LANZ & PRECHT: AUSGABE 109 (Nachbetrachtung zur Ukraine)

ZDF, Markus Lanz & Richard David Precht ZDF, Markus Lanz & Richard David Precht 10/6/23 - Episode Page - 57m - PDF Transcript

Schönen guten Morgen, Richard.

Guten Morgen, Markus.

Na, wo erreiche ich dich?

Ich war gerade dabei, dir die Frage zu stellen.

Aber ich weiß, warum du es umdrehst.

Natürlich.

Du denkst, ich bin noch in der Ukraine.

Ich bin zurück.

Wir sind zurück.

Wir sind seit jetzt zwei Tagen zurück.

Ich hatte ein ihres Erlebnis heute Nacht und auch in der Nacht davor.

Ich habe vergessen, meine App zu deaktivieren, meine Air Alert App,

also den Luft Alarm.

Das heißt, du hast immer noch Alarmwarnrufe bekommen?

Ja, ja, und das ist krass.

Weißt du, was ich dachte, wenn du mal ein Gefühl dafür kriegen willst,

was dieser Krieg ist?

Welche Belastung das ist?

Wie anstrengend das ist?

Wie mürbe das die Leute macht?

Dann installiere die mal diese App Air Alert, heißt die.

Und schalt mal bestimmte Gebiete ein.

Mach mal, aktiviere mal Odessa, Großraum Odessa.

Aktiviere mal den Oblast Kolayev.

Aktiviere mal den Oblast Herr Sonnen und so weiter.

Alles, was es da so gibt.

Ich glaube, das ist sogar eins.

Und dann wirst du alle paar Minuten oder vielleicht auch Stunden

wirst du schrägst du hoch, weil dieses Ding dich plötzlich anjault

und du weißt nie, wo das ist.

Das ist eine Art Sirene?

Großelig. Ja, es ist eine Sirene und das hier habe ich dir mal aufgenommen.

Das ist der Sound dieser Sirenen, die dich nachts aus dem Schlaf reißen.

Das ist unheimlich.

Jede Nacht geht das so mehrfach.

Und dann sagt ihr so eine Stimme Proceed to the nearest shelter.

Gehen in den nächsten Luftkeller und so weiter.

Und dann geht es eigentlich darum, wir hatten auch immer so eine Vorstellung,

wenn man Luftalarm hört, direkt rein irgendwo in den Bunker,

verschwindest irgendwo in der Erde oder in irgendeinem Keller und so weiter.

Aber darum geht es eigentlich gar nichts.

Es geht darum, einen sicheren Raum zu finden und sicher ist klar definiert.

Sicher bedeutet, versuch mindestens zwei Wände zwischen dich und die Außenwelt zu bringen.

Ich frage mich.

Ja, zwei Wände. Deswegen liegen heute häufig auf dem Korridor zum Beispiel.

Wir haben viel Zeit auf Korridoren verbracht, in Korridor einfach geschlafen.

Das Land kann ja auch nicht komplett mit Luftschutzbunkern ausgestattet sein, oder?

Genau, genau, genau so ist es.

Und dann hast du zum Beispiel in unserem Hotel jetzt dein Mikro-Live,

war so die erste Etage komplett zugenagelt, das Erdgeschoss komplett zugenagelt.

Ja, so einfach alles und dann bist du.

Ich bin am ersten Morgen gar nicht wach geworden, weil es nicht hell wurde,

bis ich dann irgendwann gerafft habe, was so mein ganzes Zimmer ist, ja, vernagelt.

Das ist einfach zu.

Einfach zu mit einem Sperrholz und so weiter.

Einfach, um zu vermeiden, dass im Zweifel Glas splittert irgendwas rein,

dort die Schwerverletzte und so weiter.

Das muss da nicht mal die Bombe oder die Rakete selber sein,

sondern es sind diese Schrappnellen vor denen die wahnsinnige Angst haben.

Das sind dann irgendwelche Splitter.

Das kann ein Metallteil der Bombe sein.

Das kann ein Metallteil, aber auch ein Teil eines Plasterstands sein.

Irgendwas, genau, genau.

Dann geht das mit einer unfassbaren Geschwindigkeit und im Zweifel auch durch deinen Kopf.

Habt ihr denn in unmittelbarster Nähe Detonationen erlebt?

Ja, haben wir erlebt, ja.

Also, was man versteht, das ist interessant.

Also, je nachdem, wo man ist, also wenn du jetzt gerade nach Chesson zum Beispiel reingehst,

wir sind dann dort immer nicht mehr rein, sind vier Kilometer vor der Stadt geblieben,

weil genau in der Zeit, in der wir da waren, die Stadt massiv unter Feuer lag

und der Kotsatz dafür war immer, es ist gerade sehr laut in Chesson.

Und als wir dann da rausfuhren, es gab vorher noch so eine Begebenheit.

Wir haben Fraueninterview, Soldatinneninterview.

Und auch das gehört zu den Dingen dieses Krieges, die ich bis dato zumindest nicht verstanden hatte,

wie viele Frauen auch in diesem Krieg ihren Dienst machen.

Und dann steht da eine Frau mit lackierten Fingernägel und einer Kalaschnikoffe in der Hand,

ja, in Kamouflagefarben, in der Uniform und so weiter.

Und dann ist es natürlich extrem interessant zu fragen, was hast du denn vorgemacht?

Und dann war sie Supermarktleiterin oder hatte ein Nagelstudio oder solche Dinge daher,

auch dann diese Fingernägel zum Beispiel.

Und dann darfst du die zweite Frage am besten nicht stellen,

aber natürlich muss man sie ein, die stellen, hast du Kinder, wo sind diese Kinder,

wie groß ist die Sorge um diese Kinder?

Dann die ganz harte Frage, wo ist eigentlich gerade dein Mann?

Und die Antwort ist immer, der ist gerade an der Front.

Und wir machen uns wahnsinnige Sorgen und so weiter.

Und dann kam einer der Verantwortlichen mit in diesem Interview, kam dann an und sagte,

das ist auch, wir müssen jetzt hier weg, die wurden ganz unruhig.

Und ich sagte, warum? Was ist hier los?

Ja, wir werden gerade gesehen, wir werden beobachtet.

Die Russen haben uns jetzt auf dem Radar, die wissen, dass wir hier sind.

Wir sind zu viele Autos, zu viele Menschen, zu viele Auflauf.

Das ist die Versuchung unglaublich groß, die wird mit so einem Dronen ausspieren.

Das ist ein militärisches Ziel.

Genau, du wirst ein Ziel und die Dronen, also sind zwei Dronen oder mehrere Dronen in der Luft,

die eine spioniert dich aus, hochauflösenden Kameras

und gibt dann sozusagen der anderen, die auch schon neben ihr quasi in der Luft schwebt,

gibt der die Position durch und das dauert Millisekunden.

Von dem Moment, wo die Position fixiert ist, bis zu der Sekunde, wo dann das Geschoss kommt.

Das ist Wahnsinn.

Und dann sind wir da rausgefahren aus dieser Stadt.

Und dann schlug es plötzlich links ein, da steckt irgendwo eine Rauchsäule auf

und dann plötzlich schlug es auch rechts ein.

Stieg weit entfernt eine Rauchsäule auf, ein schwarzer Rauch

und dann merkst du plötzlich auch so, links einschlag, rechts einschlag

und wir genau dazwischen.

Und das ist der Moment, wo du dann merkst, okay, es stimmt,

was mir schon ganz zu Beginn ein junger Mann in der West-Ukraine,

die aus unserer Sicht eigentlich ziemlich sicheres Gebiet ist,

sagte, es gibt keinen sicheren Ort in der Ukraine.

Es gibt keinen, fühle ich nirgendwo wirklich sicher.

Und deswegen ist dieser Air Alert, dieser Luftalarm, das macht was mit dir.

Dein Herz geht hoch auf eine Verbesserung, du bist im Tiefschlaf

und dann boom, boom, boom, boom, boom, kommt dieses Ding.

Und irgendwann wird dann Entwarnung gegeben, das dauert manchmal 20 Minuten,

manchmal 40 Minuten, manchmal eine Stunde, manchmal zwei.

Und dann erfährst du, Drohnen steigen gerade auf über dem Schwarzen Meer,

meistens diese ekelhaften Scharhälz von den Mulas aus Teheran, genau.

Oder es ist irgendein dieser fiesen, gelenkten Raketen

oder Bomben unterwegs und so weiter.

Und dann kommt an Ende immer, das ist auch irre, kommt dann,

wenn der Alarm vorbei ist, kommt eine Stimme,

so eine tiefe Hollywood-Stimme und sagt, may the force be with you.

Mögen Macht mit dir sein.

Obi-Wan Kenobi, Star Wars, ja.

