LANZ & PRECHT: AUSGABE 108 (Bericht aus der Ukraine)

ZDF, Markus Lanz & Richard David Precht ZDF, Markus Lanz & Richard David Precht 9/29/23 - Episode Page - 54m - PDF Transcript

Ja, hallo Markus. Guten Abend. Wo erreiche ich dich? Guten Abend Richard. Heute guten Abend. Und wo

reißt du mich? Ja, ich bin gerade in einem Hotelzimmer in Kiev und sitze hier und höre nicht so

nahe, dass ich das Gefühl habe, du bist wirklich um die Ecke. Bist du? Wo bist du gerade? Ja,

also ich bin ja tatsächlich ein bisschen entgegengereist. Ich bin in Dresden. Ich habe

morgen früh eine Veranstaltung und bin in einem Hotelzimmer in Dresden. Ja, okay, verstehe.

Genau. Und wie muss man sich das vorstellen? Du bist in Kiev im Hotel. Ja, es ist Abend. Es ist

Abend. Wir warten auf den mittlerweile schon fast gewohnten nächtlichen Luftalarm. Und wenn das

passiert, dann müssen wir jetzt auch unterbrechen. Wir beide, dann müssen wir uns irgendwann heute

Nacht um zwei vielleicht nochmal verabreden. Es kann wirklich alles passieren. Nichts ist

wirklich planbar. Und ja, ansonsten versuchen wir ein bisschen Ruhe jetzt zu finden. Wir haben heute

sehr viel gearbeitet und sind hier auf einer Reportage Reise. Das ist wirklich eine unglaublich

spannende, packende, berührende und ergreifende Reise. Wir haben ja schon so viel. Wir beide

auch über diesen Krieg gesprochen. Und ich hatte speziell, das ist ja nicht entgangen,

mich hat damals auch der Besuch in den Moldawien, aber dann auch in Odessa, insbesondere,

das ging mir damals wirklich unter die Haut um mich. Hat das eigentlich nie wieder wirklich

losgelassen? Und ich wollte immer noch mal ein bisschen mehr wissen und verstehen,

worum es ja eigentlich wirklich geht und was hier passiert. Und vor allen Dingen, wie so ein Krieg

so eine Gesellschaft verändert. Und das erleben wir hier gerade. Deswegen reisen wir gerade durch

das ganze Land, haben ganz im Westen angefangen, sind nach Krakau geflogen und dann über diese

berühmte Autobahn rein, über die alle reinfahren. Und dann merkst du sehr schnell, in welches

Gebiet du da kommst, wenn du dann irgendwann kurz vor der Grenze nach links schaust, dann siehst

du plötzlich so eine riesige, ja eigentlich ist es eine Airbase, ursprünglich mal so ein kleiner

Flughafen, die ist jetzt so eine richtigen Airbase ausgebaut worden und startet halt plötzlich so

eine riesiges amerikanisches Transportflugzeug, während du bei McDonalds sitzt und dir einen

Burger zu Gemüte führst. Und du merkst plötzlich, ah, okay, alles klar, hier läuft die ganze Logistik.

Hier kommt richtig schweres Kriegsgerät rein, hier sind auch Scholz und Macron rein und so weiter.

Also jeder, der im Moment sich auf den Weg macht nach Kiew, passiert irgendwann mal diese große

Autobahn. Und ja, und dann kommst du immer dann diese Grenze und es war dunkel und es war so still.

Und das war so unheimlich. Aber nur ein Gefühl, das ist alles nur Emotion und ich darf und will

mich jetzt auch hier überhaupt nicht, dass der große Ukraine-Experte aufspielen, der bin ich nicht,

ich bin nur ein neugieriger Reporter, der durchs Land fährt. Und habe aber dennoch in diesen Tagen

jetzt Begegnungen gehabt, auch so mit den ganz einfachen Menschen, die mir wahnsinnig unter die

Haut gegangen sind, weil es berührend war, sehr offen war, sehr ehrlich war und vor allen Dingen

wahnsinnig freundlich war. Also was mich so beeindruckt ist, wie freundlich nach wie vor

dieses Land ist. Du erlebst Menschen, die im Stress sind, du erlebst Menschen, die anderthalb Jahre

jetzt Ausnahmesituation leben, die trotzdem immer ein Lächeln für dich übrig haben, die nett zu dir

sind, die immer freundlich reagieren, wenn sie hören, dass du aus Deutschland kommst, die sich

bedanken für das, was Deutschland macht. Das hat mich wahnsinnig bewegt. Da ist nix abgebrühtes und

so forderndes und so weiter, sondern die bedanken sich und zwar ganz aufrichtig und ehrlich, jeder,

ob es ein Regierungsoffizieller ist, ob es die Frau ist, die dir abends dann mal ein bisschen Essen

aufs Zimmer bringt oder so, wenn du dann spät nach Hause kommst. Der gestern Abend war Ludmilla hier im

Zimmer, die ein bisschen Englisch sprach und die sagte, Mensch, schreib mal ein bisschen wie sein

Leben und ich griff dann zu meinen Fritten und sie stand da so und hat dann erzählt, eine ganz

einfache Frau und sagte, weißt du, ich weiß, was du denkst, tagsübersitzen die Menschen hier im

Café und die Geschäfte sind offen und die Sonne scheint, es ist wahnsinnig warm im Moment hier,

27, 28 Grad zum Teil und das Leben geht weiter und dann sagte sie aber, das ist eine Illusion,

Markus, das ist eine Illusion, weil nachts kommen die Raketen und sie sprach es gerade aus und dann

ging draußen der Luftalarm los, das kann auch jetzt in jeder Sekunde passieren, dann müssen wir

auch unterbrechen und dann weißt du, okay, jetzt sind irgendwie wieder drei Raketen unterwegs und

wir hatten in der ersten Nacht direkt Alarm von so Onyx-Raketen, so heißen die, die fliegen mit

884 Metern pro Sekunde, also fast Mach 3, kann dann bis zu 800 Kilometer weit fliegen und das

sind miese Geschosse, Crews, Missiles würde man sagen, die fliegen im Grunde wie ein Flugzeug und

die fliegen ganz tief, ganz knapp über dem Boden, können bis zu 10 Meter runtergehen, also bis auf

10 Meter, fliegen dann an Flüssen entlang, fliegen an Wäldern entlang und so weiter und

keiner weiß genau, wo das Ding runterkommt und die wissen nur, die Dinger wurden gezündet,

die wurden gestartet, aber wo die dann runterkommen, die Zieleingabe, wo die einschlagen sollen, genau

und die drei kamen dann in Odessa runter, alle drei, weil gerade der Hafen dort massiv attackiert

wird, genau, es hätte auch, so dann hast du Bomben, in einem Dorf bei Chasson kam dieser

Tage an der Bombe runter halbe Tonne Sprengstoff, davon kamen vier Stück, so der fliegt allein

durch die Druckwelle, fliegt alles durch die Luft, dann machst du gar nichts mehr und je näher du

am Kriegsgeschehen dran bist, desto weniger hast du eine Chance zu reagieren und das ist

mies und das ist das, was die Leute stresst, das ist das, was Ludmila meinte, ja du hast einfach

und das ist auch der Grund, warum die sagen, weißt du, wir können nicht mehr und wir gehen auch

gar nicht mehr in die Luftschutzräume, sondern wir legen uns auf den Flur, weil da müssen wir uns

nicht irgendwie zurecht machen, sonst im Luftschutzkeller triffst du wieder 1000 Leute und so

weiter, die Kinder musst du wecken, das willst du alles nicht mehr, dann legt man sich einfach in

den Flur irgendwo im Zentrum des Hauses, genau, weil die Reglima ist, versuch zwei Betonwände

zwischen dich und dem, was draußen passiert zu bringen und dann bete einfach, dass du keine

