LANZ & PRECHT: AUSGABE 111 (Reaktion auf öffentliche Kritik)
ZDF, Markus Lanz & Richard David Precht 10/18/23 - Episode Page - 24m - PDF Transcript
Schönen guten Tag, Richard.
Hallo, Markus.
Ja, wir ziehen eine Folge vor, weil es viel Aufregung gab.
Wir haben uns beim letzten Mal und es wurde sehr, sehr viel gehört.
Ich habe viele Rückmeldungen bekommen von Leuten, die sagten, das war spannend,
weil sehr lebensnah erzählt.
Wir haben jetzt mal ein bisschen besser verstanden, was Israel eigentlich ist
und wie kompliziert das dort alles ist.
Wir haben dann über Orthodoxe und vor allen Dingen über ultra-Orthodoxe Juden gesprochen.
Ja.
Und darüber gesprochen, dass es in der israelischen Gesellschaft
durchaus Diskussionen darüber gibt, weil die Frage im Raum steht,
wie sehr die ultra-Orthodoxen und nur über die haben wir gesprochen,
bereits in sozusagen sich an diesem israelischen Leben und Alltag zu beteiligen.
Da sind ein paar Sätze gefallen, die mindestens missverständlich waren.
Ich habe gesagt, da gibt es diese Menschen, die meisten von ihnen arbeiten nicht,
weil sie sich wirklich vollumfänglich der Religion widmen.
Ich hätte auch sagen können, viele von ihnen arbeiten nicht.
Dann hast du gesagt, ja, die dürften gar nicht arbeiten, außer so ein paar Sachen
wie Diamantenhandel, Finanzgeschäfte und so weiter.
Und das ist ihnen von der Religion her untersagt.
Ich habe dem beigepflichtet und das bezog sich aber auf die Sache mit der Arbeit.
Das andere habe ich ehrlich gesagt an dem Moment, weil wir uns ins Wort gefallen sind,
gar nicht mehr richtig wahrgenommen und war sehr überrascht über die Heftigkeit dieser Anwürfe.
Und ich muss auch zugeben, es hat mich dann irgendwann an einem bestimmten Punkt getroffen,
auch wenn es vor allen Dingen dich erwischt hat.
Es hat mich getroffen, dass du so in Windeseile und ich nebenbei gleich mit zum Antisemiten
umethikettiert worden bist, weil ich aus persönlichen Gesprächen weiß, dass du alles bist,
aber sicher kann Antisemit und dass du publicistisch unheimlich viel in dieser Richtung
auch gemacht hast, gearbeitet hast, wie du darüber redest und erzählst, die Shoah
und alles, was damit zusammenhängt, an Herzensanlegen ist immer gewesen bei mir das Gleiche.
Ich habe immer wieder, das haben wir uns redaktionell immer wieder vorgenommen, die letzten Überlebenden
immer wieder versucht, auch wenn es teilweise wahnsinnig schwierig war, ins Studio zu holen.
Ich habe eine Reportage gemacht darüber, du sollst leben, was für mich in vielerlei Hinsicht
der Dreh war, der mich hat verstehen lassen, worum es da eigentlich wirklich geht und wie tief
das alles geht, auch über Generationen hinweg und deswegen hat mich das wirklich verletzt.
Deswegen jetzt noch mal dich die Frage, dieser Einwurf von der Seitenlinie war das ja wirklich,
ich bin dir ins Wort gefallen an der Stelle, du sagst, sie dürfen gar nicht arbeiten,
außer so ein paar Sachen wie Diamantenhandel, Finanzgeschäfte ausgenommen,
ist ja grundsätzlich von der Religion her untersagt.