Das ist so sehr professionell gemacht.

Und ich fand es erst dachte, was ist das für ein Schrott.

Und irgendwie fand ich es dann schön, dass dieser Mann, den ich nicht kenne

und der mir nicht mehr bekannt ist, mir dann immer so tröstend diese Worte zurief

und sagte, Junge, es ist alles wieder gut.

Man hält sich dann an so kleinen Dingen plötzlich fest, völlig bescheuert.

Aber es ist wichtig.

Aber das ist, ja, das war so, also wir haben uns ja in Kiew gesprochen, Richard.

Und dann der Weg dann auch mal tiefer rein.

Also dieses vergleichsweise normale Leben in Kiew zu sehen.

Da sind ja gerade die Außenminister da.

Die Leute fragen immer, wie kommt man da rein?

Da gibt es Autobahnen, die sind erstaunlich gut in Schuss.

Viele, viele Straßen.

Also ich habe in Moldau zum Beispiel schlechtere Straßen zum Teil erlebt.

Zum Beispiel hier rein nach Gagauusien.

Ist die deutlich schlechtere Straße, als die große lange Straße nach Kiew freien.

Und dann kommst du immer weiter Richtung Osten, Richtung Südenbühnen.

Sie sind beim Nachtzug dann da, oder tief in die Nacht rein beim Zug dann darüber.

Und dann merkst du plötzlich, wie alles anders wird.

Dann kommst du da in Mikolajev an und fährst dann durch so eine Straße.

Komplett dunkel, keine Straßenlaterne, die leuchtet.

Da hat man bestimmt eine Uhrzeit hier bei einem Mann gesehen, auch fotografiert.

Da führte sein Hund mit seinem iPhone, der Taschenlamper vom iPhone an, Gassi.

Front ungefähr 40 Kilometer entfernt.

Und da wird die dann schon anders.

Da merkst du plötzlich, okay, alles klar, hier sind wir jetzt in Reichweite.

Und hier gibt es wirklich keinen sicheren Ort mehr.

Wie ist das in Odessa selber?

Also in Kiew hast du beschrieben, wenn jetzt der Luftalarm nicht wäre.

Sagen wir mal, wenn du einfach nur so von nichts was wüsstest.

Wann Tag dort vorbringen, wüsstest du nicht, wie das Krieg ist, obwohl Krieg ist.

Richtig.

Wie ist das in Odessa?

In Odessa ist es in gewisser Weise ähnlich.

Aber Odessa ist natürlich wahnsinnig exponiert, weil Odessa liegt direkt am Schwarzen Meer.

Das heißt, die russischen Schiffe sind nicht weit weg, 100 Kilometer, 200 Kilometer weit weg.

Und sehr, sehr schnell zu erreichen durch diese Raketen teilweise in Macht 3.

Das heißt, wenn so eine Rakete abgefeuert ist, die ist wahnsinnig schwer.

Keine Vorwarnzeit, genau.

Es geht so schnell, dass so kaum eine Chance ist für eine Frau.

Die Hauptbomber de Moos gelten, so weiß ich das aus den Nachrichtenweiß, meistens dem Hafen.

Hafen, genau, da kommst du auch nicht so richtig ran.

Ich habe dieses Hotel gesehen, das sie gerade letzte Woche getroffen haben.

Das ist ein ganzer Turm, einfach da ragt.

Wie so ein kaputter, verfaulter Zahn, ragt das dann so einfach in den Himmel.

Das sieht irre aus.

Und die ist vorbei und kaputt und zerstört in einer Millisekunde.

Das haben aber Menschen vorher wahrscheinlich zwei Jahre lang aufgebaut.

Und das bauen wieder jetzt Menschen zwei Jahre lang auf.

Ja, ich frage mich immer, steht da überhaupt noch was?

Also, die Großmuss muss ein Hafen sein, der ständig unter Dauerbeschuss steht

und mit Mörderraketen da beschossen wird, dass dieser Hafen offensichtlich doch irgendwie noch als Hafen funktioniert?

Ja, es wird ja immer wieder, die versuchen ja viel, jetzt auch gerade wieder,

das ist Teil dieses zynischen Spiels, wirklich Infrastruktur zu zerstören.

Jetzt geht es auf den Winter zu.

Und wie zufällig zerstört man jetzt Energieversorgung, Heizwerke und so weiter.

Die Leute sollen friert, die sollen es kalt haben, die sollen es ungemütlich haben.

Da geht es ganz viel um psychologische Kriegsführung.

Die Botschaft ist immer, fühlt euch nicht sicher.

Und wenn ihr dennoch es schafft, irgendwie zu überleben,

wir werden es euch so ungemütlich für möglich machen.

Aber es ist doch die gleiche Strategie, die die Alliierten gegen Deutschland im Zweiten Weltkrieg gemacht haben,

als man gesagt hat, wir brechen die Moral der Wehrmachtstruppen dadurch,

dass wir die deutschen Städte bombardieren.

Und wie jeder weiß, ist diese Strategie nicht aufwichtig.

Richtig, die liegen noch nie auf.

Es ist also nicht so gewesen, als ob dann daraufhin die deutsche Bevölkerung irgendwie gegen die Nazis rebelliert hätte.

Richtig.

Oder Hitler in den Rücken gefallen wäre oder so.

Sondern im Gegenteil, das Zusammenheitsgefühl und diese Entschlossenheit und dieses Ermittlerte,

wir müssen durchhalten und so weiter.

Das stand ja viel mehr im Vordergrund, als jetzt ein Zweifel an diesem Krieg.

Das ist richtig.

Und deswegen frage ich mich, warum die Russen eine Strategie verfolgen,

die da schon über Jahre hinweg, den Zweiten Weltkrieg überhaupt nicht funktioniert hat.

Ja, genau. Die Nazis auch so erfolglos in England praktiziert haben, ne?

Es gibt auch eine Bücher darüber, ne?

Genau, also angefangen haben ja bei diesem Bomber de Mons tatsächlich die Nazis,

als man Coventry bombardiert.

Man wollte der Zivilbevölkerung möglichst größte Angst machen,

damit die Engländer aufgeben.

So umgekehrt wollten die Engländer mit ihrem Bomber de Mons,

die Amerikaner und Bomber de Mons auch die Moral der Deutschen brechen.

Richtig.

Und tatsächlich ist der Krieg in Stalingrad verloren worden,

aber er ist nicht verloren worden durch die Bomber de Mons der Alliierten an der Heimatfront.

Genau. Und das wiederholt sich da an dem Punkt, das fand ich so erstaunlich.

Also mit welcher Trotzigkeit, ja, die Leute versuchen sozusagen weiter in Normalität zu leben.

Bis zu dem Punkt, kannst du dir nicht vorstellen, wie viele abgeschleppte Autos,

wie viele abgeschleppte Karren ich in Kiew gesehen habe.

Sehe ich in Hamburg.

Also dafür ist es noch breit.

Ne, das wird gemacht. Tickets schreiben, Karren abschleppen.

Wer schrottig parkt, wird abgeschleppt.

Und du denkst, warte mal Freunde, ihr habt doch hier gerade ein ganz anderes Thema,

ihr habt doch im Krieg.

Ne, wichtig, um Normalität zu haben und zu leben.

Und das ist auch Teil dieser Trotzigkeit, mit der die da rangehen.

Das fand ich ganz, ganz erstaunlich.

Autos abschleppen und Tickets schreiben, mitten im Krieg.

Mit der öffentliche Ordnung zu wahren.

Richtig, richtig.

Es muss für die Menschen sich einigermaßen normal anfühlen.

Und ich fühlte mich so erinnert an diesen Bericht.

Ich weiß noch, ich habe es mir so hängen geblieben,

einen Satz von einem englischen Händler als die richtig.

Also der östliche Teil von London,

als die so richtig unter Beschuss waren der Nazis.

Und die Leute haben trotz sich ihre Geschäfte weiter aufgemacht.

Und ein Händler, der gerade frisch getroffen von so einer Bombe,

die halbe Hütte weggeflogen,

der dann ein Schild draußen dran hängt an seinen Laden

und sagt, heute besonders weit geöffnet.

Einfach weitermacht, heute besonders weit geöffnet.

Und das ist diese Trotzigkeit, die dir auch in der Ukraine hast.

Wir waren in ...

Wo war das denn in Odessa?

Du musst wissen, ungefähr 30 Prozent, so schätzt man,

der russischen Raket sind Blindgänger.

Das heißt, auch wenn du überlegst, was könnte getroffen werden.

Du wirst okay, die gehen auf Infrastruktur, die gehen auf Hafen,

die gehen auf bestimmte Hotels oder so,

versuch große Menschenansammlungen zu vermeiden, all diese Dinge.