Schrappnell abkriegst oder was auch immer. Du hast gesagt, der Stress im Land, jetzt hast du

gerade beschrieben, wie die Situation in Kiew ist, wie würdest du das sagen, als hier in der

Westukraine wart, ist das überall genau gleich, also würdest du sagen, sozusagen ein gesamtes

Land in dieser latenten Unruhe, dass man Angst vor der Nacht hat oder würdest du sagen,

das unterscheidet sich von Region zu Region ziemlich stark. Also wir haben jetzt nur sozusagen die

Erfahrung bis Kiew, also wir sind ja zunächst mal rein südlich von Leviv, früher Lemberg,

dann halt der Habsburger Stadt, wunderschöne Stadt und sind da rein und rein in die Kapaten und

sah es ein bisschen aus, hab mich sehr zu Hause erinnert gefühlt, da gibt es wunderschöne

Berge, da gibt es sehr ländliches Leben, da gibt es große Schafherden, da gibt es auch Bären,

da gibt es Wölfe, da gibt es alles und da gibt es auch Skigebiete.

Genau, unser Lieblingsthemen hat zu bleiben. Genau, du würdest das mögen,

das ist wirklich landschaftlich, unglaublich reizvoll, ich wusste nicht, dass es Skigebiete in

der Ukraine gibt zum Beispiel und da gibt es dann so Hotels, da gibt es ziemlich gute Infrastruktur,

da machen dann Soldaten Urlaub, die weder einfach nur mal ein bisschen Zeit für sich brauchen,

weil du den Wahnsinn nicht mehr aushälst oder weil sie verletzt sind und so weiter und dann

läufst du da halt alle paar Minuten irgendjemandem in die Arme und unter anderem an dem jungen

IT-Spezialisten, den wir dort dann auch befragt haben, der war mit seiner Frau, da ganz junge

Menschen unter 30, würde ich sagen und er sagte dann auf die Frage, ob das eigentlich ein guter

Moment ist für eine Beziehung und dann meinte er ja auf jeden Fall und wir haben jetzt ganz

bewusste Entscheidungen getroffen zu heiraten, haben wir jetzt gemacht und sage ich okay,

wenn man verheiratet ist, dann hat man meistens auch die Absicht, sich zu vermehren, Kinder zu

kriegen, wir üben gerade jede Nacht, das heißt mitten in diesen Krieg hinein, ich immer dachte,

jetzt ja gerade nicht, doch genau jetzt. Das war ja mein selbst im zweiten Weltkrieg nicht anders.

Genau, aber wenn du das dann mal so, da stehen diese zwei Menschen vor dir, sie hielt es ganz

süßes Paar, sie hielt sich immer so ein bisschen an ihm fest und er versuchte so erwachsen zu

wirken, aber du merkst erst, er ist ein IT-Spezialist, ich glaube, der arbeitet mit Ronen, ziemlich weit

vorne an der Front, die sind alle jederzeit erreichbar, durch russische Raketen, also immer

bis 50, 100 Kilometer kann da jederzeit alles passieren und das wissen die beiden auch ganz

genau, dass das gefährlich ist. Man fragt sich dann natürlich, stelle vor, das geht schief und

das wissen die auch, dass das schief gehen kann. Was ist das dann für eine Belastung auch zum Beispiel

für ein Kind, das dann auf die Welt kommt? Wenn ein Kind dieser Tage ein sehr interessantes Interview

mit einer Psychologin gelesen hier aus der Ecke, die sagte, wenn ein Kind zur Welt kommt und den

Mann gibt es nicht mehr, den Vater gibt es nicht mehr, dann ist natürlich die Gefahr wahnsinnig

groß, dass die Mutter sozusagen diesen Jungen, der es dann möglicherweise ist, einfach alles Kopie

ihres verlorenen Mannes zu begreifen. Auch hier, der Zweite Weltkrieg ist voll von solchen Geschichten.

Genau, alle Kriege dieser Welt sind voll von diesen Geschichten. Richtig, was für einen Rucksack,

wir haben ja mal darüber gesprochen, das Kriegsgeschehen ist das eine,

schön genug und das andere sind die langen, langen, langen Folgen über zwei, drei Generationen

hinweg. Die Kriegstraumata, die Aggression, natürlich auch die körperlichen Verwundungen,

die kulturellen Schäden, die ganze Psychologie, die 100 Jahre braucht, um sich wieder zu beruhigen,

die Sozialpsychologie. Also ich glaube, das, was ein Krieg anrichtet, wir diskutieren ja über

diesen Krieg in letzter Zeit unheimlich viel in rein militärischen Begriffen. Ja, technisch,

sehr technisch. Ja, also es ist immer technischer geworden. Also wenn ich mir die Debatten angucke,

wo es darum geht, die Rakete hat die und die Reichweite und da ist jetzt ein Frontdurchbruch auf

so und so 400 Metern gelungen und mit der Waffe könnte man das noch und so. Also das Ganze hat

so was Computerspielartiges bekommen, was der Kriegsrealität, die sich im Augenblick abspielt,

überhaupt nicht gerecht wird. Und du kriegst ja jetzt zumindest jetzt nicht direkt von der Front,

aber von dem, wie die Menschen sind, mehr von der anderen Seite des Krieges mit. Du kriegst

unheimlich viel mit. Du siehst zum Beispiel etwas, was du bei uns gar nicht mehr siehst. Soldaten

sind ein absolut selbstverständlicher Teil eines Dorfbildes, eines Stadtbildes an jeder Ecke

und überall. Und als ich mit den beiden da gesprochen habe, sagte mein Schiess doch so

friedlich und so schön und genießt ihr das. Dann sagte er auch, ja, sagte zu mir, weißt du,

täuscht dich mal nicht. Es gibt keinen einzigen wirklich sicheren Platz in der gesamten Ukraine.

Es kann dich theoretisch überall treffen. Es ist ein Spiel mit Wahrscheinlichkeiten. Die Wahrscheinlichkeit,

dass es dich in der Westukraine trifft, ist deutlich kleiner als in der Ostukraine, aber es

kann dich jederzeit treffen. Und wir haben eine junge Mutter, die war vielleicht so 45,

die Frau getroffen in Leviv. Die war der Beleg dafür. Das war eine Geschichte, die hat mich

völlig umgehauen, machte die Tür auf, Natalia. Und was ich sah, waren drei Prothesen. Eine

Prothese an ihrem linken Bein und zwei Prothesen an den Beinen ihrer Tochter. Und die Geschichte

dahinter ist so einfach, wie grausam, wie tragisch. Sie geht mit ihren Zwillingen, Sohn und Tochter,

in einen Bahnhof rein, um die Großmutter abzuholen. Der Junge bleibt irgendwo zurück, weil er keine

Lust hatte, so weit mitzukommen. Und die beiden biegen um die Ecke und dann macht es krach. Und als

sie wach werden, liegt die Tote Großmutter über diesem Mädchen. Die Beine sind weg. Die Mutter

wird wach und merkt, mir fehlt auch ein Bein. Und es beginnt eine unglaubliche Leidensgeschichte.

Man wird erst mal irgendwie notdürftig behandelt und dann geht es weiter bis hin in die USA.