Ja, das ist falsch. Also das ist falsch. Das war so Salop daher hergeredet und das entspricht
einfach nicht den Fakten. Der ganze Sachverhalt ist deutlich komplizierter. Zunächst mal möchte
ich mich für allen entschuldigen, die darin etwas Antisemitisches gesehen haben, denn Antisemitismus
ist mir so fern, also wie kaum irgendetwas anderes. Ich habe mich durchaus mit dem Orthodoxen Judentum
beschäftigt. Das fing schon an, als ich zwölf, dreizehn war, da habe ich die Bücher von Harry
Kemelmann gelesen. Harry Kemelmann war so ein Erfolgsschriftsteller, der es in Held ein
Rabbi war und da war es dann um die jüdische Gemeinde, ging in einem Band auch um Israel und
um die Autodoksen und so weiter. Ich fand das immer wahnsinnig faszinierend. Ich habe dann später
mich auch mit der Geschichte des Judentums beschäftigt. Ich hatte nämlich ursprünglich vor,
nicht über Musil, sondern über Siegfried Krakauer, der sein Gesetz jüdisch ist, zu
promovieren. Und da kommt Isidur Krakauer, der Onkel vor. Und der hat eine zweibändige Geschichte
der Juden in Frankfurt geschrieben und die habe ich auch komplett gelesen. Das heißt,
also mich hat dieses Thema sehr interessiert und das letzte Glied, wo es mich interessiert hat,
war nachdem meine Lebensgefährtin Unorthodox gelesen hatte von Deborah Feldmann. Und da sind
wir dann tatsächlich kurz darauf nach Williamsburg gefahren zur Satmar-Gemeinde, die dort ist,
die zu den richtig großen, ultra-autodoksen Gemeinden gehört. Und wir waren im letzten
Herbst im Dezember in Antwerpen über mein Geburtstag hinweg und haben uns dort den
Diamantenhandel angeguckt. Und weil ich mich damals beschäftigt habe, wo verlebt die
Satmar-Gemeinde, wie muss man sich das vorstellen, wie sind da genau die Regeln, wer arbeitet und
nicht und so weiter. Deswegen habe ich das so lapida eingeworfen. Was falsch daran ist,
ist natürlich, das waren wir im Grunde auch klar, dass es natürlich kein religiöses Gebot gibt,
nicht arbeiten zu dürfen, sondern dass das quasi freiwillig geschieht. Es kann auch kein
religiöses Gebot geben, dass den Diamantenhandel erlaubt, weil das Quatsch war, weil zu den
Torarzeiten gab es gar keinen Diamantenhandel. Also das war jetzt keine Aussage, die richtig
formuliert war, sondern die war in der Form falsch formuliert, weil man dann den Eindruck
kriegen würde, es gibt sozusagen religiöses Gebot, der Finanzgeschäfte sind okay und
Diamantenhandel ist okay und sonst ist Arbeit nicht okay. Also wenn man das so auslegt und so
klang der Satz, ja, muss man auch einfach sagen, dann ist der Quatsch. Und den müssen wir jetzt mal
ein bisschen auseinandernehmen. Der Hauptgrund, warum die Juden nicht gearbeitet haben und das
weiß man, ich meine im Oberstufenunterricht, in der Schule lernt man das, aber ich habe das auch
in einem Buch von Isidore Krakawa sehr genau alles verfolgt, ist natürlich, dass sie ausgeschlossen
waren, aus den Zünften, aus den Gilden im Mittelalter, dass sie aus den Handwerksberufen
rausgedrängt oder gar nicht zugelassen worden sind und dass sie dann ausgewichen sind in mehrere
Tätigkeiten unter anderem in den Finanzgeschäften. Das alles war mir klar, aber wir haben ja an
dieser Stelle auch keine lange Auseinandersetzung über das orthodoxe Judentum gemacht, sondern ich
habe das so lachster eingeworfen, gerade noch weil ich unter diesen Eindrücken Diamantenhandel
entwerben und diese Williamsburg, wo ich war, weil ich das noch im Kopf hatte und mir irgendwie klar
war, sehr viele Männer, die ultra orthodox sind, arbeiten nicht, aber diese Tätigkeiten gibt es
