz andere Propagandabauten.

Man gucke sich mal Chorchescus-Palast an.

Also eigentlich ein sehr bescheidener Propagandabau.

Und auf der anderen Seite war es tatsächlich ein echtes Forum.

Und das, was man jetzt dahin gebaut hat, dieses von außen wunderschöne, außenehende, musiale Preußenschloss, ist ihnen tot.

Und ich finde, das ist eine interessante Metapher.

Hier hat man versucht, am Reisbrett ein Forum zu entwerfen.

Mein Gott, wie viele hunderttausend Leute haben sich Gedanken darüber gemacht,

wie man da reingekwatscht, bis am Ende so was Maues rausgekommen ist, wie das, was sich da jetzt in dem Stadtschloss abspielt.

Wir haben das nicht hingekriegt, müssen wir ganz ehrlich sagen.

Wir haben aber ein Stück DDR-Geschichte genichtet, wo ich mir gewünscht hätte, man hätte aus dem Palast der Republik ein DDR-Museum gemacht.

Und zwar ein DDR-Museum, das die DDR in allen Seiten zeigt.

Also einerseits dargestellt, wie sie sich selbst gesehen hat.

Dann die ganzen Schattenseiten, Stasi-System, Unterdrückung von Menschen mit politisch anderer Ansicht.

Man hätte die Alltagskultur in der DDR darin abgebildet, das ganz normale Leben der Menschen.

Also alle Facetten, die wirklich zum DDR-Lebende zugehörten.

Kein Schwarz-Weiß-Museum, sondern eines, das alles zeigt, aber auch nichts aussparen.

Es wäre ein großartiger Ort gewesen, sich mit DDR auseinanderzusetzen,

meinte wahrscheinlich die Lehrschiele gar nicht gebraucht.

Und deswegen jedes Mal, wenn ich an diesem sehr schönen Schloss vorbeigehe, denke ich immer,

was haben wir aus der Mitte Belgiens eigentlich gemacht?

Ja, es ist spannend.

Ich frage mich ja manchmal, ob man diesen Palast der Republik nicht einfach hätte stehen lassen sollen.

Ich meine, jetzt mal unabhängig davon, was das für ein unglaublicher Touristenmagnet heute wäre,

aber auch als Ort der Erinnerung, ein Symbol für viel, viel Unrecht, das darin geschehen ist, beschlossen wurde und so weiter.

Als Ort, an dem man Geschichte noch mal erleben kann, so viel spannender als ein Stadtschloss,

das eher so Las Vegas-artig daherkommt.

Ja, ich stelle mir vor, bei den vielen Touristen aus aller Welt, die kommen,

amerikanische Touristen zum Beispiel, die wären da alle reingeströmt in Erichslampenladen

und hätten das so, das war ja so 70s-ostig und so weiter.

Also ich kann mir nicht vorstellen, dass das Stadtschloss auch nur annähernd so viel Besucher zieht,

wie der Palast der Republik als DDR-Museum mit weltweiten Interesse gezogen hätte.

Also ich muss da immer an Karl V denken, es gibt ja in Cordoba eine Moschee, die Metz-Kita,

und das flächemäßig, glaube ich, die größte Moschee der Welt.

Die ist nicht besonders hoch, aber riesengroß und da ist innen alles so mit so braun-weißen oder braun-gelblichen Gewölben,

so Bögen, also wie schwarz-weiß Gebäck sieht das aus und das hat so einen ganz tollen Zauber.

Und dann geht man da rein und mittendrin ist da auf einmal so eine herkömmliche christliche Kirche,

die haben sie mitten reingeknallt in diese Moschee, um die kaputt zu machen.

So, und dann hat man die Stolz Karl V gezeigt, dann hat er gesagt, na, wir haben die Araber verdrängt

und jetzt haben wir dieses tolle Ding gebaut und guck mal, jetzt haben wir da eine ganz tolle christliche Kirche reingebaut.

Und Karl V hat gesagt, ihr habt etwas zerstört, was einzigartig war in der Welt

und etwas da reingebaut, was es in dieser Form auch woanders gibt.