Prothesenspezialisten und so weiter. Am Anfang wahnsinnige Schmerzen. Dann gewöhnt man sich daran,

die machen die Tür auf. Du siehst, sie bewegen sich einigermaßen normal und trotzdem ist es so,

so erschütternd ein junges Mädchen, das sein Leben vor sich hat mit zwölf Jahren. Ganz hübsches,

süßes Kind. Die sitzt da mit zwei Prothesen. Das zerreißt ihr das Herz. Und dann erzählt

ihr die Mutter, sie hat nicht nur in dem Zusammenhang ihre eigene Mutter verloren bei dieser

Attacke. Sie hat in diesem Krieg bereits ihr Mann verloren und ihren früheren Mann hat sie auch

verloren, weil der sein Krebs verstorben. Das heißt, diese Frau hatte in kürzester Zeit so

unvorstellbar viel Hölle in ihrem Leben, so viel Tod in ihrem Leben, dass du die fragst, wie hält

ein Mensch das aus? Aber Leben geht irgendwie weiter und ich habe dieser Tage so ein paar Mal da gesessen,

auch als wir da, man fährt da dann sehr lange. Die Ukraine ist ein riesiges Land. Du siehst an

der Niederekke, werden Häuser gebaut, es werden Restaurants besucht, es werden Kinder gekriegt.

Also weiter Leben ist quasi ein patriotischer Akt. Das ist es. Weil wenn du das nicht tust,

das ist jetzt ein schleiles Wort, weil dieses weiter Leben hat es ja immer und in allen Kriegen

gegeben. Es hat ja in allen Kriegen alltag gegeben. Und auch im Zweiten Weltkrieg. Und es gab

Alltag in der Zeit, als die Alliierten die deutschen Städte bombardiert haben. Und zwar flächendeckend

mit nach bei jedem Bombenangriff fünf bis zehntausend Tote oder ich bin jetzt gerade in Dresden,

der größte Alliierte Bombenangriff überhaupt, wo man dann noch neue Bomben ausprobiert hat. Und

die wurde sozusagen diese Feuerhülle von Dresden inszenierte. Und trotzdem hat es ja immer und

zu einen Zeiten ganz gleich, ob jetzt patriotischer Akt oder nicht, ein weiter Leben gegeben. Weil

ich meine, was macht dir den Hoffnung in so einer Kriegsituation als das ganz bisschen Glück des

Alltags, was du dann trotzdem erfahren kannst und was dir dein Leben noch ein Wert verleiht?

Richtig. Richtig. Ja, genau so ist es. Weil du gerade Dresden sagst, wahrscheinlich weißt du,

das Gerhard Baum, das FDP-Urgestein darf man sagen, wenn man ja schon über 90 Jahre alt ist und den ich

sehr, sehr schätze, liebe Grüße an der Stelle, Gerhard Baum. Ja, genau. Das eine oder andere

Mai persönlich erlebt und gehört zu den wichtigen Begegnungen. Ja, der ist an der Hand seiner

über ganz russischen Mutter aus dem brennenden Dresden geflohen damals. Der hat das alles in den

Knochen. Deswegen ist der auch immer so klar, wenn es um diese Frage geht und die Frage geht,

wie man sich zu verhalten hat gegenüber einem Aggressor wie Russland. Ja, also es ist,

das zweite, was mir aufgefallen ist, das fand ich auch schon interessant. Wenn man, wenn man

sein ganzes Leben dann sozusagen für die Medien arbeitet, dann kennt man natürlich auch so

bestimmte Mechanismen. Und ich habe da, was uns angeht, auch immer eine kritische Haltung,

eine Skepsis. Es gibt ja ein Dilemma, dass du kaum auflösen kannst als Reporter oder als

Journalist. Ja, du gehst irgendwo hin. Es passiert etwas Schlimmes und alles stürzt sich drauf. Wir

standen dieser Tage vor einem Wohnhaus in Japan, das ist mit Phosphorbomben beworfen worden, dann

kamen noch Raketen hinterher und so weiter. Glücklicherweise niemand ums Leben gekommen, das

waren in allerersten Kriegstagen, weil die Leute alle geflohen waren vorher, aber übrig geblieben ist

eine fürchterliche Ruine. Vor dieser Ruine waren nicht nur hunderte Kamerateams und Journalisten

und Fotografen. Im Augenblick wahrscheinlich meist fotografierte Ruine der Welt. Nee, darauf

wollte ich gerade hinaus, die Stufen, die das so durchläuft, dann stürzen sich alle darauf und

jeder, der nicht wegrennt rechtzeitig wird befragt und für irgendwelche Kameras gezerrt und so

weiter. Das klingt jetzt so dispektierlich, so ist es gar nicht gemeint. Es ist wichtig,

diese Geschichten zu erzählen und auf der anderen Seite weißt du, dass du jedes Mal den Leuten auch

etwas antust, weil du natürlich fragst, wie war das und erzähl doch mal und dann triggerst du

wieder dieses Trauma und diese fürchterlichen Erlebnisse und das ist ein Dilemma, das kriegt

man ganz, ganz schwer aufgelöst. Macron war vor diesem Haus, Olaf Scholz stand vor diesem Haus,

man kennt diese Bilder. Wir standen da jetzt auch, da war jetzt keiner mehr. Nach anderthalb Jahren

sind sie alle verschwunden und die Leute bleiben sozusagen alleine zurück. Und ich habe gedacht,

wir treffen da möglicherweise auf echte Reflexe der Abneigung, dass die Leute sagen,

komm, geh mir weg, ich will von euch nichts mehr wissen. Das war aber nicht so, sondern du

erlebst auch da wieder diese sehr freundlichen Menschen, die als erstes bei der Arbeit sind,

die packen unglaublich zu. Da ruft auch keiner, ich habe eine Frau, die vor ihrem komplett kaputt

gebombten Haus stand, dass sie jetzt gerade mühsam wieder aufbauen und die sagt auf die Frage,

wer bezahlt das denn eigentlich? Ich meine, ich habe doch dieses Haus schon mal bezahlt und es

hat euch viel Geld gekostet und ihr habt dann den wahnsinnigen Mühe darauf verwendet, euch da

irgendwie ein Leben einzurichten. Sie sagt, was soll man denn machen? Wir bauen das einfach selber

wieder auf und ich, hilft euch der Staat? Dann meinte sie ja vielleicht ein bisschen, aber

viel Verlastung ist da nicht drauf. Wo soll der Staat das Geld her nehmen in der Situation?

Also kann er ja nicht in dem Sinne die Häuser wieder aufbauen. Die Milliardenhilfen hören

sich gewaltig an, aber wenn du das mal umrechnest auf das, was sozusagen ein Einzeltschicksal

oder was da tatsächlich passiert und was da kaputt geht und so weiter, abgesehen davon,

dass das ja jetzt auch nicht wahrscheinlich nach allen Regeln der Kunst gründlich verteilt wird,

da macht man sich bestimmt Illusionen. Ja, und dann merkst du aber, die Leute haben ein

großes Bedürfnis zu erzählen. Auch wenn du Soldaten ansprichst, im ersten Moment kommt

so ein Abwehrreflex, ja, weil darf nicht drüber reden, ich habe einen getroffen, der kam gerade

aus Bachmut zurück und er sagte, ich will nicht erzählen, keine Kamera, er sagt okay,

ist in Ordnung, müssen wir nicht und dann Finger an zu erzählen und hörte nicht wieder auf.

