NZZ Akzent: Auf Kreuzfahrt im Fadenkreuz Chinas

NZZ – täglich ein Stück Welt NZZ – täglich ein Stück Welt 10/18/23 - Episode Page - 17m - PDF Transcript

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Das ist Brett Scarsines. Er ist ein filipinischer Tourist, 33-Jährig.

Der Lärm, den man noch hört im Hintergrund, ist von einem Schiff.

Er befindet uns auf einem Schiff.

Er zeigt mir auf seinem Handy ein Video.

Auf dem Video sehe ich, wie er rumrennt auf einer Sandbank,

in Badehose, Sonnenbrille, wie ein Tourist so rumrennt.

Aber er hat eine filipinische Flacke in der Halt.

Er winkt ganz wild auf diese Sandbank und schreit,

wie schön es dort sei, sei die schönste Insel, wo er je gewesen sei.

Und wir befinden uns im südchinesischen Meer.

Er erzählt auch, er sei ständig nervös gewesen,

er habe ständig über die Schulden geschallt und sich gefragt,

kommen jetzt die Chinesen?

Ja, weil er nimmt an er sehr speziellen Kreuzfahrt teil.

Es ist eine Kreuzfahrt für filipinische Touristen im südchinesischen Meer,

wo sich China breit macht.

Also so eine Kreuzfahrt ist gewissermaßen im Fadenkreuz von China.

Auch Patrick Zoll, unser Korrespondent in Taiwan,

ist auf dieser Touristenfahrt im südchinesischen Meer mit dabei.

Er erzählt von einer Reise,

die mit herkömmlichem Tourismus wenig zu tun habe.

Ich bin Mare Nöder.

Patrick, du hast ein schönes Leben als Korrespondent.

Kürzt dich auf Kreuzfahrt?

Ja, Kreuzfahrt ist ein bisschen ein großes Wort.

Es war eine siebentagige Reise.

Also wenn du dir jetzt ein großes, luxröses Kreuzfahrt-Schiff vorstellst,

dann liegst du falsch.

Es war eher ein Tauchboot, 30 Meter lang.

Und dieses Schiff hat uns eben ins südchinesische Meer geführt.

Und das macht man so als Filipina?

Man geht so auf Kreuzfahrt, ein bisschen ins südchinesische Meer?

Nein, einfach so macht man das nicht.

Das war die allererste solche Reise.

Sie hieß auch Great Kalyan.

So heißt die Region Great Kalyan Expedition.

Es ist also nicht etwas für Durchschnittstouristen,

dafür ist es eigentlich auch zu teuer und zu außergewöhnlich.

Es geht mir darum, mein Abenteuer,

es geht darum, an Orte zu kommen, wo man sonst nicht hinkommt.

Und es geht auch um Nationalstolz,

denn es ist eigentlich eine Art von Protest.

Es ist ein Protest der Philippinen gegen das viel, viel mächtigere China.

Also Tourismus als Protestnote.

Als Protest gegen die übermächtige Präsenz Chinas.

Stellen wir uns das kurz vor für unsere Karte im Kopf.

Also das südchinesische Meer ist südlich von China.

Daran angrenzen tun auch die Philippinen, Vietnam, Malaysia

und all diese Länder beanspruchen einen Teil davon.

Das Problem ist, dass China, also die Volksrepublik China,

ist das ganze südchinesische Meer für sich beansprucht.

Die haben vor ein paar Jahrzehnten einfach eine Linie gezogen auf eine Karte

und gesagt, das gehört uns.

Das ist die sogenannte Nine Dash Line.

Das betrifft auch die Wirtschaftszonen,

dieser anderen Anreinerstaaten, zum Beispiel der Philippine,

die da natürlich nicht einverstanden sind.

Und ein internationales Gericht hat vor ein paar Jahren bestätigt,

dass diese chinesische Anspruch ungültig ist.

Aber China setzt seinen Anspruch mit all seiner Macht durch.

China hat riesige Küstenwachschiffe,

hat mittlerweile die größte Kriegsmarine der Welt.

Und da kommt ein kleines Land, wie die Philippine natürlich dagegen nicht an.

Also sagen Sie sich, wir müssen auf unkonventionelle Mittel setzen

und eines davon ist der Tourismus.

Darum organisieren die Philippinen jetzt Reisen in diese Region.

Okay, und da wolltest du eben mal mit dabei sein,

dass wir überleben, wenn Philippinische Touristen

in diesen umstrittenen Gewässer reisen.

Ja, ich beschäftige mich seit bald einem Jahrzehnt mit dieser Region

und das war immer recht theoretisch.

Ich war mindestens ein paar Hundert, wenn ich ein paar Tausend Kilometer davon entfernt.