den einen oder anderen, der dem nachgeht. So, das ist der historische Sachverhalt von mir in
der Form durch die Verkürzung falsch und schief dargestellt. Wird gerne einmal da kurz einhaken,
Richard. Du hast etwas gesagt an dem Punkt, völlig ohne bösen Hintergedanken, genauso habe ich das
auch so halb wahrgenommen, wie gesagt, ich habe es in dem Moment gar nicht richtig verstanden,
weil ich schon beim nächsten Gedanken war. Aber als ich es dann in der Rezeptierung noch mal
gelesen habe, dachte ich, okay, Richard hatte keinen bösen Hintergedanken dabei, du hast ja gerade
erklärt, warum du das im Kopf hattest. Ich verstehe vollkommen, wenn man zwar dem Punkt kommt,
indem man sagt, okay, das rührt jetzt oder ist ganz, ganz nah dran an Feldern, die in dem
Zusammenhang nichts zu suchen haben. Die Nazis, die großen Verschwörungstheorien, die Rotschilds,
all diese Dinge, diese ganzen üblen Begrifflichkeiten, das ist da nah dran und zu nah dran. Man macht das
gerade in diesen Zeiten, ist das mehr als unglücklich und das kann man stark kritisieren und ist
auch völlig in Ordnung. Du hast natürlich völlig recht, das ist hochgradig vermiendes Terrain. Da
es eben diese jahrhunderte Alte und von den Nazis ganz besonders vergiftete Traditionen gibt, hier
etwas absolut Peoratives draus zu machen und absolutesten Antisemitismus mit Geldverdienen und
Finanzgeschäften usw. zu verbinden, ist das natürlich unglücklich gewesen, dass man eben so
Lapidar da rein zu sagen. Das ist völlig richtig und all die Menschen, die religiöse Gefühle ich
damit verletzt habe oder die sich verzerrt dargestellt gesehen haben oder die das an
antisemitische Klischees erinnert hat, bei denen entschuldige ich mich ganz und gar den Nichts
liegt mehr ferner als irgendetwas in diese Richtung von mir zu geben, zumal es sich wirklich
nicht in meinem Kopf befindet. So der zweite Teil grundsätzlich Arbeiten von der Religion her
untersagt. Ja. Und da wird es sehr interessant, du sagst da an dem Punkt dürfen gar nicht arbeiten,
ist ihn von der Religion her grundsätzlich verboten, ist ein bisschen richtig muss man sagen und auch
ein bisschen falsch. Ja, ist in der Form falsch. Ja, ich habe heute mit Deborah Feldmann, die du
gerade zitiert hast, die diesen Weltbestseller unorthodox geschrieben hat, nochmal genau zu
dem Thema telefoniert und sie hat mir dann was geschickt und das fand ich sehr, sehr hilfreich.
Muss einmal kurz sagen, Deborah Feldmann war schon mehrfach bei mir in der Sendung, ist eine Frau,
die in einer ultraorthodoxen Gemeinde in Williamsburg in New York aufgewachsen ist. Genau da wo du
warst, das ist das Buch auf das du anspielst, dieser Weltbestseller und ist eine Geschichte,
die an wirklich zu tiefst bewegt, weil sie darin beschreibt, wie man mitten in diesem ja, ich meine,
ultra-liberal New York, wo alles geht und Tag und Nacht alles offen ist und so weiter leben kann,
wie in einer völlig anderen Welt und und zwar ohne Zäune drum herum, sondern einfach nur,
weil man sozusagen emotional, also sie drückt es immer so aus, emotional gekapert wird. Und das
ist etwas, was mich damals wahnsinnig beeindruckt hat, sie ist zwangsverheiratet worden, muss dann
einen Mann heiraten, den sie nicht geliebt hat, der aus dieser Gemeinde kam und hat sich dann
irgendwann, musste sich die Haare abrasieren und so weiter. Das beschreibt sie alles in diesem Buch
und irgendwann hält sie es nicht mehr aus und flieht aus New York und kommt nach Berlin mit ihrem