Also jenseits der Kamera? Nein, dann auch vor der Kamera. Er sagte, ne komm, lass laufen,

ich erzähle euch jetzt mal meine Geschichte. Und das war wahnsinnig beeindruckend, ja,

und dann zeigte er dir Bilder, alles haben sie auf ihrem Handy dokumentiert und so weiter,

das durften wir dann natürlich nicht zeigen. Aber da siehst du Sachen, die kannst du dir

nicht vorstellen. Und man fragt sich dann, wie kriegt der das jemals wieder aus seinem Kopf

voraus? Ja, gar nicht. Und genau, er sagt, ich komme damit gut zurecht. Er kommt damit gar nicht

zurecht. Die Leute haben Ticks zum Teil, die sind wahnsinnig nervös, die haben einen

flackeren Blick und so weiter. Denkt immer daran, wie die Vietnam-Kriegs-Veteranen zurückgekommen

sind, weiß was. Richtig. Wir haben zweimal schon über den Film Weißer Raben geredet,

der vom Chechenienkrieg handelte, diesmal von russischen Soldaten ihre Traumente

an nicht los geworden sind, von denen einige kriminell geworden sind, andere später Suizid

begangen haben und so weiter. Also das war die Gravur, die da in dem Moment deine Seele graviert,

die ritscht da was ein, was du nie wieder in deinem Leben loswirst. Ja, genau. Ja und so ist es halt,

wenn du durch das Land fährst, wir waren dann sind rausgefahren nach Irpin, Butcher und da gab es

eine Situation. Du erinnerst dich vielleicht wirklich ikonographische Bilder, diese Situation Brücke,

die die Ukraine selbst sprengen, diese Brücke über den Fluss, damit die Russen nicht weiterkommen

mit ihren gepanzerten Fahrzeugen und ihren Panzern und allem, was da reinrollte. Und es gibt

dieses Bild von dieser Soldat, dieser alten Frau irgendwie versucht über diesen Fluss zu helfen.

Ich weiß nicht, ob du dich daran erinnerst, war Winterbarkeit, war ein wirklich herzterreißendes

Bild, weil es klar machte, die ganze Verzweiflung und die Not, in der die Leute da plötzlich waren.

Plötzlich stehst du direkt vor dieser Brücke und daneben rollt der Verkehr vorbei und Fahrräder

fahren vorbei und die Menschen leben einfach hier leben, ganz normal weiter. Aber du weißt,

das ist eine weltberühmte Brücke. Millionen von Menschen haben diese Bilder gesehen. Jeder

verbindet mit diesen Bildern genau das, diese arme alte Frau, die versucht über diesen Fluss

zu kommen. Und dann stehst du da plötzlich und sie versuchen das auch, das wieder gerade aufzubauen.

Dann fuhren wir weiter, kam man so in den Parkplatz und das ist ein, wie soll man sagen,

ein Auto Friedhof. Dann haben sie diese ganzen Wrax aus dieser berühmten Straße in Butcher.

Auch daran erinnert man sich, diese ganzen Auto Wrax und Wagen, die da teilweise gepanzerte

Fahrzeuge ausgebrandt, die da alle rum standen und rumlagen. Und die stehen da alle. Das ist

ein absurder Anblick. Eine ganz normale Straße, so ein Highway und links ist ein Parkplatz und

plötzlich dieses Trümmer fällt. Das ist eine unglaubliche tiefe Bedeutungsfülle, Geschichte,

Symbolik. Aber wenn du dahin kommst und das siehst, sieht es ja wahrscheinlich vieles davon

einfach nur trivial aus. Genau. So bedeutsam es ist. Du brauchst ja sozusagen deinen Kopf,

um das, was du siehst, wieder mit dem Leben zu füllen. Richtig ist mal berühmt oder besser gesagt

berüchtigt geworden ist. Ja, es war. Du stellst diesen Kontext her und siehst gleichzeitig,

wie trivial das alles ist. Butcher ist einfach ein Vorort von Kiew. Irpin ist einfach ein ganz

normaler Vorort von Kiew. Aber das wird nie wieder für die, die dort leben, ein normaler

Vorort von Kiew sein. Es ist gerade auch für das kulturelle Gedächtnis richtig, wenn sich diese

Namen einbrennen. Genau. Und eine symbolische Bedeutung behalten. Es kann sogar sein, dass es

für die Kinder und für die Enkel normale Orte werden. Aber es wird für das kulturelle Gedächtnis

während des keine normalen Orte. Ja, das ist eben das Thema. Und da merkst du halt, wo die wirklichen

Verwundungen dann auch sind. Und dann bitte klar, dass Krieg so unendlich viel mehr ist als tote Soldaten

und kaputt geschossene Gebäude, zerstörte Gebäude, zerstörte Infrastruktur. Da waren zwar kleine

Jungs, 15 und 16 Jahre alt. Moped, ja, fuhren da so ein bisschen rum, knatterten durch die Gegend,

haben so ein bisschen so auf halbstark gemacht und so weiter. Und dann spreche ich die an und frag

sie, woher sie kommen. Und der eine sagt einen Namen, den ich noch nie gehört habe. Und der andere

sagt Butcher. Und ich guck ihn so an. Und er schaut mich an, ganz kurze Haare, ganz eindringlicher

Blick. Schaut mich an und sagt, ja, ja, Butcher. Und ich musste die Frage gar nicht stellen. Dann fing

der an, diese Geschichte zu erzählen. Krieg ich jetzt noch Gänsehaut. Er zählte in allen Details,

wie er das erlebt hat. Und ich verzweifelte die Situation war, wie sie sich im Keller

verbarrikadiert haben. Und wie sie sich eingeredet haben, wenn die jetzt zur Tür reinkommen. Dann

werden wir die alle umbringen. Wir lassen uns nicht von denen umbringen. Und

dann sage ich, welche Waffen hatte die denn? Der eine hatte ein kleines Jagdgewehr und der

rest hatte ein paar Messer. Das war es. So hofften die gegen bis an die Zähne bewaffnete russische

Mörder irgendwie bestehen zu können. Hätten sie natürlich niemals gekonzt. Sie hatten das riesige

Glück, dass ihr Haus ein bisschen am Wald dran steht. Deswegen kamen die da nicht dabei. Aber

dieser Junge hat das alles gesehen. Der hat diese Straße gesehen. Das wird auch nie wieder vergessen.

Genau. Der hat diese ganzen Toten gesehen. Diese Menschen gesehen, die dort alle einfach

wirklich hingerichtet worden sind von diesem Bestien. Man kann es wirklich nicht anders sagen.

Das ist ein solcher Gewaltexzess. Eine solcher Abgrund, eine Bereitschaft zu Gewalt. So was

kann man sich nicht vorstellen. Und im Gesicht dieses Jungen siehst du das. Und du verstehst

plötzlich mit welcher Wucht das Grauen an diesem Morgen und in den Tagen danach in das Leben

dieser Menschen eingebrochen ist. Das verstehst du. Und der sagt dir dann, weißt du, ich werde

dir das nie verzeihen. Ich werde das nie mehr vergessen. Und ich werde alles tun, um das

irgendwann zu rechnen. Auch für Menschen, die er gar nicht kannte. Menschen in seiner Umgebung.

Und dass die ganz bitterre Proante war. Ich habe die ganze Zeit seinen kleinen Freund

da beobachtet. Der stand daneben und du konntest zusehen, mit dem die Kindlade runterfällt. Und

irgendwann sagt er, kennst du diese Geschichte? Und sagt er, nein, der hat mir noch nie erzählt.

