Die Dunkelkammer – Der Investigativ-Podcast: #12 Wie kaputt ist das öffentliche Wiener Spitalswesen?

Michael Nikbakhsh Michael Nikbakhsh 5/5/23 - Episode Page - 14m - PDF Transcript

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Herzlich Willkommen in der Dunkelkammer. Mein Name ist Michael Nickbosch, ich bin freier Journalist und beschäftige mich mit mächtigen Menschen.

Also genauer, mit der dunklen Seite, der Macht.

Das ist die zwölfte Ausgabe der Dunkelkammer und heute geht es um eine sensible Frage.

Wie kaputt ist das öffentliche Spitalswesen in Wien?

Das öffentliche Spitalswesen in Wien, es ist das sogenannte Wiener Gesundheitsverbund Kurz Wiegev.

Bis 2020 ist das Ding übrigens noch Krankenanstaltenverbund Kurz KAV oder KAV.

Das ist ein Rechtsträger der Stadt Wien, der in Wien acht Kliniken, neun Pflegerhäuser und dazu ein Therapiezentrum in Niederösterreich betreibt.

Der Wiegev hat rund 30.000 Beschäftigte und auf seiner Website bezeichnet man sich selbst als Rückgrat der Gesundheitsversorgung der Stadt Wien.

Und um beim Bild zu bleiben, dieses Rückgrat verursacht mittlerweile schlimme Schmerzen. Diagnose Personalmangel.

Den Wiener Gemeindespitelern gehen die qualifizierten Arbeitskräfte verloren.

Es fehlt dann Pflegepersonale als Federn, Fachärztinnen und Fachärzten.

Und aus der Sicht der Patientinnen und Patienten heißt das zunehmend oft, bitte warten.

In den vergangenen Wochen häuften sich die Fehlermeldungen.

Hilferufe des medizinischen Personals machen die Runde.

Die Wiener Ärztekammer spricht längst von Patienten gefährdenden Rahmenbedingungen bzw. von Missständen.

Offensichtlich wollen sich viele Leute einen Pflegejob in einem öffentlichen Wiener Spital einfach nicht mehr antun.

Jedenfalls nicht zu den Arbeits- und Gehaltsbedingungen, die die Stadt Wien bietet.

Und soweit die Ärzteschaft betrifft, machen sich Pensionierungen bemerkbar, die nicht durch frische Kräfte ersetzt werden können.

In der Klinik Favoriten zum Beispiel, die ist früher übrigens Kaiser Franz Josef Spital,

gibt es massive Engpässe im Bereich der Anästhesie, weil dort Anästhesistinnen und Anästhesisten fehlen, was zu immer längeren OB-Wartezeiten führt.

Anfang April berichtete die Kronenzeitung, dass der neue Primar der Anästhesie wegen der Zustände dort nach nur drei Monaten im Amt wieder hingeschmissen hatte.

In der Klinik Dronaustadt, dem früheren SMZ Ost, fehlen der Neurochiorgie, der hat viele Pflegekräfte,

das zuletzt sogar von einer Sperre der gesamten Abteilung spätestens ab Juli 2023 die Rede war, wie der Standard Mitte April berichtete.

In der Klinik Otterkring, also dem einstigen Wilhelminen-Spital, gibt es wiederum Engpässe in der Radiologie,

dazu fehltsam Pflegekräften, Unfallkirurginnen und Kirurgen.

Und auch im AKH sind wegen des Pflegekräftemangels die OB-Kapazitäten beeinträchtigt.

Also wehe dem, der sich in Wien, der z.B. in der Urologie um einen Operationstermin oder eine Steinbehandlung anstellen muss.

Vor einigen Tagen wurden mir nun weiterführende Informationen zugespielt,

denn nachher zum 27. April eine Sitzung des Wiegelfmanagements mit Vertretern der Wiener Krankenanstalten gegeben, wo weitere Probleme angesprochen wurden.

Laut vertraulichen Unterlagen, die ich einsehen konnte, ist z.B. auch der notfallmedizinische Bereich eine Baustelle.