Sohn, lebt auch mittlerweile in Berlin, ist eine beeindruckend kluge Frau, die in einer wahnsinnig
kurzen Zeit perfekt Deutsch gelernt hat, was für ihre unglaublich Intelligenz spricht,
mir beeindruckt das immer. Deborah Feldmann sagt, es ist grundsätzlich so, dass es kein
Arbeitsverbot gibt bei orthodoxen, auch nicht bei ultra-orthodoxen. Sie sagt, orthodoxe Juden
gehen grundsätzlich arbeiten, aber jetzt kommt es. Bei den ultra-orthodoxen ist die Einstellung zur
Arbeit ausschließlich überlebensbedingt, dient also dem Ziel des notwendigen Unterhalts,
ist aber nicht zur eigenen Bereicherung oder einem genussirdischer Dinge vorgesehen und
deshalb sagt sie, wird nur so viel Arbeit geleistet, die genau dafür ausreicht. Alles andere wird
als problematisch beäut, weil zu viel, sozusagen weltliche Arbeit auf Kosten der spirituellen
Arbeit gehen kann, weil eben die spirituelle Arbeit, mit einer Selbstverpflichtung und diese
aber die gelebte Wirklichkeit ist das, was sozusagen ein sekularer Israeli als Arbeit
versteht, das versteht eben der ultra-orthodoxe nicht so und der sieht das anders, der wird auch
das, was er macht, die spirituelle Arbeit als Arbeit ansehen, aber es ist nicht sozusagen das
gleiche und das ist wichtig, das mal zu verstehen und sie sagt, spirituelle Arbeit wird in der
ultra-orthodoxen Welt als erstrangig betrachtet und alle weiteren Arbeiten, die von dieser
wichtigen Leistung ablenken könnten, brauchen eine klare Rechtfertigung, um ausgeführt zu werden.
Und jetzt kommt der Punkt, da es in moderne Demokratien sagt, sie oft Sozialhilfe gibt,
sehen sich ultra-orthodoxe zum ersten Mal mit der Schwierigkeit konfrontiert, eine irdische
Arbeit religionsbedingt als unerlässlich einzuordnen, denn wenn sie ausfällt, folgt nicht mehr unbedingt
die Hungersnot, die in der Vergangenheit diese irdische Tätigkeit hätte rechtfertigen können.
Also durch die Sozialhilfe in Israel, schreibt sie, ist der minimale Lebensunterhalt gesichert,
von daher unterscheiden sich Teile der ultra-orthodoxen Welt für das religiöse Studium,
weil sie eben nicht mehr argumentieren können, dass die Arbeit über Lebensnot wendig wäre.
Das ist interessant. Frauen übrigens sind davon ausgenommen, die können in den meisten Fällen
in bestimmten und den als sicher geltenden Bereichen arbeiten, wenn es die Familienversorgung zulässt.
Und dann noch ein letzter Punkt. Für Juden, schreibt sie, haben die Tätigkeiten im Diamantenhandel
und in der Finanzwirtschaft eine lange Tradition, denn aufgrund des bekannten Arbeitsverbots,
hast du gerade zitiert, im Mittelalter waren sie gezwungen, in diesen wenigen Bereichen zu arbeiten
und sich dadurch auszuzeichnen. Und da sie schon seit Generationen darin verwurzelt sind,
ergibt sich natürlich eine Expertise, die die weitere Ausübung dieser Tätigkeiten
nachvollziehbar unterstützt. Und letzter Satz, um auch den nicht zu unterschlagen,
heute arbeiten, sagt sie orthodoxes, so wie Teile der ultra-orthodoxen in allen möglichen
Berufswäldern, aber eben auch in denen. So viel dazu.
Das ist eine absolutiv gehende gründliche Analyse für das, was ich in einem Satz schief
und missverständlich dargestellt habe.
Weißt du die Frage der Intention, Richard? Ich habe viel nachgelacht am Wochenende
darüber. Ich weiß nicht, ob du das mitgekriegt hast. Und es war genau die Sendung mit Deborah
Feldmann und Gregor Gysi und Manfred Lütz, in der wir über Religion gesprochen haben,
in der etwas passiert ist, was in diesem Zusammenhang auch sehr interessant ist.