Der hat das allererste Mal so über diese Geschichte geredet. Das allererste Mal. Und auch da

wieder, dieser Konflikt. Du hörst das, denkst, okay, geht da nicht so tief rein, weil du traumatisierst

den armen Jungen wieder. Und deswegen ist es dann auch so wichtig, glaube ich, einfach nur ein Gefühl.

Aber ihn hinterher wieder aufzufangen. Wir haben hinterher geschärzt und die Motorräder geredet

und so weiter. Um sozusagen wieder zurückzukehren, ist normale Leben. Aber ich hatte in dem Moment

das Gefühl, er wollte das erzählen und er hat es auch erzählt. Und das war unglaublich bewegend.

Den habt ihr mit seinem Freund ja quasi zufällig auf der Straße angefroren.

Genau. Und das ist die Lektion, die du ganz schnell hier lernst. Du triffst Menschen. Es ist

egal wie. Frag irgendjemanden. Und du kommst ganz schnell in ein nettes Gespräch, weil die

Leute so sind. Gerade jüngere Leute sprechen teilweise exzellent englisch. Auf einer Hochzeit,

wir bekamen morgens, das war der allererste Drehtag, der allererste Moment. Wir standen dann

noch an der Rezeption, darum wollten uns fertig machen für den Dreh. Und plötzlich kommt so eine

Hochzeitsgesellschaft auf uns zu. Und ich geschau mir dieser Moment an und dann werden Fotos gemacht

und ich weiß so was jetzt, ich muss die jetzt mal fragen. Und dann begann diese Geschichte. Und

plötzlich waren wir mittendrin und waren im Gespräch mit vier dieser jungen Leute, die da auf

dieser Hochzeit eingeladen waren. Und fragt die, wie das ist und ob das, was das mit ihnen macht.

Dieser Krieg und wie es ist, eine Hochzeit zu feiern in einer solchen Situation, die sagt,

hey, das Leben geht weiter. Wir haben aber den Blick, die Perspektive auf das Leben vollkommen

verändert. Sagt so eine blonde junge Frau, sagt, ich habe gelernt, man muss mal einen Risiko

in Kauf nehmen. Und wir leben alle jetzt ein bisschen schneller. Aber wir leben und wir machen

weiter. Und jetzt erst recht dieser Resilienz, dieser Durchhaltewille, das beeindruckt einen,

muss ich wirklich sagen. Und man fragt sich immer, könnte man das selber auch? Und ich glaube,

wir können das auch. Ich glaube, Menschen sind so. Ich glaube, in so existenziellen Situationen

schon. Nach allem, was du erzählt hast, was ist das stärkere Gefühl oder die stärkere

Einsicht in dir? Auf der einen Seite zu sagen, dass Unrecht, das hier geschehen ist, das darf

nicht durchgehen. Die Ukraine mit Kostes, was es wolle und seien es noch viele Jahre Krieg,

ihre Gebiete zurückerobern, um der russischen Aggression nicht durchgehen zu lassen. Oder sagst

du, jeder Tag, der kein Frieden ist, indem dieser murderische Krieg weitergeht, ist ein Verbrechen an

den Menschen, die an ihm beteiligt sind. Welches ist das dominierendere Gefühl, wenn du diese

Gespräche geführt hast und durchs Land gefahren wirst? Tatsächlich ist es weder das eine noch das

andere, die natürlich hört man das immer so als Durchhalte, Parole. Wir werden erstens diesen

Krieg gewinnen, wir werden alle Gebiete befreien. Aber das glaubt ganz im Ernst, glaube ich, keiner.

Aber das hat immer den Eindruck, in manchen deutschen Talkshows wird das geglaubt.

Dass am Ende alle Gebiete befreit werden können? Na ja, es gibt zumindest Menschen,

die das sagen. Norbert Röttgen oder Frau Strackzimmermann oder so, die sagen, es ist einfach nur eine Frage.

Da war für die Technologie und wie viel der Westen bereit ist zu investieren. So habe ich das bisher

jedenfalls immer verstanden. Ja, ich verstehe das immer eher als eine taktische Äußerung, weil ich

einfach denke, okay, es ist klar, wenn man eine gute Position für Verhandlungen irgendwann mal haben will,

wenn beide Seiten so weit sind, dass sie schlicht und ergreifend nicht mehr können, dann geht es natürlich

darum, den Preis hochzutreiben. Also ich glaube schon, dass da taktische Erwägungen sowohl bei Norbert

Röttgen als auch bei Marie Agnes Strackzimmermann eine Rolle spielen. Das ist auch auch bei Roderich

Kiesewetter beispielsweise. Ja, oder Masala. Aber was das Thema ist, ist ein anderes. Die

Leute fragen dich sofort zurück, die sagen, wenn du sie fragst, sag mal, sollte man jetzt nicht,

jetzt Sarah Wagenknecht Argument, sollte man nicht alles tun, um Verhandlungen richtig zu puschen.

Die lachen dich aus. Die sagen, wie denn? Wie sollen wir das denn machen? Da ist auf der anderen

Seite eine Grausamkeit, die könnt ihr euch nicht vorstellen, diese Leute. Ja, aber auch eine Perspektive,

dass die Russen ja den Krieg, als Krieg auch nicht gewinnen können. Also ich glaube, das steht ja

genau so fest. Also ich kann mir nicht vorstellen, dass der Russisch eine Allstab davon ausgeht, dass

sie auf militärischem Wege, was denn auch, also mir ist heute nicht klar, was das Kriegstil ist.

Also das ist eine Frage, die wir ja relativ selten reden. Also auf der einen Seite steht die These im

Raum, das Kriegstil sei die Oberung der gesamten Ukraine. Dagegen steht die andere Vorstellung,

es geht um die Oberung von Donetsk, Luhansk und den Südgebieten, die man jetzt hat. Auch das ist

ja eigentlich nicht wirklich klar. Also es herrscht ja noch nicht mal eine Klarheit über das

russische Kriegstil. Und deswegen ist ja auch ziemlich unklar, wenn man anfängt, darüber zu

verhandeln, was denn die russische Seite überhaupt, was deren Forderungen letztendlich sind. Ist dir

das völlig klar? Also was glaubst du, ist das realistische russische Kriegstil zum gegenwärtigen

Augenblick? Also ich kann das in keiner Weise beurteilen. Die reden ja auch nicht mit mir,

ja und schon gar nicht mit mir. Aber übrigens mit Norbert Röttgen und Marie Agnes strakt

sie auch nicht. Ja, das wissen wir auch nicht. Aber genau, der Punkt ist natürlich, die Leute hier

haben wirklich Angst. Und die sagen, weißt du, wenn die Russen mit dem Krieg aufhören, hört der

Krieg auf. Aber wenn wir aufhören, dann hört die Ukraine auf. Das ist so ein Schlagwort auch geworden.

Das hört man ja auch teilweise in Deutschland genau diesen Satz, dieses Argument. Aber natürlich

ist an dem Argument wirklich was dran. Und die haben wahnsinnige Angst, dass das wieder von

vorderlos geht, dieser ganze Terror. Ich habe heute mit einer jungen Fotografin gesprochen,

Soja Schu, die ein berühmtes Foto gemacht hat. Und zwar ein Foto aus einem Folterkeller in

Russland. Und du siehst den Rücken eines ukrainischen Soldaten und darauf ein Hakenkreuz.

Und du denkst, es ist ein Foto aus diesem Krieg. Dieses Foto ist 2014 entstanden.