Aber wenn 30 Prozent Blindgänger sind, dann weißt du schlicht nicht.

Und es gibt da diese eine Rakete, die direkt in ein Wohnhaus rein ballert,

Nachts um eins, und wir haben zufällig ein Mann da getroffen,

da kam mit seiner kleinen Tochter da um die Ecke.

Der erzählte von dieser Nacht, der sagt, ich kam gerade aus Odessa nach Hause,

der war auf Geschäftsreise, und er sagt,

und ich überall lagen Teile von Menschen,

Beine, Arme, Köpfe, Körper, lag da einfach um,

in diesem rauchenden Haus.

Da starben, ich glaube, 20 Leute, die da drin geschlafen hatten.

Und ein Teil dieses Hauses steht noch.

Und ich gehe rein in dieses Haus und fotografiere unten im Keller,

dieses Trümmerfeld, und plötzlich höre ich von oben Schritte.

Dog, dog, dog.

Langsam, und denke, okay, langsam Schritte, es muss ein alter Mensch sein.

Und warte, ganz gespannt, wer da jetzt auftaucht.

Und wenig später erscheint von mir eine sehr, sehr alte Frau,

über 80 Jahre alt, auf dem Weg zum Einkaufen.

Und sagt auf die Frage, ob sie da war in der Nacht, ja klar, war sie da.

Und warum sie dort lebt, wo soll ich denn sonst hingehen?

Das war ein so surrealer Moment, und das sind diese Dinge,

diese Kleinigkeiten, aber die sich dann irgendwann verstehen lassen,

was dieser Krieg eigentlich wirklich ist.

Noch mal, ich habe das ja letztes Mal schon gesagt,

ich will mich überhaupt nicht jetzt als großer Ukraine-Experte aufspielen.

Für uns ging es nur darum, ein Gefühl dafür zu kriegen,

was dieser Krieg mit einer Gesellschaft macht.

Und ist das nicht der erste Krieg oder der erste Kriegsjobplatz,

das erste Kriegsgeschehen?

Du fühlst ja viel gereist, du hast sie fotografiert.

Bist du vorher schon in einem Land, in dem tatsächlich ein Krieg tobt gewesen?

Also nicht aktiv, genau, das ist der große Unterschied.

Nicht aktiv, ich war oft in Gebieten, in denen es Krieg gab

und wo das Leben auch nicht sicher ist.

Ich habe im Kopf auch viele Parallelen zum Beispiel zu Israel gesehen.

Es gibt ja ganze Generationen von Israelis,

die zum Beispiel auch gerade meine Generationen,

wenn man, wenn du dich erinnert, die Diskussionen,

dieser Grenzmauern, dieser harten Mauern, die aufgebaut worden sind,

den Bethlehemm zum Beispiel, wo dann teilweise so absurde Mauern

einfach komplett quer durch die Stadt gehen.

Wie als Deutsche sind natürlich bei Mauern immer besonders sensibel

und sagen, wie grausam und unmenschlich ist das,

wo du teilweise Familien getrennt hast.

Ich erinnere mich an einen Ort, da ist auch das Hotel von Banksy,

ja, dem Graffiti Star, dem großen Graffiti-Künstler,

der hat ein Hotel direkt an dieser Mauer und da gibt es ein Haus,

das ist von drei Seiten von dieser Mauer eingekeilt in Bethlehemm.

Und auf der anderen Seite der Mauer lebten bekannte und verwandte

von der Familie, die ich dies als der Mauer gesprochen habe.

Und die Sacken, du, früher waren wir in 30 Sekunden bei unserem Freund

und jetzt brauchen wir drei Stunden und mehrere Checkpoints und so weiter,

um dahin zu kommen. Und wie unmenschlich und grausam ist das eigentlich?

Wenn du dann auf der anderen Seite bist, redest du mit Israelis,

zum Beispiel meiner Generation, die aufgewachsen sind immer,

wenn sie als Kinder, als Schüler zu einer Bushaltestelle gelaufen sind,

mit dem mulmigen Gefühl, was passiert hier als Nächstes.

Geht wieder in eine Bombe hoch an dieser Bushaltestelle,

explodiert sie im Bus, werde ich diese Busfahrt,

diese triviale Busfahrt werde ich die überleben, schlicht und ergreifend.

Und seitdem es diese Mauer da gibt, hat das signifikant abgenommen.

Der hat natürlich eine völlig andere Perspektive auf diese Mauer,

als ein junger Palästinenser, der auf der anderen Seite sitzt

und sagt, sag mal, wo soll ich denn hin

und wo ist denn eine Perspektive für mein eigenes Leben?

Und so entfremdet sich das immer weiter

und man kennt sich immer nicht mehr

oder es wird einfach nur noch traurig.

Und das ist das, wo ich das Gefühl habe,

dass das könnte auch in der Ukraine passieren.

Wenn du da mal reingehst, die Männer zum Beispiel,

die aus diesem Krieg zurückkommen, wie sehr die sich verändern.

Ich habe mich ja mit einem Schriftsteller gesprochen,

der ist jetzt zuständig für Kriegsgefangene in Austausch.

Ich meine, es war ein Kollege von dir.

Er sagt, was hast du denn vor dem Krieg gemacht?

Der hat eine tolle Bücher gemacht und so weiter.

Und der ist jetzt im Kriegsmodus

und erzählt dann von der Art und Weise,

wie dieser Kriegsgefangene in Austausch organisiert wird

und wie sie manchmal russische Kriegsgefangene,

die in einem besonders beläuberten Zustand sind,

einfach ohne Bedingungen einfach zurückschicken,

in der Hoffnung, dass von der anderen Seite auch alles so kommt.

Was ist passiert?

Genau, und es passiert aber nicht.

Und er sagt, das ist das, was uns so verstört

und das ist das, wo wir mit unserem empathischen Zugang,

das war ein sehr zugewandter empathischer Mann,

der als Schriftsteller ist immer toll, mit Schriftstellern zu reden.

Deswegen rede ich auch so gern mit dir.

Ja, wirklich, weil es sind Leute, die Dinge durchdenken

und durchdringen, ja, es macht immer großen Spaß

und das war auch so einer.

Und dann erzählt er dir diese Sachen und du denkst,

wie soll denn das jemals werden?

Das geht einfach nicht mehr.

Und da merkst du, wie sich Gesellschaft verändert.

Oder wir haben eine Sniperin getroffen, eine Scharfschützin, ja.

Das ist auch so ein absolutes Bild.

Wir gehen auf dieses Gelände,

die lebt ein bisschen außerhalb von Kiew,

ist in der Ukraine weltberühmt sozusagen,

Instagram-Account,

ist jemand, der in der Ukraine jeder kennt.

Sie beantwortet dir nicht die Frage,

wie viele Russen sie erschossen hat

und sagt, das ist eine Frage, die ja stellen immer nur Journalisten

und dann merkst du auch, wie sich Sprache verändert.

Weißt du, Markus, ich erschisse keine Menschen.

Ich erschisse nur Gegner.

Ich erschisse keine Menschen.

Ich verteidige die Ukraine.

Das sind so Sätze, die man sich sozusagen...

Und dann sage ich zu ihr aber ganz ehrlich,

du guckst da durch dieses Zielfernrohr.

Du siehst den.

Du kennst den irgendwann.

Du weißt, wie der lacht.

Du weißt, wie der ist.

Du weißt ein bisschen, ob das ein netter Kerl ist

und ob das ein Arschloch Deluxe ist, wie du sagen würdest.

Und dann drückst du irgendwann ab

und dann siehst du,

weil das geht so schnell,

du siehst, was dieser Kugel mit dem jetzt macht.

Du sprengst sein ganzes Gesicht weg.

Sagt sie, ja, ich hab jetzt ein Kind bekommen,

ich kann das nicht mehr.

Also da fällt...

Merkst du auch, das verändert die Leute

und dann hat sie sich verliebt

in einem Mann,

der dann auch an die Front ging und so weiter

und dann kommt der zurück

und vermöbelt die nach allen Regeln der Kunst.

Heusliche Gewalt, riesiges Thema.

Das war auch noch ein zweiter Weltkrieg.

Diese Verrohung der Gesellschaft.

Absolut.

Dem waren wir so auf der Spur

und das war natürlich beklemmend, das zu sehen,

weil du weißt, das ist ein Thema, das löst du nicht.

Jetzt einfach indem du sagst,

okay, jetzt Waffenstillstand und Maruhe.

Das bleibt über Jahrzehnte.

Genau, genau.

Du wolltest gerade sagen,

das ist eine große Parallele,

also wie viele Männer

als Seelengrüppe aus dem zweiten Weltkrieg zurückgekommen,

konnten nicht darüber sprechen,

wollten meistens auch nicht darüber sprechen.