So gibt es wie weit sieben sogenannte zentrale Notaufnahmen, denen nach und nach die Ärztinnen und Ärzte ausgehen.

Von insgesamt 176 ärztlichen Dienstbosten in den Wiener Notaufnahmen sind derzeit nur 142 besetzt, 34 sind offen.

Und wenn nichts geschieht, wird sich die Zahl der unbesetzten Stellen in den kommenden Jahren annähernd verdoppeln.

In der Klinik Favoriten führt der anesthesisten Mangel auch dazu,

dass im notfallmedizinischen Bereich sogenannte Diensträder nicht mehr ordnungsgemäß besetzt werden können,

was bei mehreren kirurgischen Notfällen gleichzeitig zu einem Problem wird.

Im neugebauten OP-Zentrum steht offenbar die Hälfte der OPs.

In der Klinik Otterkring, wiederum hat der Personalmangel bereits dazu geführt,

dass von drei unfallkirurgischen Stationen mittlerweile eine geschlossen ist und eine zweite wackelt.

Laut einer der Sitzungsunterlagen hat die ärztliche Leitung der Klinik Otterkring die Wiegefleitung am 27. Apriler vorgewarnt,

dass der Betrieb einer weiteren Station nicht aufrechterhalten werden könne, wenn man nicht mehr Personal bekomme.

In Otterkring fehlt einerseits und wie praktisch überall auch an qualifizierten OP-Pflegefachkräften.

Es fehlt aber auch an unfallkirurginnen und kirurgen.

Demnach sind auf der Unfallkirurgie in Otterkring von 36 ärztlichen Dienstbosten, derzeit überhaupt nur 19 besetzt, also kaum mehr als die Hälfte.

Und von 10 Ausbildungsbosten sind gar nur 5 besetzt, die Hälfte.

Eine Zahl noch in Otterkring hatten die Unfallkirurgie und die Gefäßkirurgie bis jetzt zusammen 138 Stunden OP-Zeit im Monat.

Mittlerweile sind es nur noch 98, das ist ein Minus von fast 30 Prozent.

So, genug der Zahlen. An dieser Stelle wird mich jetzt eure Erfahrungen mit dem öffentlichen Spitalswesen in Wien interessieren.

Was habt ihr in jüngerer Vergangenheit erlebt? Welche Erfahrungen habt ihr zum Beispiel in Bezug auf OP-Wartezeiten gemacht oder auf die Behandlungsqualität?

Haut in die Tasten und schreibt mir an redaktion.at.

Die Adresse findet ihr auch in den Show Notes zu dieser Episode.

Die Einladung richtet sich natürlich auch an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Spitäler.

Ich behandle jeden Hinweis selbstverständlich vertrauensvoll.

Ich wiederhole redaktion.at.

Redaktion, das klingt jetzt natürlich cooler als es ist, wenn diese Redaktion besteht tatsächlich nur aus mir.

Schauen wir mal, was da zusammenkommt und schauen wir, ob der politisch zuständige Stadtrat Peter Hacker von der SPÖ bei nächster Gelegenheit in der Dunkelkammer vorbeischaut.

Eine Einladung an sein Büro ist jedenfalls ergangen.

Und was macht nun das Management des Wiegev?

Ich habe der Pressysteller dazu eine Anfrage geschickt und bekam auch schnell eine Antwort.

Ich lese daraus mal auszugsweise vor.

Es ist kein Geheimnis, dass wir aufgrund der seit Langem auch öffentlich breit diskutierten Umstände einen steigenden Fachkräftepedarf insbesondere in der Pflege haben.

Der Fachkräftemangel betrifft aber nicht nur Österreich, sondern ganz Europa.

Wir sind uns dessen bewusst, dass wir bedingt durch die demografische Entwicklung und die postpandemische Situation europaweit im Gesundheitsbereich in Mangel-Situationen kommen.