Diese ganze Geschichte beginnt 2014. Und das haben die Ukrainer unglaublich präsent. Wir wollten

das damals nicht hören. Ich habe dieser Tage... Ich glaube, die Geschichte beginnt noch lange vor

2014. Ja, wahrscheinlich auch das. Aber sozusagen als Krieg wirklich für die Leute wahrnehmbar,

war es das. Und ich habe heute die ehemalige Vizeregierung, Chefin gehört, die sagte,

hier in Kiew, die sagte, auch wir haben es unserer eigenen Bevölkerung zu bequem gemacht. Das war

die Formulierung, die sie benutzt hat. Wir haben nämlich die Leute glauben lassen, da gibt es irgendwo

dahinten, weit im Osten, dein Donbass kurz vor der russischen Grenze. Da gibt es so ein bisschen

Konflikt und ein bisschen Theater und so weiter. Aber eigentlich lebt euer Leben weiter. Und genauso

haben sie es auch gemacht. Die Fotografin sagte heute schon, da konnte man sehen, wie es immer

härter und immer härter und immer grausamer wurde, wie unvorstellbar brutal gefoltert wurde in

diesen besetzten Gebieten. Und heute sagt sie, und das ist jemand, der sich da wirklich auskennt,

weil sie ganz tief drin ist in diesen Projekten, auf eine Art und Weise die kannst du dir nicht

vorstellen. Sie erzählte von einem Mann, der in russische Gefangenschaft geraten ist, der hat

den Fehler gemacht, irgendwo bei Facebook irgendwas zu posten, was denen nicht passte, irgendwas

über ein positives über die Ukraine geschrieben. Dann haben die den geholt, haben ihn einen Keller

reingepackt, haben ihn dann nach Russland verschleppt, der ist fünfmal an ganz verschiedene Orte

versteppt worden, war hunderte, hunderte von Tagen in Isolationshaft, hat 40 Kilo Gewicht verloren,

diese Leute werden systematisch geschlagen jeden einzelnen Tag, der hat in seiner Verzweiflung

irgendwann Ratten gegessen, hat Würmer gegessen und wenn er mal raus durfte, hat er erzählt,

dass er ging er so mit der Hand einmal über das Gras um einmal den Duft von Gras zu riechen.

Der ist davon ausgegangen, dass er nie wieder zurückkommt, der ist in dieser Gefangenschaft

um sieben oder acht Zentimeter geschrumpft, weil sie ihn so verprügelt haben und arbeitet jetzt

wieder als Lkw-Fahrer und sagt, ich will, dass die Welt dieses Bild zieht und ich will, dass die

Leute diese Geschichte hören. Und das ist keine Ausnahme, das ist Alltag, systematische Folter

in diesen russischen Folterkeller und das ist das, wovor die Menschen hier Angst haben und deswegen

das habe ich nicht verstanden. Also wenn der Krieg eingefroren wird, dann ist doch die Hoffnung,

dass das zu Ende geht. Dann ist doch diese unmittelbare Bedrohung geringer und nicht größer.

Das glauben die die Neben nicht. Die Ukrainer sagen die hier, ich kann nur wiedergeben,

Richard, bitte, ich beziehe da keine Position. Ich kann nur wiedergeben und ich sehe auch natürlich,

wie hier die Propaganda läuft, wie ohnevorstellbar viele Plakate zu sehen sind. Wenn du mit der Bahn

fährst von Liviv nach Kiev beispielsweise, dann hast du die Monitore, wo dann irgendwelches Fernsehen läuft

und dazwischen einglippt nach dem anderen, der sozusagen diese heroisierenden Kriegsbilder zeigt

und so weiter. Also man kann das alles sehr skeptisch sehen. Aber was die Ukrainer dir selber sagen

ist, welche Wahl haben wir? Wir werden attackiert und die machen weiter, die kommen wieder. Die sind

schon zweimal jetzt gekommen, die kommen auch ein drittes Mal.

Aber ich glaube, ist das nicht eine Mitverantwortung, ist das nicht eine Mitverantwortung, die wir tragen,

dass wir zu einem Frieden beitragen, der dafür sorgt, dass sie nicht ein drittes Mal kommen. Ich

meine, sie kommen ja nicht so grausig der Krieg ist, aber sie kommen ja aus ihrer Position gesehen,

aus rationalen Motiven. Wir finden die verbrecherisch, die sind völkerrechtswidrig und so weiter, aber die

Position der Russen ist, die NATO hat sich immer weiter an unsere Haustiere ausgedehnt,

des Drohnen, Atomraketen, es droht NATO-Beitritt der Ukraine und so weiter. Wenn wir über diese

Dinge verhandeln würden, hältst du das für völlig ausgeschlossen, dass man verhindert, dass dieser

Krieg und sei er nach einem kurzen Waffenschläge schon als dritter oder vierter Krieg, dass dieser

Konflikt nicht beendet werden kann. Hältst du, dass wir undenkbar, den Konflikt zu beenden,

so wie es offensichtlich undenkbar ist, den Konflikt zwischen Palästinensern und Israelis zu

beenden, hältst du das wirklich für völlig unmöglich? Glaubst du nicht, dass deine Lösung

gefunden werden kann, wenn auch nicht eine Lösung, die innerhalb der nächsten Wochen parat liegt?

Aber ich meine, auch sowas wächst sicher, so grausig das ist, was du da gerade erlebst und

beschreibst, über die Generationen auch irgendwann raus. Ja, wobei, wenn du die Leute fragst, was

glaubt ihr, wie lange das geht, dann sagen die, das geht noch Jahre. Ja, das kann wahrscheinlich

gar nicht Jahre gehen, oder? Doch, die Ukraine brauchen drei bis 400.000 Mann jedes Jahr.

Ja, aber wie lange durchhaltbar? Werfähige Männer werden denn in der Ukraine, also Männer

zwischen 18 und wahrscheinlich nicht unbedingt 60, sondern 40 oder so, die man als Soldaten

richtig einsetzen kann oder 50? Ja, glaubst du, dass die Ukraine das gesamte Potenzial

dieser Menschen sterben lässt? Die Frage habe ich denen auch gestellt und die Frage stellen

die sich nicht, weil, so weit denken die nicht, das verstehst du auch ganz schnell, wenn du hier

bist, es gibt heute und dann gibt es auch morgen und vielleicht noch übermorgen. Was dann ist,

werden wir irgendwann mal sehen. Aber erstmal geht es darum, durchzukommen,

irgendwie zu überleben. Wenn dieses Morgen und das Übermorgen keine ernstzunehmenden

Erfolge zeitigt, muss man doch an die langfristigen Dinge denken oder nicht. Ich meine,

das wird auch in der Ukraine Intellektuelle geben, die sich darüber Gedanken machen, oder?

Ja, ja, die gibt es, aber tatsächlich sind sie nicht laut, das ist sehr interessant und

tustig schwer, sozusagen die kritische Stimme zu finden, die sagt, jetzt müssen wir hier damit

mal aufhören. Und das hat gar nichts mit Politik zu tun, die sehen ihren eigenen Präsidenten

zum Teil sehr kritisch und so weiter. Die sehen auch, darüber gibt es zum Beispiel auch eine

Debatte, also das im Fernsehen wird unglaublich viel pro Zelenski berichtet und so weiter und die

ganze Nacht geht das ganze Thema. Da läuft einfach richtig die Kriegsmaschine. Was ja auch normal ist.

Normal ist ein Krieg, genau. Aber darüber gibt es Diskussionen, Leute sagen, das kann man doch

so nicht machen. Aber es ist halt, weißt du, die Motivation der Russen, die das übrigens,

wenn du die Demografie anguckst, 130 Millionen versus die Ukraine hat mittlerweile 6 Millionen

Menschen verloren, die sind weg, die sind zum Teil gestorben, die sind zum Teil weg. Also das

Kriegstil hat Putin schon mal erreicht. Aber ist die Kriegsverlust damit nicht programmiert?