Genau.

Sie gehört noch einer Generation an,

die ohnehin nicht über Gefühle geredet hat damals.

Dann konnten sie nicht davon ausgehen,

dass die Leute, die hier geblieben sind,

irgendein Verständnis dafür hatten.

Sie hatten Dinge gesehen oder auch ginge getan,

wo sie sich in ihren Künsten träumen nicht hatten,

vorstellen können, dass sie das tun konnten.

Natürlich aus der Logik heraus,

die in einem Krieg herrscht,

dass der andere kein Mensch ist, sondern ein Gegner.

Ein Gegner, aber das ist ja in dem Moment.

Das ist ja in dem Moment.

Aber ist er das noch fünf Jahre später,

wenn du darüber nachdenkst

und dann noch vielleicht dessen Lachen vor Augen hast

oder wie auch immer als Scharfschütze

oder was es auch immer ist.

Das heißt also, nur in der Kriegsituation,

das geht ja auch gar nicht anders,

wird der Gegner zum Gegner entmenschlich.

Ja, und wird entmenschlich.

Dann kommt die Menschlichkeit ja wieder,

wenn die Kriegsituation weg ist.

Also wenn dieser Rahmen, der die Menschen in Mensch liegt,

wenn der weg ist,

dann werden sie auch irgendwann wieder zum Menschen.

Dann bist du der Mensch, der Menschen getötet hat

und nicht Gegner.

Und damit fertig zu werden.

Es gibt Leute, die werden damit fertig.

Ich weiß nicht, ob sie die besseren Charaktere sind

und diejenigen, die zerbrechen innerlich daran.

Und ich meine, gar nicht darüber nachdenken,

die Kriegstraumatisierten,

nicht nur die Körper, die Kriegsversehrten,

die Kinder, die Kinder vor allen Dingen.

Das habe ich da auch noch mal verstanden.

Die haben alle Kinder.

Du sprichst mit diesen Frauen, du sprichst mit diesen Männern.

Du stellst die Frage, bist du verheiratet?

Ja, klar, hast du Familie? Ja, klar.

Hast du Kinder? Ja, klar.

Wie gehen die damit um?

Und die Geschichte, die du hörst,

ist immer wieder die gleiche.

Dann kracht es irgendwo laut,

dann fangen die Kinder hysterisch an zu schreien,

weil sie wissen, was das bedeutet.

So schwerstraumatisierte Kinder.

Das verändert natürlich dieses

unbeschwerte Aufwachsen,

das jedes Kind haben sollte.

Natürlich. Das gibt es dann einfach nicht mehr.

Ja, um nachher ein glücklicher Mensch zu werden,

ein sozialer Mensch und alles, was dazugehört.

Ich hatte Richard über uns erinnerst du dich an deine letzte Frage.

Du hast mir einen Auftrag mitgegeben.

Erinnerst du dich daran?

Du hast mir gesagt,

frag den Bauern in der Südost-Ukraine,

was er über diesen Krieg denkt.

Ja, ich dachte einfach,

dass man mit den Menschen redet,

der Krieg ausgetragen hat.

Richtig, genau.

Habe ich getroffen.

In der Nähe zwischen Herr Son und Mikolayev

waren wir in so einem Dorf.

Dafür muss ich dir kurz erzählen.

Du fährst von dieser Hauptstraße weg,

du siehst

links

so ein komisches Fahrzeug,

das ganz viel Staub aufwirbelt.

Du denkst, was ist denn das für ein Ding?

Da merkt ihr immer, da sitzt gar keiner drin.

Das ist wie so ein großer Mähdrescher,

so zu sagen.

Dann siehst du so ein Bus am Bus stehen.

Und da drin sitzt der Typ,

der den Steuer des Roboter

der entmient.

Weil in diesem Gebiet,

das ist das vermienteste Gebiet,

das es auf der Welt im Moment gibt.

Es gibt kein Gebiet auf diesem Planeten,

dass so derart vermient ist,

wie genau das.

Mienen in allen denkbaren Formen.

Ich glaube, 38, 39, 40,

verschiedene Typen.

Das habe ich schon mal drüber gesprochen.

Dann gibt es diese Panzermienen,

dann gibt es die Mienen,

die du drauf trittst,

dann springt die erst mal ein Stück hoch,

damit die dann in der Mitte

das Körper ungefähr ist.

Auf der Gürtelhöhe quasi.

Und dann explodiert das Ding erst richtig,

um dich maximal kaputt zu machen.

Das ist die simple Idee davon.

Dann gibt es Mienen,

die aussehen wie so bunte Bomberungs.

Kinder fassen die an,

dann geht das Ding hoch,

schwer verletzt,

kann es auch verbluten.

Krankenhäuser, die dann weit weg sind.

Das ist so zu tun.

Ich kann nicht drüber nachdenken,

was sind das für Menschen?

Die Insignörser, die sowas konstruieren.

Wir wissen, das wird ja nicht nur in Russland hergestellt.

Solches Mördergerät wird überall

auf der Welt hergestellt.

Dann überlegt man sich,

wie man das Töten noch weiterperfektionieren

und noch grässlicheren Schaden anrichten kann.

Das ist die Frage.

Der ist ganz hart.

Die waren genau auf dieser Frontlinie.

Da tobte der Krieg,

da bricht der Krieg aus

und die sind mittendrin.

Es gibt in diesem Dorf,

ein ziemlich großes Dorf,

Schiller, die mal wieder reingefahren sind.

Du fährst da rein, es war schon später Nachmittag.

Die Sonne stand tief.

Es war so ein heißer Nachmittag

und es wehte so ein heißer Wind

über diese steppenartige Landschaft.

Du fährst da rein und du siehst

diese sinkende Sonne

und du siehst dieses Dorf

und du siehst diese Felder dahinter

und es ist etwas, was schön ist.

Es würde dir gefallen.

Jemand, der Natur liebt,

der mag das, der sagt,

wir kommen jetzt hier raus aufs Land.

Das ist wunderbar.

Hier wäre man gerne.

Und dann dieser Moment,

wenn du plötzlich merkst,

das ist ja alles ganz, ganz anders.

Das ist ein einziges Haus,

das nicht in irgendeiner Form

entweder ganz zerstört

oder teils zerstört wurde.

Dann fällt dir plötzlich auf,

gibt ja ja kaum Menschen.

Es gibt ja auch kein Laden.

Dann fährst du an einer Schule vorbei,

komplett zerstört.

So siehst du diesen Spielplatz,

wo noch so ein paar Gerippe irgendwie rumstehen.

Eine Schule ohne Dach einfach weggesprengt.

Dann fährst du weiter,

dann siehst du irgendwann so ein Hund,

dann merkst du, da sind ja doch Menschen.

Es ist wie in einem

amerikanischen Kriegsfilm.

Wie so ein Endzeitfilm.

Absolut.

Und dieses Gruseln,

das kommt, dieser Schock,

wenn du plötzlich merkst,

alles das, was du da vermutet hast,

ist alles falsch.

Das ist eine Illusion.

Das, was du dachtest, das da ist,

ist da nicht.

Sondern das ist tot.

Und dann kommst du da rein.

Wir waren verabredet

mit einem jungen Bauern,

Vitaly, der uns damals

erzählt hat, und ich habe ihm auch gesagt,

ich soll dich von einem Freund aus Deutschland

namens Richard fragen,

wie du diesen Krieg siehst.

Und er sagte, Markus,

wie soll ich ihn diesen Krieg sehen?

Ich meine, da kommen Menschen,

die zerschießen mir einfach mal ein Haus

und dann hat er mal geschildert, wie das passiert ist.

Die haben sich verkochen,

und ich habe die Jährige damals

siebenjähriger Junge,

seine Eltern,

seine Frau, er, noch ein paar Freunde

und verwandte in einem Loch in der Erde

im Kartoffelkeller.

Du musst dir vorstellen, wir reden über Februar 2022.

Also der Beginn des Krieges.

Der Beginn des Krieges, die ersten Wochen.

In diesem Keller haben die wochenlang ausgehart,

dann sag ich, wir haben den da geheizt,

ein feuchtes, kaltes Erdloch.

Und er sagt, ja, ich habe mir vom Trecker

eine Batterie ausgebaut

und das war ein Mann,

der hatte einen BMW.

Auf den war er wahnsinnig stolz.

Das war kein armer Bauer,

sondern das war ein vergleichsweise wohlhabender,

sehr arbeitsamer, fleißiger Mann.

Und er sagt, dann komme ich dann raus

und dann sehe ich wie dieser russische Panzer

auf uns zurollt.