Mitten in dieser Sendung, Gregor Gysi holt geradeaus, benutzt da plötzlich ein Wort,
das man wirklich nicht mehr benutzen sollte. Er benutzt das sogenannte N-Wort. Und ich
dachte, ich höre nicht richtig. Was hat er jetzt gesagt? Und frag nach, weil es mir
natürlich aufgefallen ist und sage, Herr Gysi, war das ein Zitat? Und an der Antwort habe
ich gemerkt, er versteht eigentlich gar nicht, was ich meine. Er weiß sich überhaupt nicht
darüber im Klaren, was er gerade gesagt hatte. Und dann habe ich in dieser Situation kurz
sehr intensiv gegrübelt und habe dann zwar dem Kunstgriff gegriffen und habe gesagt,
Sie haben jetzt jetzt etwas gesagt und ich könnte Sie jetzt dafür aufspießen, aber ich tue
das nicht, weil ich weiß, wer vor mir sitzt. Deswegen habe ich es nicht getan, weil ich
wusste, da sitzt Gregor Gysi, den ich ein bisschen kenne, den ich auch privat ein kleines bisschen
ab und zu mal erlebt habe und von dem ich weiß, dass er niemals in seinem Leben durch rassistische
oder antisemitische oder irgendwelche anderen Äußerungen und Vorurteile unangenehm aufgefallen
ist in seinem ganzen politischen Leben. Das ist mit Sicherheit kein Mensch, der so was denkt.
Das meine ich. Absolut im Gegenteil. Da steht für die genau gegenteilige Position. Und es wäre
so leicht gewesen, einen riesen Skandal zu provozieren. Es wäre unendlich leicht gewesen. Und
durch diesen kleinen Kunstgriff, dadurch, dass ich das erklärt habe und kontextualisiert habe und
gesagt habe, da ist Ihnen jetzt was rausgerutscht, aber das sagt jemand, von dem ich mir ganz,
ganz sicher bin, da ist ihm wirklich jetzt eine Formulierung verrutscht, ja, will ich ihm das
nicht weiter übel nehmen. Und die Reaktion war sehr interessant. Es gab dann die eine oder andere
Kritik, aber gemessen an dem, was hätte sein können, war es geradezu ein laues Lüftchen. Es ist
eigentlich nichts passiert. Und das ist das, was da noch aufruft. Du hast es runtergekocht auf das,
was es war. Ja, eine missglückte Formulierung, die keine Abgelettende sein sollte und die da
im Eifer des Gefechtsimitaus irgendwie rausgerutscht ist, weil man das Wort früher häufiger verwendet
hat und der hat sich in dem Moment da keine Gedanken drum gemacht. Und das bedeutet ja,
was du gemacht hast, du hast den Kontext betrachtet. Du hast gesagt, welche Person sagt
das und warum sagt sie das. Und wir haben halt das große Problem in unserer Medienlandschaft,
Dinge zu dekontextualisieren, ja, um sie an den Prang anzustellen. Also etwas völlig aus
dem Zusammenhang zu reißen, um dann eine Gesinnung oder sowas daran festmachen zu wollen. Und ich
meine, das ist eine Unsitte, die ist sehr, sehr verweitet. Die hat ja nicht nur was mit uns oder
mit mir zu tun, sondern die trifft ja ganz häufig und ganz viele Menschen. Und das,
ich denke mir immer, das ist eine Art der Kultur, wie wir nicht miteinander umgehen sollten. Ich meine,
gerade in diesen Tagen kommt der vierte Band meiner Philosophiegeschichte aus, mehr als die Hälfte,
der dort ausgesprochen liebefeuert, ja, vorgestellten, analysierten, betrachteten, philosophierten,
philosophen und Denker. Siegmund Freund, Henri Bergson, Edmund Husserl, Siegfried Krakauer,
Ernst Bloch, Georg Lukatsch, Walter Benjamin, sind jüdisch, Martin Buber, ja, und die werden
hier liebevoll erklärt, dargestellt, ihre Bedeutung herausgearbeitet. Ich meine, welche Antisemit
oder sowas tun. Und ich unterscheide noch einmal in aller Deutlichkeit, ja, wenn jemand von der
jüdischen Botschaft denkt, oh, guck mal hier, da taucht diese Schablone auf, die ist