Ja, das ist eben die ganz große entscheidende Frage. Aber die sehen halt und ich habe heute mit

einem Mann gesprochen, der war, ehrlich ein Kollege von dir, der war Autor vor dem Krieg und

der organisiert jetzt für das Verteidigungsministerium die Rückkehr von Kriegsgefangenen. Was der dir

erzählt, macht dir irgendwann mal klar, was er meint, wenn er sagt, Russland, das ist eine Kultur

des Todes. Und das war es historisch immer schon, sagt er. Das Leben hat keinen Wert und sich für

den Zahren und jetzt für den neuen Zahren zu opfern, das ist eine heroische Sache und da stellt

keiner große Frage. Ich glaube, dass es viele junge Menschen in Russland ganz anders sehen. In den

Städten, in den großen Städten. Natürlich. Die auf dem Lande hatten in ihrer ganzen Geschichte

nie irgendeine Wahl. Richtig, das ist. Und es sind genau diese Leute, das verstehst du auch hier

auch übrigens in der Ukraine, das sind natürlich Leute, wir haben einen Mann getroffen, das halbe

Gesicht weggeschossen, der Körper über und über übersäht von Narben und so weiter, der geht,

zieht jetzt in zwei Tagen wieder in den Krieg, hat irgendwie versucht wirklich mit dem Rest seines

Gesichts eine Zigarette zu rauchen und sagt, ich muss das jetzt hier machen. Das sind natürlich

einfache Menschen, das ist nicht der erfolgreiche Anwalt, der davor dir steht. Das ist schon klar.

Aber bei den Russen, das erzählt dir eben auch Petro, so hieß er, der Mann aus dem Verteidigungsministerium,

der sagte, das sind Leute, da triffst du 40-Jährige, die sehen aus wie 60, 70, die sind in

ganzerbärmlichen Zuständen, kommen die hier an, die haben wieses Material, die sind gesundheitlich

überhaupt nicht auf der Höhe, viele von denen kommen direkt aus dem Gefängnis, viele von denen

haben, sind HIV-Positiv und auch kurz davor dann an AIDS zu erkranken, viele haben Tuberkulose,

viele haben beides. Ich meine jetzt im Ernst, wer will schon in so einen Krieg geschickt werden,

dass du das zum Teil mit dem letzten Aufgebot zu tun hast, dass du es mit Menschen zu tun hast,

die nichts zu verlieren haben, dass du es auch mit einer gewissen Portion an Sadisten zu tun hast.

Genau, das ist der Punkt. Ja, ich meine, das alles ist Krieg. Ich stelle mir ganz ehrlich gesagt einen

Krieg wie den Krieg im Jemen nicht anders vor. Was sind das für Leute, die da Warlords sind, was

sind das für Leute, die da Dörfer aushungern und so weiter. Also das Gleiche gilt für die anderen

afrikanischen Kriege, von denen ich weiß und ich weiß auch welche irrsinnigen Verrohungen. Der Krieg

mit dem ich groß geworden bin ist ja Vietnamkrieg, weil meine Eltern sich da interessiert ist ja nicht

der richtige Austrache. Engagiert und natürlich und ihr zwei Adoptivgeschwister aus im Vietnamkrieg

und so weiter. Ich habe schon in sehr jungen Jahren diese Bilder gesehen von diesen grinsen

Kriegsversehrten Kindern. Also zum Teil wenn sie hier waren, aber eben auch die Fotos und von

Napa im Opfern und all diese Sachen. Krieg treibt die schrecklichsten Dinge hervor und zieht die

schrecklichsten Menschen an. Das ist glaube ich so grausig, das klingt normal für Kriege und deswegen

kennst du ja auch meine Position, dass ich immer denke, jeder weitere Kriegstag ist ein

verlorener Tag für alle Menschen auf beiden Seiten. Aber der Unterschied zwischen uns beiden

ist, ich habe nicht mit den Menschen gesprochen, mit denen du gesprochen hast und sag mal,

wohin wollt ihr weitergehen? Was habt ihr auf dem Programm, was wollt ihr euch ansehen,

mit wem wollt ihr noch sprechen? Wir werden jetzt morgen unsere Fahrt fortsetzen,

werden jetzt weiter runter Richtung Süden, werden nach Mikolayev, werden dann in die Region

um Kherson wissen, jetzt haben wir nicht so ganz genau wie nah wieder rankommen, da gibt es einen

Fluss und der ist sozusagen der Frontverlauf, also mit den der Stadt auf der einen Seite,

die Russen auf der anderen Seite, die Ukraine und du erinnerst dich vielleicht an die Bilder,

da gab es diese Jubelbilder von der Befreiung, das haben die Ukraine immer zurückerobert und

mittlerweile und speziell in den letzten drei Tagen tobt es da wieder richtig, also Dauerbeschuss

wirklich und jetzt müssen wir mal sehen, ob wir diesen Plan tatsächlich aufrecht erhalten können,

da gibt auch die Dörfer drum herum, wo du wirklich diese Politik der verbrannten Erde siehst,

so wie es die Nazis damals in Skandinavien gemacht haben, einfach brandschatzend durch die Gegend

und einfach mal alles kaputt schlagen, was da steht und dann gucken wir weiter. Und das ist halt das,

was einem so nahe geht, wenn man das so sieht und die Ukraine, das ist auch interessant. Ich habe

unterschätzt, jetzt bin ich natürlich auch unter dem Eindruck von Leviv, das ist auch eine sehr

quirlige, fröhliche, schöne Stadt, auch unter dem Eindruck von Kiev auch eine wirklich interessante

Stadt, moderne Stadt, die sind so westlich, die sind so nah bei uns. Aber du warst in der Tat jetzt

quasi überwiegend in den Gebieten, die auch historisch, historisch mal zur Österreich-Ungang

gehört. Genau. Und sieht man auch so, ich glaube, es ist eine ganz andere Welt, in die Welt zu kommen,

die über Jahrhunderte in Weck-Russisch war. Richtig, richtig. Das ist der Punkt, aber man sieht dennoch

sozusagen diese, was du immer wieder hörst, ist, wir wollen einfach in Freiheit leben und es gibt

einen riesigen Unterschied und ich muss wirklich zugeben, ich habe das unterschätzt. Ich habe auch

als das losging, gab es ja oft bei uns auch die Debatte, ja, das sind ja so Bruderländer und

Völker und so weiter und eigentlich sind sozusagen die Ukraine einfach nur andere Russen. Das ist

falsch, das ist wirklich absolut falsch. Aber wo war nur ein Viel unterscheidest du das?