Und das ist ein bisschen so, also ich meine Schlösser, na klar, dieses eine Stadtschloss gibt es noch einmal,

aber es gibt sehr viele Preußenschlösser und auch schöne Preußenschlösser

und das neue Palais, und so weiter und so weiter, und Schoss Charlottenburg.

Also es musste nicht auch noch dieses Schloss geben, aber der Palast der Republik,

als Sinnbild, als Symbol und dann mit dieser Architektur, diesen braun verspiegelten Scheiben,

wie man irgendwann in den 80er und 90er Jahren wahnsinnig hässlich fand, die heute wieder total erkühlt werden,

an dieser Traum in Orange und Gold, die das innen gewesen ist.

Der Albtraum in Orange und Gold.

Es wäre großartig.

Ja, aber Alten hat es versorgt, da kommt dann wieder der deutsche TÜV ins Spiel.

Das hätte man aber hinkriegen. Also ich glaube, man hat Berlin um seine größte Touristenattraktion.

Ja, genau.

Mir fällt gerade so ein Beta-Gedanke ein.

Wir werden ja auch schon mal gelegentlich dafür kritisiert, dass wir uns über Dinge hier unterhalten,

von denen wir eigentlich gar keine innere Ahnung haben können,

weil wir selber dieser Profession nicht angehören, oder jetzt reden wir die ganze Zeit über Menschen aus dem Osten,

kommen beide bekanntermaßen nicht daher.

Und das Interessante ist immer in unseren moralisierenden Debatten,

dass man immer sagt, wenn du selber kein Betroffener bist, dann darfst du nicht drüber urteilen.

Das ist übrigens ein ganz interessanter Teil unserer Debattenkultur.

Das heißt, wenn du keine Frau bist, darfst du nicht über Feminismus reden.

Ja, wenn du kein Migrant bist, kannst du dir keinen Urteil über Migranten leisten.

Es ist natürlich gut, dass unsere Sensibilität in diesen Fragen sich erhöht hat.

Und wir gucken, wer sagt das, aus welcher Perspektive heraus und warum.

Aber wenn wir immer grundsätzlich sagen, also ich habe mein Buch über die Schule geschrieben,

da unglaublich viele Lehrer sich beschwert nach dem Motto, der ist doch gar kein Lehrer.

Wieso kann der sich überhaupt mein Bild darüber anmaßen?

Übrigens lustigste Reaktion war der ehemalige Brandenburg-Kulturminister,

der also ganz wütend über mich hergezogen hat und gesagt,

wer also nicht mindestens 30 Jahre vor einer Schulklasse mit Menschen mit Migrationshintergrund

und die lernschwach sind und was auch immer gestanden hat,

der darf sich ja wohl nicht erlauben, ein Buch über die Schule zu schreiben.

Dieser Minister, heute ist er das nicht mehr, Herr Brotkorp war damals, glaube ich, knapp 30 Jahre alt.

Wenn der 30 Jahre vor einer Klasse erziehungsschwieriger gestanden hätte,

dann hätte er mit Null anfangen müssen, der ist auch nie Lehrer gewesen.

Also diese Vorstellung, dass man immer nur dann sich ein Urteil erlauben

oder etwas kritisieren kann, wenn man selber in die unmittelbare Betroffenengruppe gehört.

Das ist übrigens neben dem totalen Beleidigtsein eine zweite Seuche in unserem Diskurs.

Niemand dürfte mehr Politiker kritisieren.

Wenn er kein Politiker ist, keiner dürfte Journalisten kritisieren,

wenn er nicht selbst mindestens 30 Jahre lang mal in der Redaktionsschuhe da und da gearbeitet hat.

Das ist auch so ein Kindgänger, den wir in unserer Debattenkultur haben,

der immer weiter um sich greift und ich mich frage, wo soll das enden?

Deine Bücher, die international auch mittlerweile erschienen sind,

weißt du da immer genau, wer das übersetzt hat?

Ob es eine Frau war, ob sie schwarz war, ob sie weiß war?

Anders gefragt, hättest du Grund, beleidigt zu sein?