Und als ich von dieser Gelegenheit hörte, dass man da hingehen kann,

habe ich mich natürlich mit einem Kollegen sofort beworben

und kriege dir dann glücklicherweise auch einen Platz auf diesem Chef.

Und hattest du denn gar kein mulmiges Gefühl so ein bisschen im Vorfeld?

Ich war eher neugierig, ich war recht ungeduldig am Schluss,

weil die Reise wurde mehrmals verschoben.

Und ich wusste natürlich schon im Hinterkopf,

dass die Chinesen auch mit Kriegsschiffen dort sind.

Aber wir sind dann losgefahren.

Es war an einem Samstagmorgen früh von der Insel Palawan,

das ist die nächste Philippinische Insel.

Wir wussten, wir haben jetzt da eher 400 Kilometer Schifffahrt vor uns.

Der Startpunkt war eine sehr schöne Bucht, das ist eine kleine Militärbasis.

Da bestiegen wir dann alle das Boot mit der Mannschaft,

mit den Begleiten des Tourismusbüros, waren es so etwa 30 Leute.

Der Motor wurde angeworfen und wir fuhren los.

Wie war die Stimmung an Bord?

Grundsätzlich gut, aber es war interessant,

bei jedem Essen waren weniger Leute da,

weil die Hinfahrt war recht rupig.

Wir hatten so 2 Meter Wellengang, das ist für so ein kleines Schiff recht viel.

Und ja, viele Leute waren sehr seekrank

und verschwanden an ihren Kabinen und tauchten nicht mehr drauf.

Ich habe Glück, ich wäre nicht seekrank, ich war viel an Deck,

habe viel freien Horizont, dunkle Wolken angeschaut,

viel zu sehen gibt es nicht.

Weil die erste Insel, Lavag, die erreichten wir nach etwa 36 Stunden.

Und das Mietern im südkinesischen Meer, also eben philippinischen Teil?

Ja, das ist weit draußen, da sind wir eben so etwa 300,

vielleicht noch nicht ganz 350 Kilometer von der letzten philippinischen Insel entfernt.

Diese Insel haben alle einen Riff.

Wir anken außerhalb des Riffs, weil das Riff ist zu seicht,

um mit dem Schiff reinzufahren und steigen um in ein Beiboot

und fahren mit dem Beiboot zu Strand.

Und am Strand begrüßen und Soldaten der Marine und der Küstenwache,

da gibt es zweimal ein dickes Buch, wo man sich eintragen muss.

Eine der Soldaten gibt uns dann die Regeln bekannt, die gelten.

Zum Beispiel, dass man keine Dronen fliegen darf

oder dass man keine Fotos von Soldaten oder militärischen Installationen

auf Social Media posten darf.

Wir sind eben die ersten Touristen, die da hinkommen.

Wir merken dann auch, dass sie ein bisschen abweisend sind

und nicht wirklich mit uns reden wollen.

Eben, sie sind sich nicht an Touristen auch gewohnt auf dieser Insel?

Eben, sie sind sich nicht nur nicht gewohnt, sondern wir merken dann schnell,

sie haben Weisung nicht mit uns zu reden.

Also da ist sogar ein Aufpasser dabei.

Also ich habe dann versucht, einen dieser Soldaten zu fragen,

wie es da ist, zwei Monate auf dieser Gott vergessenen Insel auszuharren.

Und da fuhr der Aufpasser dazwischen und sagte mir,

ich soll die Soldaten nicht ausfragen.

Ja, dann haben wir halt gemacht, was Touristen so machen.

Wir haben ein bisschen geschnorchelt, einiges in Tauchen gegangen,

die Insel bekannt als Brutstätte für Seeschwalben.

Wir haben ein bisschen diese Vögel beobachtet.

Zum Gruppenfotos mit den Soldaten gab es dann schon,

das durfte man machen, da haben sie sogar drauf bestanden.

Aber eben wirklich erfahren, wie es ihnen geht,

was sie da machen, haben wir leider nicht viel.

Und so nebenbei ist das Ganze so ein bisschen surreal,

weil es sind etwa ein Dutzend Soldaten da,

und so ist es ja völlig klar,

dass wenn die Chinesen diese Insel Lawak einnehmen wollten,

hätten diese paar Soldaten überhaupt keine Chance.

Ja, eben wollte ich gerade sagen, die Chinesen lassen sich

von dieser Handvoll Soldaten und paar Touristen kaum beeindrucken.

Nein, selbstverständlich sind sie nicht beeindruckt.

Aber es geht darum, dass man da ist, dass man Präsenz markiert,

und seit 1951 haben die Philippinen mit den USA

ein Verteidigungsabkommen.