Ich, also das sagen die die ersten selbst und sie sagen es vor allen Dingen mit Blick auf die

Entwicklung in den letzten zehn Jahren. Maidan ist so ein ganz markanter Punkt, aber auch schon die

Jahre davor, da hat echt etwas stattgefunden und da gibt es, das ist eine andere Art sozusagen,

das Leben zu begreifen und wenn du hier in Kiew so einen jungen Studenten triffst oder diese

IT-Lad zum Beispiel, der unterscheidet sich in nichts von einem IT-Lad, den du in London triffst oder

New York triffst oder in Singapore triffst. Aber auch nicht von einem, der nur in Moskau oder in

Minsk triffst, oder? Ja, ja, aber ich muss das nicht eher, das ist nicht eher sozusagen die Zugehörigkeit

zu einer, zur globalen Kaste der N-Wires, zu denen die dazugehören, nicht der Sam-Wires,

diese berühmte Unterscheidung. Also, und das kann ich mir sofort vorstellen. Diese Leute sind

absolut international und sie arbeiten ja auch im Berufen, indem sie international einsetzbar

ist. Ich würde einfach die Perspektive eines Bauern in Donetsk interessieren. Ja, genau, die werden

wir auch noch hören. Da bin ich sehr gespannt darauf, auch im Süden, wie die Leute das sehen,

wenn man es auf die Dörfer rausgeht. Aber was für mich tatsächlich ein markanter Unterschied ist,

wir haben 2018 mal längere Zeit in Russland gedreht und mich hat dieses Land damals, weißt du,

ja sehr, sehr berührt, die Menschen berühren dich, aber die Art und Weise, wie sie sprechen,

hat mich damals wahnsinnig an Kuba erinnert. In Kuba führst du auch solche Gespräche. In Kuba

redest du mit Menschen und sie benutzen Codes. Sie sagen dir durch die Blume Dinge, die sie

eigentlich gerne loswerden würden, aber sie sagen sie nicht wirklich offen, weil sie genau wissen,

was ihnen im Zweifel ist, fällt rot und ich erinnere mich an das Gespräch damals in Kuba mit

einem Priester und solche Gespräche. Kannst du auch in Russland auf der Straße führen, schon 2 18

konnte man die führen und ich habe den damals gefragt, warst du mal im Gefängnis, weil du

relativ deutlich deine Meinung sagst und er sagte zu mir nur, glaub mir Markus, es gibt viele

Arten von Gefängnis und er war wirklich im Gefängnis auch mehrfach und er war aber auch in seiner

ganz eigenen Hölle in seinem ganz eigenen Gefängnis, weil er ihm nichts sagen durfte, was er wollte

und dieses Gefühl hatte man damals in Moskau auf der Straße schon massiv. Dieses Gefühl hatte man

sogar im sehr liberalen Sankt Petersburg und auf dem Land sowieso und der der Unterschied den

Leute auch wie Petro zum Beispiel, den ich heute getroffen habe machen, der auch historisch sehr

beschlagen ist, der sagt weißt du, Russland das ist ein Machtapparat, der sein Volk immer immer

unterdrückt hat und die üben diese Macht aus und diese Machtausübung von oben nach unten, so hat

das auch rausgedrückt, diese vertikale Macht, die führt dazu, dass du unten irgendwann so eine

dunkle Energie hast, die sich irgendwann, wenn sie kann, auf brutalste Art und Weise Bahn bricht,

genau entlädt und das ist wirklich der große Unterschied, wenn du in der Ukraine hier mit Leuten

sprichst, zumindest an den Ort in den wir waren, jeder redet offen, niemand denkt darüber nach,

was der Staat, die Polizei, der Geheimdienst möglicherweise denken oder mitkriegen könnte von

dem was du sagst, es spielt überhaupt keine Rolle und das merkst du sofort am Verhalten der Leute,

das ist der große Unterschied. Ja, bin jetzt sehr gespannt, es ist ein bisschen ein mulmiges

Gefühl, ich weiß so, als wir aus Leviv und da von den Kapaten, von diesen schönen Kapaten hier

rüber sind, sagten dann auch unsere Jungs hier, wir haben ein paar sehr gute Sicherheitsleute

um uns herum, die die Quellen haben, die man braucht, wenn man verstehen will, was da jetzt

gerade so passiert und woher möglicherweise die Rakete kommt oder ob der Luftalarm deswegen

ausgelöst wurde, weil beispielsweise auf Russischem Territorium drei Jets gestartet sind und keiner

weiß so genau wo die hinfliegen, solche Dinge passieren hier halt auch ständig und die sagten,

als wir in Kiew angekommen sind, so ab jetzt ist hier eine andere Welt, macht euch das klar und ich

weiß, was die Morgenabend sagen werden, die werden Morgenabend die Mikolajews sagen und jetzt ist

nochmal eine ganz andere Welt hier. Das ist so und ich hoffe, dass wir da gut durchkommen und

dann werden wir irgendwann über Odessa, diese wunderschöne Stadt, die wir ja schon im März

besucht haben, da wieder rausgehen und bin auch gespannt wie sich Odessa jetzt verändert hat,

ist auch gerade massiv unter Beschuss. Ja, wir haben einen Lagenfeind, genau, oder wenn Odessas

ja, musst du verstehen, Odessa ist also unendlich wichtig, allein der Zoll in Odessa für die

Wirtschaft der Ukraine, das ist ein ganz, ganz, ganz entscheidender Faktor. Also der Zoll ist

eine der wichtigsten Einnahmequellen in der Ukraine und nur damit du mal eine Zahl hast,

finde ich so beeindruckend. Von Januar bis August hat allein der Zoll 7,8, also fast 8

Milliarden Dollar an den Finanzminister in Kiew abgeliefert und das ist ungefähr so viel wie

die Steuerannahmen sonst im gesamten Land, also die Hälfte praktisch und fast alles von diesem

Zoll wird in Odessa erarbeitet. Genau, Schiffe mit Getreide, die dort abfahren, die Weltmärkte

dann versorgen und so weiter, Lastwagen, Eisenbahntransporte nach Moldau, Rumänen und so weiter.

Das heißt, wenn das gelingt, diesen Hafen wirklich kaput zu bomben, dann wird es immer

schwieriger. Ja, dann bleibt mir nicht viel mehr Markus als eine gerusame Nacht zu wünschen und

in diesem Fall ist es keine Floske. Ich weiß das genau und allein das ist so eine Selbstverständlichkeit,

bei dir jetzt gerade den Dresden. Für uns jetzt aber hier nicht, also es kann in jeder Sekunde

ganz losgehen, dann warnt ich die App wieder, dann geht es in diesen Raum, da sind Matratzen

ausgelegt und so weiter und dann wartet man ab und es kann Stunden gehen und mir sagte diese

eine junge Frau auf der Hochzeit, man gewöhnt sich an alles, wir haben gelernt damit umzugehen und

so ist es jetzt mittlerweile so, wie wir nachten, manchmal im Luftschutzkeller, dann schminke ich

mich halt da und dann gehe ich einfach von da zur Arbeit. Das fand ich irgendwie beklemmend,

aber irgendwie auch wahnsinnig schön, weil es so optimistisch ist, weil es zeigt, was Menschen

so können. Die andere Frau sagte mir, als sie vor ihrem total kaputten Haus stand, sagt sie,

weißt du, es ist egal, ob der Staat mir hilft oder nicht, ich habe zwei Arme, ich habe zwei Beine,

wir ziehen das hier durch. Und das muss wieder aufgebaut? Ja, genau, und so machen wir das auch

hier. Also insofern, ich werde dir viel erzählen, Richard, wenn ich wieder zurück bin. Habt auch

du eine gute Nacht und freue mich auf dich, bis dann. Bis dann. Tschüss, ciao.

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Markus Lanz ist auf Reportagereise in Kiew. Er beschreibt Richard David Precht, wie der Kriegsalltag die Menschen in der Ukraine prägt. Markus Lanz und sein Team treffen auf eine traumatisierte Gesellschaft. Ein junger Mann aus Butscha etwa sagt ihm: „Ich werde nie vergessen, ich werde nie vergeben.“ Nach diesen bewegenden Schilderungen lautet Prechts Resümee: Jeder Tag im Krieg ist ein weiterer verlorener Tag.