Unsere Aufgabe ist es, auch angesichts dieser herausfordernden Rahmenbedingungen jederzeit die Spitalsversorgung für die Wiener Bevölkerung sicherzustellen.

Zitat Ende.

EK. Darum geht es ja.

Sicherstellung der Spitalsversorgung.

Aber wie geschieht das nun?

Man versucht es mit Anreizten.

Mit einer Anwerbeprämie zum Beispiel.

Wer ein neues Personal anwirbt, soll einen Bonus von 1000 Euro bekommen.

Pflegerinnen und Pfleger, die kurzfristig auf fremden Stationen einspringen, z.B. die Legionärsdienste leisten, die bekommen nun 500 Euro Prämie extra.

Darüber hinaus will man nun auch vermehrt pensionierte Ärzte reaktivieren.

Teilweise werden Leistungen auch bei privaten Anbietern eingekauft, also z.B. die Befundauswertung durch Radiologen.

Hauptsächlich wird aber versucht, Ressourcen umzuschichten.

Also das sollen jetzt z.B. Anesthesistinnen und Anesthesisten anderer Häuser in der Klinik favoriten aushelfen,

bzw. werden kleinere Leistungen von anderen Häusern übernommen.

Aber weil ja faktisch überall Ressourcen fehlen, wird das Problem damit sicher nicht gelöst.

Ich komme noch mal zurück auf das Wiegef-Management-Meting vom 27. April,

wo die Pflegeleitung der Unfallcheorologie der Klinik Otterkring unter anderem mitteilte,

dass man in der Pflege derzeit keine Bewerbung vorliegen habe, keine einzige.

Klar, ich meine, der Arbeitsdruck ist gerade im intensivmedizinischen Bereich enorm,

die einfachen Gehälter sind es nicht und gerade Corona war da auf vielen Ebenen ein Wendepunkt.

Aber wenn man für einen Job so gar kein Personal findet,

dann liegt es ja möglicherweise auch an den Arbeitsbedingungen oder am Gehalt oder eben an beiden.

Und der Wiegef hat viele Jobs zu besetzen.

Laut der Anfragebeantwortung sind in der Pflege derzeit 550 Stellen offen,

im ärztlichen Bereich etwa 140.

Ich hatte übrigens auch gefragt, ob das Wiegef-Management eigene Versäumnisse sieht

und wenn ja, welche.

Diese Frage blieb unbeantwortet.

Was sagt nun die Personalvertretung der im Gesundheitsbereich tätigen Gemeindepediensteten dazu?

Ich habe den Vorsitzenden Edgar Martin angeschrieben und er hat sehr ausführlich und schnell geantwortet.

Der Personalvertreter führt mehrere Gründe an.

Da wär mal eine Pensionierungswelle von der alle Beteiligten schon vorher an wussten, wie er selber schreibt.

Mittlerweile gehen aber auch mehr Leute trotz Abschlägen früher in Pension.

Dazu hat die Teilzeitrate eklatant zugenommen.

Auch die Bewerbung ein Gehen zurück hat natürlich auch mit der postpandemischen Situation zu tun

und das so gerade im Pflegebereich für massive Engpässe.

Edgar Martin schreibt, ein weiteres Problem ist der Qualifikationenmix.

Der gehobene Dienst ist endverantwortlich und hat über die Assistenzkräfte die Aufsicht.

Fehlt nun auf einer Station zu viel gehobenes Personal,

kann mit Assistenzkräften, also Pflegeassistenz oder Pflegefachassistenz,

das Auslangen gefunden werden.

Zitat Ende.

Laut dem Personalvertreter fehlen im Pflegebereich in Wien übrigens derzeit rund 800 Leute.

Der WGF spricht ja von 550 offenen Stellen.

Ich zitiere weiter aus Herrn Martin's Antwort.

In der Berechnung für das Personal werden regulär zwischen 20 und 25 % Absenz mit einkalkuliert.

Diese Absenz setzt sich zusammen aus dem gesetzlichen Urlaubsanspruch

beziehungsweise den Gutstunden nach dem Nachtschwerarbeitsgesetz.