Oh ja, ich hätte ganz viele Gründe, beleidigt zu sein.

Also ich habe einige Übersetzer.

Also das Buch ist in etwa 40 Schwachen übersetzt.

Ich habe nicht alle kennengelernt, so meisten asiatischen Übersetzer.

Und Übersetzerinnen natürlich nicht.

Aber ich weiß zum Beispiel, dass eine ganz nette Frau dir das Buch ins albanische übersetzt hat, eine Frau.

Da muss man sich fragen, kann eine Frau eigentlich einen Mann verstehen?

Und jetzt wird es ganz kriminell.

Also mein Buch ist zweimal auf Englisch übersetzt, einmal für England, einmal für die USA,

zwei verschiedene Übersetzungen und die Übersetzerin für die USA ist eine dunkelheutige Frau.

Das ist natürlich moralisch grenzwertig.

Ja, jedenfalls nach Maßgabe, ich hätte alle Gründe, beleidigt zu sein.

Nach Maßgabe heutiger Debattenkultur.

Übrigens muss man nach Maßgabe heutiger Debattenkultur auch jetzt dazu sagen, Ironie.

Sonst wird einem das wörtlich aus dem Kontext gerissen und gegenein verwendet.

Nein, ich bin hoch erfreut darüber, dass es so ist.

Ich finde es großartig.

Und ich glaube, die unwichtigste Frage beim Übersetzen eines Buches ist,

welcher Hautfarbe man hat, welchem Kulturkreis man angehört und welches Geschlecht man hat.

Sofern man die Sprache wunderbar beherrschen, sich gut reinversetzen kann.

Ja, das ist der entscheidende Punkt.

Jetzt würden natürlich sehr voke Leute einwenden und sagen,

naja, ja, ja, du hast trotzdem keinen Grund, beleidigt zu sein.

Weil du hast ja keinen Aufwanderer.

Nein, ich habe keinen Täter.

Ich bin aus biologischen Gründen Täter, weil ich Mann bin und weil ich weiß bin

und weil ich in einem bestimmten Vokabular ausgedrückt imperialistisch-westlichen Land lebe.

Und dann bin ich also absolut, so zu sagen, eine solche Täterbiografie.

Ich durfte überhaupt gar nichts mehr sagen mit einer solchen Biografie.

Und jetzt kommt ein Punkt, auf den vor langer Zeit mal Dieter Nuhr hingewiesen hat

und sich damit sehr unbeliebt gemacht hat, obwohl er vollständig recht hat.

Jemand eine bestimmte Lizenz in der Debattenkultur abzusprechen

aufgrund von biologischen Dispositionen ist nicht links, sondern seit es Rassismus gibt, rechts.

Das muss man ganz klar dazusagen.

Also Linke machen niemand für etwas verantwortlich, was biologisch ist oder wofür er nichts kann.

Sondern jemanden aufgrund seiner Biologie zu klassifizieren, in diesem Fall alterweißer Mann,

ist ein klassisches rechtes Argument, in dem einfach nur rumgedreht wird,

was die Rechten an Rassismus, denjenigen angetan haben, die keine alten weißen Männer sind.

Und das gibt ich, ich lasse den Gedanken der Rache nicht gelten.

Es ist keine Gerechtigkeit dadurch hergestellt, dass man jetzt auf die gleiche Art und Weise meint,

sprachlich zumindest, oder sprachpolizeilich mit Menschen umgehen zu müssen,

wie man früher viel schlimmer natürlich und viel konkreter mit Menschen umgegangen sind,

die nicht weiß sind und nicht Männer waren.

Damit ist niemanden geholfen.

Also die grundsätzliche Klassifizierung aufgrund von Hautfarbe, Alter und so weiter,

als Täter oder Opfer, ist ein Biologismus.

Richtig, das kann man auf gar keinen Fall machen.

Damit zerstört man alles positive Linke, was man damit im Auge hat.

Diese Frage sozusagen, dieses Ausgrenzen, dieses Gefühl auch der Zugehörigkeit auf der anderen Seite.

Wie wichtig ist das?