Und plötzlich dreht er dieses Geschützrohr

und zielt genau auf mein Haus

und dann drückt der Typ, der drin sitzt,

einfach ab und es macht Karoom

und das ganze Haus

ist ein Trümmerhaufen.

Dann zerstören sie seine landwirtschaftlichen Maschinen,

die er teils vorher gerade neu gekauft hatte,

Klammer auf Kredit,

noch gar nicht abgezahlt,

die waren kein einziges Mal im Einsatz,

sind jetzt schon kaputt.

Und dann hocken die da

vor den Trümmern ihrer Existenz.

Und die erste Frage ist, warum haut die nicht ab?

Er sagt, ja, wir haben versucht abzuhauen

und so weiter, sind dann immer noch abgehauen,

wurden beschossen, während sie da rausfahren

mit ihrem Kind, dann kommt er wieder zurück

und irgendwas zu retten.

Dann geht er vor meinen Augen

in dieses Trümmerfeld rein

und holt sich eine Hose raus

und sagt, die habe ich schon länger vermisst.

Das ist eine meiner Lieblingshosen.

Aber zusammen dieser Bruchbude drin,

einfach nur noch ein Trümmerfeld.

Und dann sage ich, wo sind denn deine Tiere?

Weil Bauer zu sein bedeutet,

auch unabhängig zu sein.

Das ist ja die Idee von Bauer sein.

Und der ist komplett zurückgeworfen

auf alles, der hat keine Tiere mehr.

Ich habe das im Umfeld gesehen.

Auch mein Feld kann ich nicht mehr raus.

Weil er liegt überall mienen.

Wenn ich entmiene, mache ich das selber.

Ganz primitiv.

Dann geht das Ding in die Luft.

Ja, das ist irre.

Der Krieg ist für den,

selbst wenn die Front sich jetzt weiter bewegt hat,

für den ist der Krieg noch lange, lange nicht vorbei.

Die Leben von Spenden,

von Hilfsorganisationen

hat sozusagen

sein unabhängiges Leben als Bauer

eingetauscht,

gegen das Leben eines mittellosen Mannes,

der einen BMW verkauft hat.

Genau, Almosenempfängers,

der jetzt irgendwie zusehen muss, wie er durchkommt.

Aber ich sage mal, der kann das gar nicht wieder aufbauen.

Ich meine, der Krieg ist ja nicht vorbei.

Das macht er.

Aber es kann ja sein,

dass ich in einem Jahr

kann das wieder zum Schauplatz von Kriegshandlungen werden.

Genau das.

Das ist genau der Punkt.

Du baust es auf

und sagst nicht, dass wir überhaupt lohnen.

Und dann kommt der wieder mit einem einzigen Schuss,

zerstört er, den er zu Hause in der Existenz.

Genau das.

Und der,

sei die nicht müde davon, müsste man den nicht

irgendwie ein Angebot machen,

müsste man nicht irgendwie sagen,

jetzt nimmt die Krim

und nimmt noch ein paar Teile vom Donbass

und so weiter.

Und dann frieren wir das zumindest ein

und dann hört dieses singlose Sterben

zumindest mal für eine Weile auf und so weiter.

Die bauen sich wieder auf.

Das haben die ja schon mehrfach gemacht.

Und diese Haltung, das war sehr interessant.

Jetzt könntest du sagen, das ist anektotisch.

Du erzählst mir hier etwas, das was du so erlebt.

Ich habe während dieser ganzen Reise

und immer noch anektotisch gebe ich gerne zu.

Aber ich habe viele, viele Leute gesprochen.

Ganz zufällig auf der Straße war angesprochen.

Und diese Haltung war

immer glasklar.

Ich habe einen einzigen alten Mann getroffen,

der sagte, ich habe mal mit den Russen,

ich war da in der Armee und so weiter.

Und diese Länski ist schon auch

und die Amerikaner kamen dieser

Anti-Americanismus wieder durch.

Aber ansonsten muss ich dir sagen,

eine sehr klare Haltung, die Wissen,

da ist ihnen ein Krieg aufgezwängt

worden.

Und wenn sie so weiterleben wollen,

wie sie leben, die haben alle diese

Berichte im Hinterkopf.

Die kennen es aus eigenem Leben zum Teil.

Die wissen wie brutal die Russen foltern

in jedem Keller.

Die wissen zu welcher Gewalt die jederzeit

bereit sind.

Und die wollen so nicht leben.

Aber die wichtigste Botschaft,

die daraus hervorgeht, ist,

dass ja wie auch immer dieser

fürchterliche Krieg zur Ende geht,

am Ende ein Frieden stehen muss.

Genau das,

wovor Vitaly sich zu Recht fürchtet.

Das ist der Anfang

des nächsten Krieges.

Der das grundsätzlich verhindert.

Das ist ja im Grunde

die große Aufgabe, von der man steht

und die wir ja heute immer damit

beantworten, dass wir sagen,

das geht natürlich nur, wenn die Ukraine

in den Krieg gewinnt.

Da wir aber gleichzeitig offensichtlich

einsehen müssen, dass das so ohne

weiteres nicht passieren wird.

Sind wir ja in dieser Sackkasse,

aus der wir gegenwärtig nicht rauskommen.

Und deswegen finde ich auch interessant,

ich meine all die Friedensvorschläge,

die gemacht wurden,

von Seiten etwa Südafrikas,

das Vatikan oder wie auch immer.

Die Luft rausgeht aus dem Krieg.

Und du hast jetzt die andere Perspektive

beschrieben, nämlich diejenigen,

derjenigen sagen, was nützt uns

um provisorischer Frieden, wenn er nur

ein Provisorium bleibt.

Das ist das, worauf wir unsere

ganzen Gedankenanstrengungen und so was

konzentrieren müssen, zu überlegen,

wie könnte so was denn aussehen,

wenn die Vorstellung, dass die Ukraine

ihre gesamten Gebiete zurückbekommt,

unrealistisch.

Das ist doch eigentlich die große Denkaufgabe,

in der die Ausgabe zu sehen wurde.

Ja, ich habe mich mit

vielen Leuten darüber gesprochen,

wie das eigentlich in diesen besetzten Gebieten

so gesehen wird, weil das schreitet

eine unglaubliche Russifizierung voran.

Da wird alles getilgt, was in irgendeiner Form

ukrainisch ist.

Da wird die halbe Bevölkerung einfach

systematisch ausgetauscht.

Da werden Kinder nach Russland verschleppt

und manchmal sehen die Eltern sie wieder

und häufig sehen sie ja auch nicht wieder

und so weiter.

Und dann dort sind die, die wollen das nicht,

aber ich habe interessanterweise Russen auch getroffen.

Die wollen nicht von Russen

befreit werden.

Das wollen die nicht, die sagen die Idee.

Mit diesem Russland

wollen wir nichts zu tun haben.

Das hat dann auch nochmal ganz andere

Ausprägungen, die dann zum Teil so sind,

dass du denkst, oi, oi, oi, oi, oi,

mit wem haben wir es denn da jetzt zu tun.

Ich habe gesprochen mit einem jungen Mann,

das ist ein harter Rechtsradikaler

würde ich sagen, ziemlich bekannt auch in der Ukraine.

Das war einer von denen, erinnerst du dich,

es gab vor ein paar Wochen die Meldung,

da ist so ein Trupp

von Leuten einfach

rüber nach Belgorod

in Russland.

Ach ja, ja, ja, ja, genau.

Haben dann dort an so Grenzposten mal richtig

aufgeräumt, so Partisan-Aktionen durchgeführt.

Genau, und sind wieder zurück

und dann sagt ich zu ihm, sag mal, stimmt es,

dass er den Russen dort

ein gepanzertes Fahrzeug geklaut

hat, um wieder zurückzukommen

und er sagte, nee, das haben wir natürlich nicht.

Wir haben zwei gepanzerte Fahrzeuge geklaut,

weil wir waren ein paar mehr

und wir wollten nicht wieder zu Fuß zurückgehen.

Und da hat er dann so lässig so erzählt

und fühlte sich auch ziemlich gut dabei

und stellte sich raus,

der kam aus Novosibirsk,

es waren Russe,

der dann dort... Auf der Seite

der Ukraine... Auf der Seite der Ukraine...

Partisan- und Sabotage-Akt in Russland...

Genau, der in Russland viele

Probleme bekommen hat, weil er

tatsächlich ein harter Rechter ist.

Aber rechts verstehe ich

gerade gar nicht in dem Zusammenhang.

Ja, rechtsradikaler, was?

Rechtsradikaler Russe, rechtsradikaler Ukraine.

Rechtsradikaler Russe.

Erst mal ursprünglich.

Rechtsradikaler Russe, der dort...

Ich dachte mal, dass die rechtsradikalen Russen

besonders hinter dem Krieg stehen würden.