antisemitisch, die darf hier nicht in der Öffentlichkeit stehen bleiben, dann hat das
eine volle Berechtigung. Du siehst ja die USA, du siehst, wohin das führt, du siehst auch andere
Länder. Und ich denke da manchmal, okay, wenn wir heute schon so miteinander reden, heute so
schnell den Stab brechen und Leuten dann irgendwie die heftigsten Vorwürfe machen, ohne sie
jemals selber auch mal dazu angehört zu haben, zum Beispiel. Und in zehn Jahren werden wir dann
da sitzen und werden die Gräben beklagen, die auf diese Art und Weise, durch diese Art und Weise
des Diskoses entstanden sind und werden uns fassungslos ansingen und fragen, wie konnte
uns das passieren. Und ich glaube, das sollte man ernsthaft verhindern. Und wenn man Gräben sagt,
muss ich jetzt noch mal an dem Punkt Deborah Feldmann zitieren, die sagt, wir reden bei Israel
immer über Feinde von außen, aber im Prinzip geht es eigentlich auch um Feindschaft von
innen. Ja, die Feindschaft von innen hat diese Situation herbeigeführt und auch die Situation,
das sagt sie, so schlimm eskalieren lassen. Und umgekehrt gibt es eben die Situation auf der
anderen Seite, alle jungen Palästinenser, ja, die ich erlebt habe und das bestätigt auch jemand wie
Deborah Feldmann, das sind ganz oft Menschen, die mit Religion an sich wenig zu tun haben. Also
das heißt, dieses Bild der komplett radikalisierten palästinensischen Welt, das ist so auch in
keinster Weise zutreffend, sondern diese jungen Leute sind ganz häufig mit ihren Vertretungen,
ihren politischen Vertretungen wahnsinnig unzufrieden. Aber sie haben ganz selten die
Chance, irgendetwas zu verändern, weil auch diese Gewalt ja den Erfolg dieser terroristischen
Organisationen befeuert. Und wenn man sich das Regime der Hamas in Gaza auch anguckt,
ich meine, es gab nach dem einen Wahlsieg, danach wurde auch nie wieder gewählt, gab es ja mal
dann auch Aufstände und da hat man dann zur Abschreckung einfach Leute von Hochhäusern geworfen,
um klar zu machen, wer hier das Sagen hat. Und das ist auch der Grund, warum man,
wenn man in die palästinensischen Gebiete reist und ich war da wirklich öfter in den letzten Jahren,
da liegt immer so eine Traurigkeit, eine Melancholie darüber. Du hast das Gefühl,
das ist ein gedemütigtes Volk und es gibt gerade für die jungen Leute keinen guten Weg nach draußen.
Und junge Israelis auf der anderen Seite, die empfinden das genauso und wandern mittlerweile,
das bestätigt auch Deborah Feldmann, wandern reinweise, wandern aus, die gehen weg, weil sie diese
zunehmende Radikalisierung, wo Religion eine große, große Rolle spielt und benutzt wird auf beiden
Seiten, weil sie dieses Klima tatsächlich nicht mehr ertragen. Das ist die ganze Tragödie. Eigentlich
gibt es auf beiden Seiten so viele und die habe ich immer wieder selber auch erlebt. Ganz vernünftige
Menschen, die so genug haben von diesem Blut vergießen und die das Gefühl von Ohnmacht haben,
weil es Kräfte gibt, die immer wieder deutlich machen, wir wollen genau das nicht, wir wollen
diesen Frieden nicht. Und jetzt, durch das, was da am vergangenen Wochenende passiert ist,
ist natürlich Israel hat jedes Recht, sich zu verteidigen. Und wie soll man miteinander reden,
wenn die andere Seite so etwas macht? Wie soll das gehen? Und trotzdem haben wir ja in der letzten
Folge das mit der Hoffnung verbunden, dass es nicht zu grausig wird, das Schicksal. Und die
Folgen, also das Recht zu verteidigen, stellt ja überhaupt niemand in Abrede. Das ist selbst
wahrscheinlich da. Und auf der anderen Seite ist eben die Frage, was wird ganz, ganz genau passieren.