Was man immer merkt ist, und das hat zugenommen im Zeitalter sozialer Netzwerke,

da drückt sich jemand erst mal ungeschickt aus.

Jetzt sind wir wieder bei Friedrich Merz und den Patschers.

Ich würde ja so weit gehen und immer sagen, es darf sogar sein, es muss sogar sein,

dass sich jemand mal ungeschickt ausdrückt.

Es hätte die Medien ja nichts darüber sich aufregen können und keiner hätte Grund beleidigt.

Richtig.

Wie langweilig wäre das denn?

Richtig.

Und Friedrich Merz würde wahrscheinlich dieses Wort heute so nicht wiederholen,

sondern er würde es irgendwie anders formulieren.

Aber der Punkt ist, warum gestehen wir Menschen, auch Profis wie Friedrich Merz,

können sich mal verbal vergaloppieren?

Warum gestehen wir das eigentlich heutzutage keinem mehr zu?

Da kommt dieser harte Moralismus, der im Grunde nur darauf lauert,

sind ja immer diese drei Eskalationsstufen.

Jemand drückt sich ungeschickt aus, dann wird er absichtlich falsch interpretiert und verstanden

und dann ist die dritte Stufe totale Vernichtung, und zwar bis nichts mehr von dem Bruch bleibt.

Dazwischen kommen noch die Stufe der Dekontextualisierung.

Worte aus dem Zusammenhang zu reißen und ihnen einen Zusammenhang zu stellen,

denen sie dreimal drastischer wirken, als sie ursprünglich gemeint waren.

Genau, und bis hin zur Vernichtung, das ist jetzt Friedrich Merz nicht passiert,

und irgendwann versendet sich das auch wieder.

Aber es ist tatsächlich so, ich habe lange Zeit irgendwie geglaubt,

dass die Entwicklungsgeschichte der Moral, die Sensibilisierungsgeschichte der Moral,

eigentlich habe ich die immer nur als Fortschritt gesehen.

Also wenn ich mal gucke, wie sind Menschen früher miteinander umgegangen,

wir haben eben gelernt, unsere Kulturen haben gelernt,

Frauen als gleichberechtigte Menschen anzuerkennen, wo sie sich also tausende von Jahren schwer mitgetan haben.

Wir gehen heute anders mit Kindern um, als wir das früher gemacht haben.

Wir achten heute sehr, sehr viel mehr genauer, dass kein Alltagsrassismus stattfindet und so weiter.

Also alles ist ja eine positive Entwicklung.

Und gleichzeitig sehen wir in dem Maße, indem wir uns hier völlig zurecht und völlig richtig weiter sensibilisiert haben,

dass auf der anderen Seite die Kultur der Intoleranz gestiegen ist, und dass dieses pogromartige,

ich habe jetzt die Lizenz, ich muss immer nett sein, ich muss ganz genau aufpassen, was ich sage,

aber wenn jemand anders sich jetzt daneben benimmt, dann habe ich die Lizenz mit der Keule drauf zu hauen.

Das heißt also diese ganze Effektmodulation, die ich in meiner normalen Sprache haben muss,

die ist von einer Sekunde auf die anderen weg, wenn es einen öffentlich zum Abschluss freigegebenes Opfer gibt,

dann kann ich aber die Sau rauslassen. Das hat dann eine Ventilfunktion.

Je mehr wir uns zusammenreißen müssen, umso mehr freuen wir uns, dass wir uns da gehen lassen dürfen.

Wahrscheinlich ist das so, es ist ein Psychologisches Zusammenhang.

Ich habe neulich ein langes Interview mit Ayat Akta gelesen, das ist der Präsident des amerikanischen Penn.

Toller Schriftsteller, 1970 geboren, ungefähr so alt wie ich, so ein pakistanischer Einwanderer,

mit Walkie aufgewachsen, viel Premier-Schriftsteller und so weiter, hat einen tollen Roman geschrieben,

Homeland-Elegien, das war so das letzte, was man so von ihm kennt, und hat vor einiger Zeit eine echte Brandrede vor dem Penn in Berlin gehalten.

