Die Dunkelkammer – Der Investigativ-Podcast: #22 Russland-Sanktionen: Lärchen aus Kirgisistan / Der Fall Miklautz: Eine Staatsanwaltschaft auf Gerüchtejagd

Michael Nikbakhsh Michael Nikbakhsh 6/30/23 - Episode Page - 16m - PDF Transcript

Österreich ist nicht ganz dicht. Genau genommen sind es unsere Wände, Fenster, Türen und Dächer, die nicht ganz dicht sind.

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Herzlich Willkommen in der Dunkelkammer. Mein Name ist Michael Nickbarsch. Ich bin freier Journalist und beschäftige mich mit mächtigen Menschen.

Also genauer mit der dunklen Seite der Macht.

Das ist die 22. Ausgabe der Dunkelkammer und heute bin ich auf dem Holzweg. Das im wahrsten Sinne.

Da geht es tatsächlich um den internationalen Holzhandel. Ich war Teil eines Recherchkollektivs, das sich auf die Spur illegaler Holzimporte aus Russland gemacht hat.

Illegal deshalb, weil russisches Holz seit dem Feuer unter Sanktionen steht, also es darf zum Beispiel nicht in die Europäische Union eingeführt werden.

Es wird aber über Drittländer wie Kasachstan, Kyrgyzstan und die Türkei trotzdem eingeführt und das landet auch in Österreich.

Das Bundesamt für Wald, das ist die für den Holzhandel zuständige österreichische Behörde, hat schon vor Monaten mehrere verdächtige Lieferungen ausgeforscht.

Es gab dann auch Anzeigen gegen drei involierte Firmen, drei Staatsanwaltschaften waren damit befasst, aber wie das oft einmal in Österreich so ist, am Ende kam nichts dabei raus.

Was da passiert ist und was nicht, das erzähle ich gleich.

Vorneweg ein Nachzieher zur Causa Franz Mitlauts, dem ich in der vorangegangenen Episode beschäftigt habe.

Okay, das Justizministerium hat die Ermittlungen gegen den Journalisten einstellen lassen.

Er hat seinen Laptop und sein Handy hoffentlich wirklich versiegelt, also ungeöffnet, wiederbekommen.

Die Oberstaatsanwaltschaft Graz hat der Staatsanwaltschaft Klagenfurt eine Sensibilisierung in Sachen Redaktionsgeheimnisse angedein lassen.

Und jetzt sagen wir halt, gut ist gegangen, nichts ist geschehen.

So kann man es natürlich machen, aber mir lässt das trotzdem keine Ruhe.

Und das umso mehr, als ich jetzt auch langsam überblicke, wie die Staatsanwaltschaft Klagenfurt die Verdachtslage gegen den Journalisten konstruierte, um eine Sicherstellung seiner Arbeitsgeräte zu legitimieren.

Am Anfang stand ein Gerücht, ja tatsächlich ein Gerücht.

Die Staatsanwaltschaft Klagenfurt hat Franz Mitlauts zum Beschuldigten gemacht, weil es das Gerücht gab, dass ein Beamter der Stadt Klagenfurt Geldprobleme hatte

und deshalb interne Daten aus der IT des Klagenfurtermagistrats weiterverkauft haben könnte.

So steht das zumindest in einer Sachverhaltsdarstellung der Stadt Klagenfurt, die im März dieses Jahres an die Staatsanwaltschaft Klagenfurt geschickt wurde und die ein wichtiger Baustein in dieser Causa ist.

Ich habe diese Sachverhaltsdarstellung jetzt vor mir liegen und ich lese euch die darin beschriebene Verdachtslage vor. Ich zitiere.

Es wird verschiedentlich kollportiert. Der Erstverdächtige, also das ist einer der beiden Beamten, die interner des Klagenfurtermagistrats gelegt haben sollen,

dieser Erstverdächtige habe aufgrund der erfolgten Scheidung und seiner Suspendierung einen finanziellen Engpass

und habe im familiären Umfeld um finanzielle Unterstützung gebeten und bei dieser Gelegenheit gegenüber einer seiner vormaligen Eegatinen, also das ist Singular und Plural,

weil es offenbar mehrere gibt, also er habe gegenüber einer seiner vormaligen Eegatinen die endgeltliche Weitergabe von Daten aus seinem beruflichen Umfeld an eine Online-Plattform erwähnt.