Und das scheint mir jedenfalls zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch ein bisschen unklar zu sein. Und
da bleibt einem ja nichts als die Hoffnung, damit zu verbinden, dass das keine unendliche Tragödie
ist, die als nächstes sich abzeichnet. Ja, man hofft auf Besonnenheit und es ist 21. Jahrhundert. Es
ist auch die Macht der Information, die Macht der Bilder, die Macht der Erzählungen, die Macht der
Narrative. Ich hatte dieser Tage mehrfach Gelegenheit, mit mit deutschen Muslimen hier zu
sprechen und eine Frau sagte mir wortwörtlich, sie glauben doch nicht im Ernst, dass das unsere
Leute waren, sondern dass es natürlich alles inszeniert, damit man einen Grund hat, uns Platz
zu machen und uns dem Erdboden gleich zu machen. Und ich guckte sie völlig fassungslos an und sagte,
sie glauben jetzt nicht wirklich, dass das inszeniert ist und sagte, was denken Sie denn selbstverständlich,
dass das, das erfahre ich bei unseren Leuten, das erzählen die mir auch. Und da wurde mir klar,
wenn die das jetzt wirklich glaubt, ja, dann, dann kann das nur in der totalen Katastrophe enden.
Ja, also wir leben in einem Jahrhundert, wo in einer unglaublichen Informationsfülle,
Menschheitsgeschichte völlig neu ist, jeder sich am Ende seiner Erzählung raus sucht,
die zu ihm passt. Und jeder am Ende das glaubt, was er glauben will. Und das ist eine wirklich sehr,
sehr gefährliche Entwicklung. Das ist nicht nur, dass man sich dann untereinander nicht mehr
verständigen kann. Erinnere dich mal an die Diskussionen bei Corona, wie viele Freundschaften
sind zerbrochen in dieser Zeit. Wenn man plötzlich jeder sich sein Weltbild wie Pipi Langstrumpf macht
und das gilt ja jetzt auch für das Beispiel, was du gerade erzählt hast, das alles macht die
Sache nicht besser. Also früher waren sehr viele Leute umgebildet und heute haben sehr viele
Leute die Chance genutzt, sich selbst falsch und einseitig zu bilden. Genau. Und deswegen noch
mal Richard abschließend gesagt, ist es richtig, uns an dem Punkt zu kritisieren, weil in Zeiten wie
diesen kann es keine Zweideutigkeit geben. Wir müssen sauber sein in der Information. Alles
richtig, alles korrekt, alles in Ordnung. Wir haben mal gesehen, wie schwierig das ist. Ich bin
ja auch froh über all die theologischen Kommentare, die es gegeben hat, die das versucht haben,
aufzudröseln und den historischen Sachverhalt darzustellen. Das ist ja sehr hilfreich. Das ist
eine ziemlich komplizierte Angelegenheit und so weiter. Das finde ich sehr gut und hilfreich,
dass sie das gemacht haben. Was gelernt. Was gelernt. Verlangen wir auch von Politikern,
dass sie sich klar und sauber äußern und sich dann im Zeifel auch rechtfertigen, wenn es daneben
geht und entschuldigen, wenn sich jemand das Gefühl verletzt hat. Das haben wir jetzt getan. In der
Hoffnung, dass es genauso angekommen ist, wie es gemeint war. Und noch ganz schnell dahin weiß,
dass wir das jetzt vorziehen, bedeutet natürlich, dass am Freitag keine neue Folge unseres Podcasts
kommt, sondern erst am übernächsten Freitag freue mich dich dann zu hören, Richard. Ich mich auf
dich. Tschüss Markus. Tschüss bis bald.
Machine-generated transcript that may contain inaccuracies.
In diesem Podcast gehen Markus Lanz und Richard David Precht auf die Kritik ein, die es nach der letzten Folgen gegeben hat. Richard David Precht betont, dass der von ihm gesagte und zu recht viel kritisierte Satz sachlich falsch ist und er möchte sich bei allen Menschen, deren Gefühle er damit verletzt hat, entschuldigen. Markus Lanz und Richard David Precht möchten betonen, dass in Zeiten wie diesen, für Zweideutigkeiten gerade keine Zeit ist.