Und die Überschrift war, der Trick ist zu reden und sagt, was wir derzeit erleben, ist absolut verstörend.

Wir leben in einer digitalen Appartheit. Und dann sagt er, und das fand ich interessant,

wir können uns jetzt furchtbar darüber aufregen, dass Menschen in ihren Blasen komische Dinge machen

und dass sie so rigide sind und dass wir uns gegenseitig fertig machen und dass wir gar nicht mehr miteinander reden können

und nicht mehr ins Gespräch kommen und dass jeder sozusagen auf dem Recht auf seine eigene Meinung beharrt.

Und wenn man dann sagt, gut, du hast ein Recht auf deine eigene Meinung, aber du hast kein Recht auf eigene Fakten,

dann sagen sie mir trotzdem, egal. Und ich habe trotzdem Recht und es endet immer in einer Pizzeria oder im Keller einer Pizzeria,

in Washington, wo dann Hillary Clinton das Blut von armen Kindern trinkt und so weiter.

Und er sagt, wir müssen endlich verstehen, dass das ein Geschäftsmodell ist.

Und wir müssen statt uns mit uns selbst zu beschäftigen und aufeinander loszugehen,

sollten wir endlich mal verstehen, was die großen Mechanismen dahinter sind.

Und er sagt, Facebook zum Beispiel, wir haben diese Atmosphäre entscheidend geprägt,

also der Meta-Konzern zwischen 2014 und 2019 oder eigentlich kann man sagen bis jetzt.

Und es gab im Jahr 2017 eine Metrik, das wusste ich nicht, mit der man vorhersagen konnte,

wie sich ein Post oder ein Kommentar entwickeln wird. Das haben die sich ganz genau angeguckt.

MSM Downstreaming heißt das. Also gab es einen internen Prozess, um sozusagen zu ermitteln,

haben sich die Programmierer angeguckt, welche Inhalte verbreiten sich schneller in größerem Umfang.

Und die haben dann verstanden, 2017 war das schon, dass es sozusagen bei Inhalten,

die besonders brisant, emotional, die aber auch mit Desinformationen überladen sind,

dass es da ganz besonders schnell geht. Und haben dann sozusagen dieses Ding,

diese Idee ganz großflächig ausgerollt. Und es gab Entwicklers, beschreibt er da bei Facebook,

die haben eine Facebookseite gestartet, einfach eine leere Facebookseite, nichts draufgeschrieben,

komplett leere Seite und haben dann zugeguckt, was passiert.

Und da sagt innerhalb von zwei oder drei Tagen, in denen sie die Entwickler nichts getan haben,

war diese Seite komplett mit Desinformation überflutet.

Das heißt, dieses Geschäftsmodell, das da dahinter ist,

das sozusagen mit Desinformationen, mit spektakulären News, mit Lügen Geld verdienen wird,

ich glaube, er hat recht, dass wir darüber viel zu wenig diskutieren,

dass wir das viel zu wenig in den Fokus rücken und dass wir stattdessen auch da wieder,

wir gehen aufeinander, untereinander, gehen wir aufeinander los sozusagen.

Aber wir beschäftigen uns nicht mit denen, die dahinter die ganz große Mark

oder den großen Euro, den großen Dollar, mit genau dieser Mechanik machen.

Also insgesamt ist natürlich die Erregungskultur ein gigantisches Geschäft.

Allerdings natürlich nicht erst seit es soziale Netzwerke gibt,

sondern seit es Yellow Press gibt und Boulevard-Presse.

Also im Grunde, um so lange wie es Presse gibt.

Ja, aber das ist jetzt eine andere Dimension, ist eine völlig andere Dimension.

Genau, also das Geschäftsmodell ist im Prinzip das Gleiche,

dass man mit Erregung, mit Aufregung Geld verdient.

Damit ist die Bildzeitung groß geworden, auch mit einem relativ lockeren Blick auf Fakten.

Auch damit ist die Bildzeitung groß geworden.

Also Fake News sind ja keine Erfindung des Digitalzeitalters.

Aber dass man jetzt das Ganze unglaublich professionalisieren und systematisieren kann.