Zitat Ende. Also da steht, dass es das Gerücht gibt, dass ein offenbar mehrfach geschiedener Beamter der Stadt Klagenfurt eine oder mehrere seiner Exformen um Geld angeschnort habe

und bei der Gelegenheit einer oder allen erzählt hat, dass er schon nebenbei unter der Hand geheime Daten weiterverkauft, wobei er offenbar nicht erwähnt hat,

wem er diese Daten verkauft oder ist von einer Online-Plattform die Rede.

Und obwohl der Name Franz Miklotz noch nicht einmal Teil dieses Gerüschts war und wohl diese ganze Geschichte noch etwas Hanebüchen klingt in der Form,

ließ die Staatsanwaltschaft Klagenfurt die Arbeitsgeräte des Journalisten sicherstellen.

Franz Miklotz selbst legt übrigens ausdrücklichen Wert auf die Feststellung, das hat er mir mehrfach in Gesprächen gesagt, dass er den Beamten, um den es da geht, überhaupt nicht kennt.

Die Staatsanwaltschaft Klagenfurt hat anscheinend so viele freie Ressourcen, dass sie selbst Gerüchten mit aller Entschlossenheit nachgehen kann.

Das ist schon beeindruckend.

Ich hatte bisher eigentlich immer nur von Staatsanwaltschaften gehört, die kaum genügend Personal haben, um echte Kriminalfälle zu lösen.

Wieder etwas gelernt.

Dass es am Ende klimflich ausgegangen ist, ist letztlich dem Justizministerium geschuldet, wo derzeit Bundesministerin Alma Sadić Dienst versieht.

Aber sie wird jetzt nicht ewig da sitzen.

Und wer weiß, wie ein Justizministerium unter anderer Führung in einem ähnlichen Fall in Zukunft entscheiden würde?

Franz Miklotz hat seine Arbeitsgeräte jedenfalls wieder, die waren ja, wie es ist, immer versiegelt und unangetastet.

Aber er lässt die Hardware jetzt von Spezialisten zur Sicherheit noch einmal untersuchen, nur dass ihm dann niemand heimlich irgendwas installiert hat.

Dafür habe ich volles Verständnis, das würde ich in seiner Situation nicht anders machen.

Reden wir also über russisches Holz oder genauer den illegalen Handel mit russischem Holz.

Holz aus russischen Wäldern war bis zum Überfall auf die Ukraine eines der wichtigen Exportgüter der russischen Föderation.

Und war auch besonders gesucht in der EU und da vor allem die sibirische Lärche.

Die gilt als besonders widerstandsfähig, weshalb sie gerne für Fassaden, Zäune, Terrassenböden, Türen und Fenster verwendet wird.

Im Juli 2022 kam russisches Holz dann auf die EU-Sanktionslisten.

Und das bedeutete, dass der Import von russischem Holz in der Europäischen Union seither bei Strafe verboten ist.

Gut, also nur weil etwas verboten ist, heißt das natürlich nicht zwingend, dass sich jeder daran hält, Sanktionen hin oder her.

Tatsächlich kam Holz aus russischen Wäldern auch nach dem Inkrafttreten des Embaugers im Juli 2022 in die EU und offenbar auch nach Österreich.

Das hat ein Recherchprojekt zu Tage gefördert, an dem ich gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen von Paper Trail Media aus Deutschland,

dem Standard, Profil und dem ORF gearbeitet habe.

Die ersten Ergebnisse dazu wurden am 28. Juni veröffentlicht.

Diese Recherche war quasi die Fortsetzung eines internationalen Projekts namens Deforestation Ink, das im März dieses Jahres veröffentlicht wurde.

Das war ein Projekt des Investigative-Netzwerks ICIJ, das wir eben im März öffentlich gemacht haben.

Ich darf dazu auf die Dunkelkammer Episode Nummer 2 verweisen.

Da habe ich mit Stefan Mehlicher vom Profil über die Dunkelseite des Geschäfts mit Holzgütesiegeln gesprochen.

Und dann haben wir im Team die Arbeit weitergezogen, wobei jetzt eben das Geschäft mit sanktioniertem russischem Holz im Fokus stand.

Was haben wir herausgefunden?

Nun, russisches Holz kommt nicht mehr direkt in die EU.

So einfach ist es natürlich nicht mehr, seitdem die Sanktionen in Kraft sind.