Nee.

Also ich dachte, je national...

Ich glaube, als chauvinistischer Mann ist

umso eher verteidigt man diesen Krieg.

Also wie kommt ein

rechtsradikaler Russe dazu,

für die Ukraine zu arbeiten, das begreif ich überhaupt nicht?

Ich glaube, der war... Lass es uns vielleicht so sagen.

Mein Gefühl war, der war sogar

den supernationalistischen Russenzu-Rechts.

Und da geht es schon noch...

Ein supernationalistischer Russe

unterstützt oder stützt

das System in Moskau.

Der ist ja auf der Seite, der nicht.

Der sagt dieses ganze System,

alles Wischivashi und die Einwanderung

und das ganze Thema.

Ja, weil die...

Also die jene Ukraine, die auf dem Weg ist,

sich nach Westen zu orientieren,

die findet er besser.

Ich würde sagen eher Notwehr, Richard.

Also sozusagen, bevor du 20

oder 40 Jahre eingebuchtet wirst,

suchst du dein Heil eher

in der Flucht ins Ausland.

Und das benachbarte Ausland ist in dem Fall

die Ukraine.

Und dann beginnt da dieser Krieg

und du redest hier von Leuten, die haben Spaß

am Kämpfen und töten.

Das ist ja ihr Leben.

Ja, ja, ja.

Die haben Finanziers im Hintergrund,

hat aber nicht wirklich offengelegt,

wer die Leute sind.

Aber tatsächlich machen die da

ihre Sabotageakte.

Das hat aber tatsächlich

mit dem normalen Ukrainer nichts zu tun.

Das ist da auch so eine komische Ausprägung,

die seltsam ist.

Und ich habe ihn dann gefragt und sagte,

weil er es halt so nebenbei erzählt.

Er sagte, man muss diese 2 Fahrzeuge holen

in russischen Grenzposten.

Und was sagt die da?

Da stehen ja Leute.

Dann habe ich russisch

gesprochen mit dem.

Die haben mich gefragt, wer wir sind.

Und habe ich auf russisch geantwortet.

Dann fühlten die sich in Sicherheit.

Und dann haben wir sie halt weggemacht.

Er sagt, nie weggemacht.

Dann war er erschossen.

Also den kurzen Moment

der Unaufmerksamkeit genutzt,

die Maschinenpistole raus

und die Leute, die da gemäht sind,

gesagt, wie viele sind denn da gestorben?

Meint er, 40?

Du kannst nicht glauben.

Und dann sagt er,

es war einfach.

Einfache Sache.

Da sind so Rambos unterwegs.

Das ist so brutal.

Er geht dahin, täuscht die an,

sagt den, ich bin einer von euch.

Und dann holt er die, wie im Film,

ein düsteren Kriegsfilm, holt die Kalashnikov raus

und schießt 40 Leute über den Haufen.

Ich meine, ist das nicht grausig,

dass so ein fürchterlicher Krieg

mit all den Zerstörungen,

den psychischen, den körperlichen Opfern,

allem was wir hören,

auch noch unter anderem Leute gibt,

den das Spaß macht.

Wahrscheinlich gibt es auch unter den Folterknechten.

Unter den Folterknechten.

Ich meine, wer wird sowas sonst?

Leute, denen das Spaß macht.

Also gruselig.

Ja, ist gruselig.

Das ist ja der Punkt.

Wir haben ja schon ein paar Mal drüber gesprochen.

Diese Gewaltbereitschaft, dieser Sadismus,

der ist in einer solchen Brutalität,

in dieses Dorf da zum Beispiel auch eingebrochen,

dass die Leute genau wissen,

was sie nicht wollen,

was sie oft gar keinen Fall wollen.

Und es gab da, weil du schon gerade

die Vatikaner sagst, Richard,

eine Begehung,

von der muss ich dir noch kurz erzählen.

Wir hielten immer in so einem Haus an,

da waren so ein paar Jungs,

stellte sich dann hinterher raus,

die waren so zwischen 20 und 25

und saßen da, so im Garten.

Und ich guckte da so hin

und dachte, such den Fehler ein Bild

und war sehr schnell zu entdecken,

weil da saß ein Typ mit Cowboy-Hut.

Ich dachte, warte mal, Cowboy-Hut

in der Südostukraine, was macht der hier?

Stellt sich raus, Amerikaner.

Es waren evangelikale Christen

aus den Vereinigten Staaten,

Jungs,

die dort einfach

aus nächsten Liebe

Leuten helfen, ihre Häuser wieder

zu reparieren. Es waren Handwerker,

Dachdecker.

Und diese Geschichte,

ist die schon irgendwie dokumentiert

oder habt ihr die da aufgespült?

Ja, ich hab die zufällig getroffen.

Ich hab sie angesprochen, ich bin ja dann immer

so unterwegs und frag die Leute.

So Gerd Ruge-Style.

Und wir springen aus dem Auto raus

und drehen sofort und ich frag die Leute

und dann erfährst du manchmal unfassbare Sachen.

Das war auch so eine dieser Geschichten.

Es gibt plötzlich eine vor dir

mit so einem ganz klaren amerikanischen Akzent.

Und der hat

ukrainische Wurzeln, also gibt es natürlich

einen Hintergrund, Teil seiner Familie,

Misha heißt er,

ist in der Ukraine.

Aber die anderen Jungs waren Amerikaner,

Freunde von ihm, die kamen da.

Und mich hat das so bewegt,

wie diese jungen Leute,

wirklich nette Jungs.

Die waren abends dann, haben sie uns angeladen,

zum Volleyball spielen werden, keine Zeit dafür leider.

Ich hab sie gemacht.

Die Jungs leben in einem Haus

dort.

Das war krass, da standen wir

und ich sag zu dem, was ist das eigentlich von Haus?

Was weißt du denn über die Leute, die hier gelebt haben,

sagt, ja, da war eine Familie

mit einem kleinen Kind

und es hatte kurz vor dem Krieg Geburtstag.

Und wenn du dich jetzt umdrehst, siehst du,

in dem Kinderzimmer hängen noch

die zerplatzten Luftballons

von diesem Kindergeburtstag

und die hingen dann da in diesem zerstörten Haus.

Wir haben selber Kinder,

wir wissen, was das bedeutet.

Und die haben sie einfach alle verjagt

und einfach alle vertrieben

und die nutzen das jetzt dort, haben sich so eine kleine Kücheingerichte,

leben auf dem Boden, leben ganz, ganz primitiv.

Aber es war ein wunderschöner, harmonischer,

weil

empathischer Moment,

der plötzlich sozusagen so hart kontrastierte

mit dieser destruktiven,

total destruktiven

dieser Zerstörungswut

und mich herum.

Und die einfach sagen, weißt du,

wir haben keine große politische Message.

Wir haben auch keinen großen Plan.

Wir wollen einfach helfen.

Wir helfen den Leuten,

ihre Dächer wieder aufzubauen.

Und die freuen sich darüber.

Und dann sagt ich zu ihm,

du, wer war denn hier während dieses Krieges?

Dann meinte er, ein alter Mann,

der war die ganze Zeit hier,

der ist der Nachbar da hinten.

Haben wir leider nicht angetroffen,

aber er war nicht da.

Er war sozusagen seine Überlebensgarantie.

Die Russen wollten Milch.

Und er hat diese Kuh gemolken

und im Austausch gegen die Milch haben sie ihn am Leben gelassen

und ihm so ein paar Konservenbüchsen gegeben.

So hat er durchgehalten da.

Das war so krass.

Während der andere Bauer hier Vitaly,

den haben sie alles weggebompt, die Kühe alle tot,

der Einzige, der zurückgekommen ist,

nach Wochen war der Hofhund.

Der war da auch, den sieht man auch

in dieser Reportage ist,

ein schwarzer, schöner, knulliger Hund,

der nicht irgendwie so rumschmusen wollte,

der einen Bedürfnis nach Nähe hatte.

Und du siehst, wie dieser Krieg sogar

bis zu den Tieren hin einfach mit allem was macht.

Das lässt einfach nichts unberührt.

Das ist hart.

Und das, wie man an diesen Geschichten sieht,

einerseits das Schlimmste aus vielen Menschen hervorholt.

Und das Beste.

Aber in einer anderen Situation,

wenn es wirklich hart auf hart kommt, das Beste.

Genau. Das ist eh für mich so das

irgendwie unbegreiflichste

in dieser ganzen Geschichte.

Wie sehr Menschen

in der Lage sind,

sich gerade zu machen,

zu kämpfen,

für ihre Ideale, für ihre Überzeugungen

weiter zu machen

und so unendlich fest daran glauben,

dass es irgendwann besser wird.

Und das ist das, was dir im Leben hält.