Und dass da natürlich ein Homunculus herangereift ist,

den niemand mehr wirklich tatsächlich kontrollieren kann.

Es gibt ja viele, du als sozusagen verhindert dazu, Direktor,

es gibt ja ganz viele berühmte Experimente mit Ratten.

Und du kennst das bestimmt.

Ich habe neulich darüber gelesen, das Experiment mit Ratten,

die sich selber sozusagen stimulierende Kicks verabreichen konnten.

Mit angeschlossenen Karten, kennst du das?

Nein, über den Neurocortex, Kabel angeschlossen.

Und die können sich so selbst stimulierende Kicks verabreichen.

Und es passiert folgendes, diese Tiere geraten in eine irre Erregungsschleife.

Regen sich immer weiter auf, putzchen sich sozusagen immer weiter hoch,

hören irgendwann auf zu fressen und zu trinken und sterben schließlich.

Und die Frage ist, haben wir uns an Überregung genau.

Du bist die ganze Zeit nur noch mit dieser Erregungsspirale beschäftigt.

Ich frage mich manchmal, ob wir nicht vielleicht genau diese Ratten sind.

Und Mark Zuckerberg sitzt im Keller und macht ab und zu mal den Strom an.

Verstehe, das ist ein schönes Bild.

Also es gab ja von Neil Postmann mal das Buch,

wir amisieren uns zu Tode.

Und ich habe selbst mal in einem Essay vor zehn Jahren darüber gesprochen,

um nicht zu Tode erregen und aufregen.

Also dieser Mechanismus nicht am Ende dazu führt,

dass man über alles den Verstand verliert.

Und damit natürlich auch seine Verstandesfähigkeiten.

Also es gibt den Lessings Emilia Galotti.

Er sagt, die Gräfin Orsina,

wer über bestimmte Dinge den Verstand nicht verliert, hat keinen zu verlieren.

Und ich möchte auf Lessing drauf reimen,

wer über alles den Verstand verliert, hat auch keinen mehr zu verlieren.

Richtig.

Das heißt also sozusagen, der angebessene Umgang mit der eigenen Aufregung und Erregung.

Das ist etwas, was im Leben unglaublich wichtig ist.

Es wäre schön, wenn man das irgendwie schon lernen würde in der Schule.

Aber das wirklich zu den Fähigkeiten gehört, die man ein Leben lang gut gebrauchen kann.

Also Aristoteles hat schon gesagt, sich aufzuregen ist einfach.

Aber sich zur richtigen Zeit über das Richtige aufzuregen, das ist schwierig.

Das setzt Urteilskompetenz voraus.

Und ich denke, dass wir diese Urteilskompetenz,

dass das dasjenige ist, was in unserem Bildungssystem am stärksten vernachlässigt wird,

weil es nicht im Mittelpunkt des Systems steht.

Das ist etwas, woran man dann am Ende unterscheiden kann,

ob diese Gesellschaft, wie deine Ratten endet oder nicht,

wird davon abhängen, wie sehr es ihr gelingt, ihre Urteilskraft zu schulen

in einer hyperventilierenden Gesellschaft.

Ja, und das ist unheimlich schwer, wenn eine Lüge, wie ich gerade beschrieben habe,

wenn die Lüge plötzlich zum Geschäftsmodell wird.

Und das erleben wir. Das sagen ja auch Leute wie Harare zum Beispiel.

Der macht sich auch viele Gedanken darüber.

Der sagt, der Sensor der Vergangenheit hat sozusagen sein vollkontrolliert,

indem er die Leute doof gehalten hat, abgeschnitten hat von Information.

Der Sensor des 21. Jahrhunderts kontrolliert eine Bevölkerung,

indem er sie zumült mit Lügen und Desinformation.

Sodass die Leute irgendwann nicht mehr wissen, wo oben und unten ist

und wo sozusagen die Wahrheit ist.

Und das bedeutet, ja, sagen wir, eine Einschränkung würde ich machen.

Ich würde sagen, das haben früher Regime auch immer alles gemacht.