Das heißt also, wenn China Gewalt anwenden würde,

müssen sie damit rechnen, dass die USA eingreifen.

Darum reichen eigentlich diese zwölf Soldaten.

Es geht darum, diese kleine Insel einfach zu besetzen,

dass man sagen kann, die ist Teil der Philippinen.

Also so klein und unbedeutend, eben auch mit dieser Insel Lawak.

Ja, klein ist die Insel, aber man muss bedenken,

unter Seerecht kann man um eine kleine Insel,

eine sogenannte zwölf Meilenzone, deklarieren.

Also eine zwölf Seemeilenzone, ein Kreis mit zwölf Seemeilen,

gibt eine Fläche von 1500 Quadratkilometern.

Das ist so groß wie der Kanton Luzern.

Also es geht eigentlich nicht um diese klitzekleine Insel,

sondern es geht um das Gewässer rundherum,

weil da gehört einem dann die Fische, die da drin sind,

da gehört einem das Gas, was da drin ist.

Und darum geht es los sein.

Also um Ressourcen auch?

Genau, es geht um Ressourcen und darum streiten sich diese Länder.

Und diese Inselgruppe, die heißt Spratly Lawak, gehört zu dieser Inselgruppe.

Die ist insgesamt etwa 100 tolle Felsen, Inselchen.

Und darum haben all diese Länder Stützpunkte gebaut,

auf jenen Inseln, die sie kontrollieren.

Das sind zum Teil kleine Hütchen wie auf Lawak.

Das sind zum Teil aber auch riesige Militärbasen mit Landepisten,

so lang, dass da ein großer Langstreckenbomber landen kann.

Für die Philippine ist der größte Stützpunkt Pagassa.

Und das ist das nächste Ziel unserer Expedition.

Pagassa erreichen wir dann am nächsten Morgen.

Je näher wir Pagassa kommen, desto mehr spüren wir die chinesische Präsenz.

Wir sehen ihre Schiffe und wir wissen ganz klar,

die Chinesen sind da und sie beobachten uns.

Wir wissen, wir werden Pagassa morgen früh erreichen.

Sind alle noch vor Sonnenaufgang wach und an Deck.

Und langsam sehen wir die Inseln.

Das ist wirklich nicht viel.

Man sieht ein paar Palmen, die ist ganz flach.

Man sieht einen kleinen Leuchtturm.

Es ist eine lange, lange Fahrt, die wir hinter uns haben.

Und wir wissen, wir werden gerade mal etwa 24 Stunden auf dieser Insel sein.

Wie ist es da?

Wir fahren da ganz langsam in den Hafen rein,

weil der Hafen wird noch ausgebaut.

Unser Schiff passt ganz knapp rein.

Am K. aufgereiht sind etwa 30, 35 Schulkinder in Reihung Glied,

die sind da, um uns zu begrüßen.

Man sieht, wie aufgeregt sie sind,

weil Besuch gibt es eigentlich nicht auf dieser Insel.

Denn es ist völlig abgeschieden,

etwa 400 Kilometer von dem nächsten Philippinischen Dorf.

Dankeschön.

Das zeigt, auf dieser Insel sind eben auch Zivilisten.

Nicht nur Soldaten.

Auf Pagassa leben etwa 200 Zivilisten.

Etwa ein Viertel oder ein Rittel davon sind Kinder.

Und vor etwa 20 Jahren begann man, die Zivilisten hier hinzubringen.

Die Philippinen wollen zeigen,

das ist ein ganz normaler Teil der Philippinen.

Und das ist auch Teil dieser Strategie, wie der Tourismus,

dass man zeigt, das hier ist Philippinen,

das gehört uns und niemand kann uns das wegnehmen.

Und ist das ein ganz normaler Teil der Philippinen?

Nein, wenn man dann ein bisschen rumfragt,

merkt man, dass eigentlich alle diese Zivilisten

irgendwo beim Staat angestellt sind in einer Funktion.

Angeblich sollen sie Fischer sein,

aber das Fischen ist eine Nebenbeschäftigung,

etwas fürs Essen und für den Zeitvertrieb.

Und das ist eigentlich klar, dass das nicht ein normales Dorf ist.

Und auf Pagassa machen wir dann auch wieder ein bisschen Tourismus.

Eine Gruppe geht Fischen,

eben zu der Sandbank,

von der wir ganz zu Beginn gesprochen haben,

die Sandbank, auf der Bredskarsines seine Fahne schwenkt.

Dann warst du da auch dabei?

Nein, das stand eigentlich nicht auf dem Programm.

Ich war im Gespräch mit Dorfbewohnern.