Diese Gutstunden wurden personell nie ersetzt.

Man konnte also feststellen, dass die Pflege im Schnitt so viele Überstunden machen musste,

wie sie Gutstunden nach dem Nachtschwerarbeitsgesetz erhält.

Wenn nun noch 800 Köpfe fehlen, die ist gekoppelt mit einer hohen Ausfallsrate wegen Krankheits,

je Grippewelle, je Covid und sich das Fehlen von Fachkräften noch in bestimmten Bereichen konzentriert,

treten eben genau diese Probleme zu Tage wie jetzt.

Und er schreibt auch, wenn in einem Bereich Führungskräfte in Phasen von steigenden Druck

mit noch mehr Druck agieren, steigt die Fluktuation.

Sehr oft ist das Team, die Arbeit im Team ein Alleinstellungsmerkmal

und wichtiger Grund für das Verbleiben am Arbeitsplatz.

Gehen die falschen Personen, können ganze Teams gehen.

Kann eine Führungskraft ohne Konsequenzen mit strenger Hand und Autorität agieren,

führt dies ebenso zu hoher Fluktuation.

Häufiges Einspringen, noch dazu auf anderen Stationen, führt auch zur Fluktuation.

Wenn du in bestimmten Bereichen zu wenig Personal hast, dann hält der Dienstplan nicht.

Häufiges Einspringen ist dann an der Tagesordnung, der Druck verteilt sich auf immer weniger Köpfe.

Ein Teufelskreis. Zitat Ende.

Ja, und laut Herrn Martin kann man zwar nach mehr Personal rufen,

aber das lässt sich eben kaum erfüllen, weil eben alle Personalsuchungen,

nicht nur in Wien, nicht nur in Österreich, europaweit und am Markt, das einfach nicht hergibt.

Dadurch steigt der Druck bei den Verbleibenden und noch mehr Leute geben.

Ja, und Edgar Martin sagt auch, dass die Talsohle seines Erachtens leider noch nicht erreicht sei.

Dann gibt es doch noch einiges zu besprechen, weshalb ich Edgar Martin gleich einmal in die Dunkelkammer eingeladen habe.

Er hat auch bereits zugesagt, mehr dazu gibt's bald.

Das war die zwölfte Ausgabe der Dunkelkammer und ich hoffe einmal mehr, es hat euch gefallen.

Wünsche, Anregungen und natürlich auch Beschwerden könnt ihr ab sofort gerne an redaktion.at.

Die Dunkelkammer.at richten. Wie gesagt, die Redaktion besteht eh nur aus mir.

Bleibt mir gewogen, ihr hört von mir.

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Die  13. Ausgabe der Dunkelkammer behandelt den Zustand des öffentlichen Wiener Spitalswesens, Stichwort: Personalmangel.

Den Wiener Gemeindespitälern gehen die qualifizierten Arbeitskräfte verloren – es fehlt an Pflegepersonal, es fehlt an Fachärztinnen und Fachärzten. 

Aus Sicht der Patientinnen und Patienten heißt es zunehmend oft: bitte warten.

In den vergangenen Wochen häuften sich die Fehlermeldungen, Hilferufe des medizinischen Personals machen die Runde, die Wiener Ärztekammer spricht längst von patientengefährdenden Rahmenbedingungen beziehunsgweise von Missständen.   

Offensichtlich wollen sich viele Leute einen Pflegejob in einem öffentlichen Wiener Spital einfach nicht mehr antun, jedenfalls nicht zu den Arbeits- und Gehaltsbedingungen, die die Stadt bietet.   

Und soweit es die Ärzteschaft betrifft, machen sich Pensionierungen bemerkbar, die nicht durch frische Kräfte ersetzt werden können. 

Ich zitiere aus internen Unterlagen des Wiener Gesundheitsverbundes (WIGEV) und aus Anfragebeantwortungen - und lade dazu ein, Erfahrungsberichte zu teilen. Schreibt an: redaktion@diedunkelkammer.at