Aber natürlich siehst du auch,

und das versteht man dann auch,

da kämpfen Arme,

Leute gegen Arme, Leute.

Das sind diese völlig von der Propaganda,

missbrauchten,

ungebildeten russischen Soldaten,

denen man, ich weiß nicht,

was erzählt hat,

dass sie dann zu dieser Gewalt bereit sind,

weil sie glauben, sie kämpfen da

für eine gute Sache, gegen ganz, ganz schlimme Nazis.

Sie sind von Propaganda

und Alkohol und Drogenspielen auch eine große Rolle.

Sie haben auch immer einen Krieg.

Auch das im zweiten Weltkrieg auch.

Genau.

Und die werden missbraucht,

werden brutals missbraucht

und dann triffst du dann auch auf andere Arme-Leute.

Das ist doch überhaupt,

ist das nicht immer ein Krieg so?

Dass Arme-Leute gegen Arme-Leute kämpfen?

Ja, das versteht man dann dort auch noch mal.

Die Wohlhabenden auf beiden Seiten

haben nicht

ihre Kinder an der Front.

Die haben Wege, um sich daraus zu ziehen.

Das gilt für die hochrangigen Politiker,

für die für die führenden Wirtschaftsleute

und so weiter, deren Kinder sind im Regelfall im Ausland.

Ja, und es hat auch manchmal

ganz praktische Gründe,

wenn du ein bildeter junger IT-ler bist,

dann bist du in der Ukraine,

dann arbeitest du mit Drohnen,

dann bist du irgendwo im Hinterland

und arbeitest mit Drohnen, da bist du gebraucht.

Den Bauern und den Anfarktern

kann man an der Front besser gebrauchen.

Richtig, da bist du nicht der arme Infanterist,

der dann direkt nach vorne geht

und der einfach, wo 50%

Infanteristen,

ich hab meine Statistik gelesen,

also durchschnittlich überlebensdauer 60 Sekunden,

wenn der rausgeht.

Dann wird unmittelbar in der ersten Frontlinie rausgegangen.

Ja, genau.

Und so sieht es auch aus.

Wenn du sehr gräber siehst,

wenn du diese Militärfriedhöfe siehst.

Die hast du auch gesehen.

Ja, ja, wir waren da,

da gibt es Leute,

da gibt es Gräber mit Nummern,

weil du gar nicht weißt, wer

oder was da eigentlich genau darunter ist.

Ja, was, wie viel Prozent von dem, was mal ein Mensch war.

Ja, genau.

Und wir haben eine Frau getroffen in Odessa

und wir haben sie alles runtergeholt.

Das ist nichts mehr,

sondern irgendwie an Russen erinnern.

Und das ist so zu einer Art Bild.

Da steht auch für junge Leute geworden,

die sagen, dann sollten wir uns mal angucken.

Das ist interessant, da weht jetzt obendrauf die ukrainische Fahne.

Die haben alle einen solchen Hass auf Russland

und dann kommt da eine Frau mit ein Bild,

ein Schmannisch und weint bitterlich

und ich bin da mit ihr ans Gespräch gekommen

und dachte, okay, der ist jetzt gerade letzte Woche gefallen.

Ist aber nicht,

der ist schon vor einem Jahr gestorben

und die ist bis heute nicht ansatzweise

in der Lage, das zu verarbeiten.

Das war so hart, das zu sehen.

Und nichts tröstet sie.

Einfach nichts, weil

das ist unwiderbringlich.

Ich frage mich bei all diesen

grausigen Geschilderungen, die du da machst.

Das wäre ja immer,

du hast das ja vorhin selber gesagt,

Mensch, müssen optimistisch sein,

müssen in Zukunft gucken.

Wie könnte überhaupt

ein Zustand in der Zukunft,

in der mittleren oder längerfristigen

Zukunft aussehen,

dass der Hass, der da zwischen diesen

Völkern entstanden ist,

in diesem barbarischen Krieg,

dass der wieder halbwegs verschwindet?

Was müsste dafür passieren?

Wie lässt sich das,

was hier angerichtet worden ist,

überhaupt wieder gut machen?

Also gut machen ohnehin nicht, aber

halbwegs vergessen machen

oder durch irgendwas anderes

überlagert werden oder was auch immer,

nicht dauerhaft sein.

Das hier an dem Punkt,

wo jetzt im Augenblick die Front verläuft

und sei es 50 km weiter östlich,

über 50 km weiter westlich,

sozusagen der blanke Hass

dauerhaft aufeinander trifft.

Weil das würde dann bedeuten,

dass es dort keine Ruhe ergibt.

Nur die Vorschufe ist für die Nächsten.

Also wie soll das jetzt wieder weggehen,

wenn in den russischen Gebieten

gnadenlos russifiziert wird.

Wenn auf der anderen Seite in der Ukraine

alles russische per se verteufelt wird

und aus dem öffentlichen Diskurs verschwindet.

Die Sprache nicht mehr unterrichtet werden darf,

die Bibliotheken gesäubert werden

von russischen Büchern.

Wie wird das jemals zurückgegangen?

Ja, ich will,

weil die Frage gar nicht beantworten,

weil ich es nicht kann.

Du hast völlig recht, Richard.

Was ich auch nicht wusste ist,

Moderatoren,

berühmte Sänger in der Ukraine,

Fernsehleute usw., die haben häufig russisch gesprochen.

In ihrer Arbeit,

im Alltag.

Das war so 50-50.

Russland war da

und russisch war eine Realität

und Kinder

wurden auf russische Schulen geschickt usw.

Das heißt, man verliert da jetzt auch

sozusagen ein Teil

von Kultur.

Das ist auch das, was da mithergeht.

Eine eigene richtig.

Und ich als Südtiroler

kann ich das wirklich sagen.

Nach dem,

speziell unter Mussolini,

Südtirol sollte italernisiert werden.

Und das haben die auch gemacht.

Ich habe da ganz viele Parallelen

immer so am Hinterkopf.

Wenn ich das sehe, denke ich immer, boah,

ist die Geschichte meiner Eltern,

die Geschichte meiner Großeltern, die hier stattfindet.

Wir hatten sie in Kleina, die haben sie

unendlich viel größer, aber es ist nichts anderes.

Und wenn ich mir überlege,

was die Südtiroler gemacht haben,

um diese deutsche Kultur,

die sie vergessen zu lassen,

da rührst du an

Punkte der Identität.

Du nimmst an die Menschen die Sprache

und es ist vorbei.

Dann bist du jemand anderer.

Es sind Nationen, die sich anmaßen,

den Menschen vorzuschreiben,

was ihre gefühlte Identität ist.

Auf beide Seiten.

Es gibt ja viele Leute,

die uns zuhören, die selber mal länger

auch im Ausland waren usw.

Ich weiß noch, als ich damals,

in Süditalien war.

Nach einem halben Jahr

habe ich angefangen,

wirklich italienisch zu träumen.

Und dann habe ich mich dabei ertappt,

wie ich ganz anders gestikuliert habe,

plötzlich und so weiter.

Das heißt, ich war jemand anderer.

Ich habe das alles adaptiert.

Das war auch alles schön.

Ich mochte das alles und so weiter.

Und es hat mich bereichert.

Kannst du heute noch in deinen Bock schossen?

Die italienische Körpersprache.

Das geht natürlich nicht.

Und dagegen wehren sich Menschen.

Weil es um die Frage geht,

wer bist du eigentlich?

Und das ist einer der Punkte,

von denen ich manchmal denke,

das haben wir noch gar nicht in seiner Vollständigkeit erfasst.

Und diesbezüglich sehr interessant,

hat er abschließend in Odessa am Strand.

Da ging das ganze normale Strandleben weiter,

am vergangenen Sonntag,

mit unserem Producer,

mit Juri ein Gespräch.

Erzähl mal, warum geht es da wirklich?

Weil es geht an so einem Krieg,

wir reden immer über Identität und Nationalstolz

und die große russische Nation.

Warum geht es da wirklich?

Es geht um Kohle.

Also Kohle im übertragenen

und Kohle im buchstäblichen Sinne.

Wertvolle Bodenschätze.

Es geht um Eisen.

Es geht um alles Mögliche.

Der Donbass war wertvoll.

Es geht um Geld.

Es geht um Macht- und Einflussbereiche.

Es geht um geostrategische Sachen.

Es geht um die Frage,

wer kontrolliert das

und wo stehen Atomraketen,

wer verteidigt sich,

wo.

Ich bin provoziert worden von der Nate

und der Propagandanummer.

Es geht um ganz handfeste,

konkrete Interessen.

Und dann hat er mir erzählt,

wie sie damals 2014 sagte,

Janu Kovic war im Amt,

Putin freundlich.