Es kommt aber offensichtlich über Umweg, über Drittstaaten, die selbst keine Sanktionen gegen Russland erlassen haben.

Das Holz geht über Zwischenhändler, es wird teilweise verarbeitet, jedenfalls wird die tatsächliche Herkunft verschleiert.

Russisches Holz kommt nun über die Türkei, es kommt über China, über Kazakhstan und über Kyrgyzstan.

Es kommt in die EU und es kommt eben auch nach Österreich.

Wir haben uns für diese Recherche unter anderem die öffentlich zugänglichen Statistiken angeschaut und die zeigen,

dass die russischen Holzimporte von 2021 auf 2022 weniger überraschend deutlich eingebrochen sind.

Wie gesagt, die Sanktionen galten ab dem 11. Juli, bis dahin war es noch legal, aber dann nicht mehr.

Umgekehrt sind die Holzimporte aus China, aus der Türkei, aus Kyrgyzstan und Kazakhstan von 2021 auf 2022 merklich angestiegen.

Sehr interessant für dich die Zahlen zu Kyrgyzstan.

2021 kam kein einziger Import nach Österreich, der Importwert lag demnach bei 0.

2022 gab es plötzlich Holzimporte aus Kyrgyzstan und das im Wert von fast 300.000 Euro.

Das ist deshalb interessant, weil es sich bei diesen Importen aus Kyrgyzstan offenbar um sibirische Leerche handelte.

In Kyrgyzstan gibt es aber keine sibirische Leerche, wie der Sprecher des Holzhandels in der Wirtschaftskammer Franz Mühlbauer,

meinem ORF-Kollegen Bernd Koschou in einem Interview versicherte.

Mühlbauer nutzte die Gelegenheit auch, um Kolleginnen und Kollegen aus der Holzbranche vorverlockenden Angeboten aus dem Ausland zu warnen

und Bernd Koschou war so freundlich mit dem ORF-Mitschnitt zur Verfügung zu stellen.

Hören wir mal rein, was Franz Mühlbauer da gesagt hat.

Absolut ablehnen, das ist nicht möglich, dass aus Kyrgyzstan sibirische Leerche oder Leerche kommt, das ist unmöglich.

Also solche Angebote absolut ablehnen beziehungsweise zu hinterfragen, was ist da wirklich dahinter.

Aber in dem Fall von Seiten der Holzindustrie kann ich nur sagen, Hände weg von sowas.

Das ist eine absolute Sanktionsumgehung, weil in Kyrgyzstan gibt es keine sibirische oder überhaupt Leerche.

Da muss man vorsichtig sein, also vorsichtig, Hände weg von sowas.

Dass da etwas nicht stimmen kann, das hat sich auch das Bundesamt für Wald gedacht.

Das ist eine staatliche Behörde, die unter anderem den Holzhandel in Österreich überwacht.

Wie uns das Bundesamt für Wald auf Anfrage mitteilte,

ist man bei Kontrollen in Österreich schon vor Monaten auf mehrere verdächtige Lieferungen bei drei österreichischen Holzfirmen gestoßen.

Die Namen wurden uns nicht genannt.

Da ging es um insgesamt rund 250 Tonnen sibirisches Leerchenschnitt Holz und zu einem kleineren Teil um Leerchen Schindl.

In einem Fall kam das Holz direkt aus Russland in den beiden anderen Fällen aus Kyrgyzstan.

Über dem Bundesamt für Wald bestand da aber der Verdacht, nämlich bei den Lieferungen aus Kyrgyzstan,

dass das Holz ebenfalls aus Russland stammte.

Das Bundesamt für Wald hat daraufhin drei Staatsanwaltschaften eingeschaltet und die vermutenden Sanktionsumgehungen angezeigt.

Eine Sachwalztastellung ging an die Staatsanwaltschaft Salzburg, eine nach Innsbruck und eine nach Wels.

Wie gesagt, die Namen der betroffenen Unternehmen werden nicht genannt,

aber die jeweiligen Staatsanwaltschaften wurden nach den jeweiligen Firmensitzenden angeschrieben.

Was genau in den Sachwalztastellungen steht und gegen wen sich diese gerichtet haben,

das wollte uns der Direktor des Bundesamts für Wald, Peter Meier, mit Hinweis auf seine Verschwiegenheitspflicht nicht sagen.

Auch die drei Staatsanwaltschaften wollten auf unsere Fragen hin nicht ins Detail gehen,

aber wir haben immerhin erfahren, dass letztlich alle drei Anzeigen verworfen wurden.