Nicht in der gleichen Menge, aber die Leute waren auch durch weniger Informationen,

stärker erreichbar.

Es ist ja klar, du hast diese Erregungsökonomie

und wenn es wenige Dinge gibt, die du hörst,

ich meine diese ganzen furchtbaren Verschwörungserzählungen,

ja, der Antisemitismus, der Rassismus und so weiter.

Das sind ja Dinge, die quasi auch mehr oder weniger von Staatswegen

verbreitet wurden als Propaganda.

Was hat man den Leuten im Deutschen Kaiserreich nicht alles erzählt,

wie minderwertig die Slaven und die Franzosen und wer sonst noch alles ist

und wie grandios die Deutschen sind und wie überlegen

und noch viel schlimmer im Dritten Reich.

Und die Engländer haben das ihre Bevölkerung auch erzählt,

gerade im Hinblick auf die Kolonien und so.

Dass man mit Fake News und Propaganda von Staatswegen zugemüllt wird,

ist ja nichts Neues.

Nur heute ist es so, dass es millionenfach,

Milliardenfach mehr Informationen in der Welt gibt.

Und deswegen muss man das nicht einmal machen,

sondern man muss natürlich mit enormer Frequenz,

mit enormen Skalierungseffekten diese Fake News in die Welt bringen.

Aber das Staaten-Dügen ist nun wirklich nicht neu.

Ja, aber die Werkzeuge, die Sie dafür zur Verfügung haben,

sind so unfassbar mächtig.

Wenn du auch nochmal Akta, der sagt,

wir müssen endlich über diese Unternehmensmacht

müssen, wir sprechen, in den USA zum Beispiel,

die wirklich global agieren.

Und der weist auf etwas hin, das fand ich interessant,

sagt ein Präsident wie Eisenhower zum Beispiel.

Der hat den Amerikaner noch gesagt,

ihr müsst zum Beispiel den militärisch-industriellen Komplex gegenüber

mit seiner letzten Rede, mit seiner letzten öffentlichen Rede.

Das hören wir heute nicht mehr.

Misstrauisch sein, diesen großen Unternehmen gegenüber dem militärischen.

Dann stelle sich das mal vor.

Hinten würde eine Rede halten und sagen,

wir müssten gegenüber dem militärisch-industriellen Komplex,

gemeint ist, dass die Rüstungsindustrie, die mit riesen Abstand,

größter Wirtschaftsweig der USA,

und eine gigantische politische Macht hat,

jeden gegenüber skeptisch sein.

Also ich meine, wir machen uns nichts vor,

er ist mit denen im Bunde.

Das ist nicht deren natürlicher Feind.

Ja, und die Frage ist aber, wenn es diese Macht dieser Konzerne gibt,

wenn wir gerade festgestellt haben,

dass die Lüge ein Geschäftsmodell geworden ist,

wenn es diesen gigantischen militärisch-industriellen Komplex gibt,

und man hat das Gefühl, Regierungen dackeln da,

irgendwie nur noch so hinterher und versuchen verzweifelt,

das irgendwie wieder in den Griff zu kriegen, wie zitieren.

Ich weiß noch, was das von komisch das Gefühl war,

als das plötzlich anfing, auch in den großen, seriösen Nachrichtensendungen,

wie bei Twitter berichtet wird, und Facebook,

und jeder sozusagen, also nichts kuratiert es mehr,

sondern ein Algorithmus entscheidet darüber,

ob das jetzt verbreitet wird oder nicht.

Aber das durchläuft keinen grossen redaktionellen Prozess mehr.

Da sind keine Journalisten mehr, Journalistinnen,

die eine Auswahl treffen, die das einordnen, die es kontextualisieren.

Wir haben immer angefangen, das mit der allergrößten Selbstverständlichkeit zu zitieren.

Ich dachte immer, warte mal, wir sind doch sonst immer so wahnsinnig,

wenn es in Richtung Werbung geht,

und wenn es in Richtung sozusagen Vermengung geht,

von werblichen mit redaktionellen Inhalten,

da passen wir immer wahnsinnig auf,

und das lernen wir alle schon im Volontariat.