Und er sagte, die wollten das machen,

was sie mit Belarus gemacht haben.

Die wollten aus der Ukraine

so ein Mini-Rusland machen.

Und da gab es mehrere Schritte.

Er sagte, da wurden Gesetze erlassen,

erst mal die russische Sprache vor allen Dingen.

Bücher, Kultur usw.

Massiv befördert haben.

Und wir wurden sehr misstrauisch,

als wir gemerkt haben,

das passiert aber nicht im gleichen Maße

mit unserer ukrainischen Kultur.

Wir waren langsam kulturell übernommen.

Da wurden die misstrauisch.

Dann fing diese harte russische Propaganda an.

Da wurden wir noch misstrauischer.

Und gekippt ist es,

als Janu Kovic in Vilnius war,

dann sagt, die EU wollen wir nicht,

wir richten uns in Richtung Russland aus.

Aber ich habe das etwas anders in Erinnerung.

Er sagte nur,

am nächsten Tag haben wir uns auf den Janu Kovic

damals dieses EU-Assoziierungsabkommen

abschließen wollte.

Also ein Annäherungsabkommen

an die Europäische Union,

was den Russen übel aufgestoßen ist.

Weil Janu Kovic,

soweit ich das gesehen habe,

die Strategie verfolgt hat,

ich muss mit beiden Seiten gut klarkommen.

Das war eigentlich seine Orientierung.

Ab dem Motto, ich will das Geld aus Europa,

und ich will aber nicht den Unmut der Russen.

Das war eigentlich Janu Kovic's Strategie.

Er war keine Marionette,

wie Lukaschenko in Weißrussland,

sondern eigentlich jemand,

der auch einen eigenständigen Weg

nach Hause gehen wollte.

Aber ohne die Gefahr eines Krieges

mit Russland zu riskieren,

um sich gleichzeitig alle Vorteile

von der EU zu verschaffen.

So habe ich seine Politik immer verstanden.

Die Ukraine haben das anders verstanden,

und er sagte, das war der Moment,

in dem dann diese jungen Leute plötzlich

auf dem Maidan standen.

Das war der Moment, in dem sie sich dann haben

verprügelt lassen von diesen

Polizisten und Soldaten und so weiter.

Und das war der Moment, in dem das alles plötzlich kippte.

Dann kommt der Donbass und so weiter,

und dann geht das alles richtig los.

Da versteht man plötzlich,

wo das alles so seine Wurzeln hat.

Und es ist wahnsinnig schwer,

das aufzulösen. Eigentlich gar nicht.

Aber wir sind uns trotzdem einig,

dass es irgendwann aufgelöst werden muss.

Und dass der Weg zu einer Auflösung

nicht über irgendeine schnelle Lösung führt,

sondern über irgendein hybrides

Zwischenstadium,

was wahrscheinlich ziemlich lange anhält.

Ich meine, bei dem, was du erzählt hast,

nach all den Verbrechen,

die da verüfert sind,

mit dem Hass, der sich da aufgeschaukelt hat,

und dem Leid,

das dort angerichtet ist,

kann es natürlich jetzt nicht irgendeinen

Frieden geben,

wo man sagt, wir gehen zurück auf los.

Das ist ja völlig klar.

Sondern das Ganze wird vermutlich,

also anders kann ich es mir gar nicht vorstellen,

über irgendein ziemlich langes Provisorium

gehen,

über das eine Menge Gras wachsen muss,

um vernünftige Annäherungsgespräche

irgendwie wieder stattfinden zu können.

Und ich hoffe einfach im Interesse,

sowohl der Länder, wie auch im Interesse der Welt,

Europas und so weiter,

dass da nicht auf Dauer

dieser Keil

und diese Brandlinie, die da entstanden ist,

in Zebend gegossen wird

und wir in eine neue Phase des Kalten Krieges

kommen,

weil ich eben der ganz festen Überzeugung finde,

die können wir uns im 21. Jh. nicht mehr leisten.

Nein, es ist wirklich wahr.

Was mir Hoffnung macht,

ist tatsächlich

die Mentalität der Leute.

Wir haben mal 2018 in Russland

längere Zeit gedreht

und wir haben jetzt in der Ukraine gedreht.

Und aus unserer westlichen Sicht,

ich habe das nie so richtig verstanden,

Brüdernationen,

alles Brüder, alles Schwestern

und so weiter, die großen Russen

und die etwas kleinere Ukraine und so weiter,

aber eigentlich gibt es unendlich viele Beziehungen

und beide Sprachen werden in der Ukraine

zumindest gesprochen und so weiter.

Also eigentlich, wo ist der große Unterschied?

Wo ist eigentlich das Thema?

Es gibt einen riesigen Unterschied

in der Mentalität der Leute.

Ich weiß noch, als wir in Russland gedreht haben,

auch in Petersburg,

es war fast wie auf Kuba,

die Leute, wenn sie kritisch sich äußern,

dann sagen sie so, wie man es auf Kuba sagt,

so verbremt, durch die Blume,

man redet nicht klar.

In der Ukraine, ja.

Jeder in der Ukraine,

ein klares Demokratieverständnis

ist auch da.

Meinungsfreiheit, ich sage das,

was ich jetzt sagen möchte.

Ja, aber es gibt auch einen klaren Unterschied.

Wenn du aus Deutschland kommst,

aus dem Westen in die Ukraine,

dann können die natürlich ihrem Herzen

ganz anders Luft machen

und Dinge sagen, wie sehr sie so zu sagen,

das weiß ich nicht,

das ist wahrscheinlich schon eine ganze Ecke riskanter,

als in Petersburg zu sagen, als in Kiew.

Aber ich will nur sagen, aber in Kiew hat das für die Leute

ein Problem, so haben wir es erlebt,

die haben niemand hat Angst davor,

du merkst ja sofort,

welches gesellschaftliche Klima da herrscht,

also das kriegst du ganz schnell mit,

das kriegst du in jedem dieser Länder mit,

das kriegst du auf Kuba mit,

das kriegst du in Russland mit

und das kriegst du natürlich auch damit.

Und ich war überrascht davon,

wo gleich KGB gebunkelt wurde.

Ja, genau, genau das.

Ja, Richard,

so viel für heute.

Was waren die Probleme der Welt?

Nein, aber es war...

Aber wir helfen vielleicht,

um du mit deinen Berichten

sie einfach vorstellbar zu machen.

Sie einfach quasi aus der,

rauszulösen,

aus dem technischen Blick,

den man darauf hat,

dieser technische Blick,

wo es um Grenzen geht,

wo es um militärisches Vorrücken,

um ein Kilometer vor und wieder zurück,

wo es um Waffensysteme gibt.

Wir haben unsere Talkshows beherrscht.

Richtig, richtig.

Und hinter alle dem verschwindet meistens das,

worum es hier tatsächlich geht.

Es geht nicht um Land, es geht nicht um Grenzen

und nicht um Waffensysteme,

sondern es geht um die Menschen.

Das ist genau dein entscheidende Punkt.

Und...

ein Gedanke noch,

es ist so unendlich schön, Richard,

wenn du von diesem fiesen Alarm geweckt wirst

und nach einer kurzen Sekunde

der Orientierungslosigkeit merkst,

zu Hause, ich bin in meinem Bett,

kann einfach weiterschlafen, ist alles gut.

Das tut so unendlich gut.

Das sei die von Herzen gegönnt?

Ja, ich will nur sagen,

es geht gar nicht um mich,

aber das über so einen langen Zeitraum nicht zu haben,

wenn deine kleine Welt

kein sicherer Ort mehr ist,

das ist ein Halbtraum.

Und ich...

das ist auch völlig in Ordnung,

dass wir das als selbstverständlich nehmen,

aber ab und zu mal kann man mal drüber nachdenken.

Richard, danke dir.

Ja, Markus, ich danke dir.

Und auf das du

in der nächsten Nacht gut schläft.

Ja, genau. Danke dir sehr Richard.

Bis bald, tschau, tschau.

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Markus Lanz ist von seiner Ukraine-Drehreise zurück. Seine App, die ihn vor Luftangriffen warnt, ist noch aktiv und erinnert ihn so an das, was er dort gesehen und gehört hat. In dieser Folge berichtet Markus Lanz Richard David Precht von einem ukrainischen Bauern, der nur am Leben blieb, weil russische Soldaten die Milch seiner Kuh brauchten. In einen anderen von Bomben zerstörten Hof kehrte nur noch der Hofhund zurück. Wo ist die Familie, die dort mal lebte? Markus Lanz resümiert: „In diesem Krieg kämpfen arme Leute gegen arme Leute.“ Und Richard David Precht fragt sich abschließend: „Wie kann eine Zukunft aussehen, in der dieser ganze Hass verschwindet?“