Es gab keine weiterführenden Ermittlungen.

Die Staatsanwaltschaften Salzburg, Innsbruck und Wels standen auf dem Standpunkt, dass die Suppe hier eben zu dünn sei.

In dem Salzburger Fall soll die Bestellung von russischem Holz noch vor Wirksamkeit der Sanktionen erfolgt sein,

was ja bis dahin legal war und in den beiden anderen Fällen,

handelte sich zwar tatsächlich um sanktioniertes russisches Holz, das nach Österreich gekommen war, über Kyrgyzys da,

aber das reichte den Staatsanwaltschaften Wels und Innsbruck nicht um ernsthafte Ermittlungen anzustoßen.

Warum? Man begründet das damit, dass es keinen nachweisbaren Tatvorsatz der handelnden Personen in Österreich gab.

Sie haben also quasi nicht gewusst, was sie da kaufen.

Ich zitiere aus einer Stellungnahme einer Sprecherin der Staatsanwaltschaft Innsbruck,

aufgrund der vorliegenden Beweiseergebnisse ist zwar davon auszugehen, dass dieses importierte Holz ursprünglich aus Russland stammte.

Es war ja doch im konkreten Fall nicht nachzuweisen, dass die Verantwortlichen dieses Tiroler Unternehmens zum Zeitpunkt der Bestellung auch den Vorsatz hatten,

dass es sich da um russisches und demnach gegen die Bestimmungen verstoßendes Holz handelt.

Also die Firma hat offenbar glaubhaft machen können, dass sie zum Zeitpunkt der Bestellung davon ausgegangen ist,

dass das Holz nicht aus Russland, sondern aus Kyrgyzys dann, stammte.

Kyrgyzys dann, das ist dort, wo es laut dem Sprecher des Holzhandels Franz Mühlbauer keine sibirische Lerche beziehungsweise Lerche gibt.

Gut, das Bundesamt für Wald hat uns jedenfalls auch versichert, dass man den Markt weiterhin nach Kräften kontrolliert und verdächtige Leferungen auch zur Anzeige bringen wird.

Ich möchte übrigens an dieser Stelle ausdrücklich die Kommunikationspolitik von Direktor Mayer vom Bundesamt für Wald herausstreichen.

Er war beim Beantworten unserer zahlreichen Fragen und Nachfragen sehr geduldig und auskunftsbereit,

wenn natürlich nur im Rahmen seiner Möglichkeiten, stichwort Amtsgeheimnis.

Apropos Amtsgeheimnis, der Erscheinungstermin des Gesetzesentwurfs zur Informationsfreiheit,

wurde von Caroline Edstadler eben mal wieder verlegt in den Herbst, wobei ich mir jetzt nicht ganz sicher bin, welches Jahr sie gemeint hat.

Wir werden es erdulden.

Ich fasse die heutige Episode zusammen.

Die Staatsanwaltschaft Klagenfurt nimmt ein Gerücht her, um daraus eine Verdachtslage gegen einen Journalisten zu konstruieren und im Handy und Laptop abnehmen zu lassen.

Umgekehrt verwirft die Staatsanwaltschaft Innsbruck die Anzeige einer anderen Behörde gegen eine Terola Firma,

weil die Verantwortlichen dort versichern, dass sie keine Ahnung hatten, dass ihre Holzlieferung aus Kekisistan eigentlich aus Russland stammte.

Da zitiere ich doch gleich noch einmal den Sprecher des Holzhandels Franz Müllbauer.

Es ist nicht möglich, dass aus Kekisistan sibirische Lärche oder Lärche kommt.

Das ist unmöglich.

Österreich, das Land, in dem Unmögliches möglich wird und zugleich Mögliches unmöglich.

Das war die heutige Ausgabe der Dunkelkammer.

Ich hoffe einmal mehr. Es hat euch gefallen. Zögert nicht, mir konstruktives Feedback zu schicken, mich zu bewerten.

Nachrichten bitte an redaktion.eddunkelkammer.at.

Danke fürs Zuhören. Bleibt mir gewogen. Ihr hört von mir.

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Die Recherchen zu den Umgehungen der Russland-Sanktionen waren Teil einer Kooperation von Journalistinnen und Journalisten von paper trail media, Der Standard, profil, ORF und Die Dunkelkammer. 

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