Und dann gehen wir plötzlich hin und zitieren,

kommerzielle amerikanische Unternehmen mit der größten Selbstverständlichkeit,

und das hinterfragt kein Mensch mehr.

Warum nicht, Richard?

Weil wir keine Alternative wissen.

Weil man in früheren Zeiten gegen solch eine Macht ein Mittel gehabt hat,

und das war unter dem Gesichtspunkt der Kartellbildung,

Zerschlagungen zu betreiben, um solche ungeheure Macht zu brechen.

Die Amerikaner haben das ja sehr oft gemacht.

Die haben teilweise mal die Filmindustrie zerschlagen,

sie haben die Telefonindustrie AT&T zerschlagen,

sie haben die Ölindustrie zerschlagen, Standard Oil.

Also das klassische Mittel.

Also selbst ein durch und durch kapitalistisches Land

benutzt das Mittel der Zerschlagung, wenn es das Gefühl hat,

dass die Märkte in eine solche Schieflage raten,

dass sie nicht mehr funktionieren.

Und jetzt haben wir die Situation in der Digitalwirtschaft,

dass jemand wie Google ist ja kein Marktteilnehmer der Wissensökonomie.

Und einmal sind es auch kein Marktteilnehmer des Onlinehandels.

Und das ist ungefähr die Hälfte des globalen Onlinehandels.

Immer sind.

Und Google ist die größte Teil der Wissensökonomie.

Das ist das eine.

Das heißt also im Grunde genommen sind aus Marktteilnehmern selbst Märkte geworden.

Das ist eine ganz neue Entwicklung, auf die man überhaupt noch keine Antwort hat.

Und das zweite ist, dass man im Zeitalter der Digitalwirtschaft

nicht mehr im altmodischen Sinne Konzerne zerschlagen kann,

um ihre Macht zu brechen.

Sondern das wäre überhaupt nichts verändert, wenn es fünf Googles gäbe.

Oder wenn Amazon sich auflösen würde in drei oder vier Firmen,

wenn die verschiedene Sparten macht,

weil man solange man die Daten heimlich oder offiziell untereinander austauscht

und so weiter, wird das keinen Unterschied machen.

Dass wir wissen überhaupt noch gar nicht,

wie wir gegen diese im Zweifelsfall jederzeit hochmanipulative Macht

überhaupt etwas ausrechnen können.

Und zwar in die Waffe.

Wow.

So weit, so düster.

Dann würde ich sagen, Richard, dann enden wir doch

mit einem schönen Satz.

Ich habe den neulich schon mal zitiert.

Roger Williamson, wer wir waren, sein letztes nicht vorländetes Buch,

wo er schreibt, wir erwachen im goldenen Zeitalter der Ruhe losen.

Und wir werden sagen können, wenn wir den Städten auf die Straßen traten,

hatte der Kampf um unsere Aufmerksamkeit schon eingesetzt.

Und ich finde, das ist ein guter Gedanke.

Selbstkritisch bleiben, dass im Hinterkopfabend,

kann man dann doch deutlich entspannter auf die Straße treten,

wenn man diese großen Zusammenhänge kennt und versteht.

Ja, also wenn man Herr seiner eigenen Aufmerksamkeit würde,

zumindest zu einem gewissen Teil,

dann wäre schon eine Menge gewonnen, aber das ist nicht einfach.

Also, Richard, danke dir sehr, hat Spaß gemacht.

Ja, ich danke dir auch.

Bis zum nächsten Mal.

Alles Gute, tschüss.

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Debattenkultur: Grundlage der Demokratie ist die Debatte. Aber ein guter Meinungsaustausch scheint immer seltener zu gelingen. Warum ist das so? Warum wächst die Ungeduld gegenüber Positionen, die nicht die eigenen sind?Eine funktionierende Gesellschaft beratschlagt sich miteinander, so die Theorie. Eine Allensbach-Umfrage ergab aber kürzlich, dass nur 37% der Befragten sich gern mit Andersdenkenden austauschen. Was die Gründe dafür sein können, darüber diskutieren Lanz und Precht in dieser Ausgabe.