Bredsking ging daneben Fischen

und hat diese Sandbank dann in der Nähe gesehen

und hat die Crew dann kurz überredet, dort Halt zu machen

und auszusteigen.

Er hat es auch so weit geplant,

dass er eben eine Fahne dabei hatte.

Und er hat mir daneben dieses Video nachher gezeigt,

dass er von dieser Sandbank zu gehen.

Das Video ist für ihn wie eine große Toffe

von dieser Reise, die dann nach Hause war.

Also auch ein bisschen eine Mutprobe,

weil die Bedrohung da ja spürbar ist, wie er auch beschreibt.

Ja, die chinesische Präsenz ist sehr eindrücklich.

Wir haben während den ganzen 24 Stunden,

wo wir da waren, war ein riesiges Schiff

der chinesischen Küstenwache

im Kilometer außerhalb des Hafens.

Man konnte da gut lesen, angeschrieben,

China Coast Guard.

Daneben hatten es ganz viele Schiffe

der sogenannten Maritime Militia.

Die sehen aus wie Fischerboote, Fischen aber nichts.

Und die verdrängen andere Schiffe.

Also es ist sehr, sehr stark diese Präsenz.

Und als wir auf der Insel ankamen

und unsere Handys angemacht haben,

macht das Bling, mein Swisscom-Handy macht Bling

und das heißt Willkommen in China.

Also mein Handy hat sich nicht

auf dem schwachen Sender der Philippinen eingelockt,

sondern auf jenem der chinesischen Basis

20 Kilometer entfernt.

Patrick, wenn ich dir zuhör, was du beschreibst,

was du da erlebt hast,

Tourismus, also Touristen in diese

südchinesische Meer bringen,

Zivilisten, die da angesiedelt werden

und eben der militärische Ausbau dieser Inseln,

das sind also Strategien der Philippinen

in Anspruch in diesem südchinesischen Meer zu unterstreichen?

Genau, weil man kann nicht militärisch mithalten,

man kann nicht jedes chinesische Militärchef

mit einem philippinischen Militärchef begleiten.

Also setzt die Philippinen auf andere Mittel,

um zu zeigen, dass diese Linie, die China gezogen hat,

dass die ungültig ist und dass man sich das nicht bieten lässt.

Die Strategie ist klarer geworden seit etwa einem Jahr.

Da haben die Philippinen einen neuen Präsidenten gekriegt.

Und auch wenn diese Strategie der Philippinen sinnvoll erscheint,

das Problem ist, die Lage spitzt sich zu,

es kommt zu brenzligen Situationen,

also es ist ein ungleicher geopolitischer Hanenkampf,

bei dem es auch zu Unfällen kommen kann.

Und offenbar gibt es aber auch Touristen,

wie Garsines, die Teil sein wollen von dieser

philippinischen Strategie.

Genau, ich habe ihn gefragt, ob sich die Reise gelohnt hat,

vor allem auch, weil sie sehr teuer ist.

Sie kostet 1.800 Franken für sieben Tage.

Und er hat ohne zu sagen gesagt, ja, es hat sich absolut gelohnt.

Vor allem der Besuch auf der Sandbank.

Was ich recht witzig fand, er hat am gleichen Tag,

als er auf der Sandbank war, auch noch den größten Fisch

seines Lebens gefangen, ein 10-Kilo-Schwerer,

Goldener, ich glaube Ruby Snapper, sagen Sie dem,

wunderschöne Fisch.

Aber für ihn war das nicht das größte Erlebnis.

Um das Fischen ging es auf dieser Reise nur ganz am Rande.

Sag mal Patrick, würdest du das Anderen denn jetzt empfehlen,

so eine Spritztour ins südkinesische Meer,

so im Fahrtkreuz Peking, wie du es beschreibst?

Es ist aussergewöhnlich, es ist spannend,

wenn eine gemütliche Strandferie in die Welt geht, besser woanders.

Vielen Dank für deinen Besuch bei uns.

Lieber Patrick, grüße nach Taiwan.

Danke auch dir.

Das war unser Akzent.

Produzent dieser Folge ist Simone Schaffer.

Ich bin Marlene Nöhler, bis bald.

Copyright WDR 2021

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Das Südchinesische Meer ist ein Hotspot geopolitischer Spannungen. Auch die Philippinen stehen hier mit der Grossmacht China im Streit um Seemeilen und Ressourcen. Sogar Touristen setzen sie dabei ein.

Heutiger Gast: Patrick Zoll

Host: Marlen Oehler

Produzent: Simon Schaffer

Weitere Informationen zum Thema: https://www.nzz.ch/international/suedchinesisches-meer-philippinen-nutzen-touristen-gegen-china-ld.1749776

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